Für euch dahingegeben
von Johannes-Michael Worbs (39114 Magdeburg)
Predigtdatum
:
10.03.2002
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
Okuli
Textstelle
:
Jesaja 54,7-10
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Wochenspruch:
Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht. (Johannes 12,24)
Psalm: 84,6-13 (EG 734)
Lesungen
Altes Testament:
Jesaja 54,7-10
Epistel:
2. Korinther 1,3-7
Evangelium:
Johannes 12,20-26
Liedvorschläge
Eingangslied:
EG 398
In dir ist Freude in allem Leide
Wochenlied:
EG 98
oder EG 396
Korn, das in die Erde
Jesu, meine Freude
Predigtlied:
EG 355
Mir ist Erbarmung widerfahren
Schlusslied:
EG 289,1+2+5
Nun lob, mein Seel, den Herren
7 So spricht der HERR: Ich habe dich einen kleinen Augenblick verlassen, aber mit großer Barmherzigkeit will ich dich sammeln. 8 Ich habe mein Angesicht im Augenblick des Zorns ein wenig vor dir verborgen, aber mit ewiger Gnade will ich mich deiner erbarmen, spricht der HERR, dein Erlöser. 9 Ich halte es wie zur Zeit Noahs, als ich schwor, dass die Wasser Noahs nicht mehr über die Erde gehen sollten. So habe ich geschworen, dass ich nicht mehr über dich zürnen und dich nicht mehr schelten will. 10 Denn es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen, und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht der HERR, dein Erbarmer.
Liebe Gemeinde!
Welch unerhörte Kraft, welch tiefer Trost, welch unergründliche Liebe und Treue kommt mit diesen Worten auf uns zu! Wir spüren förmlich, wie uns starke, heilende Hände in die Arme schließen. Hier leuchtet Evangelium auf! Hier treffen sich jüdischer und christlicher Glaube. Schon die ersten christlichen Gemeinden haben den tiefen Zusammenhang zwischen Jesu Weg, seiner Botschaft und den Worten aus dem zweiten Teil des Jesajabuches entdeckt, zu dem auch unser Predigttext gehört.
Der Gottesbote, der uns diesen Trost überliefert hat, wird zu Recht der „Evangelist“ unter den Propheten genannt. Wir kennen seinen Namen nicht. Wir wissen nichts aus seiner Biographie. Nur eins lässt sich mit Sicherheit sagen: Er verkündet die Botschaft Gottes in eine Zeit hinein, in der das Alte Israel mit einer bis dahin nie gekannten Katastrophe umgehen musste. Der Krieg mit dem übermächtigen Babylon hatte alles gekostet. Nichts war mehr so wie früher. Es gab keinen Tempel mehr in Jerusalem und damit auch keinen Opfergottesdienst.
Wie sollten die Gläubigen jetzt in der rechten Weise Gottesdienst feiern, Gott loben und um Hilfe anrufen? Es gab kein Königshaus mehr. Wer sollte jetzt in die Nachfolge Davids, des Gesalbten Gottes, treten? Die Menschen, die wichtig waren für den Zusammenhalt des Volkes in Wirtschaft und Religion waren von den Siegern nach Babylon verbannt. Was wird aus dem Volk des Bundes, den Nachkommen Abrahams, Isaaks und Jakobs? Gott zürnt uns, Gott ist verborgen, Gott hat uns aufgegeben. Unsicherheit und lähmende Angst unter denen, die der Krieg verschont hatte, bei den Zurückgebliebenen und den Verbannten.
Nichts ist mehr so wie es war. Spätestens seit jenem 11.September des vergangenen Jahres, dem Tag der furchtbaren Terroranschläge in den USA, sind viele Menschen aufgeschreckt, sehen, welche Risse, Spannungen und Auseinandersetzungen unsere Menschenwelt durchziehen. Mit großer Sorge fragen viele: Was wird uns die Zukunft bringen? Wie können wir Gottes Gegenwart, seine Hilfe und Wegweisung spüren?
Das Leben muss ja irgendwie weitergehen, werden auch damals in Babylon viele gesagt haben. Man muss sich eben mit den Gegebenheiten abfinden, die Macht der Fakten akzeptieren. Die nächste Generation der Verbannten wuchs heran, kannte nur noch vom Hörensagen die alte Heimat, Jerusalem und den Tempelgottesdienst. Und sicher sind auch solche Fragen aufgetaucht: Warum nicht auch die Götter der Babylonier verehren? Sind sie nicht viel wirkmächtiger als der Gott unserer Väter? Ja wo ist er denn überhaupt? Ein verborgener Gott kann uns nicht helfen!
Solche Gedanken sind uns nicht fremd. Und Zeitgenossen fragen: Was bringt es mir, wenn ich mich zu einem Gott halte, den ich nicht sehe und verstehe?
