Wochenspruch:
Es werden kommen von Osten und von Westen, von Norden und von Süden, die zu Tisch sitzen werden im Reich Gottes (Lukas 13,29).
Psalm: 86
Lesungen
Altes Testament:
2. Könige 5, (1-8) 9-15 (16-18) 19a
Epistel:
Römer 1, (14-15) 16-17
Evangelium:
Matthäus 8, 5-13
Liedvorschläge
Eingangslied:
EG 441
Du höchstes Licht, du ewger Schein
Wochenlied:
EG 293
Lobt Gott, den Herrn, ihr Heiden all
Predigtlied:
EG 74 oder EG 346
Du Morgenstern, du Licht vom Licht oder: Such, wer da will, ein ander Ziel
Schlusslied:
EG 66
Jesus ist kommen
5 Als aber Jesus nach Kapernaum hineinging, trat ein Hauptmann zu ihm; der bat ihn 6 und sprach: Herr, mein Knecht liegt zu Hause und ist gelähmt und leidet große Qualen. 7 Jesus sprach zu ihm: Ich will kommen und ihn gesund machen. 8 Der Hauptmann antwortete und sprach: Herr, ich bin nicht wert, dass du unter mein Dach gehst, sondern sprich nur ein Wort, so wird mein Knecht gesund. 9 Denn auch ich bin ein Mensch, der Obrigkeit untertan, und habe Soldaten unter mir; und wenn ich zu einem sage: Geh hin!, so geht er; und zu einem andern: Komm her!, so kommt er; und zu meinem Knecht: Tu das!, so tut er's.
10 Als das Jesus hörte, wunderte er sich und sprach zu denen, die ihm nachfolgten: Wahrlich, ich sage euch: Solchen Glauben habe ich in Israel bei keinem gefunden! 11 Aber ich sage euch: Viele werden kommen von Osten und von Westen und mit Abraham und Isaak und Jakob im Himmelreich zu Tisch sitzen; 12 aber die Kinder des Reichs werden hinausgestoßen in die Finsternis; da wird sein Heulen und Zähneklappern.
13 Und Jesus sprach zu dem Hauptmann: Geh hin; dir geschehe, wie du geglaubt hast. Und sein Knecht wurde gesund zu derselben Stunde.
Liebe Gemeinde,
„Gehe hin, dir geschehe, wie du geglaubt hast.“
Wie oder was hat denn der Hauptmann geglaubt? Wir wissen wenig von ihm. Ein Hauptmann, also ein Militär in Uniform. Ein Mann im Dienst der römischen Besatzungsmacht. Er war kein Jude. Vermutlich war er ein Syrer. Aber er muss Sympathien beim jüdischen Volk und für dieses Volk gehabt haben. Das erfahren wir aus dem Lukasevangelium. Dort wird berichtet, er hätte sogar eine Synagoge erbauen lassen. Wir erfahren auch, dass er einen kranken, möglicherweise sogar todkranken Knecht oder Sohn hat. Das verwendete griechische Wort bezeichnet beides: Sohn und Knecht.
Dieser Mann also kommt zu Jesus. Woher er ihn kennt, wissen wir nicht. Hat er nur von Jesus gehört oder hat er ihn schon erlebt – Jesus, von dem es heißt: „Er ging umher im ganzen galiläischen Land, lehrte in ihren Synagogen und predigte das Evangelium vom Reich und heilte alle Krankheit und alle Gebrechen im Volk“ (Matthäus 4, 23)? Kapernaum liegt am See Genezareth in Galiläa. Jesus pflegte sich dort aufzuhalten.
Der Hauptmann hat geglaubt und gehofft, dass Jesus helfen kann. Das ist nicht weiter verwunderlich. Es wird sich herumgesprochen haben, dass die Menschen zu Jesus strömten, um geheilt zu werden. Erinnern wir uns nur an den Gelähmten, der von seinen Freunden durch das Dach gelassen wird, Jesus zu Füßen. Er wurde gesund. Wenn solche Erfolgsaussichten bestünden, dann gibt es doch nichts Naheliegenderes als Jesus um Hilfe zu bitten. Das tut der Hauptmann. Er schildert Jesus die Situation des sich quälenden Kindes oder Knechtes.
Der Hauptmann rechnet offensichtlich nicht damit, dass Jesus selber kommen und ihn gesund machen will. Wie könnte er sonst zu Jesus sagen: „Ich bin nicht wert, dass du unter mein Dach gehst“? Das überrascht. Womit hat er denn gerechnet? Wenn wir einen Arzt rufen, dann wollen wir keine Ferndiagnosen, sondern eine gründliche Untersuchung am Bett, wir wollen eine ordentliche Therapie.
