Wochenspruch:
Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit. (Joh 1,14)
Wochenlied:
EG 23
Weitere Liedvorschläge:
EG 54; 51; 49; 56
11 Denn es ist erschienen die heilsame Gnade Gottes allen Menschen 12 und nimmt uns in Zucht, daß wir absagen dem ungöttlichen Wesen und den weltlichen Begierden und besonnen, gerecht und fromm in dieser Welt leben 13 und warten auf die selige Hoffnung und Erscheinung der Herrlichkeit des großen Gottes und unseres Heilands Jesus Christus, 14 der sich selbst für uns gegeben hat, damit er uns erlöste von aller Ungerechtigkeit und reinigte sich selbst ein Volk zum Eigentum, das eifrig wäre zu guten Werken.
Liebe Gemeinde,
endlich ist es so weit. Der lang herbeigesehnte und gut vorbereitete „Heilige Abend“ ist da. Die letzten Vorbereitungen wurden getroffen. Die Geschäfte sind nun geschlossen, der Christbaum ist geschmückt und die vielen mit Sorgfalt und Liebe ausgesuchten Geschenke liegen bereit.
Festtagsstimmung ist eingekehrt. Mit Glockengeläut und Orgelspiel sind wir eingestimmt, wie in jedem Jahr, das Fest der Geburt Jesu miteinander zu feiern.
Weihnachten, ein Fest der Familie, ein Fest der Liebe? Stunden in denen Friede und Freude erwünscht, erbeten oder gefordert wird.
Weihnachten, ein Fest, das vielleicht nur von Kindern mit erwartungsvollen Augen herbeigesehnt wird, das von vielen Erwachsenen aber gefürchtet, abgelehnt oder sogar gehaßt wird. Weihnachten, ein Fest, das die Einsamen noch einsamer und die Traurigen noch trauriger werden läßt.
Wollte ein Zeitgenosse mit seiner harten, aber klaren Aussage über das Weihnachtsfest die Menschen schockieren und brüskieren, wenn er meinte: „Im 21. Jahrhundert müßte Weihnachten eigentliche ganz abgeschafft werden“?
Sicher haben auch einige Menschen, die heute Abend hier sind, ähnliche Gedanken gehabt. Wenn man schon im September Weihnachtsgebäck oder Weihnachtssachen in den Geschäften vorfindet, wenn der weihnachtliche Schmuck mit den vielen Kerzen schon vor Buß- und Bettag in Städten und Dörfer die Straßen und Geschäfte schmücken, ja, dann kann man sich die Frage stellen: Was soll das ganze weihnachtliche Getue? Sollen die sentimentalen Weihnachtslieder, die aus den Kaufhäusern uns entgegen tönen, uns nur in Stimmung bringen und uns zum Kaufrausch animieren? Warum sollte da die Frage nicht berechtigt sein: Sollte Weihnachten, das Fest mit einem solchen Rummel, nicht einfach abgeschafft werden?
Doch allen müde gewordenen und „weihnachtsgeschädigten“ Menschen möchte sich heute die alte Botschaft von Gottes Liebe wieder ganz neu in Herz und Leben senken. Die Weihnachtsbotschaft, die mehr sein will als ein wenig Stimmung und friedliches Zusammensein für nur wenige Stunden.
Bei den Besorgungen der letzten Weihnachtsgeschenke kam ich in eine große Buchhandlung. Ich sah im Schaufenster unter vielen interessanten und guten Büchern ein Büchlein, mit dem Hinweis: „soeben erschienen - Hilfe und Erziehung zum glücklichen Leben.“ Während ich mich einige Zeit in der Buchhandlung aufhielt, merkte ich, daß neben den vielen anderen guten Büchern, gerade dieses Büchlein viel Interesse und Zuspruch fand. War es die Bemerkung, „Soeben erschienen“ oder verlockte der Untertitel „Hilfe und Erziehung zum glücklichen Leben“- zum Kauf?
