Glaube, der durch Widerstände wächst
von Ulrich Storck (Altenburg)
Predigtdatum
:
22.09.2013
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
15. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle
:
Johannes 9,35-41
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Leitbild:
Glaube, der durch Widerstände wächst
Wochenspruch:
Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat. 1. Johannes 5,4
Psalm: Psalm 25, 8 - 15
Lesungen
Altes Testament: Jesaja 49, 1 - 6
Epistel: Römer 10, 9 - 17.(18)
Evangelium: Matthäus 15, 21 - 28
Liedvorschläge
Eingangslied: EG 331, 1 - 3; 11 Großer Gott, wir loben dich
Wochenlied: EG 346 Such, wer da will, ein ander Ziel
Predigtlied: EG 396, 1 - 3 Jesu, meine Freude
Schlusslied: EG 352, 1 Alles ist an Gottes Segen
Kurze Hinführung:
(1) Zur Vorbereitung:
Ich halte inne und überlege, wann und wo ich mich einmal ohne Vorbehalte auf eine Person oder eine Situation eingelassen habe. Wie habe ich das erlebt?
(2) Hinführende Gedanken zu Joh.9, 35 - 41 und den Lesungen des Sonntags:
„Die Heilung eines Blindgeborenen“ - so ist das 9. Kapitel des Johannesevangeliums in der Lutherübersetzung überschrieben. Wie so oft beim Evangelisten Johannes gibt es in dem geschilderten Geschehen eine Bedeutung über das Offensichtliche hinaus. ‚Sehend werden’ (V.39 ff.) meint auch einen geistlichen Prozess, nämlich: ‚lernen zu glauben. Das Thema ‚glauben’ findet sich auch in den anderen Texten des Sonntags wieder: in der Epistellesung aus dem Römerbrief wird ‚glauben’ zusammenfassend beschrieben als ‚den Namen des Herren (Jesus) anrufen’(10,13). Dies tut in der Evan-geliumslesung Mt.15, 21 - 28 die heidnische Frau in beispielhafter Weise und gegen alle Widerstände, sodass Jesus ihr am Ende zusagt: „Dein Glaube ist groß. Dir geschehe wie du willst.“ (V.28). Schließlich betont der Wochenspruch aus dem 1.Johannesbrief die Kraft des Glaubens, die die oft als übermächtig erscheinenden negativen Kräfte der Welt überwindet.
Bei der Heilungsgeschichte in Joh. 9 wird der Prozess geschildert, wie in dem Menschen, der blind geboren wurde (- so wie viele unserer Zeitgenossen heute ohne jeden Bezug zum Glauben aufwachsen) aus der heilsamen Berührung durch Jesus der Glaube beginnt und Schritt für Schritt wächst, gegen massive Widerstände und Bedrohungen, bis dahin, dass er schließlich bekennt: „Herr ich glaube!“, und betet Jesus an (V. 38).
Liebe Gemeinde,
zwei Worte kommen in diesem kurzen Abschnitt mehrfach vor: „glauben“ und „sehen“. Entgegen der geläufigen Vorstellung hat hier ‚glauben lernen’ sehr viel zu tun mit ‚sehen lernen’. Es geht darum, Gottes Wirken mitten in unserm Leben zu entdecken, mit Gott zu rechnen mitten im Alltäglichen. Nicht nur das wahrzunehmen, was vor Augen ist.
Das 9. Kapitel des Johannesevangeliums schildert, wie ein Mensch zunächst völlig ahnungslos und ‚blind’ ist für den Glauben. So wachsen ja viele unserer Zeitgenossen heute auf. Und vielleicht war das bei dem einen oder der anderen unter uns hier auch einmal so. Doch dann erlebt der Mensch die heilsame Berührung Gottes durch Jesus. Er kann sehen! Und damit beginnt sein Glaubensweg. Trotz Widerständen und Anfeindungen wächst in ihm das Vertrauen. Schließlich ist er so weit, dass er sagen kann: „Herr, ich glaube“, und betet Jesus an.
Wie war das bei Ihnen? Wo hat Ihr Glaubensweg begonnen: mit Gebeten Ihrer Mutter am Kinderbett? Oder mit einer besonderen Erfahrung? Oder durch den Kontakt mit einem Menschen, dessen Glaube ausstrahlte?
Und wie ist dieser Weg bei Ihnen weitergegangen? Hat sich Ihr Glaube allmählich entwickelt? Gab es Hindernisse, vielleicht sogar Phasen Ihres Lebens, in denen Ihr Glaube ganz verschüttet war?
