Gerecht gemacht vor Gott
von Helga Trösken (63225 Langen)
Predigtdatum
:
31.10.2010
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
23. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle
:
Römer 3,21-28
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Wochenspruch:
„Einen anderen Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist, Jesus Christus.“ (1. Korinther 3, 11)
Psalm: 36, 2 – 8 (EG 725)
Lesungen
Altes Testament:
Jesaja 62, 6 – 7.10 – 12
Epistel:
Römer 3, 21 – 28
Evangelium:
Matthäus 5, 1 – 10 (11 – 12)
Liedvorschläge
Eingangslied:
EG 136
O komm, du Geist der Wahrheit
Wochenlied:
EG 341
Nun freut euch, lieben Christen g’mein
Predigtlied:
EG 357
Ich weiß, woran ich glaube
Schlusslied:
EG 362
Ein feste Burg ist unser Gott
Predigttext: Römer 3, 21 – 24. 28 (Lutherbibel)
Nun aber ist ohne Zutun des Gesetzes die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, offenbart, bezeugt durch das Gesetz und die Propheten.
Ich rede aber von der Gerechtigkeit vor Gott, die da kommt durch den Glauben an Jesus Christus zu allen, die glauben.
Denn es ist hier kein Unterschied:
Sie sind allesamt Sünder und ermangeln des Ruhmes, den sie bei Gott haben sollten,
und werden ohne Verdienst gerecht aus seiner Gnade durch die Erlösung, die durch Christus Jesus geschehen ist.
So halten wir nun dafür, dass der Mensch gerecht wird ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben.
Meine Vorüberlegungen:
Es ist selten, dass der 31. Oktober auf einen Sonntag fällt. Die Chance sollte der Prediger, die Predigerin nutzen, um die wichtigste Erkenntnis Martin Luthers für unsere Zeit zu vermitteln. Deshalb werde ich nur die Kernaussage des vorgeschlagenen Predigttextes aufnehmen und einige Verse weglassen: Die Sühnopfertheologie ist ein eigenes, anderes Thema.
Die Beobachtung in den letzten Jahren, wie Halloween zu einem immer doller begangenen Event wird, wie insbesondere Kinder die Gruselkostüme und –geschichten sehr beängstigend finden und wie in der öffentlichen Wahrnehmung „Reformation“ verschwindet, lässt mich den Kampf aufnehmen, Kürbis gegen Luther, wie eine Zeitung schrieb.
Das in der Reformationszeit aktuelle Thema: Was gibt mir Sinn im Leben und im Sterben? Wie verliere ich die Angst? ist ein heute sehr aktuelles Thema. Der Markt der Sinndeuter boomt, und keine Scharlatanerie wird ausgelassen. Ob Steine oder Perlen, Bücher mit esoterischen Ratschlägen, Biokost aus Sekten – Landwirtschaft oder Well-ness nach obskuren angeblich indischen Rezepten – Menschen geben viel Geld aus und werden dennoch nicht glücklich. Römer 3, 28 ist wichtiger denn je!
Predigtvorschlag:
„Kürbis schlägt Martin Luther“, so titelte eine Zeitung und beschrieb dann ausführlich, warum Martin Luther und der Reformationstag endgültig ausgedient hätten und zu Recht durch Halloween abgelöst würden.
Als evangelische Christen und Christinnen sind wir vom Gegenteil überzeugt. Den „Kampf“ zwischen Kürbis und Martin Luther nehmen wir gern auf. Ich bin sicher: Wir werden gewinnen! Also: Martin Luther schlägt Kürbis!
Ja, liebe Gemeinde, „Schlagen“ passt zum Reformationstag, wie er sich für Millionen Menschen durch die Jahrhunderte in die Erinnerung eingegraben hat: Jener 31. Oktober 1517, als am Vorabend von Allerheiligen der Augustinermönch und Professor der Theologie Dr. Martin Luther 95 Thesen, d. h. Sätze an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg angenagelt haben soll. Der Lärm der Hammerschläge ist förmlich zu hören – bis heute!
