Menü

Ehrlichkeit beim Spenden

von Rudolf Stein (Paulusgemeinde Wiesbaden)

Predigtdatum : 25.08.2013
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : 11. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle : Matthäus 6,1-4
Wenn Sie diese Predigt als Word-Dokument erhalten möchten, tragen Sie bitte Ihre E-Mail-Adresse ein und klicken Sie auf "Abschicken"
Ihre E-Mail

Predigt

von Prädikant Rudolf Stein

Datum: 25.08.2013

Lesereihe: V

Feiertag: 13. Sonntag nach Trinitatis

Textstelle: Matthäus 6,1-4

Leitbild: über die Ehrlichkeit beim Spenden

Wochenspruch: Christus spricht: Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan. (Matthäus 25,40)

Psalm: 112,5-9



Lesungen

Altes Test.: 1. Mose 4,1-16a

Epistel: 1. Johannes 4,7-12

Evangelium: Lukas 10,25-37



Liedvorschläge

Eingangslied: EG 449, 1+4+8

Wochenlied: EG 343 Ich ruf zu dir, Herr Jesu Christ

oder EG 503, 1+2, 7-9 Geh aus, mein Herz

Predigtlied: EG 632, 1-4 Wenn das Brot das wir teilen

Schlusslied: EG 630, 1-3 Wo ein Mensch Vertrauen gibt



Liebe Gemeinde,

„Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater und unserem Herrn Jesus Christus.“

Gerade haben wir fünf Strophen von dem Sommerlied ‚Geh aus mein Herz und suche Freud’ gesungen. Es ruft uns zu, hinzuschauen auf die Wunder des Sommers, seine Schönheit, die Blüten und Düfte und das Großartige von Sprießen, Wachsen und Fruchten. Wir staunen und im Staunen erkennen wir dann unmittelbar, was uns alles geschenkt wird und wie wenig wir selbst dazu tun können. »Wir pflügen und wir streuen den Samen auf das Land, doch Wachstum und Gedeihen steht in des Himmels Hand«, werden wir bald (zum Erntedank) singen. Wir spüren, ja wir wissen, wie sehr wir selbst Beschenkte, ja Begnadete sind, weil wir teilhaben dürfen an den Gaben der Erde. Alles, was wir brauchen, schenkt uns Gott.

Nicht nur für Essen und Trinken gilt das. Auch wenn wir krank sind oder Leid unsere Herz beschwert, es ist letztlich der Herr, der uns helfen kann. Denn nur er schenkt und erhält unser Leben. Er schickt uns Menschen, mit denen wir Freude teilen und solche, die uns trösten in der Traurigkeit; aus Liebe zu uns Menschen tut er all das. Nach Lohn fragt er nicht.

Wie anders sieht es aus, wenn wir Menschen selbst als Geber auftreten, nicht wenige erwarten oder fordern sogar Lohn. Hören wir das Predigtwort vom Almosengeben aus Mt 6,1-4:

Jesus lehrte seine Jünger und sprach: 1 Habt acht auf eure Frömmigkeit, dass ihr die nicht übt vor den Leuten, um von ihnen gesehen zu werden; ihr habt sonst keinen Lohn bei eurem Vater im Himmel. 2 Wenn du nun Almosen gibst, sollst du es nicht vor dir ausposaunen lassen, wie es die Heuchler tun in den Synagogen und auf den Gassen, damit sie von den Leuten gepriesen werden. Wahrlich, ich sage euch: Sie haben ihren Lohn schon gehabt. 3 Wenn du aber Almosen gibst, so laß deine linke Hand nicht wissen, was die rechte tut, 4 damit dein Almosen verborgen bleibe; und dein Vater, der in das Verborgene sieht, wird dir's vergelten.

Das Geben von Almosen, also den Armen wohl zu tun, gehörte zusammen mit Beten und Fasten zu den Säulen für die frommen Juden. Es hieß, dass die barmherzigen Gabe Sünden tilge und vor der Hölle rette. Dass Zahlungen einen Platz im Himmel sichern können, das kennen wir auch aus dem mittelalterlichen Christentum als Ablaß. Damit hat Martin Luther aufgeräumt. Er hat die Auswüchse dieser Spendenpraxis angeprangert und in der Reformation beseitigt. Denn mit Geld kann sich niemand einen Platz im Himmel kaufen. Von Luther stammt der Satz: Gute Werke machen keinen guten Mann, der gute Mann macht gute Werke. Das Wort Almosen klingt heute freilich ganz anders. Was im Text gemeint ist, nennen wir Spenden.

