Wochenspruch: "So spricht der HERR, der dich geschaffen hat, Jakob, und dich gemacht hat, Israel: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein!" (Jesaja 43,1)
Psalm: 139,1–12 (EG 754)
Reihe I: 1. Petrus 2,2-10
Reihe II: 5. Mose 7,6-12
Reihe III: Matthäus 28,16-20
Reihe IV: Römer 6,3-8(9-11)
Reihe V: Jesaja 43,1-7
Reihe VI: Apostelgeschichte 8,26-39
Eingangslied: EG 155 Herr Jesu Christ, dich zu uns wend
Wochenlied: EG+ 50 Ich sage Ja zu dem
Predigtlied: EG 374 Ich steh in meines Herren Hand
Schlusslied: EG 333 Danket dem Herren
1 Und nun spricht der HERR, der dich geschaffen hat, Jakob, und dich gemacht hat, Israel: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein! 2 Wenn du durch Wasser gehst, will ich bei dir sein, und wenn du durch Ströme gehst, sollen sie dich nicht ersäufen. Wenn du ins Feuer gehst, wirst du nicht brennen, und die Flamme wird dich nicht versengen. 3 Denn ich bin der HERR, dein Gott, der Heilige Israels, dein Heiland. Ich gebe Ägypten für dich als Lösegeld, Kusch und Seba an deiner statt. 4 Weil du teuer bist in meinen Augen und herrlich und weil ich dich lieb habe, gebe ich Menschen an deiner statt und Völker für dein Leben. 5 So fürchte dich nun nicht, denn ich bin bei dir. Ich will vom Osten deine Kinder bringen und dich vom Westen her sammeln, 6 ich will sagen zum Norden: Gib her!, und zum Süden: Halte nicht zurück! Bring her meine Söhne von ferne und meine Töchter vom Ende der Erde, 7 alle, die mit meinem Namen genannt sind, die ich zu meiner Ehre geschaffen und zubereitet und gemacht habe.
I. Gottes Liebeserklärung an sein Volk Israel
Wie schön, wenn zwei Menschen zueinander sagen können: Ich will mit dir durchs Leben gehen. Was immer dir widerfährt, ich will bei dir sein. Ich will mich mit dir freuen, wenn du dich freust. Ich will dich trösten, wenn du traurig bist. Hab keine Angst! Zu zweit sind wir stärker. Zu zweit werden wir es schaffen. So hat schon im 12. Jahrhundert ein Liebender seine Zuneigung in Verse gefasst: „Du bist mein, ich bin dein. Dessen sollst du gewiss sein. Du bist eingeschlossen in meinem Herzen. Verloren ist das Schlüsselein. Du musst für immer darin sein.
Eine ähnliche Liebeserklärung wird uns heute zur Betrachtung vorgeschlagen. Es ist jedoch keine Liebeserklärung zwischen zwei Menschen, sondern eine Liebeserklärung zwischen dem ewigen allmächtigen Gott und dem damals noch sehr kleinen, gegenüber den Großmächten der damaligen Zeit fast unbedeutenden Volk Israel. Den ersten Satz dieser Liebeserklärung nehmen wir für die kommende Woche als Wochenspruch und beziehen ihn also auf uns selbst. Und wenn wir ihn als Bibelwort bei einer Taufe verwenden, dann verstehen wir ihn als eine Liebeserklärung Gottes für jedes Kind, für jeden Jugendlichen oder für jeden Erwachsenen, den wir auf den Namen Gottes taufen.
Wie kommen wir dazu? Können wir denn eine Liebeserklärung so ohne Weiteres verallgemeinern? Und woher wissen wir denn, dass Gott so vorbehaltlos alle Menschen liebt? Ist das nur eine religiöse Idee? Und im Grunde nur der Ausdruck unseres Wunschdenkens?
Eine Liebeserklärung ist eine sehr intime Angelegenheit. Man muss die Liebe, die man zu einer anderen Person empfindet, ihr gegenüber schon selbst erklären. Das kann man nicht delegieren. Der unbekannte Prophet, der uns die Liebeserklärung Gottes an das Volk Israel überliefert hat, konnte sie sich auch nicht einfach ausdenken. Er konnte sie allenfalls entdecken. Aber wie hat er sie entdeckt? Und wie können wir sie entdecken?