Wie auch die anderen „Schläge“, die wuchtigen Gesten, die uns überliefert sind. Das Verhör vor dem Kaiser in Worms zum Beispiel: „Hier stehe ich. Ich kann nicht anders. Gott helfe mir. Amen“. Und eine Welt stürzt zusammen.
Oder auf der Wartburg über Eisenach der Kampf mit dem Teufel. Mit Kreide auf den Tisch geschrieben: „Ich bin getauft!“ Das Tintenfass gegen die Wand geschleudert, und der Teufel verschwindet für immer.
Ein Scheiterhaufen auf dem Marktplatz zu Wittenberg. Die päpstlichen Schreiben einschließlich der Bannbulle werden ins Feuer geworfen. Der Mönch, der Professor hat keine Angst vor dem Papst in Rom und auch nicht vor der weltlichen Macht. Tod und Teufel können ihm nichts anhaben.
Reformation, das sind gewaltige Bilder und Erinnerungen. Und so singen es Protestanten und Protestantinnen bis heute – wir werden es auch tun: „Ein feste Burg ist unser Gott, ein gute Wehr und Waffen….Und wenn die Welt voll Teufel wär‘ und wollt uns gar verschlingen, so fürchten wir uns nicht so sehr…..“
Was ist dagegen ein ausgehöhlter Kürbis oder eine Gruselparty mit gespenstischen Verkleidungen??
1517 – das war eine unruhige Zeit. Viele Menschen lebten in Angst und Unsicherheit. Früher Tod durch Seuchen und Krankheiten, Kriege in vielen Teilen Europas, Aufstände unterdrückter Bauern gegen die Grundherren, dazu beunruhigende Nachrichten von der Entdek-kung fremder Völker – das alles und mehr verunsicherte die Menschen, ließ sie nach Sicherheit fragen vor allem für das Leben nach dem Tod.
Da nämlich droht eine schreckliche Strafe: das Fegefeuer. Niemand weiß, wie lange es dauern wird. Man weiß nur und hört es fast täglich in den Kirchen: Niemand bleibt verschont. Alle müssen ihre Sünden im Fegefeuer büßen.
Um das Jahr 1517 sind die politischen Konflikte zwischen dem Papst in Rom und dem Kaiser in der Mitte Europas in einer Art Waffenstillstand zur Ruhe gekommen. Wenige Jahre später werden kaiserliche Truppen den Vatikan erobern, zerstören und ausplündern. Jetzt aber ist der Papst in Geldnot. Er will die Peterskirche in Rom zu einem einmaligen Denkmal machen, zur größten Kirche der Christenheit.
Zu seinem Glück findet er in dem Dominikanermönch Tetzel einen hervorragenden Manager, besser: einen genialen Public Relations Mann. Einen, der den richtigen Riecher hat, um den Leuten in den Geldbeutel zu greifen. Er strahlt Vertrauen aus. Die Leute glauben ihm. Er kennt sich aus mit dem Fegefeuer und wie man davon freikommt.
Tetzel fängt klein an bei den kleinen Leuten: Ein paar Groschen kostet es nur, die täglichen Sünden loszuwerden. Der Ablassbrief ist mit dem päpstlichen Siegel versehen. Das bürgt für Qualität und Sicherheit. Für eine kurze Weile, für den Alltag hat man sich von der Angst frei gekauft. Man kann ruhiger leben. Oder doch nicht? Was wird sein, wenn Tetzel weiter zieht? Was ist mit den künftigen Sünden? Darauf steht doch erneut Fegefeuer.