Auch unser heutiger Predigttext beginnt mit den Worten: „Es ist erschienen.“ Als Untertitel könnte man einsetzen - Wege zu einem neuen Leben.
So schreibt es Paulus in einem Briefe an Titus, und er bezeugt, daß die Menschen auf ein neues Leben hoffen dürfen. (Tit.1.2) Was von den Vätern erhofft und von den Propheten vorausgesagt wurde, ist nun in Erfüllung gegangen. „Es ist erschienen die heilsame Gnade Gottes.“
„Das Leben ist erschienen“, so lesen wir es bei Johannes. (1.Joh.1,2) Gibt es an Weihnachten tatsächlich etwas zu sehen?
Den Hirten auf dem Felde waren einst die Engel mit der frohen Botschaft erschienen: „Euch ist heute der Heiland, der Retter geboren.“ Ja, für sie gab es etwas zu sehen, und die Worte der Hirten klingen uns im Ohr: „Wir wollen die Geschichte sehen, die da geschehen ist, die uns der Herr kundgetan hat.“ (Luk.2,15) Damals waren es nur ganz einfache Menschen, eine kleine Schar von armen Hirten, die auf dem Felde ihre Schafe hüten mußten, die durften es sehen. Sie fanden ein Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegend. „Wir sahen seine Herrlichkeit“ (Joh.1,14), so bekannten es später die Jünger.
Doch, was gibt es für uns heute zu sehen? Gibt es nur Tannengrün, Weihnachtskerzen, eine leere Krippe, hölzerne oder kunstvoll geschnitzte Figuren zu sehen? Und was können wir mit dem Wort „Gnade“ oder gar „der heilsamen Gnade“, wie wir es eben im Text gehört haben, noch anfangen? Gnade, ein Wort, das den modernen Menschen eher abstößt? Gnade, ein Wort, das weder in unserer Gesellschaft noch in unserem Leben eine Bedeutung hat. Ein Wort, das antiquiert wirkt und uns weder anspricht noch einen Bezug zu unserem Leben hat. Von Gnade leben zu müssen, ist heute weniger gefragt denn je. Wer möchte schon aus Gnaden leben? Selbst etwas zu leisten, etwas zu schaffen, zu erfinden, ist das nicht wichtiger geworden, als von der Gnade abhängig zu sein?
Doch Gottes Gnade übersteigt unsere menschlichen Vorstellungen, denn sie meint die „Freundlichkeit und Menschenliebe Gottes“ (Tit. 3,4).
Gott liebt diese Welt so sehr, daß er seinen Sohn sandte. Der ferne Gott kommt uns Menschen so nah. Darum singen wir es in einem Lied: „Gottheit und Menschheit vereinen sich beide, Schöpfer, wie kommst du uns Menschen so nah. Jesus ist kommen, Grund ewiger Freude.“ Die Hirten hörten als erste diese frohe Botschaft des Engels: „Ich verkündige euch große Freude“, (Luk.2,10,) „denn euch ist heute der Heiland geboren.“ (V.11)
Aber nicht nur den armen Hirten auf dem Felde galt diese Kunde. Unser Text sagt es so: „Denn es ist erschienen, die heilsame Gnade Gottes allen Menschen.“
Gottes große Liebe gilt nicht einer kleinen Elite, nicht den Reichen, den Armen, den Dummen, den Gebildeten, oder nur den Kindern, nein, allen Menschen. Und diese alte Weihnachtsbotschaft will auch unsere Herzen wieder ganz neu anrühren, auch gerade dann, wenn wir heute Abend vielleicht nur nach alter Tradition oder in Erinnerung an die schönen und stimmungsvollen Weihnachtsabende unserer Kindheit in diese Kirche gekommen sind.
