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Geborgen bei Gott

von Martin Henninger (Frankenthal)

Predigtdatum : 12.09.2021
Lesereihe : III
Predigttag im Kirchenjahr : 15. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle : Lukas 17,5-6
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Wochenspruch: All eure Sorge werft auf ihn; denner sorgt für euch. (1. Petrus 5,7)

Psalm: 127,1-2

Lesungen

Reihe I: 1. Petrus 5,5b-11
Reihe II: 1. Mose 2,4b-9(10-14)15(18-25)
Reihe III: Lukas 17,5-6
Reihe IV: Galater 5,25-6,10
Reihe V: 1. Mose 15,1-6
Reihe VI: Matthäus 6,25-34

Liedvorschläge

Eingangslied: EG 454 Auf und macht die Herzen weit
Wochenlied: EG 358 Es kennt der Herr die Seinen
Predigtlied: EG 369 Wer nur den lieben Gott läßt walten
Schlusslied: EG 621 Ins Wasser fällt ein Stein

Predigttext: Lukas 17,5-6

5 Und die Apostel sprachen zu dem Herrn: Stärke uns den Glauben!
6 Der Herr aber sprach: Wenn ihr Glauben hättet wie ein Senfkorn, würdet ihr zu diesem Maulbeerbaum sagen: Reiß dich aus und verpflanze dich ins Meer!, und er würde euch gehorsam sein.

Predigt

Liebe Gemeinde,

haben Sie sich schon einmal gefragt, wie es um Ihrem Glauben bestellt ist? Stellen Sie sich eine Skala von 1 – 10 vor. 1 ist ein winzig kleiner Glaube, 10 ist ein Glaube, den nichts erschüttern kann. Wo auf dieser Skala von 1 – 10 würden Sie Ihren eigenen Glauben einordnen.

Ordnen Sie Ihren Glauben im unteren Bereich ein? 1-3 auf der Skala? Das wäre ziemlich bescheiden. Da wäre definitiv noch Luft nach oben.

Oder eher im mittleren Bereich? So 4-6 auf unserer Skala? Man betet ja schon immer mal wieder, geht in den Gottesdienst, hält sich an die Zehn Gebote und der Segen Gottes für das, was man vorhat, ist einem auch nicht unwichtig.,

Geht noch mehr? 7,8,9 oder gar zehn? Als Presbyter sollte man schon auf die 7 kommen, als Pfarrer sogar auf die 8. Mindestens. Andererseits: Ein bisschen Luft nach oben muss ja bleiben. Wir sind nicht Martin Luther oder Mutter Theresa, von Jesus selbst ganz zu schweigen.

Auch die Jünger damals scheinen sich die Frage gestellt zu haben. Es scheint, als hätten sie ebenfalls ihren Glauben bewertet und festgestellt: Der Glaube, den wir haben, reicht uns nicht. Da ist mehr drin. Also wenden sie sich an Jesus.

Hören wir den Predigttext bei Lukas im 17. Kapitel, Vers 5-6:

Und die Apostel sprachen zu dem Herrn: Stärke uns den Glauben! 6 Der Herr aber sprach: Wenn ihr Glauben hättet wie ein Senfkorn, würdet ihr zu diesem Maulbeerbaum sagen: Reiß dich aus und verpflanze dich ins Meer!, und er würde euch gehorsam sein.

Die Frage ist natürlich: Woran macht man es fest, ob man genug Glauben hat? Gibt es Kriterien für einen starken Glauben? Etwa, dass die Gebete eines Menschen mit starkem Glauben eher erhört werden? Oder dass er ein unerschütterliches Vertrauen zu Gott hat – so wie Hiob, der alles verliert, sein Haus, seinen Besitz, die Kinder kommen um. Die Freunde behaupten: Das muss deine Schuld sein. Und Hiob hält fest: Es ist nicht meine Schuld, und es ist auch keine Strafe Gottes. Ist das ein starker Glaube? Oder ist das ein starker Glaube, wenn eine Familie, nachdem ihr Kind durch eine Bombe getötet wurde, zur Versöhnung statt zur Rache aufruft?

Wenn wir diese Beispiele hören, dann beschleicht uns, mich eingeschlossen, ein leiser nagender Zweifel, ob mein Glaube so groß ist.

