Früchte des Geistes
von Susanne Edel (70184 Stuttgart)
Predigtdatum
:
06.08.2017
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
7. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle
:
Jesaja 2,1-5
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Predigttext Jesaja 2, 1 – 5
Lasst uns wandeln im Licht des Herrn
„Dies ist das Wort, das Jesaja, der Sohn des Amoz, schaute über Juda und Jerusalem.
Es wird zur letzten Zeit der Berg, da des Herrn Haus ist, fest stehen, höher als alle Berge und über alle Hügel erha-ben, und alle Heiden werden herzulaufen, und viele Völker werden hingehen und sagen: Kommt, lasst uns hinaufgehen zum Berg des Herrn, zum Hause des Gottes Jakobs, dass er uns lehre seine Wege und wir wandeln auf seinen Steigen! Denn von Zion wird Weisung ausgehen und des Herrn Wort von Jerusalem.
Und er wird richten unter den Nationen und zurechtweisen viele Völker. Da werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen machen und ihre Spieße zu Sicheln. Denn es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben, und sie werden hin-fort nicht mehr lernen, Krieg zu führen.
Kommt nun, ihr vom Hause Jakob, lasst uns wandeln im Licht des Herrn!“
Hinführung
Die Predigt möchte einladen, darauf zu setzen, dass nicht der kurze Prozess des Dreinschlagens zum Frieden führt, sondern geduldige Arbeit daran, den Boden zu bereiten, in dem der Friedens-Samen aufgehen kann.
Dass dieser Weg zukunftsträchtig ist – dafür steht Gott selbst und Gott allein. Nur Gott kann immer wieder neu Menschenherzen verwandeln, Hass überwinden und Liebe ins Fließen bringen.
Es kennzeichnet die biblische Geschichte von Gottes Heils-weg, dass Gott immer wieder neue Wege geht in seiner lei-denschaftlichen Liebe für uns Menschen. So stellt er nicht unerfüllbare Forderungen auf, sondern schenkt in seinem neuen Bund ein neues Herz und einen neuen Geist (Jeremia 31, 31 ff; Hesekiel 36, 36 ff), damit wir Menschen im Ein-klang mit seinen Weisungen leben können. Wir Christen fin-den im gekreuzigten und auferstandenen Christus Zugang zu diesem Weg Gottes.
Die »Völkerwallfahrt zum Zion« ist ein wichtiges Zukunfts-bild für das Ziel von Gottes Heilsgeschichte mit seiner Welt.
Auf beeindruckende Weise haben unsere Schwestern und Brüder in der ehemaligen DDR mit und von dem Wort »Schwerter zu Pflugscharen« gelebt. Ein wichtiges Zeugnis des Glaubens auch für uns heute.
Gliederung
I. Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen
II. Geflickte Jacken
III. Gott lernt Neues
IV. Gottes Weg gehen – im Säen und Wachsen und Frucht bringen
Ziel
Gott gab und gibt Frieden – in unseren Herzen und unserer Welt.
Es lohnt sich, seinen Friedensweg zu lernen.
Predigt
Ein Pflug zerschneidet den Ackerboden. Lockert. Öffnet. Jetzt kann das Samenkorn hineinfallen. Dann ist lange nichts zu sehen. Aber da – da schiebt sich ein kleines Pflänzchen durch die Ackerkrume. Und dort ist aus dem kleinen Samen-korn ein großer Baum geworden, in dem die Vögel des Him-mels Zuflucht finden.
Liebe Gemeinde,
welche Zukunft blüht uns?
Manchmal überfällt uns diese Frage.
Heute malt unser Predigttext ein Zukunftsbild. Der Prophet Jesaja hat es vor mehr als 2000 Jahren gesehen.
Ich lese aus dem 2. Kapitel seines Buches die Verse 1 – 5:
1 Dies ist das Wort, das Jesaja, der Sohn des Amoz, schau-te über Juda und Jerusalem.
2 Es wird zur letzten Zeit der Berg, da des Herrn Haus ist, fest stehen, höher als alle Berge und über alle Hügel erha-ben, und alle Heiden werden herzulaufen,
3 und viele Völker werden hingehen und sagen: Kommt, lasst uns hinaufgehen zum Berg des Herrn, zum Hause des Gottes Jakobs, dass er uns lehre seine Wege und wir wan-deln auf seinen Steigen! Denn von Zion wird Weisung aus-gehen und des Herrn Wort von Jerusalem.