Heimlich kommen sie zu ihm, und genauso heimlich flüstert er: „Sagt’s bloß nicht weiter! Nur für euch, das besondere Angebot. Leider nicht billig, aber immerhin – für die künftigen Sünden könnt ihr auch schon bezahlen. Für die Menge mache ich einen günstigen Preis. Und noch eins biete ich dazu: Eure Verstorbenen leiden doch schon im Fegefeuer, vor allem die kürzlich Verstorbenen. Wollt ihr sie nicht befreien? Ein paar Geldstücke mehr – und wenn das Geld im Kasten klingt, die Seele aus dem Fegfeuer direkt in den Himmel springt“.
Ja, Tetzel hatte Ideen, wie er zu Geld kommen konnte. Natürlich nur für den guten Zweck und aus reiner Menschenliebe. Wurden die Menschen nicht ruhiger durch ihn, freier, gelöster, sicherer? Hörte die Angst nicht auf, der Druck, die Frage nach dem Sinn? Die Ablasszettel gaben Sicherheit, eine kleine Weile lang. Doch sehr bald kamen die alten Fragen wieder. Und der Teufelskreis begann von Neuem.
Das war um 1517.
2010 gibt es den Ablass in der römisch-katholischen Kirche immer noch, wenn auch vornehmer verpackt – als besonderer Ablass zum Heiligen Jahr zum Beispiel oder bei bestimmten Wallfahrten. Auch Papst Benedikt XVI. hat solchen Ablass, den Freikauf von Strafen für Sünden, noch im letzten Jahr verkündet.
Die Tetzels von 2010 allerdings haben vor allem andere, nicht kirchliche Auftraggeber und feinere raffiniertere Methoden um zu Geld zu kommen. Manchmal sammeln sie unter eigenem Namen, meist aber steht unerbittlich ein Großer dahinter: Moon zum Beispiel oder die Führer von Scientology, die Nachfahren des Bagwhan oder Gabriele Wittek mit „Gut zum Leben“.
Sie bedienen sich der Werbung geschickt und gekonnt, auf Hochglanz gedruckt oder im Internet. Sie laden ein zu Konzentrationsübungen und Gedächtnistraining, zu Managerschulung oder Stärkung der Intelligenz, zu Hausaufgabenhilfe und Wellness. Es kostet nicht viel am Anfang und manchmal gibt’s Rabatt.
Fünf Seiten DinA4, mit großer Schrift bedruckt. Darauf steht, was man eigentlich schon weiß: „Nehmen Sie sich am Tag 5 Minuten Zeit zum Entspannen. Atmen Sie mit geschlossenen Augen. Denken Sie an nichts. Fühlen Sie die Wärme des eigenen Körpers“.
Oder so ähnlich. 100 Euro dafür – ein wahrhaft billiger Ablassbrief von Scientology. Es wäre zum Lachen, würde er nicht gekauft, und zwar ganz ernsthaft. Da versteht man keinen Spaß!
Natürlich haben die modernen Tetzels auch ihre geheimen Ablassbriefe: Ein Mantra zum Meditieren oder das persönliche Jahreshoroskop. Wehe, man verrät es! Dann bricht Unglück herein.Ein Mantra, ein unverständliches Wort, ist in der alten indischen Sprache Sanskrit einer der vielen Hundert Gottesnamen des Gottes Shiva. Und Shiva ist der Zerstörer der Welt.
Die modernen Tetzels haben genauso Erfolg wie ihr Vorgänger im 16. Jahrhundert. Menschen werden zufriedener, ruhiger, weniger gestresst, verlieren die Angst. Ein kurzer Erfolg wie damals. Denn auf die Dauer werden die tiefen Fragen nach dem Sinn des Lebens so nicht beantwortet. Die Grundfrage bleibt offen und kann nicht aus eigener Kraft beantwortet werden: Worauf kann ich mich verlassen im Leben und im Sterben? Kein Tetzel dieser Welt kann mit seinen Ablassbriefen, mit Meditation oder Fasten, Horoskopen oder Talismanen darauf eine Antwort geben, weil diese Antwort für kein Geld zu kaufen ist:
„Denn es ist hier kein Unterschied: Sie sind allesamt Sünder und Sünderinnen und ermangeln des Ruhmes, den sie bei Gott haben sollten und werden ohne Verdienst gerecht aus seiner Gnade durch die Erlösung, die durch Jesus Christus geschehen ist. So halten wir nun dafür, dass der Mensch gerecht wird ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben“.