Das Wort Jesu scheint das auf den ersten Blick zu bestätigen. Er nimmt zwei Extreme aus der Pflanzenwelt: Das Senfkorn ist das kleinste aller Samenkörner. Der Maulbeerbaum dagegen besitzt ein äußerst starkes Wurzelwerk, wodurch er schwere Stürme überstehen kann; es ist beinahe unmöglich ihn zu verpflanzen. Also könnte man sagen: Da ist das Glaubensminimum eines Senfkornglaubens, und selbst diesem Glaubensminimum gelingt etwas so schwieriges wie die Verpflanzung eines fest verwurzelten Maulbeerbaumes. Und der 3. Schritt ist dann die verzweifelte Erkenntnis: Wenn schon ein so minimaler Glaube wie der Senfkornglaube einen Riesen- Maulbeerbaum verpflanzen kann, dann kann mein Glaube, dem das nicht gelingt, einfach nichts wert sein.

So weit, so schlecht. Wenn diese beiden Verse so zu verstehen wären, dann hätte Jesus damit eine gute Grundlage für einen beständigen Minderwertigkeitskomplex von Christen gelegt, deren Glaube einfach immer zu klein ist.

Oder wann haben Sie das letzte Mal einen Maulbeerbaum durch ihren Glauben bewegt? Hände hoch! Wenn Ihnen das nicht gelingt, wie groß ist dann überhaupt ihr Glaube?

Nach diesem Versuch, Ihren und meinen Glauben so richtig klein zu reden, möchte ich mit Ihnen diese beiden Verse noch einmal genauer anschauen.

Und die Apostel sprachen zu dem Herrn: Stärke uns den Glauben! (V5) Den Jüngern geht es so wie uns. Sie haben das Gefühl, ihr Glaube reicht nicht aus. So schauen zu, wie Jesus Menschen begegnet, wie er immer das richtige Wort findet, wie er Menschen heilt an Leib und Seele, wie er sich in Diskussionen mit Pharisäern klug behauptet, wie er betet – und würden das natürlich auch gerne selbst können. Ihre Vermutung: Das muss etwas mit ihrem Glauben zu tun haben. Jesus glaubt einfach mehr. Jesus hat einen stärkeren Glauben, deswegen kann er Dinge tun, die wir nicht können.

Und was antwortete Jesus? Hören Sie noch einmal genau zu und fragen Sie sich dabei, ob Jesus der Bitte der Jünger überhaupt nachkommt.

Der Herr aber sprach: Wenn ihr Glauben hättet wie ein Senfkorn, würdet ihr zu diesem Maulbeerbaum sagen: Reiß dich aus und verpflanze dich ins Meer!, und er würde euch gehorsam sein. (V6)

Kommt Jesus der Bitte der Jünger nach? Sagt er ihnen, wie sie ihren Glauben stärken können?

Ulrich Luz, Prof für Neues Testament in Göttingen, schreibt dazu: „Man darf nicht überinterpretieren. Der Vergleich des Glaubens mit einem Senfkorn dient in diesem Jesuswort dazu, das unfassbar kleine, nämlich den Glauben, dem unfassbar großen, nämlich dem, was er bewirkt, also dem Entwurzeln einer Sykomore mit ihren riesigen Wurzeln gegenüberzustellen. Es geht also nicht um einen besonderen Senfkornglauben, sondern um den Glauben schlechthin.“

Wenn ich Prof. Luz richtige verstehe, sagt er ganz klar: Nein. Es geht gar nicht um einen größeren oder kleineren Glauben. Jesus sagt vielmehr: Euer Glaube ist groß genug. Selbst ein winzig kleiner Senfkornglaube ist groß genug. Es kommt nicht auf die Größe des Glaubens an, sondern darauf, ob man überhaupt glaubt, oder nicht.

Die Ursache des Missverständnisses scheint mir darin zu liegen, dass wir viel zu schnell fragen: Was bringt mir das? Und dann eben auch: Was bringt mir der Glaube? Ich habe den Eindruck, dass Jesus mit dem Beispiel des Maulbeerbaumes diese Frage: Was bringt mir mein Glaube? ein wenig, mit einem Augenzwinkern, in Frage stellt. Seien Sie doch einmal ehrlich: Es mag ja ganz lustig sein, einen Baum mit dem puren Glauben verpflanzen zu können, es mag auch viel Schweiß und Arbeit sparen – jeder Gärtner, der mal im Schweiße seines Angesichts einen Baumstumpf ausgegraben hat, kann ihnen das bestätigen. Aber welcher Gärtner käme auf die Idee, diese Wurzeln mit der Kraft des Glaubens bewegen zu wollen. Warum nicht? Weil wir ehrlich sagen müssen: Beim Glauben geht es um andere Dinge, nicht um Arbeitsersparnis.

