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Gemeinde bauen in Zeiten des Unglaubens

von Ralf Friedrich (Dieburg)

Predigtdatum : 22.06.2008
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : 4. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle : 2. Thessalonicher 3,1-5
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Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater,
und dem Herrn Jesus Christus.
Amen.

Liebe Gemeinde,

Sie haben die Wahl: Ob Sie an Gott und an Jesus Christus glauben oder an den Urknall, glauben müssen Sie. Weder der Urknall, noch die Existenz Gottes sind hundertprozentig beweisbar. Wenn jemand beweist, dass es Gott gibt, dann gibt es Gott nicht mehr. Gott muss uns Menschen verborgen bleiben, um durch uns wirken zu können. Damit haben aber einige Menschen Schwierigkeiten.

Dass unser Glaube nicht jedermanns Ding ist, wußte bereits der Apostel Paulus, als er an die Gemeinde in Thessalonich den 2. Brief schrieb. Ich lese den heutigen Predigttext:

1 Weiter, liebe Brüder, betet für uns, dass das Wort des Herrn laufe und gepriesen werde wie bei euch
2 und dass wir erlöst werden von den falschen und bösen Menschen; denn der Glaube ist nicht jedermanns Ding.
3 Aber der Herr ist treu; der wird euch stärken und bewahren vor dem Bösen.
4 Wir haben aber das Vertrauen zu euch in dem Herrn, dass ihr tut und tun werdet, was wir gebieten.
5 Der Herr aber richte eure Herzen aus auf die Liebe Gottes und auf die Geduld Christi.
Amen

Denn der Glaube ist nicht jedermanns Ding, klagt Paulus.

In einem Artikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung konnten wir letztes Jahr lesen, dass 30% aller Deutschen keiner Religion angehören.

Wenn ich in unsere Gemeinde schaue, dann kommen selten mehr als 5% unserer Gemeindemitglieder regelmäßig in den Gottesdienst. Wir können auch sagen 95% der Gemeindemitglieder sind passiv oder kirchenfern.
Ist das ein Anzeichen dafür, dass ihnen glauben zu schwer fällt oder dass ihnen glauben zu wenig mit ihrem Alltag zu tun zu haben scheint?

Ich sehe in meinem Beruf, wie wichtig es ist, einen festen Glauben zu haben. Wir werden immer häufiger mit neuen Herausforderungen konfrontiert; Herausforderungen, die die Wirtschaft und unser ständiges Streben nach Neuem ausgelöst haben. Veränderungen, mit denen viele Menschen immer schlechter zurechtkommen.

Was suchen Menschen heute?

Hören wir einem kleinen Teil eines Gespräches zwischen Hanna und Paul zu. Hanna ist überzeugte Christin und Paul Freidenker, d.h. Paul glaubt an nichts. Die beiden sitzen auf einer Bank in einem Park in Dieburg an einem schönen Sommertag.

Paul: "Gott kann es nicht geben. Wir sind alle zufällig entstandene Kohlenwasserstoffverbindungen."

Hanna: "Gott hat uns aus Staub geschaffen und wir werden wieder zu Staub. Das heißt: alles, was an uns lebendig ist, was über die Moleküle hinausgeht, verdanken wir Gott, seiner schöpferischen Liebe. Mit unserem Leben sollen wir Gott dankbar sein und dienen."

Paul: "Die Medizin erforscht, wie unser Körper funktioniert. Die Biologie hat herausgefunden wie wir entstanden sind. Wenn es Gott gibt, dann war er ziemlich passiv die letzten Jahrtausende."

Hanna: "Gott wirkt durch uns Menschen. Unser Leben ist gefährdet, unser Leben ist zerbrechlich. Gott kann nicht eingreifen, kann nicht hier Menschen vor sich selbst retten und da nicht. Wie würdest du dich fühlen, wenn Gott bei deinem Nachbarn eingreift und nicht bei dir? Oder wenn er bei dir eingreift, ohne dass du es willst?"