4 Und er wird richten unter den Nationen und zurechtweisen viele Völker. Da werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen machen und ihre Spieße zu Sicheln. Denn es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben, und sie werden hin-fort nicht mehr lernen, Krieg zu führen.
5 Kommt nun, ihr vom Hause Jakob, lasst uns wandeln im Licht des Herrn!
I.
Wir sehen einen Berg – höher als alle anderen Berge und Hügel. Menschen strömen den Berg hinauf. Nein, es ist kein Kriegszug. Und es toben keine Ellbogenkämpfe.
Zu einer Wallfahrt strömen die Menschen aus allen Religionen und Nationen zusammen. Unten am Berg legen sie ihre Waf-fen ab.
Was suchen diese Menschen oben auf dem Berg? Sie sitzen da und lauschen. Staunend nehmen sie wahr: Gott selbst spricht hier so, dass alle zu ihrem Recht kommen. Und Zu-Recht-Weisung erfahren. Als heilsame Weisung, wie es wei-tergehen kann. Wie es Zukunft für alle gibt. Keiner stellt die Autorität der Schiedssprüche in Frage.
Zurück vom Berg stehen Schmiede neben ihren Schwertern. Sie helfen ihnen beim Umschmieden in Pflugscharen. Mit ihnen machen sie sich jetzt an die Arbeit. Damit können sie nicht mehr lernen, Krieg zu führen. Aber zu bebauen und bewahren.
»Schwerter zu Pflugscharen«. Wird Zukunft wirklich so zum Blühen kommen?
II
Aus der Geschichte kennen wir eher das andere: »Pflugscha-ren zu Schwertern.« In den Kriegsfabriken des zweiten Weltkriegs wurde eingeschmolzen und zu Waffen verarbei-tet, was im Land noch irgend zu verwenden war.
Mit Todeswerkzeug kurzen Prozess zu machen – darin haben wir Übung in der Menschheitsgeschichte. (Konkret zur Zeit?) Aber wir sehen auch: diese Übung bringt keinen Frieden. Friede kann nicht wachsen auf dem Boden der Gewalt.
Doch auch das gehört zu unserer Geschichte:
1981 in Ostberlin. Wer mit wachen Augen durch die Stadt läuft, bleibt immer wieder an etwas Merkwürdigem hängen: Junge Menschen tragen runde weiße Flicken auf ihren Ano-rak Jacken. Und dort: Dort dasselbe auf dem Pullover eines graubehaarten Mannes. Was hat es damit auf sich?
Ein Ausflug in einen Garten vor dem UNO-Gebäude in New York führt uns auf die Spur: eine riesige Skulptur zeigt einen muskulösen Mann, der ein Schwert zu einer Pflugschar um-schmiedet. Die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken UdSSR hat diesen Koloss 1959 der UNO geschenkt.
Friedenssehnsüchtige Menschen in der DDR haben eine Skiz-ze dieser Skulptur angefertigt und mit der Aufschrift »Schwerter zu Pflugscharen« versehen. Als Aufnäher wurde sie massenhaft auf Mänteln, Jacken und Taschen getragen. Der Aufnäher wurde verboten und oft auch gewaltsam her-ausgeschnitten. Da nähten sich die Menschen weiße Flicken auf ihre Kleidung. Teilweise schrieben sie darauf: »hier war ein Schmied!«
»Schwerter zu Pflugscharen« – 1989 wird Jesajas Zukunfts-bild zum Motto der montäglichen Friedensgebete in Leipzig und vielerorts – Ausgangspunkte des friedlichen Systemwan-dels. Und das totalitäre DDR-Regime fällt in sich zusammen – ohne Blutvergießen. Was für ein Wunder!
Ich habe großen Respekt vor unseren Geschwistern jener Friedensgebete, die an dieses Wunder geglaubt haben!
III
Pflugscharen zu Schwertern? Schwerter zu Pflugscharen!
Haben wir das Vertrauen, dass Jesajas Zukunftsbild letztlich trägt?
Ja, denn das ist Gottes Weg! So höre ich es von unseren ostdeutschen Schwestern und Brüdern jener Stunde.
Gottes Weg.
Bei genauerem Hinsehen mache ich in der Bibel eine erstaun-liche Entdeckung: Gott selbst geht in dem, was er tut, den Weg vom Schwert zur Pflugschar.