Übrigens erzählen die Elisa-Geschichten im Alten Testament (2. Könige 5, 1-14) von einem syrischen Feldhauptmann, der aussätzig ist und zum Propheten geht, um geheilt zu werden. Der lässt ihm sagen, er solle 7 Mal im Jordan baden, damit er rein würde. Dieser Feldhauptmann wendet sich zornig ab – er hoffte auf eine persönliche Begegnung mit Elisa und auf ein Heilungsgebet. Zum Glück rät ein kluger Knecht, den Anweisungen zu entsprechen. Der Feldhauptmann wird gesund. Ob der Hauptmann diese Geschichte gekannt hat und deshalb meinte, Jesus müsse gar nicht selbst kommen?
Auf jeden Fall hatte er von Jesus eine Vorstellung gewonnen, die ihn glauben lässt, Jesus braucht nur ein Wort zu sprechen, einen Befehl zu erteilen – alle Mächte müssten dem gehorchen. Er vergleicht die Befehlsgewalt Jesu mit der, unter der er selbst steht und die er in beschränkter Weise auch hat. Jesus gebietet – so erfahren wir es ja aus den Evangelien – dem Sturm, der Krankheit, bösen Mächten. Sie gehorchen ihm. Das hat der Hauptmann offenbar begriffen: wenn Jesus spricht, dann geschieht es, ganz so wie es schon im Psalm 33 von Gott heißt: „Wenn er spricht, so geschieht’s; wenn er gebietet, so steht es da“.
Sollte das der Glaube des Hauptmanns sein, dass durch Jesus diese Schöpfermacht Gottes gegenwärtig ist? Es ist doch die große Frage, die sich um die Wunderkraft Jesu rankt. Woher hat er sie? Für Petrus wird es später klar, wie Schuppen fällt es ihm von den Augen: Du bist Christus, des lebendigen Gottes Sohn! Aber wie gesagt, später – und Jesus muss hinzufügen: „Fleisch und Blut haben dir das nicht offenbart, sondern mein Vater im Himmel! (Matthäus 16, 16.17).
„Dir geschehe, wie du geglaubt hast“. Der Hauptmann hat offensichtlich geglaubt, dass Jesus in der Schöpfermacht Gottes handelt, dass er Gott gleich ist, dass er Gott ist. Während die Gottesgelehrten noch rätseln und schließlich zu dem Entscheid kommen, Jesus als Störenfried der Religion lieber beiseite schaffen zu lassen, ist der Hauptmann zum Durchbruch des Glaubens gelangt. Er spricht Jesus so an, wie Gott anzusprechen wäre: „Herr!“ Das verwundert Jesus und veranlasst ihn zu der überraschenden Aussage: „Es werden kommen von Osten und von Westen, von Norden und von Süden, die zu Tisch sitzen werden im Reich Gottes.“ Der Glaube an Jesus Christus als wahren Gott, wiewohl er doch wahrer Mensch ist, öffnet die Tür in das Reich Gottes. Plötzlich hat sich viel mehr ereignet als nur eine Heilung. Er selbst, der Hauptmann, der sich nicht zum jüdischen Volk zählen durfte, darf sich nun zu denen rechnen, die am Tisch Gottes sitzen werden.
Liebe Gemeinde, wir sind hier ganz bei dem Thema dieses Sonntages, wie es der Wochenspruch unterstreicht: „Es werden kommen von Osten und von Westen, von Norden und von Süden, die zu Tisch sitzen werden im Reich Gottes“. Der Glaube an Jesus Christus öffnet den Himmel. Dort werden wir uns wiederfinden mit Menschen des ganzen Erdkreises, und es gilt jetzt schon die Einladung miteinander am Tisch des Herrn Brot und Wein zu teilen. Von Menschen aufgerichtete Grenzen hat Gott längst überwunden. Die Kirche lebt schon immer in der Gemeinschaft aller Glaubenden. Deshalb dürfen Ausgrenzungen unter uns keinen Platz haben, Gedanken der Überheblichkeit gegenüber anderen Menschen und Völkern haben kein Recht. Ganz das Gegenteil ist der Fall. Schwestern, Brüder, Kinder sind uns alle Menschen dieser Erde.