Würde dem Weihnachtsfest aller festliche Glimmer und geschäftige Rummel genommen, so könnte um so strahlender diese frohe, weihnachtliche Botschaft in unsere Herzen strahlen:
1. Gottes Liebe wird sichtbar in dem Kind in der Krippe
Ist Liebe nicht ein Wort, das alle Menschen aufhorchen läßt? Ein Wort, das gerade auch heute am Heiligen Abend uns berührt? Es ist aber auch ein Wort, das in seiner Vielfältigkeit tausenderlei Gedanken in uns weckt. Es ist ein Wort, das höchstes Glück und Seligkeit verspricht, das aber auch in Verbindung mit bitterem Leid stehen kann. Vielleicht möchte ein kritischer Zuhörer jetzt sogar den Satz einwenden, der oft zitiert wird: Kann man eigentlich nach Auschwitz und dem schrecklichen Geschehen unserer Zeit noch an die Liebe Gottes glauben und so lauthals von ihr reden? Ist die Liebe Gottes nicht nur ein Märchen, das für Kinder vielleicht wichtig ist? Oder ist sie an Weihnachten nur der Hintergrund des weihnachtlichen Geschenkeaustausches?
Wir wollen uns heute einmal fragen:. Was wurde in Laufe der Jahrhunderte aus der Liebe Gottes gemacht? Wir sprechen von einem lieben Gott, der als Erziehungshilfe oder Druckmittel bei Kindern gebraucht wird. Der liebe Gott sieht alles. Andere meinen, ein lieber Gott, der wie ein Großväterchen mit langem Bart auf seinem Thron sitzt und dem Treiben der Menschen gelassen zuschaut, der wird schon alles mit dem Mäntelchen der Liebe zudecken und niemand etwas krumm nehmen. Der liebe Gott wird’s schon richten. Wolfgang Borchert hat in seinem Stück „Draußen vor der Tür“ treffend beschrieben, wie Menschen letztendlich mit einem solchen „lieben Gott“ umgehen. Man braucht ihn im Grunde genommen gar nicht ernst zu nehmen, aber man kann ihn für alles Unangenehme, Schlechte und Böse in dieser Welt verantwortlich machen. Solange alles im Leben gut geht, kann man mit diesem „lieben Gott“ noch leben. Doch in dem Augenblick, wenn Katastrophen, Hunger, Krieg, Armut, Gewalt oder die unzähligen, unschuldigen Opfer uns in das Blickfeld kommen, dann fragt man, wie der heimgekehrte Kriegsgefangene Beckmann in Borcherts Stück: „Lieber Gott, wann bist du lieb gewesen?“ Warum hast du das alles zugelassen? Und die Frage wird gestellt: Was ist das für ein Gott, ein lieber?
Nein, Gott ist kein lieber Gott, sondern Gott ist die Liebe. Aber die Liebe Gottes bliebe nur ein wunderbarer, ergreifender Gedanke, vielleicht sogar eine faszinierende Möglichkeit, hätte sie nicht Gestalt angenommen in einem Menschen, dem Kind in der Krippe, dem Mann am Kreuz. Das Abstrakte der Gnade Gottes, des göttlichen Heils, wurde in diesem Kind in der Krippe konkret. Die Liebe Gottes wurde sichtbar im ärmlichen Stall von Bethlehem, ohne Pomp und ohne sentimentales Getue. Eigentlich nichts Weltbewegendes und dennoch wurde durch diese Geburt die Welt bewegt! Mit dieser Geburt wurde die Welt verändert! „Euch ist heute der Retter geboren,“ so hörten es die Hirten. Es ist Jesus, der die Armen, die Kranken, die Mühseligen und Beladenen zu sich rief und ihnen die Liebe Gottes verdeutlichte. Jesus, der, - wie es in unserem Predigttext steht - „sich für uns gegeben hat, damit er uns erlöste von aller Ungerechtigkeit.“ (Tit.2,14)