Schon zur Zeit von Jesus hatte sich offenbar ein Mißbrauch beim Spenden eingebürgert. Deshalb warnt Jesus, mit seinen Spenden zu prahlen, gar in aller Öffentlichkeit. Heuchler nennt er solche Menschen. Sie werden für ihre Spenden keinen Lohn mehr im Himmel bekommen. Stattdessen, so fordert Jesus, soll die Spende verborgen bleiben.

Das nun erscheint uns heute ganz und gar weltfremd. Heute heißt der Slogan: »Tue Gutes und rede darüber« oder auch »Klappern gehört zum Handwerk«.

Denn Spenden sind auch bei uns heute eine zentrale Stütze, um Bedürftigen zu helfen. Spenden werden deshalb professionell eingesammelt, oft von eigens dafür eingestellten Mitarbeitern. Das nennt sich Fund Raising. Die modernen Wohltäter heißen Sponsoren. Von Spendern reden wir nur noch, wenn es um Kleingeld geht. Sogar die Kinder werden eingespannt von den Fund Raisern. In »Charity Runs« zahlen Opas und Tanten für jede Runde, die das Kind läuft, einen Betrag in den Fund. Das Kind lernt zugleich, dass nur Laufen bis zur Erschöpfung oder besonders generöse Verwandte das meiste Geld und damit die höchste Anerkennung einbringen.

Mit den neuen Begriffen ziehen auch ein neues Spender- bzw. Sponsorenverhalten in unsere Gesellschaft ein. Das gute Gewissen beim Spenden genügt nicht mehr, jetzt brüsten sie sich, sie stellen ihre Wohltätigkeit öffentlich zur Schau, möglichst mit viel Brimborium. Großspenden werden pressewirksam zelebriert durch Übergabe plakatgroßer Schecks. Im Fernsehen laufen sogenannte Gala-Abende wie »Ein Platz an der Sonne«, in denen Prominente stundenlang Geld einwerben, für gute Zwecke, wie sie sagen. Wer dort sponsert, wird regelrecht gefeiert, je höher die Spende, umso größer der Jubel. Die Promis scheinen sich für die Armen zu engagieren und präsentieren sich selbst in teuren Designer-Roben, dazu erklingt hymnische Musik. Die Zeitungen drucken schöne Bilder, wieder und wieder wird der edle Spender in der Geste von Großmut gezeigt und gelobt.

Es ist die Frage, ob solcherart erworbene Zahlungen dann noch Spenden sind. Eine Spende wird gegeben ohne eine Gegenleistung zu erwarten, sie ist ein Geschenk. Will ich mich mit einer Zahlung aber bekannt machen als Wohltäter, will ich mein Image aufpolieren, mir einen Namen machen, dann ist das keine Schenkung sondern ein Geschäft unter der Kostenstelle Werbungskosten. Solche Zahlungen mögen Gutes bewirken beim Empfänger, für den Geber sind solche Zahlungen keinesfalls Eintrittskarten in den Himmel, das lehrt uns das Wort Jesu.

Sein Wort ist noch radikaler. Denn es fordert, dass die linke Hand nicht wissen soll, was die rechte tut. Und – man mag es kaum glauben - diese radikale Forderung ist in unserer Gesellschaft tatsächlich realisiert, nämlich als Kirchensteuer. Als Kirchenmitglied zahlt jeder, ohne dass er dafür in irgendeine Weise belohnt oder anerkannt wird, er spendet also im Verborgenen. Das Geld fließt in einen großen Topf, aus dem dann die vielfältigen Aufgaben der Kirche bezahlt werden. Vor allem die Diakonie kann aus diesem Topf die verschiedensten Bedürftigen ordentlich versorgen. Gerade auch in Wiesbaden gibt es viele wertvoller Einrichtung der Diakonie, vom Frühstück für die Obdachlosen bis zum Upstairs-Bus für Straßenkinder. Der Kirchensteuerzahler hat auf diese Ausgaben keinen Einfluß, die rechte Hand weiß also nicht, was die linke tut. Kirchensteuer ist daher echtes Schenkgeld. Bedauerlich finde ich, dass ausgerechnet viele Superreiche sich durch Steuerflucht diesem guten Verteilsystem, das viel Menschlichkeit schafft, entziehen. Geradezu dreist finde ich, wenn solche ‚Steuersparer’ dann mit vergleichsweise kleinen Einzelspenden sich auch noch als Wohltäter präsentieren.