II. Fern der Heimat – von Gott vergessen und verlassen?
Der Prophet, den wir den Zweiten Jesaja nennen, lebte zur Zeit, als ein großer Teil seines Volkes und er mit ihm gezwungen waren, in der Fremde, fern der Heimat zu leben. Es war in Babylonien. Bereits seit 50 Jahren gab es den Statt Juda nicht mehr. Die Alten erzählten noch davon, wie die Truppen Nebukadnezars einst Jerusalem erobert hatten. König Zedekia war damals ins Jordantal geflohen. Doch sie haben ihn gefangen genommen. Ihm wurden die Augen ausgestochen, und seine Söhne wurden umgebracht. Als ein Gefangener wurde er nach Babylonien deportiert, und mit ihm die gesamte Oberschicht: die Priester am Tempel und die Beamten am königlichen Hof, reiche Kaufleute und auch die Schmiede, die sich auf die Herstellung von Waffen verstanden, alle! Anschließend zerstörten sie noch die Mauern der Stadt, dazu auch den Tempel und den Palast. Es sollte nichts mehr an den Staat Juda erinnern, der es gewagt hatte, sich gegen die Oberherrschaft des mächtigen Babylon aufzulehnen.
In der Fremde konnten sich die Verbannten zwar frei bewegen, konnten sich Häuser bauen und Berufen nachgehen. Doch die Erinnerung an die Katastrophe der Vertreibung aus ihrer Heimat lastete schwer auf ihnen. Die Alten wussten noch, wie es früher war. Und die Priester hielten schriftlich fest, was man noch wusste von der Geschichte der Vorfahren, von den Opfern im Tempel und von den religiösen Vorschriften, die Gott ihnen für das Leben im Alltag gegeben hatte. Die Tradition sollte nicht untergehen. Aber etwas ändern an ihrer Situation konnten sie nicht. Sie waren Fremde im fremden Land. Jeder Widerstand war zwecklos.
III. Dem Propheten werden die Augen geöffnet
Doch dann geschah, womit niemand gerechnet hatte. Im Jahre 539 vor Christus wurde das mächtige babylonische Reich selbst erobert! Der persische König Kyrus war nun der neue Machthaber auch in Babylon. Und für alle überraschend erlaubte er den Verbannten ein Jahr später, ihre Sachen zu packen und in ihre Heimat zurückzukehren. Welch ein Wunder! Ohne ihr Zutun hatten sich die macht-politischen Verhältnisse verändert. Ohne dass sie es auch nur zu hoffen gewagt hatten, waren sie plötzlich frei! Die Frommen, die treu am Glauben an den Gott ihrer Vorfahren festgehalten hatten, waren um eine Erfahrung reicher und sagten untereinander: „Das ist ein Geschenk des Himmels. Wir sind frei und konnten nichts selbst dafür tun. Gottes Hand muss im Spiel gewesen sein“. „Gott liebt uns. Er hilft uns. Er hat uns nicht vergessen. Er will nicht unser Unglück. Er wird uns auch in all dem Neuen, das auf uns zukommt, zur Seite stehen.“
IV. Dein Glück: Du darfst noch ein mal neu anfangen.
Wie kommen wir dazu, jene Zusage Gottes an das Volk Israel auf uns selbst zu übertragen? Wir können deshalb darauf vertrauen, weil Gott damals und heute derselbe ist und weil wir ebenso die Erfahrung machen können, dass es auch für uns nach schwierigen Zeiten wieder einen Neuanfang gibt. Gewöhnlich sehen wir nur die handelnden Personen, die in einer bestimmten Situation unser Leben bestimmen. Aber es ist gut, wenn irgend möglich, hinter den Lauf der Dinge zu schauen, die leitenden Ideen zu ergründen, die Motivation und den Geist, der die Entwicklung bestimmt, wahrzunehmen. Dann werden wir feststellen, dass das Gute, das Gott will, sich heftig gegen das Böse wehrt und sich gegen allen Widerstand immer wieder durchsetzt.
