Früchte des Geistes
von Renate Weber (36318 Schwalmtal)
Predigtdatum
:
25.07.1999
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
7. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle
:
Jesaja 2,1-5
Wenn Sie diese Predigt als Word-Dokument erhalten möchten, tragen Sie bitte Ihre E-Mail-Adresse ein und klicken Sie auf "Abschicken"
Wochenspruch:
Lebt als Kinder des Lichts; die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit.
(Epheser 5,8b.9)
Psalm: 48,2-3a.9-11
Lesungen
Altes Testament:
Jesaja 2,1-5
Epistel:
Epheser 5,8b-14
Evangelium:
Matthäus 5,13-16
Liedvorschläge
Eingangslied:
EG 441
Du höchstes Licht, ewiger Schein
Wochenlied:
EG 318
O gläubig Herz, gebenedei
Predigtlied:
EG 262/263
oder EG 426
Sonne der Gerechtigkeit
Es wird sein in den letzten Tagen
Schlußlied:
EG 588
Tragt in die Welt nun ein Licht
Vorbemerkungen:
Wenn Sie als Lektorin oder Lektor diese Predigt zur Hand nehmen, wird Ihnen auffallen, daß ich dem bekanntesten Wort aus diesem Textabschnitt, dem Vers 4, ausdrücklich kaum Beachtung geschenkt habe.
Sie wissen, daß das Wort: Schwerter zu Pflugscharen... aus einem visionären Wort zu einem imperativischen Motto der Friedensbewegung geworden ist.
Sicherlich ist es - in Grenzen - noch statthaft, aus einer Verheißung einen Befehl für das eigene Tun abzuleiten.
Ich will auch nicht bestreiten, daß die Friedensbewegung viele politisch wichtigen Schritte der Veränderung ausgelöst hat.
Ich will aber auch nicht verschweigen, daß mir im Grundtenor der “Macher” Mensch zu sehr im Vordergrund steht, so daß in aller Tiefe auch dieses Hoffnungsbild aus dem Jesajatext zu einer “gottlosen” Utopie verkürzt wurde.
Fazit:
Nicht nur Ihre politischen Anschauungen , auch ihre Stellung zur Friedensbewegung werden unterschiedlich sein. Auch meine politische Einstellung wird sich zum Teil von Ihrer Einstellung unterscheiden.
Ich kann zwar meine Predigt an Hörer mit unterschiedlicher politischer Einstellung weitergeben.
Dagegen halte ich es nicht für angebracht, eine Predigt mit meinem persönlichen politischen Akzent als Lesepredigt für Lektorinnen und Lektoren anzufertigen, die sie für sich “verinnerlichen” und an Predigthörer weitergeben sollen.
Aus diesem Grund habe ich mich auf die theologische Aussage dieses Textes beschränkt, die alle Menschen aller Zeiten betrifft und so - auch ergänzt durch eigene Hoffnungsbilder - an unterschiedliche Menschen unserer Zeit weitergegeben werden kann.
Liebe Gemeinde!
Wer keine Hoffnung hat, erstickt an der Gegenwart! In Visionen, Träumen und Bildern stellt Hoffnung das vor Augen, was in unserer Wirklichkeit fehlt, Sachverhalte, mit denen wir nicht fertig werden, Situationen, die uns an Grenzen führen.
Wir Menschen können trotz allen Fortschritts nicht verhindern, daß das Leben uns immer wieder Tränen abverlangt, Tränen des Schmerzes über Verlust und Enttäuschungen, Tränen in unsagbarem menschlichen Leiden, aber auch Tränen der ohnmächtigen Wut.
Wir können es nicht einfach so beiseite schieben, das unendliche Leid der Entrechteten und Heimatlosen, der Hungernden und derer, die zwischen den Fronten zermalmt werden. Tag für Tag werden uns diese - oftmals kaum zu ertragenden - Bilder bis in unsere Wohnzimmer geliefert.
Es ist wohl auch niemand hier in diesem Gottesdienst, der das nicht schon am eigenen Leibe erfahren hätte, daß es Unrecht und Leid, Streit, Haß und Unfrieden gibt, Dinge, die wir ganz einfach nicht in den Griff bekommen.
