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Die Welt im Blick

von Margit Binz

Predigtdatum : 11.01.2015
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Epiphanias
Textstelle : Matthäus 2,1-12
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Margit Binz, Pfarrerin
(Sonntag nach) Epiphanias 11.1.2015, R I
Mt 2,1-12: Die Weisen aus dem Morgenland

Die Gnade Jesu Christi und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Gemeinde,

der Predigttext für den heutigen Sonntag ist die sagenhafte Geschichte von den Weisen aus dem Morgenland. Sie steht im Matthäusevangelium und nur dort. Die anderen Evangelien erwähnen keine Weisen, Könige oder – wie es eigentlich im Text heißt – Magier, die einem Stern folgen. Nur das Matthäus-Evangelium hat diese Geschichte. Sie steht im 2. Kapitel, und wir hören sie jetzt:

1 Als Jesus geboren war in Bethlehem in Judäa zur Zeit des Königs Herodes, siehe, da kamen Weise aus dem Morgenland nach Jerusalem und sprachen: 2 Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern gesehen im Morgenland und sind gekommen, ihn anzubeten. 3 Als das der König Herodes hörte, erschrak er und mit ihm ganz Jerusalem, 4 und er ließ zusammenkommen alle Hohenpriester und Schriftgelehrten des Volkes und erforschte von ihnen, wo der Christus geboren werden sollte. 5 Und sie sagten ihm: In Bethlehem in Judäa; denn so steht geschrieben durch den Propheten (Micha 5,1): 6 »Und du, Bethlehem im jüdischen Lande, bist keineswegs die kleinste unter den Städten in Juda; denn aus dir wird kommen der Fürst, der mein Volk Israel weiden soll.« 7 Da rief Herodes die Weisen heimlich zu sich und erkundete genau von ihnen, wann der Stern erschienen wäre,
8 und schickte sie nach Bethlehem und sprach: Zieht hin und forscht fleißig nach dem Kindlein; und wenn ihr's findet, so sagt mir's wieder, dass auch ich komme und es anbete. 9 Als sie nun den König gehört hatten, zogen sie hin. Und siehe, der Stern, den sie im Morgenland gesehen hatten, ging vor ihnen her, bis er über dem Ort stand, wo das Kindlein war. 10 Als sie den Stern sahen, wurden sie hocherfreut 11 und gingen in das Haus und fanden das Kindlein mit Maria, seiner Mutter, und fielen nieder und beteten es an und taten ihre Schätze auf und schenkten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe. 12 Und Gott befahl ihnen im Traum, nicht wieder zu Herodes zurückzukehren; und sie zogen auf einem andern Weg wieder in ihr Land.

Um diese Geschichte von den Weisen aus dem Morgenland ranken sich viele Legenden. Schöne, interessante Legenden, die nicht unbedingt einen Anhaltspunkt im biblischen Text haben, aber das macht nichts. Denn schon der biblische Text trägt sagenhafte Züge und regt Legendenbildung geradezu an.

Dass es 3 sind, die da kommen, ist so eine Legende. Es steht nicht im Text. Es könnten auch 2, 7, 8 oder jede erdenkliche Zahl von Weisen sein.
Dass es Könige sind, ist auch eine Legende. Eigentlich steht im griechischen Text Magoi, also Magier. Magier waren im Altertum Menschen, die sich mit Sternenkunde und Astrologie befassten. Das stand besonders in Babylonien, also in Persien, im heutigen Iran, hoch im Kurs. Es werden in der Bibel öfter Sterndeuter auch als Ratgeber von Königen erwähnt, im Buch Daniel zum Beispiel. Aber Jesus zur Geburt drei Magier oder Sterndeuter zuzugesellen, war dann später vielleicht doch manchen etwas zu heiß und so wurden Könige daraus. Luther übersetzt das Wort mit Weise. Das ist auch schön.

In der Legende wurden den Königen dann auch Namen gegeben: Caspar, Melchior und Balthasar. Es heißt, einer von ihnen sei aus Afrika, der andere aus Asien und der dritte aus Persien gekommen. Aaahhh! Und so sind sie auf alten Bildern auch dargestellt: Drei sagenumwobene, geheimnisvolle Könige aus fernen und fremden Ländern mit unterschiedlicher Hautfarbe und – auch das manchmal ganz offensichtlich – mit unterschiedlicher religiöser Zugehörigkeit, alle friedlich vereint auf dem Weg. Sie sind ein wunderbares Bild für Völkerverständigung, für internationale und interreligiöse Freundschaft, Anerkennung und Neugier. Und hierin liegt für mich die aktuelle Bedeutung dieser Geschichte! Darauf komme ich noch zurück.

Von all diesen späteren Legenden weiß das Matthäus-Evangelium noch nichts. Aber wie gesagt: Das macht nichts, denn sie gehen in die richtige Richtung. Historisch gesehen, ist die Geschichte von den Sterndeutern sowieso fraglich. Es handelt sich hier um eine theologische und nicht um eine historische Geschichte. D.h. man muss diese Geschichte symbolisch verstehen, erst dann erkennt man ihren Sinn.

Im Matthäusevangelium sind die Sterndeuter wichtig, um die göttliche und königliche Herkunft Christi zu bezeugen. Sie sind unter den ersten, die seine Bedeutung erkennen!
Diese Fremden bringen dem neugeborenen König Achtung und Wertschätzung entgegen und kostbare Geschenke natürlich. Sie verleihen ihm Anerkennung und internationales Flair – sozusagen.

