Wochenspruch:
Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit. (Joh 1,14)
Wochenlied:
EG 23
Weitere Liedvorschläge:
EG 27; 56; 542
4 Als aber erschien die Freundlichkeit und Menschenliebe Gottes, unseres Heilands, 5 machte er uns selig - nicht um der Werke der Gerechtigkeit willen, die wir getan hatten, sondern nach seiner Barmherzigkeit - durch das Bad der Wiedergeburt und Erneuerung im heiligen Geist, 6 den er über uns reichlich ausgegossen hat durch Jesus Christus, unsern Heiland, 7 damit wir, durch dessen Gnade gerecht geworden, Erben des ewigen Lebens würden nach unsrer Hoffnung.
Liebe Gemeinde!
Lange Wochen der Vorbereitung liegen hinter uns für dieses größte Fest des Jahres. Wir haben uns viele Gedanken gemacht, wem wir was schenken können. Wir haben achtgegeben, daß wir niemanden vergessen, dem wir etwas schenken müssen. Manches haben wir mit Freude selbst gemacht, im Gedanken an den, den wir mögen. Manches haben wir gekauft, mit halbem Herzen, weil uns nichts besseres einfiel.
Wir haben mit Spannung dieses Fest erwartet. Nicht mit der Spannung der Kinder, die beinahe zerspringen vor Vorfreude und Neugier. Nein, das nicht mehr. Aber doch mit der Frage: Wird es ein schönes Fest werden? Werden alle zufrieden sein?
Nun ist der Heilige Abend vorbei. Die meisten Geschenke sind verteilt. Viele haben den Abend in der großen Familie gefeiert. Für manchen ist die Familie klein geworden. Und manche waren auch allein und haben so versucht, den Abend schön zu gestalten. Die meisten haben sich gefreut auf den Abend. Einige haben vielleicht auch Bange gehabt, Bange vor Erinnerungen, Bange vor Enttäuschungen.
Weihnachten...
Noch immer hat das Wort seinen Zauber in unserer sonst so entzauberten Welt. Noch immer verbinden wir mit diesem Fest den Wunsch nach Frieden, nach Gemeinschaft, nach Freude.
Wie brüchig ist all das sonst in unserem Alltag. In der Zeitung begegnet uns täglich eine andere Welt: grausam und berechnend, kühl und von Katastrophen bedroht.
Dann aber, in den dunklen Wochen am Ende des Jahres, wird doch der Wunsch nach Schönheit und Geborgenheit wach in uns. Mit Freude holen wir den Weihnachtsschmuck vom Speicher, stellen Lichter und Figuren auf, die von ganz anderem erzählen als die Bilder und Schmuckstücke, die sonst unsere Wohnung prägen.
Was ist das, was uns dann bewegt?
Sind es die Kindheitserinnerungen, die wir mit Wehmut in uns tragen? Wie freudig gespannt wir damals waren... Wie heimlich plötzlich alles wurde... wie lange wir noch an das Christkind glaubten, das alle Geschenke bringt, und wie wir langsam ahnten, daß da etwas nicht so ganz stimmt...
Oder ist es nicht auch der Wunsch nach einem glücklicheren Leben? Die Nüchternheit des Alltags läßt uns leer. Die Kälte der Arbeitswelt degradiert uns zu Maschinen. Die Einsamkeit macht uns unglücklich.
Hier aber, in dem Zauber der Weihnachtszeit, wacht in allen noch ein anderer Mensch auf: der Mensch, der träumen kann, der Geborgenheit sucht und schafft, der auf den andern zugeht, und - daß man einfach etwas geschenkt bekommt!
Immer müssen wir uns unser Leben verdienen, das Geld, die Wohnung, oft auch die Zuwendung der andern. Immer müssen wir geben, schaffen, leisten, auf uns aufmerksam machen, damit wir nicht untergehen.
Jetzt aber, an diesem Fest, werden wir einfach beschenkt!
(Nun, manchmal haben wir uns diesen Druck schon auch wieder gemacht: Wenn der schenkt, muß ich dem auch was schenken; wenn ich dem was schenke, hätte der mir ruhig auch was schenken können. Und schon wird es wieder zum Geschäft.)
Jetzt werden wir beschenkt. Nicht als Belohnung für ein Jahr Hausarbeit oder weil wir Geburtstag haben. Sondern jeder - groß und klein, erfolgreich oder Pechvogel - fast ohne Grund.