Hoffnung träumt sich in die Zukunft hinein. Hoffnung durchbricht dieses tödliche: “Es läßt sich ja doch nichts machen!” und gibt uns damit einen Blick frei.
Hoffnung läßt manchesmal einen Lahmen wieder einen Weg finden durch das Gestrüpp der Wirklichkeit. Sie läßt manchesmal einen Blinden wieder sehen: einen Sinn, einen Ausweg.
Hoffnung hat für uns Christen eine Quelle, aus der sie gespeist wird, sie hat ihren ganz tiefen Grund in den Zusagen und Verheißungen Gottes, in der Erfahrbarkeit seiner Treue und Verläßlichkeit.
Ich lese Ihnen den für den heutigen 8. Sonntag nach Trinitatis vorgeschlagenen Predigttext aus dem 2. Kapitel des Propheten Jesaja:
1 Dies ist's, was Jesaja, der Sohn des Amoz, geschaut hat über Juda und Jerusalem: 2 Es wird zur letzten Zeit der Berg, da des HERRN Haus ist, fest stehen, höher als alle Berge und über alle Hügel erhaben, und alle Heiden werden herzulaufen, 3 und viele Völker werden hingehen und sagen: Kommt, laßt uns auf den Berg des HERRN gehen, zum Hause des Gottes Jakobs, daß er uns lehre seine Wege und wir wandeln auf seinen Steigen! Denn von Zion wird Weisung ausgehen und des HERRN Wort von Jerusalem. 4 Und er wird richten unter den Heiden und zurechtweisen viele Völker. Da werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen. Denn es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben, und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen. 5 Kommt nun, ihr vom Hause Jakob, laßt uns wandeln im Licht des HERRN!
Wir können sie hören, die Stimmen der Kritiker aller Zeiten gegen einen solchen Text, auch die Stimmen, die in unserer Zeit dagegen laut werden:
* “Opium fürs Volk!”
* “Menschen sollen mit der Hoffnung auf eine ferne Zukunft vertröstet werden!”
* “Sie sollen sich ducken und sich den gegenwärtigen Verhältnissen fügen!”
* “Träume sind Schäume, zerplatzen wie eine Seifenblase!”
oder:
* “Laßt euch nicht vertrösten, tut selber etwas!”
Oder, noch viel schlimmer, Stimmen wie die:
* “Schlachtet die Traurigen und die Welt wird lustig.”
* “Schlachtet die Alten und die Welt wird jung!”
* “Schlachtet die Feinde und die Welt wird freundlich.”
Mit diesen Sätzen aus dem Antitext “Maßnahmen” karikiert Erich Fried sehr eindrucksvoll die Haltung derer, die sich in allen Zeiten gegen solche Visionen gewehrt haben.
Unterschiedlich werden auch unsere Gedanken zunächst sein, wenn wir einen solchen Text - wie den aus dem Jesajabuch - hören.
Ich will versuchen, den Verheißungstext des Propheten in seiner Grundzusage der Verläßlichkeit Gottes in unterschiedlichen Hoffnungsbildern unterschiedlicher Zeiten selber sprechen zu lassen:
Jahrhunderte später ist die Stadt Jerusalem belagert. Viele der Einwohner sind ins Exil verschleppt worden, in eine ungewisse, dunkle Zukunft.
Trostlosigkeit macht sich breit, Verzweiflung wächst, Gedanken der Sinnlosigkeit und der Resignation verzehren die letzten positiven Lebensfunken.
Irgendeiner erinnert sich, gibt es an die anderen weiter, erinnert sich an die Verheißungen Gottes, hat vielleicht einen solchen Satz auf einem Papyrusfetzen aufbewahrt: “Es wird kein Volk wider das andere ein Schwert aufheben... Kommt nun, laßt uns wandeln im Licht des Herrn!”
Wir können uns vorstellen, wie solche Hoffnungsbilder Menschen unter die Arme greifen, ihnen Kraft zum Durchhalten, gleichzeitig aber auch Mut zum Verändern geben, zum Handeln auch in ganz eng gesteckten Grenzen.
