Schriftlesung: Jes. 1,10-17 oder Röm. 2,1-11
Wochenspruch: Gerechtigkeit erhöht ein Volk; aber die Sünde ist der Leute Verderben. (Spr 14,34)
Wochenlied: EG 144
Weitere Liedvorschläge: EG 5; 233; 299; 145
6 Er sagte ihnen aber dies Gleichnis: Es hatte einer einen Feigenbaum, der war gepflanzt in seinem Weinberg, und er kam und suchte Frucht darauf und fand keine. 7 Da sprach er zu dem Weingärtner: Siehe, ich bin nun drei Jahre lang gekommen und habe Frucht gesucht an diesem Feigenbaum und finde keine. So hau ihn ab! Was nimmt er dem Boden die Kraft? 8 Er aber antwortete und sprach zu ihm: Herr, laß ihn noch dies Jahr, bis ich um ihn grabe und ihn dünge; 9 vielleicht bringt er doch noch Frucht; wenn aber nicht, so hau ihn ab.
Liebe Gemeinde!
“Jetzt reichts! Mit dem ist doch nichts anzufangen. Der enttäuscht mich jetzt zum x-ten Mal. Dabei hab ich mir Mühe mit ihm gegeben. Ihm jeden Wunsch von den Augen abgelesen. Und das ist der Dank. Jetzt ist Schluß. Der ist Luft für mich. Der ist für mich gestorben.“ So reden wir schon mal von einem Menschen.
Unser Gleichnis redet von einem Baum. Einem Feigenbaum, der die Erwartungen nicht erfüllt, keine Frucht bringt, trotz bester Pflege. Da gilt doch erst recht: “Weg mit ihm! Bevor er auch noch anderen Licht und Wasser nimmt.“ Der Gärtner, der in solchem Fall die Axt schwingt, hätte unser Verständnis.
Doch da geschieht etwas Unerwartetes. Der Gärtner setzt sich ein für seinen Baum, kämpft für eine letzte Chance. Das Urteil soll vertagt werden, nicht nur um Zeit zu gewinnen, sondern um dem Baum nun erst recht noch einmal Gutes zu tun. Umgraben und düngen, Intensivpflege für einen hoffnungslosen Fall.
Ob das etwas nützen wird? Jeder, der etwas von Feigenbäumen versteht, wird es bezweifeln. Warum handelt der Gärtner so? Warum tritt er für den Feigenbaum so ein, daß der Weinbergsbesitzer dem Baum noch einmal Zeit schenkt, damit er doch noch Frucht bringen kann?
Der Gärtner wird diesen Baum selber gepflanzt haben. Er hat ihn an einen sonnigen, günstigen Platz gestellt. Er hat sein Wachstum verfolgt. Er war enttäuscht über seine Fruchtlosigkeit. Der Feigenbaum tut ihm leid. Er ist ein Stück von ihm. Er ist wegen der Mühe, die er in ihn investiert hat, etwas Besonderes, auch wenn er die in ihn gesetzten Erwartungen nicht erfüllt hat. Gibt es denn keine Rettung?
Der Gärtner bittet um die letzte Chance. Übermenschlich ist seine Geduld mit einem offensichtlich nutzlosen, weil unproduktiven Gewächs.
Ob der Feigenbaum die erhoffte Frucht gebracht hat? Die Geschichte ist offen. Wenn der Baum gefällt werden muß, dann liegt es jedenfalls nicht am Gärtner und an seinem Besitzer. Die Lebensbedingungen könnten nicht besser sein.
Die Geschichte vom Feigenbaum erzählt Jesus als Reaktion auf Ereignisse, die die Menschen beunruhigt und ins Fragen gebracht hatten. Schreckliches war geschehen: Pilatus hatte Pilger am oder im Tempel zu Jerusalem bei der Verrichtung ihrer Opfer niedermetzeln lassen. Zum heimtückischen Mord kam auch noch die Schändung der heiligen Stätte. Für die Gesprächspartner Jesu ist sofort klar: Die Ermordeten müssen große Sünder gewesen sein, sonst wäre ihnen so etwas Schlimmes nicht zugestoßen. Was uns als sehr befremdliche Logik vorkommt, gehörte zur Zeit Jesu ganz selbstverständlich zur Deutung des Lebensschicksals. Je größer das Unglück, desto größer die vorausgegangene Schuld der Betroffenen; d.h.: Je schlimmer es dich trifft, desto größer muß deine Sünde gewesen sein, für die du nun bestraft wirst.
Auch bei der zweiten Katastrophe, dem Einsturz eines Turmes an der Jerusalemer Stadtmauer, bei dem achtzehn Menschen ums Leben kamen, muß es so gewesen sein: Diese Menschen hatten ihr Schicksal verdient. Für die Verfehlungen in ihrem Leben sind sie von Gott bestraft worden.
Doch Jesus widerspricht. Ein Urteil über die so elend zugrunde gegangenen Menschen zu fällen steht niemand zu. Denn die da urteilen, sind selbst keinen Deut besser, und es droht ihnen das gleiche Schicksal. Daher ruft Jesus sie dazu auf, Buße zu tun, d.h. umzukehren zu Gott.
Jesus erzählt mit seiner Geschichte vom Feigenbaum von unserem Verhältnis zu Gott. Wie der Weinbergsbesitzer auf die Bitte des Gärtners, dem Baum noch einmal eine Frist zum Fruchtbringen einräumt, so hat Gott das Gericht an uns nicht vollstreckt; denn da kämpft einer für uns, bittet für uns. Es ist Jesus selbst.
