Wochenspruch: "Wohl dem Volk, dessen Gott der Herr ist, dem Volk, das er zum Erbe erwählt hat!" (Psalm 33,12)
Psalm: 122
Reihe I: Markus 12,28-34
Reihe II: Römer 11,25-32
Reihe III: 2. Mose 19,1-6
Reihe IV: Matthäus 5,17-20
Reihe V: 5. Mose 4,5-20
Reihe VI: Sacharja 8,20-23
Eingangslied: EG+ 35 Kommt herbei, singt dem Herrn
Wochenlied: EG 262 Sonne der Gerechtigkeit
Predigtlied: EG 295 Wohl denen, die da wandeln
Schlusslied: EG 433 Hevenu shalom aleichem
5 Sieh, ich habe euch gelehrt Gebote und Rechte, wie mir der HERR, mein Gott, geboten hat, dass ihr danach tun sollt im Lande, in das ihr kommen werdet, um es einzunehmen. 6 So haltet sie nun und tut sie! Denn darin zeigt sich den Völkern eure Weisheit und euer Verstand. Wenn sie alle diese Gebote hören werden, dann müssen sie sagen: Was für weise und verständige Leute sind das, ein herrliches Volk! 7 Denn wo ist so ein herrliches Volk, dem Götter so nahe sind wie uns der HERR, unser Gott, sooft wir ihn anrufen? 8 Und wo ist so ein großes Volk, das so gerechte Ordnungen und Gebote hat wie dies ganze Gesetz, das ich euch heute vorlege? 9 Hüte dich nur und bewahre deine Seele gut, dass du nicht vergisst, was deine Augen gesehen haben, und dass es nicht aus deinem Herzen kommt dein ganzes Leben lang. Und du sollst deinen Kindern und Kindeskindern kundtun 10 den Tag, da du vor dem HERRN, deinem Gott, standest an dem Berge Horeb, als der HERR zu mir sagte: Versammle mir das Volk, dass ich sie meine Worte hören lasse und sie mich fürchten lernen alle Tage ihres Lebens auf Erden und ihre Kinder lehren. 11 Da tratet ihr herzu und standet unten an dem Berge; der Berg aber stand in Flammen bis in den Himmel hinein, und da war Finsternis, Wolken und Dunkel. 12 Und der HERR redete mit euch mitten aus dem Feuer. Den Klang der Worte hörtet ihr, aber ihr saht keine Gestalt, nur eine Stimme war da. 13 Und er verkündigte euch seinen Bund, den er euch gebot zu halten, nämlich die Zehn Worte, und schrieb sie auf zwei steinerne Tafeln. 14 Und der HERR gebot mir zur selben Zeit, euch Gebote und Rechte zu lehren, dass ihr danach tun sollt in dem Lande, in das ihr zieht, es einzunehmen. 15 So hütet euch um eures Lebens willen – denn ihr habt keine Gestalt gesehen an dem Tage, da der HERR mit euch redete aus dem Feuer auf dem Berge Horeb –, 16 dass ihr euch nicht versündigt und euch irgendein Bildnis macht, das gleich sei einem Mann oder einer Frau, 17 einem Tier auf dem Land oder Vogel unter dem Himmel, 18 dem Gewürm auf der Erde oder einem Fisch im Wasser unter der Erde. 19 Hebe auch nicht deine Augen auf zum Himmel, dass du die Sonne sehest und den Mond und die Sterne, das ganze Heer des Himmels, und fallest ab und betest sie an und dienest denen, die der HERR, dein Gott, zugewiesen hat allen Völkern unter dem ganzen Himmel. 20 Euch aber hat der HERR angenommen und aus dem Schmelzofen, nämlich aus Ägypten, geführt, dass ihr sein Erbvolk sein sollt, wie ihr es jetzt seid.
Liebe Gemeinde,
in einer langen Abschiedsrede erinnert Mose das Volk Israel an die Grundlagen. Gott hat euch Regeln für das Zusammenleben gegeben, sagt er. Wenn ihr euch daran haltet, werden alle sehen, dass ihr etwas ganz Besonderes seid: Gottes eigenes auserwähltes Volk. Das ist eine große Zusage für mutlose Menschen, die sich klein und den die Welt beherrschenden großen Mächten ausgeliefert fühlen. Und das kann Selbstbewusstsein geben.