Die Sintflutgeschichte erzählt zunächst den Weg eines Got-tes, der das Schwert gebraucht:
Da hatte Gott die Menschen kunstvoll erschaffen und ihnen den reichen Lebensraum Erde geschenkt. Und dann das in den Tagen Noahs: Gott stellt fest: »Das Dichten und Trach-ten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf« (1).
Da hilft doch nur noch eines: Dreinschlagen und Ausmerzen.
Und die Flut zerstörte alles Leben auf der Erde. Wie das aus-sieht, haben uns die Frühjahrsbilder aus Japan in aller Schrecklichkeit vor Augen geführt. Nur Noah und die Seinen blieben in der Arche bewahrt.
So. Jetzt kann alles gut werden.
Aber was ist das? Als alles nach Neuanfang riecht, sagt Gott wieder: »Das Dichten und Trachten des menschlichen Her-zens ist böse von Jugend auf!« (2). Offensichtlich hat sich das menschliche Herz nicht geändert durch Gottes Drein-schlagen.
Da tut Gott etwas Erstaunliches: Wo vorher Blitz und Donner waren, stellt Gott seinen Regenbogen in den Himmel und sagt: »Ich werde die Erde nicht mehr verfluchen um des Menschen willen!« Gott überwölbt menschliche Schuldge-schichte mit seiner Heilsgeschichte.
Und dann zeigt er den Menschen, wie ihr Leben gelingen kann – er schenkt ihnen seine Lebens-Gebote. Doch die ge-liebten Menschen schlagen sie in den Wind und fallen auf die Nase. Wieder und wieder vergibt Gott Schuld, fängt neu an. Aber die Menschenherzen scheinen oft wie versteinert.
Mittendrin aber leuchten Geschichten auf von Menschen, de-ren Herzen verwandelt wurden. Mose, David, Hanna, Ruth, Paulus, Lydia. Bis hin zu jenen Menschen, die mit weißen Flicken auf den Jacken die Hoffnung aufrechterhielten, dass Frieden werden kann.
1989 fielen bei den Friedensgebeten die Blicke immer wieder auf das Kruzifix. Für uns Christen erzählt die Geschichte vom gekreuzigten Christus, wie Gott letztlich Herzen verwandeln will. Zunächst konfrontiert uns der schreckliche Anblick des Gekreuzigten mit der Erkenntnis: Ja, so zerstörerisch sind wir Menschen drauf. Wir wollen aus der Welt schaffen, was sich uns in den Weg stellt.
Aber Gottes Liebe können wir nicht kaputt machen. Über dem Kreuz wölbt sich der Ostermorgen. Dieser wunderbare Gott lässt uns nicht sitzen in unseren Selbstzerstörungen. Er nimmt das Böse auf sich. Uns aber eröffnet er einen neuen Weg – in österlicher Weggemeinschaft. Er bereitet den Bo-den, damit neues Leben wachsen kann. Das ist Gottes Weg vom Schwert zur Pflugschar.
IV
Kann ich Gott auf diesem Weg folgen? Kann ich statt Krieg führen lernen, Boden zubereiten?
Drei Schritte sehe ich auf diesem Weg vor mir:
Wer Schwerter zu Pflugscharen umschmiedet, muss zu-nächst das Schwert anschauen. Muss aushalten, dass es die zerstörerischen Energien auch in mir gibt. Hassgefühle. Das Bedürfnis, dreinzuschlagen und kurzen Prozess zu machen. Es braucht Arbeit am Schwert, ehe es als Pflug taugt. Die Arbeit beginnt damit, mich unter Gottes Augen liebevoll aber beharrlich auseinanderzusetzen mit meinen Dreinschlagener-gien.
Die Spirale des Dreinschlagens wird nur dort durchbrochen, wo Menschen bekommen, was sie zu-recht-bringt. Wo Enga-gement nicht gegen den Fehler in mir und anderen kämpft, sondern sich für das Fehlende einsetzt. Nicht gegen den Feh-ler, sondern für das Fehlende. Was brauche ich? Was brau-chen die anderen? Was betäubt nicht meine Bedürfnisse, sondern stillt sie? So kann der Boden im ersten Schritt auf-gekratzt werden für das Samenkorn.