Und wo befinden Sie sich jetzt auf Ihrem Glaubensweg? Fühlt es sich eher so an, als würden Sie ‚im Dunkeln tappen’? Oder würden Sie sagen: „Ja, ich bin sehend geworden! Ich habe viele Fragen und auch viele Momente des Zweifelns. Aber in meinem Herzen ist der Glaube fest verwurzelt und trägt mich!“
Zu diesem Prozess des ‚Sehen-Lernens’ bzw. des ‚Glauben-Lernens’ passt sehr schön der Löwenzahn, - als bildhafter Vergleich: [evtl. können Sie für die Predigt eine Pusteblume mitbringen und an dieser Stelle zeigen.] Wer einen Garten hat, bekommt manchmal den Eindruck, der Löwenzahn würde einfach so aus der Erde wachsen. Solche Mengen, und an den unmöglichsten Stellen tauchen sie auf! Doch seien Sie versichert: nur da, wo ein Löwenzahnsamen hinge-weht ist kann auch ein Löwenzahn wachsen! So ist es auch mit dem Glauben: eine Saat wird gesät von jemanden, der selber glaubt, - manchmal gezielt, oft eher zufällig. Bei manchen geht der Samen gleich auf, bei manchen dauert es Jahre, bis die Bedingungen zum Keimen gegeben sind. Und stellen wir uns mal so ein Samenkorn vor, wie es da in der Erde liegt und keimt. Oft ist die Erde hart, vielleicht sogar voller Steine. Da muss der Keimling sich seinen Weg ans Licht hart erkämpfen. Bei dem ‚Blindgeborenen’ in unserer Geschichte sind es die ‚Pharisäer’, die dem frisch gekeimten Glauben des Geheilten im Wege stehen. Zu DDR-Zeiten gab es häufig weitreichende Konsequenzen, wenn jemand an seinem Glauben sichtbar festhielt. Heute ist es oft der Zeitgeist. Unser Glaube wird von Vielen belächelt, manchmal auch verspottet. Und auch in uns gibt es Widerstände: ein wissenschaftliches Weltbild, das keinen Platz für Gott hat; der Machtmissbrauch in der Geschichte der Kirche; auch die Relativierung der Botschaft der Bibel, so dass ich nicht mehr glauben kann, dass Gott durch das Wort der Bibel zu mir spricht. Vielleicht sind es auch persönliche Enttäuschen auf Ihrem Glaubensweg, - Enttäuschungen mit andern Christen, Enttäuschungen mit der Kirche, oder auch Enttäuschungen mit Gott!
Hat der kleine Löwenzahn sich zum Licht durchgekämpft, so gibt es neue Bedrohungen: ein Stiefel, der achtlos die jungen Blätter zertritt; oder der Rasenmäher, der alles wahllos niedermacht. Doch der Löwenzahn gibt nicht auf! Im Gegenteil, die Wurzel wird kräftiger und widerstandsfähiger, und sie treibt wieder neu aus. Der Mensch, der in unserer Geschichte das Sehen gelernt hat, wird zunehmend angefeindet. Doch er hält an seinem Glauben fest. Ja, sein Glaube wächst durch die Widerstände. Schließlich wird er sogar aus der Gemeinschaft ausgeschlossen. Ein Geächteter in der Dorfgemeinschaft. Einer, der am Arbeitsplatz von allen gemobbt wird. Als Jesus davon hört sucht er ihn auf. Und er fragt ihn: „Glaubst du an den Menschensohn? Glaubst du an mich, - trotz allem?!“
Was würden Sie antworten? Vielleicht müssten Sie wie der ‚Blindgeborene’ erst einmal einiges klar kriegen mit Gott, mit Jesus, bevor Sie eine Antwort geben. „Herr, wer ist’s?, dass ich an ihn glaube!“ Wer ist das überhaupt, Jesus? Vielleicht habe ich über ihn in der Konfirmandenzeit oder im Religionsunterricht vieles gehört. Aber wer ist Jesus, - für mich? Was bedeutet er mir? Welche Rolle spielt er in meinem Leben? Kann ich mich auf ihn wirklich verlassen, auch wenn es schwierig wird im Leben?! „Glaubst du an mich, - trotz allem?“
Schließlich blüht der Löwenzahn. Bei dem Menschen in unserer Geschichte sieht das so aus: er kann von Herzen sagen: “Herr, ich glaube!“ Und er betet Jesus an.
Aus dieser Blüte wird eine neue Pusteblume, mit einer Menge Samen, die vom Wind weiter getragen werden. Bis zu uns heute hier. Glaubenssamen, die uns den Glauben entdecken lassen, durch die wir lernen, Gottes Wirken mitten im normalen Leben wahrzunehmen.
Unser Glaube muss sich durch viele Widerstände hindurch kämpfen. Doch so schlägt er tiefe Wurzeln. Und bewirkt Trost und Hoffnung und Geduld und Frieden, der von Innen kommt.
Glauben heißt ‚sehen lernen’. Glauben heißt, dass ich damit rechne, dass Gott da ist. Dass ich tief im Herzen weiß, dass auf Gott Verlass ist. Dass ich damit rechne, dass er aus meinem Leben Blüte und Frucht wachsen lässt.
Verfasser: Ulrich Storck
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