Paul: "Genau deshalb kann es Gott nicht geben, weil Er nicht handeln kann und darf. Was machen die Menschen? Sie sprengen sich in die Luft in Gottes Namen, sie verbrannten Menschen in seinem Namen und sie haben 6 Millionen Menschen von Gottes ausgewähltem Volk vergast. Wo ist Gott in diesen Situationen gewesen?"

Hanna: "Gott war in diesen Situation den Menschen ganz nahe. Er stand neben ihnen und hat mit ihnen geweint. Er hat gewirkt, das Leiden mit innerer Widerstandskraft zu tragen und dem Bösen nicht recht zu geben. Dieses Wirken ist langsam und doch hat Er am Ende gesiegt. Die Diktaturen dieser Welt finden bis heute immer ein Ende, ihrer Macht, ihrem Unrecht, das sie antun, setzt Gott eine Grenze.

Paul: "Heute brauchen die Menschen mehr praktische Hilfe. Zum Glück gibt es ja Therapeuten, die Menschen aktiv helfen mit den Veränderungen umzugehen. Ein Glaube an Gott ist in der Zeit des Fortschritts doch altmodisch. Wozu regelmäßig beten? Autogenes Training erfüllt doch denselben Zweck. Wozu die Zeitverschwendung in den Gottesdienst zu gehen? Bei einem klassischen Konzert kann ich mich viel besser entspannen."

Hanna: "Eine Beziehung zu pflegen erfordert Zeit und Anstrengungen. Genauso wie ich in die Beziehung mit dir Zeit reinstecke, lasse ich meine Beziehung zu Gott auch Zeit kosten. So wie ich von unserer Beziehung Hilfe und Rat erhalte, erhalte ich von Gott Hilfe und Rat. Gott wirkt durch Zeichen oder hilft mir im richtigen Augenblick zu reagieren. Wenn ich aufhöre zu beten, wenn ich dem Gottesdienst fernbleibe, dann schwächt sich meine Bezeihung zu Gott und ich kann schlechter mit Ihm kommunizieren und Er hat es dann auch schwieriger in und durch mich zu wirken."

Gerade will Paul antworten, da erscheint plötzlich ein alter Rabbi und er sagt zu Paul: "Auch wenn du nicht an Gott glaubst, Gott glaubt an dich." danach verschwindet der alte Rabbi genauso plötzlich wie er gekommen war.

Denn der Glaube ist nicht jedermanns Ding, sehen wir Heute um uns herum.
Menschen fragen: Wenn es Gott gibt, warum lässt er dann so viele schlimme Naturkatastrophen zu? Menschen sagen: Warum lässt Gott Ungerechtigkeit zu?
Was will Gott?

Gott hat uns in wirkliche Freiheit entlassen. Außer in der Kraft der Liebe will Er sich bewusst aus dem Lauf der Welt heraushalten, niemanden gegen seinen Willen zwingen. Aber der Liebe traut er alles zu! In seinem Sohn Jesus Christus leuchtet dieser Weg der Veränderung auf, wie Paulus schreibt: Der Herr aber richte eure Herzen aus auf die Liebe Gottes und auf die Geduld Christi.
Darauf kann man setzen in aller Ratlosigkeit und Not über unerklärbares Leiden.
Es wäre eher ein Zeichen von Unglauben gegenüber der Kraft dieser Liebe und Geduld, wenn Menschen ein sofortiges „Dreinschlagen Gottes“ erwarten, das alles Widergöttliche ausmerzt.

Diese Erwartung hatten tatsächlich manche Gemeindeglieder damals zur Zeit des Paulus. Angesichts des Leidens von Unschuldigen, Verfolgung um des Glaubens willen, sehnten sie das Ende der Welt herbei, wollten Gottes Rache über seine Gegner erleben.
Paulus versucht ihnen tieferen Glauben, tieferes Vertrauen einzuflößen: Es lohnt sich noch, den anderen eine Chance zu geben, Geduld aufzubringen, anstatt Feuerregen auf sie herabzuwünschen.