Worum aber geht es dann beim Glauben?

Glauben ist Vertrauen und Vertrauen ist Beziehung. Beim Glauben geht es also um eine Vertrauensbeziehung mit Gott. Wie in jeder Beziehung gibt es auch beim Glauben Höhen und Tiefen, Nähe und Distanz. Aber die Grundfrage heißt: Habe ich eine Beziehung oder habe ich keine.

Ich glaube, wir Christen müssen uns frei machen von der besorgten Frage: Ist mein Glaube groß genug? Bin ich gut genug für Gott? Darf ich mich trauen, mich als Christ zu outen, wo ich doch noch immer nicht auf alle Fragen eine Antwort habe. Das war die große Wende im Leben Martin Luthers, der Beginn der Reformation, als er erkannte: Es kommt eben nicht auf meinen großen oder kleinen Glauben an, sondern darauf, ob ich eine Beziehung zu Gott habe oder nicht. Ob Gott mir wichtig ist. Gott ist keiner, der Punkte für großen Glauben und gute Taten vergibt. Für Gott ist der Senfkornglaube groß genug.

Natürlich kann ich Beziehungen auch aufkündigen. Viele Menschen tun das. Ich habe kürzlich mit einem Kollegen darüber diskutiert, wieviele 12-jährige sich noch zum Konfirmandenunterricht anmelden. Bei ihm sind es noch 1/3, bei uns noch knapp die Hälfte. Und das macht mir Sorge, weil so viele junge Menschen überhaupt kein Interesse mehr an Gott haben. Aber kein Interesse an Gott zu haben ist etwas völlig anderes als ein Senfkornglaube.

Und noch etwas. Jesus scheint das Gerede über großen und kleinen Glauben für Unsinn zu halten. Aber es gibt natürlich Unterschiede im Glauben. So wie Menschen sich von Babys über Kinder, Teenager zu Erwachsenen entwickeln, so entwickelt sich auch unser Glaube. Der Glaube eines 3-jährigen ist anders als der Glaube eines Teenagers oder eines reifen Menschen mit Lebenserfahrung.

James Fowler, ein amerikanischer Theologe, hat einmal entsprechend der Entwicklung des Menschen 7 Stufen des Glaubens herausgearbeitet: 1. Stufe: Das Urvertrauen des Baby, das sich darauf verlässt: Wenn ich schreie, wird mir geholfen. Die 2. Stufe ist das spontane Nachmachen des Kleinkindes: wenn die Eltern beten, tut es das auch ohne zu fragen. In der 3. Stufe, der Grundschulzeit, spielen Geschichten eine große Rolle, und das Kind identifiziert sich dann z.B. mit dem mutigen David, weil es selbst gerne mutig wäre.

Während der Pubertät werden bisherige Wahrheiten in Frage gestellt. Man probiert verschiedene Positionen aus. z.B. Was würde passieren, wenn ich bestreite, dass es Gott gibt.

So ab 20 fängt man dann an, eine eigene Position zu entwickeln. Das wäre Stufe 5.

Die 6. Stufe ist ein Glaube, der gelernt hat, Schwierigkeiten zu bewältigen und vertraut, dass Gott aus Allem Gutes entstehen lassen kann, während man auf der 7. Stufe des Glaubens gelernt hat, von sich selbst abzusehen und sein Leben für andere einzusetzen.

Ich kann heute diese 7 Stufen nur kurz anreißen. Wichtig ist einerseits, dass der Glaube auf jeder Lebensstufe seine eigene Gestalt und seinen eigenen Wert hat. Andererseits ist auch klar, dass man mit 14 seinen Kinderglauben hinter sich lassen darf. Und dass die Lebenserfahrung eines 70-jährigen einem auch den Glauben neu sehen lässt.

Machen wir uns also frei von der Frage: Ist mein Glaube groß genug? Und freuen wir uns darauf, dass unser Glaube natürlich sich verändern und dazulernen darf, aber in Gottes Augen immer groß genug und ausreichend ist.

Amen.

Verfasser: Martin Henninger, M.Th., Philipp-Rauch-Str. 9, 67227 Frankenthal


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