Der eigene König – Herodes – jedoch nicht! Der ist ein Tyrann und trachtet Christus nach dem Leben.
Das stellt alles auf den Kopf. Das will das Matthäusevange-lium auch und das geht weiter so in der Geburtsgeschichte:
Im eigenen Land ist Christus nicht sicher, denn Herodes läßt – wie seinerzeit der Pharao zu Moses Geburt – die neugeborenen Jungen töten. Christus muss also fliehen. Und wohin? Nach Ägypten. Nun ist Ägypten das Land der Sklaverei, aus dem Mose die Israeliten herausgeführt und befreit hat. Doch ausgerechnet Ägypten bietet Christus Zuflucht. Auch hier steht wieder alles auf dem Kopf. Der Messias muß fliehen. Und das frühere Land der Sklaverei bietet ihm Sicherheit. Matthäus inszeniert die Geburt Jesu quasi in Anlehnung an die Geburt Mose. Jesus durchläuft im Zeitraffer noch einmal die gesamte Geschichte Israels, nur irgendwie andersrum, auf dem Kopf.

Für Matthäus ist es einerseits wichtig, dass Jesus wie ein zweiter Mose ist und voll in der jüdischen Tradition steht. Er zitiert ständig aus dem Alten Testament. Das Matthäus-Evangelium ist das Evangelium mit den meisten Schriftzitaten (Damit ward erfüllet das Wort..., oder: Wie geschrieben steht durch...). Damit soll belegt werden, dass Jesus der verheißene Messias ist. Und gleichzeitig ist es im Matthäusevangelium wichtig, dass Jesus und seine Anhänger über den eigenen Tellerrrand hinausschauen und die ganze Welt im Blick haben. Und dafür stehen die Weisen aus dem Morgenlande.

Mit diesen Weisen oder Magiern aus dem Morgenland befindet sich Jesus gleich in internationaler und interreligiöser Gesellschaft und das will Matthäus so.
Diese Gesellschaft ist ein bisschen zweifelhaft vielleicht. Man weiß nicht ganz, was das für Gestalten sind, diese Magier. Sie sind fremd und phantastisch unbekannt. Sie kommen und erweisen ihm die Ehre. Und dann verraten sie ihn nicht, sondern kehren auf einem anderen Weg, vorbei an Herodes, in ihr Land zurück und kommen nie wieder vor. Sie werden nicht missioniert und missionieren auch nicht. Sie sind einfach nur da. Neugierig, voller Anerkennung und Wertschätzung.

Wie schon gesagt: In der späteren Legende werden die Magier dann zu Königen und stehen für die gesamte bekannte Welt, nämlich Afrika, Asien und Persien. Und zusammen mit dem neu geborenen jüdischen König sind sie ein wunderbares Bild für internationale und interreligiöse Freundschaft, Anerkennung und Neugier. Schauen Sie sich beim Rausgehen mal die Krippe da hinten an. Einer der Könige ist da als Buddhist dargestellt.

Über den eigenen Tellerrand hinausschauen, Freundschaft, Anerkennung und Neugier untereinander, das haben wir heute genauso nötig wie früher. Und die Geschichte von den Weisen aus dem Morgenland kann uns darin ein Vorbild sein. In der Geschichte lösen die Weisen keine Angst aus, obwohl sie ja fremd und als Magier etwas zweifelhaft sind. Und sie scheinen auch keine Angst zu haben, weit in die Fremde zu reisen.

Heute gibt es an manchen Stellen Ängste und Befürchtungen in Verbindung mit Menschen, die hier eingewandert oder hierher geflohen sind oder in Verbindung mit anderen Religionen, besonders dem Islam. Stichwort Islamisierung...

Ich möchte jetzt keine politische Predigt halten über Einwanderungs- oder Flüchtlingspolitik. Auch keine moralische Predigt, dass wir alle lieb haben sollen oder müssen. Ich möchte auf der Basis der Geschichte von den Weisen aus dem Morgenland nur dazu ermutigen, über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen und Menschen mit Wertschätzung, Anerkennung und Neugier zu begegnen, egal woher sie kommen. Jede und jeder hat eine Geschichte zu erzählen. Und jeder und jede hat etwas beizutragen zum Gemeinwohl.

Ein Beispiel dafür, wie man so etwas machen kann, Menschen aus aller Welt mit Wertschätzung zu begegnen, könnte der Flüchtlingsarbeitskreis in Heusenstamm sein. Ich habe gehört, wie in vielen anderen Kommunen auch, wurde hier von der Stadt ein Arbeitskreis eingerichtet, um die Unterbringung zu organisieren und zu schauen, wie man die Menschen, die aus Bürgerkriegsgebieten kommen oder andere Kathastrophen hinter sich haben, hier auch sinnvoll begleiten kann. In diesem Arbeitskreis sind verschiedene Einrichtungen vertreten, unter anderem auch die Kirchengemeinde. Das könnte ein Beispiel dafür sein, Menschen aus aller Welt mit Wertschätzung zu begegnen. Es gäbe noch viele andere.

Wenn wir einander mit Wertschätzung, Anerkennung und Neugier begegnen dann ist es so, dass jeder dabei gewinnt, vielleicht nicht gleich Gold, Weihrauch und Myrrhe. Aber andere kostbare Geschenke kann man da gewinnen, wie zum Beispiel einen weiten Blick für die Welt und die Unterschiedlichkeit des Lebens und des Glaubens. Man kann ganz neue Erfahrungen machen und ganz andere Geschichten und Ideen hören.

Im Matthäusevangelium sind die Magier aus dem Morgenland wichtig, weil sie den Blick auf die Welt freigeben. Über das Bekannte hinaus in unbekannte Weiten sozusagen. Und dieser Blick ins Unbekannte tut uns als Christinnen und Christen auch immer wieder gut. Amen.

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.