Wir brauchen nicht lange zu überlegen, um zu erkennen, wie sehr wir uns als Menschen voneinander und damit auch von Gott entfernt haben. ,,Vater, vergib ihnen; denn sie wissen nicht was sie tun!“ (Lk 23,34), betete Jesus noch am Kreuz. Er will nicht, daß jemand verloren geht. Er leidet mit an der Schuld der Menschen, so sehr, daß er sie selber auf sich nimmt.
Wir wissen nicht, warum Gott manchmal so hart eingreift, warum es manche so schwer trifft. Aber wir sollen wissen, daß es allein seiner Güte und Geduld zu verdanken ist, wenn wir bewahrt bleiben. Aus der Zuschauerfrage, warum es die anderen so sehr getroffen hat, will uns Jesus zur persönlichen Betroffenheit führen: Womit habe ich es verdient, daß es mir so gut geht? Die uns geschenkte Zeit ist eine Gnadenzeit, die dazu da ist, daß wir Früchte hervorbringen, die unserer Bestimmung entsprechen.
Wir können dabei bei Gott selbst in die Schule gehen. Welche Geduld hat er mit uns! Weil er uns liebt, gibt er uns Zeit. Zeit, um Früchte zu bringen. Gute Früchte, Früchte, die nicht nur wir selber genießen, sondern von denen auch andere etwas haben. So wie die Blüte einer Frucht aus der Knospe aufbricht, wie Gott uns aus unserer Verschlossenheit herausholen, unsere Unbetroffenheit in Mitleid verwandeln.
Indem Jesus auf die Früchte hinweist, deutet er seinen Ruf zur Umkehr. Wer ihn an sich arbeiten läßt, der bringt Frucht. Wie im Alten Testament Israel oft mit einem Weinberg verglichen wird, so hat Gott die Gemeinde des Neuen Bundes durch das Wort und Werk Jesu Christi ins Leben gerufen.
Sein Tod und Auferstehen zeigen uns: Er setzt alles daran, um uns zu helfen, damit das Böse seine zerstörerische Macht über uns verliert. Eigentlich sollte es sich von daher von selbst verstehen, daß wir Frucht bringen.
Theodor Fontane hat eine bezaubernde Geschichte von solchem Fruchtbringen geschrieben. Vom Fruchtbringen eines Baumes, aber viel mehr noch vom Fruchtbringen der Liebe eines Menschen. Es ist sein Gedicht von Herrn von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland. In seinem Garten befand sich ein Birnbaum. Im Herbst, wenn die Birnen weit und breit leuchteten, füllte er nicht etwa seinen Keller damit, sondern seine Taschen. Jungen und Mädchen, die ihm über den Weg liefen, beschenkte er mit den Früchten seines Baumes, seiner Liebe. Das ging viele Jahre so. Eines Tages mußte von Ribbeck sterben. Sein Sohn war anders als er, knauserig und zum Teilen nicht bereit. Aber der alte von Ribbeck hatte eine Birne sich mit ins Grab legen lassen. Nach drei Jahren wuchs aus seinem Grab ein neuer, junger Baum. Die Früchte seiner Liebe gingen nur scheinbar mit seinem Tode zu Ende. Sie hatten Frucht getragen auch über seinen Tod hinaus.
Keine Frucht bringen, d.h. andere leiden Mangel in meiner Gegenwart, ich bin in mir verschlossen, betrachte das Geschick anderer gleichgültig und distanziert, zeige vielleicht noch mit dem Finger auf andere, wie schlecht sie doch sind. Ich lebe auf Kosten anderer, ohne ihnen zu dienen oder abzugeben. Diese selbstgewählte Abkapselung wird ewig sein. Das ist das Gericht, vor dem Jesus warnt. Indem ich mich zum Richter der anderen aufspiele, spreche ich mir selbst das Gericht und trenne mich von Gott, dem Ursprung des Lebens und alles Guten.
Frucht bringen, d.h. dagegen: mein Leben gleicht einem Obstbaum. Er ist nicht für sich selbst da. Von seinen Früchten können andere leben. Wir bringen Frucht, wo das, was wir denken, tun und sagen, anderen nützt und sie voranbringt. Deswegen erzählt Jesus die Geschichte vom Feigenbaum. Er tut alles, daß wir Früchte tragen.
So enthalten seine Worte beides: Warnung und Mahnung, aber auch freundliche Einladung und Hoffnung, indem er uns die Geduld Gottes vor Augen hält.
Was brauchen wir mehr? Das wird bei jedem anders aussehen. Der eine wird mehr eine Mahnung nötig haben: so geht es nicht weiter mit dir! Du bist nicht nur für dich da, daß du alles für dich behältst! Ein anderer, der möglicherweise unter seiner ,,Fruchtlosigkeit“ leidet, wird eher den Zuspruch Jesu brauchen: Gott ist noch nicht zu Ende mit dir. Er gibt dir noch Zeit. Du kannst sie nutzen.
Wer diese liebevolle Geduld Gottes im eigenen Leben spürt, wird innehalten, bevor er einen anderen Menschen abschreibt, die Axt an die Wurzel einer Beziehung setzt, die scheinbar nichts mehr einbringt.
Und in Zeiten wie unserer, in denen blühende Landschaften selten geworden sind und die schwachen und scheinbar nutzlosen Gewächse schnell dem Rasenmäher-Prinzip ökonomischer Zwänge zum Opfer fallen, kann der Buß- und Bettag zum Innehalten und Umkehren bewegen.
Pfr. Hans-Theo Daum,
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