Aber auch Jesus unterlag den Bedingungen des Lebens. Sein Weg klammerte nichts aus. Am Kreuz leerte er den Leidenskelch bis zum Grund. Indem Gott sich in Jesus zum Opfer macht, wird Gottes Liebe als Beispiel äußerster Hingabe faßbar. Und gerade im Leidensweg Jesu wird sichtbar, daß Gottes Liebe keinem Automaten entspricht, der alle Wünsche uns erfüllt, der alle Mißstände schlagartig beseitigt, der alles Übel der Welt und unseres Lebens wegräumt. Gott schenkte uns Menschen das Liebste, damit wir wahres Leben empfangen. Das Ziel der göttlichen Liebe ist unsere Rettung aus dem Verderben, aus dem ewigen Tod und von der Vergänglichkeit des Lebens. Es entspricht dem Wesen der Liebe Gottes, daß sie uns herausholt und zum wahren Leben bringen will. Daraus ergibt sich dann noch ein weiterer Punkt:
2. Die Liebe Gottes arbeitet an uns, sie will in unserem Leben Auswirkungen haben
So will die Weihnachtsbotschaft vom Kind in der Krippe, dem Mann am Kreuz, in diesem Jahr nicht nur die Liebe Gottes uns nahe bringen, sondern sie will auch Hilfe und Wegweisung für unser Leben sein.
In meiner Jugend hörte ich den Satz, der sich aber heute für unsere Gesellschaft widersprüchlich anhören mag: „Wahre Liebe erkennt man auch an der Härte.“ Heute wird eifrig darüber diskutiert, ob man einem Süchtigen hilft, wenn man ihn mit Rauschgift versorgt? Richtet man ihn damit vielleicht erst recht zugrunde? Wir, als Eltern, wissen nur zu gut, daß ein konsequentes „Nein“ für ein Kind wichtig ist und manchmal sogar lebensrettend sein kann. Sicher würde uns ein Leben ohne Sorgen, Nöte und Schwierigkeiten besser gefallen.
Gott nimmt uns ernst. Wir sind ihm nicht gleichgültig. Darum will seine Liebe uns erziehen. Sie will uns nicht niedermachen und klein halten, wie wir es vielleicht in unserer Erziehung erfahren haben. Alles soll zu unserem Besten dienen. Denn seine Liebe will uns dazu verhelfen, ein Leben zu führen in der Liebe zu den Menschen, in der Liebe zu allem Geschaffenen und der Ehrfurcht vor Gott.
Die Liebe Gottes führt uns zu einem Leben, zu einem neuen Leben, in dem das eigene „Ich“ nicht mehr im Mittelpunkt stehen muß, so wie es unserer Text sagt: Ein Leben, das nicht erfüllt ist von selbstsüchtigen Wünschen. (Tit.2,12) Die Liebe Gottes befähigt uns, auch unsere Mitmenschen zu lieben, für die Not und den Kummer der Anderen, der Notleidenden offene Hände und Herzen zu haben. Wie Längsfäden und Querfäden ein Gewebe stark und fest machen, so will Gottes Liebe uns befähigen, auch unseren Nächsten zu lieben, das wir menschlicher und friedlicher in dieser Welt leben können. Dann werden wir uns nicht nur zu Weihnachten Geschenke machen, sondern Gottes Liebe in uns zeigt uns die Menschen, denen wir Gutes tun können, denen wir das Empfangene weiter geben dürfen.
In markanten Sätzen bringt diese frohe Weihnachtsbotschaft Dieter Trautwein in einem Weihnachtslied zum Ausdruck:
„Weil Gott in tiefster Nacht erschienen,
kann unsre Nacht nicht dunkel sein.
Er sieht dein Leben unverhüllt,
zeigt dir zugleich dein neues Bild.
Nimm an des Christus Freundlichkeit,
trag seinen Frieden in die Zeit.“
Amen.
Mechthild Gäntzle, Egerländerstr.33, 64354 Reinheim
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