Auch hierin ist der Hauptmann ein Vorbild. Er stellt sich nicht dar als einer, der auf die Seite der Mächtigen oder einer Elite gehört, im Gegenteil – er sagt: „Herr, ich bin nicht wert, dass du unter mein Dach gehst.“ Er weiß sich als einen Bittsteller, dem nichts zusteht. Er respektiert die Distanz, die das jüdische Gesetz ihm gebietet. Er will Jesus nichts zumuten. Ein Jude darf nicht in das Haus eines Heiden gehen. Es würde ihn unrein machen. Jesus wäre bereit, sich über das Gesetz hinwegzusetzen. Aber der Hauptmann fordert das im Wissen um sich selbst nicht ein.
Buchstabieren wir auch diese Haltung, dann können wir entdecken, dass wir uns oft mit den falschen Fragen herumschlagen. Denken wir nicht manchmal, dass wir Gott nicht genügen würden mit dem, was wir tun, was wir denken, glauben, beten und hoffen? Denken wir nicht manchmal, dass es an unserem schwachen Glauben liegt, wenn Gebete nicht erhört werden oder daran, dass wir nicht genug beten, oder nicht heilig genug leben, dass wir nicht genug Einsatz der Liebe zeigen? Mancher Mensch meint sogar zu wissen, warum Gott ihn nicht erhört, und stürzt sich in alle Selbstzweifel und Selbstanklagen. Immer wieder liegt dahinter die Frage nach dem, was ich noch alles leisten und tun muss, um erfolgreich zu glauben und die Welt verändern zu können.
Das Wort Jesu „Dir geschehe, wie du geglaubt hast“, wird dabei ganz verdreht. Aus der unbekümmerten Haltung, mit der der Hauptmann seine Bitte vorträgt, wird die zwanghafte Glaubensvorstellung, nur dann Erhörung zu finden, wenn man nur fest genug, ja mitunter quälerisch glaubt. Eben das ist der völlig verkehrte Weg: Den richtigen Weg haben die Reformatoren gezeigt, und in der Epistel haben wir die Bibelstelle gehört, die Martin Luther von seinen Selbstanklagen und seinem Werke-orientierten Glauben befreit hat. Im Evangelium von Jesus Christus wird „...die Gerechtigkeit offenbart, die vor Gott gilt, welche kommt aus Glauben in Glauben“ (Römer 8, 17). Das Lied von Paul Speratus „Es ist das Heil und kommen her“ sagt es so: “Der Glaub’ sieht Jesus Christum an, der hat genug für uns getan, er ist der Mittler worden.“ (EG 342, 1)
Viele Menschen sind schon in solche Situationen gekommen, wie sie uns von dem Hauptmann bekannt ist. Ein lieber Mensch ist krank und leidet große Qual. „Jesus hilf!“ Plötzlich fixiert sich aller Glaube auf die Hilfe und eine hoffentlich eintretende Heilung. Wir suchen auch alle Kräfte der Natur in uns zu wecken. Aber die Erfolgsquote scheint zufälligen Charakter zu haben. Oft folgen Enttäuschung, Selbstzweifel oder sogar Zweifel an Gott. War der Glaube nicht stark genug?
Der Hauptmann wusste von vornherein, dass es an ihm nicht liegen könne, ob der Knecht oder das Kind gesund würde. In seinen Augen ist er ohnehin nicht würdig genug, dass Jesus kommt. Nein, seine Hoffnung richtet sich ganz auf die göttliche Autorität Jesu, wohl mit einer Erwartung der Heilung, aber ohne jegliche Festlegung. Es ist ein völlig gelassener Glaube, und darin ist er so überzeugend.
„Dir geschehe, wie du geglaubt hast“ – es geht also nicht um einen Glauben an das Ereignis, sondern um den Glauben an Jesus Christus. Solchen Glauben bekennen wir und in solchem Glauben stehen wir. Es ist der Glaube, der uns den Himmel verheißt, und es ist ein Glaube, durch den wir getrost bitten, beten und hoffen können, selbst wenn wir uns ganz ohnmächtig, schwach und gering fühlen. Oder besser – gerade deshalb dürfen wir beten, hoffen und glauben.
Wir sind an die Menschen in unserer Welt gewiesen, die Verantwortung für das Kind, den Knecht bleibt. Vom Hauptmann von Kapernaum lernen wir, dass wir unsere Verantwortung in einem gelassenen, kühnen Glauben leben können, in einem Glauben, der sich nicht auf uns selbst, sondern auf Jesus Christus richtet.
Amen.
Verfasser: Superintendent Dr. Christian Stawenow, Schlossstraße 26, 04509 Delitzsch
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