Ist das manchmal auch unser Denken? Die starrköpfigen Militärs von Birma, die schnelle Hilfe zum Überleben für Hunderttausende nicht ins Land lassen wollten. Die Chinesische Regierung, die eine „harte Linie“ fahren wollte und nun angesichts des Leidens der Erdbebenopfer lernt, Fehler zuzugeben und die konkrete Hilfe für die Menschen höher zu stellen als alle Ideologie.
Kann Gottes und Christi heiliger Geist nicht auch in diesen Menschen etwas bewirken, etwas verändern?
Gottes Durchhaltevermögen, mit anderen Worten Gottes Treue, ist stärker als mancher verzagter Glaube. So ermutigt Paulus:
Aber der Herr ist treu; der wird euch stärken und bewahren vor dem Bösen.

Kommen wir zurück zu Hanna und Paul. Mit wem haben Sie sich in diesem Dialog mehr identifiziert? Sicher war es Hanna und doch leben in jedem von uns auch Anteile von Paul.

Wer von Ihnen führt denn in der Öffentlichkeit Gespräche über Gott und Jesus Christus? Wer von Ihnen motiviert andere Gemeindemitglieder zur aktiven Mitarbeit oder regelmäßigen Gottesdienstbesuch?

Wir sind doch in einer Situation, wie die ersten Gemeinden in Thessalonich, Epheser oder Korinth. Wir sind doch in derselben Situation wie die jüdische Gemeinde zur Zeit Jesus Christus.

Wir Christen müssen unseren Glauben aktiv anderen zeigen. Gegen die "modernen" Götter wie z.B. den Körperkult, die Passivität, die Lethargie konkurrieren.

Und wir Christen müssen anderen eine Hilfe sein, eine Stütze. Wenn sie entwurzelt werden, wenn sie Hilfe brauchen, wenn sie einsam werden.
Wir Christen sollen Freude teilen. Wenn andere sich freuen, so freuen wir uns mit ihnen und wenn andere leiden, so teilen wir deren Leid, dass es ihnen leichter ums Herz wird.

Weiter, liebe Brüder, betet für uns, dass das Wort des Herrn laufe und gepriesen werde wie bei euch, ermutigt uns Paulus.

Wenn wir stark und beseelt zu unserem Glauben stehen, dann werden wieder Menschen, beginnen stärker an Jesus Christus zu glauben. Sich in der Öffentlichkeit als Christ zeigen, kann auch Nachteile mit sich bringen.

Heute, hier in Deutschland, können wir vielleicht belächelt werden oder schlimmstenfalls ausgelacht werden. Und andere Menschen können von einem wirklich gelebten Glauben beeindruckt sein und unserer Gemeinde folgen.

Gemeinde aufbauen, heißt sichtbar andere für Jesus Christus begeistern. Gemeinde aufbauen ist heute genauso schwer, wie vor 2000 Jahren. Gemeinde bauen ist die Aufgabe eines jeden Gemeindemitglieds.

Denn so wird der Glaube ein jedermanns Ding!

Der Herr aber richte eure Herzen aus auf die Liebe Gottes und auf die Geduld Christi weiß Paulus.

Gemeinde erfordert Geduld, Geduld Christi. Christus erwartet keine Revolution. Christus erwartet keine Wunder von uns. Christus erwartet, dass wir regelmäßig in der Gemeinde aktiv sind und kontinuierlich unsere Gemeinde stärken, dass wir unsere Gemeinde attraktiv für die Herausforderungen einer jeden Zeit und sie fit machen und so für viele ein Hafen der Sicherheit, der Zuversicht werden in dem Sturm der sich immer schneller drehenden Welt.
Wir haben aber das Vertrauen zu euch in dem Herrn, dass ihr tut und tun werdet, was wir gebieten hofft Paulus.

Wenn wir auf Jesus Christus und auf Gott hören, Ihm eine Chance geben durch uns zu wirken, dann werden wir fest im Glauben bleiben und tun, was uns der Herr gebietet.
Dieses Gottvertrauen ist die Chance, Gemeinde auch in einer Zeit der Abkehr vom Glauben zu bauen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, behüte und bewahre unsere Herzen und Sinne.
Amen
Lied nach der Predigt EG 584 Meine engen Grenzen