Zudem verschleiern Spenden einzelner an bestimmte Adressen oft die allgemeine Lage. Natürlich geht es auch um ein Dutzend Kinder im Bärenherz-Hospiz in Erbenheim, vor allem aber geht es um die 2,6 Mio Kinder und Jugendlichen unter 18 Jahren, die in Deutschland auf Sozialhilfeniveau oder darunter leben. Und diese Zahl steigt, weil in unserem Land die Schere zwischen Arm und Reich ständig größer wird. Denn auf der einen Seite erfahren immer mehr Menschen unter den Bedingungen von Minirenten oder von Hartz IV, dass ihr Geld kaum bis zum Monatsletzen reicht (z.B. nach einer Scheidung) , während auf der anderen Seite die besonders Wohlhabenden vornehmlich schauen, wo in der Welt sie mit ihrem ungenutzten Geld noch mehr Geld verdienen können. Solches Geld erhöht den Reichtum der Reichen, einen Nutzen für Menschen stiftet es nicht.

Ohne Zweifel brauchen wir aber auch freies Spendengeld, viel Schenkgeld, für die vielfältigsten Aufgaben, die sonst nicht erfüllt werden könnten. Die Beispiele reichen von Naturschutz, Ärzte ohne Grenzen, ökologischem Saatgut, alternative Medizin, Montessori-Schulen bis hin zu Gemeindekreisen und Kirchenrenovierung. Solche Spenden können geleistet werden im Verborgenen. Schön, wenn die Dankbarkeit den Empfänger bewegt, die empfangene Spende zu bestätigen. Dann bleibt das Licht nicht unter dem Scheffel. Denn angesichts der vielfältigen Kanäle, in denen Spendengeld heutzutage unauffindbar verschwindet, wollen wir doch wissen, wie die Spenden den bedürftigen Menschen wirklich helfen.

Aus der Lesung des Evangelium vom barmherzigen Samariter haben wir gehört, wie echte Hilfe geht: Wenn mein Herz sieht, dass mein Tun Hilfe schaffen kann, dann bin ich gefordert. Da gilt es, selbst anzupacken oder mit Geld das Anpacken zu ermöglichen. Denn wir sind zuständig, wir sind verantwortlich. Von öffentlichem Rühmen, vom Ausposaunen der Tat ist keine Rede.

Ein solcher Blick für das Nötige wächst in der Stille, im Herzen. Und Taten, die dort reifen, erfordern oft gar kein Geld. Die meisten Menschen haben die Gabe, Freude zu schenken. Stellen sie sich vor, wie Kinderaugen leuchten, wenn sie unsere Liebe erhalten, z.B. mit einer Geschichte vorm Schlafengehen oder einem Ausflug in die Fasanerie. Andere Menschen können Lichtblicke öffnen, z.B. bei einem Besuch von Einsamen oder Kranken, oder einfach nur Trost schenken wie die Grünen Damen. Wieder andere organisieren Feste oder backen Kuchen oder führen Gesprächskreise in der Gemeinde. und und und Wenn solche Gaben von Herzen kommen, dann ist da keine Eitelkeit, kein Geltungsdurst, dann wachsen auch ohne Fernseh-Gala Dankbarkeit und Gotteslob, so wie wir das im Lied »Geh aus mein Herz ...« gehört haben.

Schauen wir einmal auf Jesus. Nach der Heilung von Kranken oder Behinderten fordert Jesus oftmals Verschwiegenheit von den Geheilten, ja er droht sogar »Seht zu, dass es niemand erfahre« (Mt 9,31f). Genutzt hat es freilich wenig. Aber an seinem Beispiel sehen wir, dass er seine Wohltaten lieber im Verborgenen getan hat. Er mag uns Vorbild sein, dass auch wir im Verborgenen Gutes tun. Denn dort, in der Stille unseres freien Herzens, in der Mitte unseres Wesens, dort lebt schon das Gute, dort bewegt die Not unser Gewissen, dort keimen dann die ehrlichen Taten der Liebe. Die sind es, die zählen. Und der Wochenspruch sagt auch warum:

Christus spricht: Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Geschwistern, das habt ihr mir getan. (Mt. 25, 40)

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen

Verfasser: Prädikant Rudolf Stein, Berliner Str. 197, 65205 Wiesbaden