Warum scheint es so schwer, diesen einfachen Worten der Bibel zu trauen? Wir sind Gott recht ohne Vorleistung. Gott liebt uns. Wir müssen nichts dafür tun. Wir wurden ins Leben gerufen als Gottes Kinder, und das heißt, unser Leben hat Sinn vor allem, was wir daraus zu machen versuchen. Wir sind geliebt. Dafür müssen wir nichts bezahlen.
Das widerspricht einem weit verbreiteten Lebensgefühl: Was umsonst ist, kann nichts taugen. Umsonst ist der Tod, sagt man, und der kostet das Leben. Umsonst, geschenkt wird einem im Leben nichts. Nur wer etwas leistet, kommt zu etwas – und das soll im Glauben an Gott anders sein?!
Geschenkt wird einem nichts. Leistung muss sich lohnen. Sie kennen die Sprüche und die Lebenshaltung, liebe Gemeinde. Ein unerbittlicher Druck lastet auf vielen Menschen, vor allem wenn sie älter werden, wenn sie das Gefühl haben, nicht mehr mithalten zu können. Ein unerbittlicher Druck lastet oft schon auf Kindern und Jugendlichen, denen klar wird, sie kommen nicht mit, sie sehen keine Chance. Die auf die Frage, was sie denn einmal werden wollen, antworten: Hartz IV.
Ein unerbittlicher Druck bei kaum 50jährigen, die arbeitslos geworden sind und nirgends mehr unterkommen, die es als Schande erleben, was ihnen geschieht, die sich wertlos fühlen, wenn sie nichts mehr leisten dürfen. Geschenkt wird einem nichts.
Doch, sagt Paulus, sagt Luther, sagt Jesus: Geschenkt wird dir alles. Umsonst die Liebe Gottes, der du dein Leben verdankst. Umsonst Sinn und Erfüllung. Umsonst Gerechtigkeit vor Gott. Keine Angst musst du haben vor dem Tod und erst recht nicht vor Strafen danach.
Du bist Gott recht, ganz umsonst.
Denn Gott ist maßlos in seiner Liebe.
Martin Luther beschreibt sehr anschaulich, wie ihn dieser Vers aus dem Römerbrief befreit hat: „Da fühlte ich mich ganz und gar wie neugeboren und durch offene Tore trat ich in das Paradies selbst. Da zeigte mir die ganze Schrift ein völlig anderes Gesicht…Mit so großem Hass, wie ich zuvor das Wort ‚Gerechtigkeit Gottes‘ gehasst hatte, mit so großer Liebe hielt ich jetzt dies Wort als das allerliebste hoch. So ist mir diese Stelle in der Tat die Pforte des Paradieses gewesen“.
Schließlich rät er immer wieder, die Bibel zu lesen und auszubreiten, um sich zu erinnern und zu vergewissern, was Sinn macht im Leben und im Sterben: „Ohne Gottes Wort hat der Teufel gewonnen, denn es kann ihm nichts widerstehen noch sich sein erwehren, außer allein Gottes Wort. Wer das ergreift und dran glaubt, der hat gewonnen. Darum sollen wir sein nicht vergessen, viel weniger es verachten.
Denn der Teufel schläft noch feiert nicht“.
So gesehen, liebe Gemeinde, können wir den Konkurrenzkampf zwischen Halloween und Reformationsfest fröhlich und siegessicher aufnehmen
Und der Friede Gottes, der alles Denken übersteigt, bewahre uns heute und immer.
Amen.
Verfasser:Helga Trösken, Georg-August-Zinn-Straße 2, 63225Langen
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