Diese Hoffnungsbilder haben Menschen weitergegeben, und viele Jahrhunderte später haben sie Hand und Fuß bekommen in Jesus Christus.
Menschen wurden um ihres Glaubens willen verfolgt und gequält, aber sie haben im Glauben die Verläßlichkeit Gottes in der Botschaft von der Auferstehung als belebend empfunden. Sie haben in den Spuren des Jesus von Nazareth die Vision von einem neuen Himmel und einer neuen Erde weitergegeben.
Sie haben diese Verheißungen weitergegeben bis in diesen Gottesdienst hinein an uns, die wir immer wieder an Grenzen stoßen, ohnmächtig und hilflos Krankeiten, Leid, Tod erfahren müssen.
Ich denke an einen Menschen mit einer unheilbaren Krankheit, der um sein Ende weiß. Verzweiflung macht sich breit, lähmende Angst. Gegen diese Angst klammert er sich fest an der Hoffnung auf die Zusagen Gottes. Er glaubt daran, daß dieser Gott ihm im Kampf mit den unsagbaren Schmerzen und der Angst vor dem Sterben Kraft geben wird. So versucht dieser Mensch, die letzte ihm auf dieser Erde verbleibende Zeit mit seinen Angehörigen zusammen in Gesprächen in diesen so eng gesteckten Grenzen, liebevoll, sinnvoll, ehrlich und würdevoll zu gestalten.
Wer, liebe Gemeinde, solche Hoffnungsbilder nicht hat, erstickt an der Gegenwart.
Zum Schluß möchte ich Ihnen noch eine sehr beeindruckende Szene erzählen:
In seinem Schauspiel “Peer Gynt” schildert Henrik Ibsen in der Person des Peer einen Menschen, der in seinem Leben alles mögliche erreichen wollte - immer auf sein Können und seine eigene Kraft vertrauend.
Am Schluß ist Peer ein alter Mann geworden. Es geht ans Sterben, und er sitzt im Staub und fragt sich und fragt die anderen: Wo komme ich jetzt hin? Was ist mein Leben gewesen? Was bleibt?
Er fragt und fragt, aber niemand gibt ihm eine Antwort. Nur eine alte Frau wirft ihm eine Zwiebel hin. Peer sitzt am Boden und reißt eine Zwiebelschale nach der anderen ab und spricht zu sich selbst in der Rückerinnerung: diese Phase vorbei, wie diese Zwiebelschale, die nächste Station meines Lebens: vorüber und immer so weiter, bis alle Zwiebelschalen zerstreut am Boden liegen und die Zwiebel ist alle. Da gehen Peer die Augen auf, da ist nichts mehr für ihn, denn eine Zwiebel hat keinen Kern, der Kern fehlte in der Frucht seines Lebens.
Wir brauchen, liebe Gemeinde, Hoffnungsbilder, die unser Handeln leiten, die uns aber trotz so vieler Grenzen einen Horizont geben.
Wir brauchen einen solchen Kern, damit am Ende nicht unser Leben hohl und leer geblieben ist. Amen.
Verfasserin: Dekanin Pfrn. Renate Weber, Am Hachberg 5, 36318 Schwalmtal
© Copyright:
Herausgegeben vom

Referat Ehrenamtliche Verkündigung
Markgrafenstraße 14, 60487 Frankfurt/Main,
Telefon: 069.71379-140
Telefax: 069.71379-131
E-Mail: predigtvorschlaege@zentrum-verkuendigung.de
in Kooperation mit dem
Gemeindedienst der
Evangelischen Kirche
in Mitteldeutschland
Pfarrer Dr. Matthias Rost
Zinzendorfplatz 3 (Alte Apotheke), 99192 Neudietendorf
Telefon: 036202.7717-97
Pfarrer Thomas Borchers
Missionarisch-Ökumenischer Dienst
Westbahnstraße 4
76829 Landau
Telefon: 06341.928912
E-Mail: info@moed-pfalz.de
Die „Predigtvorschläge“ sind auch auf CD-ROM (Text- und MS WORD-Datei) erhältlich
(Bestellformular).