Damals gab es Menschen, die sich nicht mit den Gegebenheiten abfinden wollten, die gegen den Augenschein am Gott der Väter festhielten. Aus ihrer Mitte mag der Bote Gottes gekommen sein, dessen Worte eine bis dahin nie da gewesene Gottesvorstellung erschlossen. Worte mitten hinein mitten in die Situation von Ungeborgenheit, Ratlosigkeit, Verzagtheit und Zweifel.
(Hier kann noch einmal der Predigttext verlesen werden)
Es sind Worte gegen den Augenschein, gegen alle politische und religiöse Realität. Es ist nicht ein Trost nach dem Motto: Es wird schon wieder alles gut. Denn es gibt auch harte Wahrheiten, die im zweiten Jesajabuch ausgesprochen werden. Eine davon lautet: Gott ist nicht gebunden an das Land unserer Väter, an die Stadt Davids, an den Tempel. Er hat das alles im Zorn preisgegeben. Viele hatten sich in der falschen Sicherheit gewiegt: Gott wird es schon nicht zulassen, egal wie wir leben.
Das zweite Jesajabuch hält fest, dass es Gericht Gottes gibt. Dies aber ist nicht das letzte Wort Gottes. Trost, und das heißt Gnade und Barmherzigkeit Gottes, wird es wieder geben. Die Entdeckung in der Botschaft des Propheten: Gott ist mit denen gegangen, die verbannt wurden. Ja mehr noch: Er hat sich gerade in Babylon als der eigentliche Herr über alle Gottheiten und Mächte dieser Welt gezeigt. Und dieser allmächtige Gott ist ein Tröster, einer der herausführt und Lebendig macht, einer, dessen Liebe und Treue niemand überbieten kann.
Um dies überhaupt für unser menschliches Verstehen auszusagen, wird als Hintergrund das Bild einer Naturkatastrophe gezeichnet. Wenn Berge zusammenbrechen und Hügel verschwinden, dann ist das ein Bild für ein Ende ohne Hoffnung und Neubeginn. Wenn uns Terrorkatastrophen, Kriege, verheerende Umweltzerstörungen vor Augen stehen, wenn Krankheit und Unglück über uns kommen, dann bricht im wahrsten Sinne des Wortes die Welt zusammen. Können wir dann noch das Gute erhoffen, an Gott festhalten?
Ja, ihr könnt! So sagen es uns die Worte des Gottesboten. Über allem steht der Bund seines Friedens, der höher ist als all unser Erkennen und Verstehen. Auch der verborgene Gott lässt die nicht los, die auf ihn ihre Hoffnung setzen. Dieser Glaube entsteht nicht aus unseren Gedanken und Wünschen. Er wird in uns hineingetragen durch den Bewahrer und Erbarmer selbst. Dieser Glaube ist zugleich Widerspruch gegen die Mächte der Zeit, vor allem die der Resignation, der Angst, der Gleichgültigkeit.
So manches Mal fühlen wir uns auch als Verbannte, als Heimatlose, Verzagte. Und so hören und lesen wir die Verkündigung von damals auch für uns als Botschaft des Heils, als Trost und Gewissheit, dass wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber der Friedensbund Gottes nicht.
Als Christen stehen wir zugleich in einer Verheißung, die mit dem Weg des Mannes aus Nazareth beginnt. Er ist der Weg Gottes zu uns, zu den Gefangenen einer Zeit und Welt, die vielen Angst macht. Der, den das zweite Jesajabuch den Tröster und Erlöser nennt, kommt zu uns in Jesus, dem Heiland und Versöhner. Im Kreuz auf Golgatha schließt Gott den Friedensbund mit unserer Menschenwelt. Tiefer und größer kann uns die Liebe Gottes nicht umfangen. Wir haben eine Zukunft, die selbst die Mächte des Todes nicht zerstören können.
Einst haben sich die Tore und Wege für die Verbannten in Babylon geöffnet. Gott hat seine Verheißung wahr gemacht. Der Psalmist besingt dies mit den Worten:
„Wenn der Herr die Gefangenen Zions erlösen wird,
so werden wir sein wie die Träumenden.
Dann wird unser Mund voll Lachens und
unsere Zunge voll Rühmens sein.
Dann wird man sagen unter den Heiden:
Der Herr hat Großes an ihnen getan!
Der Herr hat Großes an uns getan,
des sind wir fröhlich.“
Wer befreit ist, der singt das Lied der Freude, wer Hoffnung gewinnt, preist Gott. Wir können aufbrechen aus den Verzagtheiten und Ängsten mit dem Lied der Befreiten auf den Lippen, weil unser Heiland uns in seine Zukunft ruft. Amen.
Verfasser: Pfr. Johannes-Michael Worbs, Breite Str. 7, 39114 Magedburg
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Missionarisch-Ökumenischer Dienst
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