Ohne ein solches Selbstverständnis und die Treue zur eigenen Tradition und zum eigenen Glauben hätte dieses kleine Volk Israel niemals überleben können. Schon längst wäre es vermutlich ausgestorben, hätte sich vermischt mit anderen. Schließlich ist es ja schon oft genug in der Geschichte bedroht und bekämpft worden und wurde weit über den Erdball verstreut. Die christliche Kirche hat sich in diesem Zusammenhang, wie wir wissen, ganz und gar nicht immer rühmlich verhalten. In einer maßlosen Arroganz und Selbstüberschätzung haben Christinnen und Christen einfach die Verheißungen für sich selbst in Anspruch genommen und sie gleichzeitig dem jüdischen Volk aberkannt. Im Mittelalter hat man Skulpturen geschaffen, wo eine triumphierende Figur der Kirche einer gedemütigten Figur der Synagoge gegenüber steht. So ist es zum Beispiel auch am Straßburger Münster zu sehen.
Diese Überzeugung der Überlegenheit des christlichen Glaubens gegenüber dem jüdischen hatte verheerende Auswirkungen in der Geschichte gerade auch unseres deutschen Volkes. Erschreckenderweise hat in letzter Zeit der Antisemitismus weltweit wieder zugenommen, so schlimm, dass zum Beispiel jüdische Einrichtungen in Deutschland von der Polizei beschützt werden müssen.
Auf der anderen Seite sind aber auch viele Menschen sensibler geworden gegenüber antijüdischer Diskriminierung. Das zeigen zum Beispiel die Diskussionen an vielen Orten, ob es nicht sinnvoll wäre, manche Darstellungen und Bilder aus Kirchen zu entfernen.
Bis heute versteckt sich auch in der christlichen Theologie erschreckend viel Antijüdisches, das wir erst in letzter Zeit so nach und nach entdecken. Mich hat diese Erkenntnis sehr schockiert.
Denn ich unterstelle mal, dass die meisten heutigen Theologinnen und Theologen nicht wirklich antijüdisch denken und predigen wollen. Eigentlich eher im Gegenteil!
Manchmal liegt es zum Beispiel an verfälschenden Übersetzungen des Urtexts, manchmal an traditionellen Denkmustern, die neu hinterfragt werden müssen. Es ist wichtig, solche antijüdischen Äußerungen aufzudecken und sich bewusst zu machen, auf welchen Grundlagen unser christlicher Glaube beruht. Nämlich das, was der jüdische Rabbi Jesus seinen Anhängerinnen und Anhängern als seine eigene Lebens- und Glaubensgrundlage vorgelebt und gepredigt hat. Wenn wir als Christinnen und Christen im Sinne Jesu weiterleben wollen, heißt das, die Geschichte Israels als Teil auch unserer Herkunftsgeschichte anzunehmen. Die Bibel erzählt uns davon, wie Gott sich dieses Volk Israel auswählt, es in die Freiheit führt und mit ihm eine gerechte Gesellschaft verwirklichen will.
Mose als entscheidende Symbolfigur und Lehrer für das Volk gibt in unserem Predigttext dem Volk sein Vermächtnis für ihren Neuanfang im gelobten Land mit.
Er fasst noch einmal zusammen, auf welche Rechtsgrundlage sie ihre Gemeinschaft aufbauen können. Eine Rechtsgrundlage, die das Zusammenleben regelt und für Gerechtigkeit und Frieden sorgen soll. Worauf sich alle verlassen können und wo auch für die Schwachen in der Gesellschaft gesorgt wird.
Ein Volk, das eine solche Grundlage hat, kann stolz darauf sein, finde ich. Zu einem Rechtsstaat in unserem modernen Sinne gehört das doch auch ganz unverzichtbar dazu. Unser Grundgesetz ist eine Verfassung, die uns allen Sicherheit gibt. Und wenn wir moderne Verfassungen anschauen, dann basieren sie letztendlich alle auf den Grundregeln, wie sie in den 10 Geboten zusammengefasst sind. Schon im ersten und wichtigsten Artikel unseres Grundgesetzes wird das jüdisch-christliche Menschenbild sichtbar, wenn es da heißt: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“. Wenn wir glauben, dass Gott in Menschen sichtbar und lebendig werden kann, dann haben alle Menschen eine selbstverständliche Würde, die ihnen kein anderer Mensch nehmen oder aberkennen kann. Und dann braucht auch eine Gemeinschaft Regeln, die dafür sorgen, dass alle zu ihrem Recht kommen und in Frieden miteinander leben können.