Denn der Grund liegt ganz woanders als in unserem Leben. Den haben wir uns nicht verdient und der hängt auch nicht an unserm Dasein. Der Grund liegt darin, daß wir ein kleines Abbild dessen geben wollen, was einst so überraschend klar geworden ist: Es „erschien die Freundlichkeit und Menschenliebe Gottes, unseres Heilandes“ und „machte uns selig“.
Lange her ist dieses Ereignis und vielen fern geworden, und doch schlägt es noch seine Wellen bis in unsere kalten Winter hinein. Uns ist die Sprache fremd und das Geschehen außerhalb unserer Erfahrung - und doch weckt es in uns dieselbe Sehnsucht und dieselbe Hoffnung, die auch damals die Menschen bestimmte:
* endlich angenommen zu werden, ohne kämpfen zu müssen;
* endlich geliebt zu werden, ohne es uns zu verdienen oder jemanden vorzuspielen, der wir gar nicht sind;
* endlich glücklich sein zu können ohne Angst und Zweifel.
In diesen Tagen hören wir, wie Gott vor Jahren dieses Zeichen setzte: ein Mensch erschien und lebte diese Liebe Gottes. Er stellte sich zu der Frau, die Ehebruch begangen hatte, und machte den andern durch seine Solidarität deutlich, daß sie auch keine besseren Menschen sind.
Er stellte sich zu dem Betrüger und gab ihm so eine Chance, sein Leben neu zu beginnen.
Er erzählte liebevolle Geschichten von verlorenen Menschen und Tieren, und so konnte jeder sein eigenes verlorenes Leben entdecken und neuen Zugang zu Gott finden.
Denn oft trauen wir uns selber nicht so viel zu, wie Gott uns zutraut. Wir meinen, wenn wir so lange Zeit falsch gelebt haben, dann können wir einfach nicht mehr zurück. Wir fühlen uns zu alt und zu enttäuscht, um noch einmal neu zu beginnen.
Bei Jesus entdeckten die Menschen: niemand ist zu alt, um neu geboren zu werden. Niemand ist zu verdorben, um nicht doch noch der Mensch zu werden, als der er gemeint war. Niemand ist so verloren, daß er nicht geliebt werden könnte.
Gott hat seine Hand ausgestreckt. Ganz weit hinunter in das ärmlichste Menschenleben hinein. Zu den Hirten, die nicht lesen und schreiben konnten, denen niemand so recht traute. Sie sollten zuerst sehen, was geschehen war. Zu der Magd, deren gewichtige Vorfahren in ihrem armseligen Leben nicht mehr zu erkennen waren; und die doch groß wurde, weil sie Gott in ihrem Leben Raum gab.
Und so ist jedes Weihnachten neu unsere Chance, Gott in unserem Leben Raum zu geben. Wir bereiten ihn gut vor mit dem Schmuck und dem Licht. Er fände ein dankbares Lager in unserer Hoffnung und unserer Sehnsucht nach einem erfüllten Leben.
Nur leider machen wir, wenn er uns zu nahe kommt, so leicht aus Angst die Tür schnell zu. Brauchen wir einen „Heiland“, wo wir doch Geld und Ärzte haben, um uns zu helfen? Brauchen wir Engel um unser Bett, wo wir doch Schlaftabletten nehmen können? Brauchen wir Gott, wenn wir doch gelernt haben, selbständig unser Leben in die Hand zu nehmen?
In diesen Tagen spüren wir, daß das, was wir haben, auch das, was wir uns schenken, nur ein Hinweis ist auf das Leben, das wir uns wünschen. Wir suchen mehr als schöne Dinge, wir suchen sogar mehr als die Geborgenheit in der Familie. Wir suchen das Leben, das uns „selig macht“; nicht nur an diesem Fest, sondern Tag für Tag. Wir möchten getragen sein von dem Gefühl: Mir kann nichts geschehen, ich werde geliebt. Wir möchten eine Hoffnung haben, die auch von den Widrigkeiten des Alltags nicht erstickt wird. Wir möchten glauben können. Nicht den Kinderglauben, der das Kleid des Christkinds noch weghuschen sieht. Aber den Glauben, der uns immer wieder neu das Leben finden läßt, der uns verbindet mit dem Grund und dem Ziel unsres Lebens.
Gott reicht uns die Hand. Heute, an diesem Fest, kommt er uns ganz nah. Um uns heil zu machen, glücklich zu machen. Ein Glück, das uns bleibt. Es soll ein Fest der Geburt, der Mensch-Werdung auch für uns werden. Gott möchte sich heute uns schenken, ein Geschenk, das bleibt.
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