Auf so bereitetem Boden kann im zweiten Schritt gesät wer-den. O ja – so viele Samenkörner bräuchte es an so vielen Orten: in Familien, Schulen, Verwaltungen, Universitäten, Betrieben, Behörden ...
Wo ist mein Ort, an dem ich mein Samenkorn säen kann?
In einer Gemeinde gab es eine Gesprächsrunde über die Frage: wie fühlt sich Frieden an, der auf gewaltsamer Durchsetzung beruht? Und wie fühlt sich Frieden an, der auf Gerechtigkeit beruht? Begonnen in unseren Kinder- und Schulzimmern bis hinein in Geschehnisse auf dem Parkett internationaler Beziehungen?
Auf einmal wurden Hoffnungsgeschichten ausgetauscht:
Ein Lehrer erzählt, wie sich das Klima in seiner Klasse verän-dert hat, seitdem sie gemeinsam ein Lernprogramm für je-den Schüler und jede Schülerin erarbeitet haben und die No-tenskala sich an dem orientiert, was die einzelnen erreichen können.
Eine Mutter gibt Anteil, wie sie immer wieder laut wird und scheitert, ihren Kindern gerecht zu werden – und andere öffnen ihr die Augen, wie es doch oft auch gelingt, den Kin-dern zu schenken, was sie brauchen. Und wie wir alle aus Gottes Vergebung leben.
Alle diese Menschen säen ihr Samenkorn. Und siehe da, es wachsen Pflänzchen.
Nach dem Säen kommt als dritter Schritt das Pflegen und Gießen und – das Warten und Hoffen. Hoffnung will gestärkt werden. Heute mit Jesajas Hoffnungsgeschichte: Wie Pflug-scharen den Boden bereiten, damit der Frieden zum Vor-Schein kommen kann.
Den Frieden wird Gott nach den letzten Tagen selbst schaf-fen. Dann braucht es keine Flicken und keine Friedensgebete mehr. Einstweilen aber geben sie unserer Hoffnung Ausdruck und Kraft.
Gekreuzigter und auferstandener Christus,
Frieden gabst du schon.
Frieden muss noch werden,
wie du ihn versprichst uns zum Wohl auf Erden.
Hilf, dass wir ihn tun, wo wir ihn erspähen.
Die mit Tränen säen, werden in ihm ruhn (3). Amen.
Eingangsgebet
Gott, du Schutz aller Menschen
du willst, dass wir in deinem Namen Frieden bringen,
wo Menschen streiten,
Glauben wecken,
wo Menschen zweifeln.
Du willst, dass wir in deinem Namen
Hoffnung lebendig werden lassen,
wo Menschen von Traurigkeit gelähmt werden.
Hilf uns!
Dir sagen wir in der Stille, was uns bewegt: Stilles Gebet
Fürbittengebet
Dreieiniger Gott,
staunend sehen wir,
mit wie viel Mühe und Herzblut
du dir deinen Weg auf dieser Erde bahnst.
Danke, dass du uns Menschen und deine geliebte Erde
immer noch nicht aufgegeben hast.
Immer noch leuchtet dein Regenbogen in den Wolken.
Immer noch schreibst du deine Heilsgeschichte
hinein in unsere Schuldgeschichte.
Wir bringen dir die viel zu vielen Orte
von Krieg und Gewalt auf dieser Erde.
Besonders nennen wir dir heute…
(Z. B. einen Ort in der Nähe – Schule? Häuser? Und einen anders-wo)
Lass keinen Ort ohne eine Pflanze des Friedens bleiben.
Wir bringen dir unsere Versuche,
deinem Friedensweg zu folgen
– als Einzelne und als Kirche.
Hilf uns, mit deinen Augen tiefer zu sehen,
was uns und anderen fehlt.
Heile die inneren Verletzungen,
stille die Bedürfnisse.
Schenke Mut, Rüstungen abzulegen.
Lass Frieden einkehren in Herz und Haus.
Bringe Hoffnungsbilder neu zum Leuchten,
wo sich Resignation breit zu machen droht.
Stecke die Verzagten an
mit deiner österlichen Lebendigkeit
im Atemrhythmus von Tun und Lassen. S.E.
Verfasserin: Direktorin Dr. Susanne Edel
Evangelisches Pfarrseminar
Grüninger Straße 25, 70599 Stuttgart
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Anmerkungen:
(1) 1. Mose 6, 5
(2) 1. Mose 8, 21
(3) EG 170, 3
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