Mose fordert in unserem Text dringend dazu auf, die Grundlagen weiterzugeben an zukünftige Generationen. Wie wichtig das bis heute geblieben ist, wurde gerade in letzter Zeit sehr deutlich, finde ich. Immer mehr Menschen stellen offenbar unsere Demokratie und unser Rechtssystem ganz grundsätzlich in Frage.
Liebe Gemeinde, ich finde, wir müssen die positiven Errungenschaften unseres Rechtssystems verteidigen und junge Leute informieren und aufklären, wie wichtig es ist, eine solche Grundlage zu haben. Das heißt ja nicht, dass wir nicht manches kritisch hinterfragen dürfen. Ganz im Gegenteil, es gibt ja nicht umsonst Grundrechte wie das Recht auf freie Meinungsäußerung und auch das Recht zu demonstrieren.
So wie Mose hier das ganze Volk versammelt und dadurch deutlich macht, dass Alleinherrschaft nicht wünschenswert ist, genauso gehört zu unserer modernen Demokratie dazu, dass wir immer wieder miteinander diskutieren und versuchen gemeinsam gute Lösungen zu finden, trotz unterschiedlicher Standpunkte. Eine gerechte Gesellschaft, wie sie sicher die meisten anstreben, kann aber nur entstehen, wenn wir alle unser Teil dazu beitragen.
Mose ermahnt eindringlich, auf sich zu achten, die eigene Seele zu schützen und sich davor zu hüten, Gottes Nähe und Zuwendung zu vergessen. Er warnt vor dem Schaffen neuer Idole und Abgötter, deren Verehrung bedeutet, dass wir uns von Gott abwenden und Gottes Gebote geringachten.
Dass sich die Menschen damit letztendlich selber zugrunde richten, merken wir, wenn wir daran denken, was bei uns heutzutage hohen Stellenwert hat, sozusagen angestrebt und verehrt wird. Viel zu lange hingen die meisten von uns einem unkritischen Glauben an Fortschritt und Wohlstand an. Alles erschien machbar zu sein. Dabei wurden dann und werden immer noch auf dem Altar der Gewinnmaximierung weltweit Menschenwürde und saubere und vielfältige Natur geopfert. Unsere Götzen heute haben eben andere Namen und andere Erscheinungsformen.
So langsam wird aber unbestreitbar deutlich, dass menschlicher Macht glücklicherweise Grenzen gesetzt sind. Und dass es dringend notwendig ist, sich wieder darauf zu besinnen, dass Gottes Schöpfung uns lediglich anvertraut ist, um sie zu bebauen und zu bewahren. Ich finde es einen beruhigenden Gedanken, dass Menschen nicht das Maß aller Dinge sind, sondern dass es eine höhere Instanz gibt, der wir uns anvertrauen dürfen, indem wir uns einreihen in die Geschichte Gottes mit den Menschen, die lange vor uns begonnen hat.
Liebe Gemeinde, ich denke, wir können doch lediglich in aller Bescheidenheit darauf hoffen und vertrauen, dass Gottes Verheißungen und Zusagen für das Volk Israel eben auch für uns gelten. So wie Jesus es den Menschen deutlich gemacht hat, denen er begegnet ist. Durch Jesus Christus dürfen wir uns hineingenommen fühlen in das Vertrauen auf die eine Gottheit. Hineingenommen in die Verheißungen. Hineingenommen in die Verpflichtung, so zu leben, wie Gott es den Menschen zumutet und zutraut. Wir glauben daran und vertrauen darauf, dass Gottes Liebeserklärung auch uns gilt. Uns allen, so wie wir hier versammelt sind. Mit all unseren Begrenzungen, Schwächen und Fragen. Darauf hoffen wir und bitten Gott immer wieder darum. Auf dass wir immer wieder den Mut und die Kraft bekommen, im Sinne Jesu zu leben, Gottes Gebote zu befolgen und für eine gerechte Gesellschaft einzutreten. Amen.
Verfasserin: Pfarrerin Martina Horak-Werz, Bildungsbeauftragte im Kirchenbezirk, Schütt 9, 67433 Neustadt a. d. Weinstraße
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