(An dieser Stelle könnte eventuell ein Neuanfang aus dem eigenen Leben eingefügt werden.)
Im Nachhinein mag es für uns plausibel sein, dass Gott unsichtbar seine Hand im Spiel hatte, als es wieder aufwärts ging, nachdem das Leben für uns eine überraschende Wendung nahm. Gott ist ein Gott des Neuanfangs. Wir müssen im Laufe unseres Lebens wohl manche Durststrecke überwinden, manche Enttäuschung hinnehmen und manchen Schicksalsschlag verkraften. Doch Gott hat uns im Blick! Er sorgt für uns, wie Liebende füreinander sorgen. In der Taufe feiern wir, was für jedes einzelne Menschenkind gelten soll: Gott ruft jeden von uns bei seinem Namen. Ob wir es glauben oder nicht, wir gehören zu ihm! Zu jedem von uns sagt er: „Du bist mein!“ Woran merken wir das?
V. Das Wunder des Anfangs: Ein Kind ist geboren
Ein Kind wird geboren. Egal, ob es geplant war oder nicht, – es ist ein Wunder. Die Eltern können sich nicht sattsehen an diesem Wunder. Es ist ein neuer Mensch. Es atmet. Es bewegt seine Glieder. Es schaut. Es hört. Es ist nicht einfach ein Abbild seiner Eltern. Es ist eine eigene Person: „Schau mal, wie es lacht.“ „Schau mal, wie es meinen Finger greift.“ „Schau mal, wie es strampelt“.
Wir können es jedes Mal spüren, ob zu Hause, auf dem Spielplatz oder in der Straßenbahn: Kleine Kinder haben eine faszinierende Wirkung auf uns Erwachsene. Ihre Freude am Leben steckt an. Ihre Energie erweckt selbst noch bei Menschen im hohen Alter das „Kind im Manne“ oder das „Kind in der Frau“ zum Leben. Ihr Lächeln, ihre Lust am Spiel, ihre Unbekümmertheit steckt an.
Die Eltern wissen, dass es mit der Unbekümmertheit ihres Kindes eines Tages vorbei sein wird, ja vorbei sein muss. Es wird sich lösen aus der Obhut seiner Eltern. Es wird seinen eigenen Weg gehen. Und es wird dazu viel Mut brauchen. Denn immer wieder wird es auch vor schwierigen Entscheidungen stehen. Und immer wieder wird es sich auch in gefährlichen Situationen bewähren müssen. Die Eltern fragen sich besorgt: Wie wird es ihm ergehen, wenn es erwachsen sein wird? Über viele Jahre hinweg nehmen sie große Anstrengungen auf sich, damit ihr Kind später einmal auf eigenen Beinen stehen und ein erfülltes, glückliches Leben führen kann. Aber haben sie es in der Hand?
Auf das Kind wartet ein langer Weg. Es wird auf ihm viele schöne Erfahrungen machen, aber es wird sicherlich auch manche Enttäuschung erleben. Es wird krank - und hoffentlich auch wieder gesund werden. Es wird manche Dummheiten machen – und es hoffentlich dann selber merken, dass es Dummheiten waren. Doch bleibt für sie wie für uns alle eine letzte Unsicherheit im Blick auf die Zukunft. Doch bei der Tauf hören wir, was Gott seinem Volk versprochen hat. Und wir dürfen es uns zu eigen machen:
„Wenn du durch tiefe Wasser gehst, will ich bei dir sein,
sodass du nicht ertrinkst.
Und wenn du durchs Feuer gehst,
soll die Flamme dich nicht versengen.
Denn ich bin der Herr, dein Gott.“
Vielleicht ist ja dies der geheime Sinn im Auf und Ab unseres Lebens, dass uns dadurch immer stärker bewusst wird, wie sehr wir auf Gottes Liebe angewiesen sind. Wir können auf diese Weise klüger und weiser werden. Wir können weniger verbissen sein. Stattdessen werden wir barmherziger, großzügiger und gelassener – mit uns selbst und mit denen, die uns anvertraut sind.
Und könnte unseren Kindern, unseren Enkelkindern und auch uns selbst etwas Besseres passieren?
Amen
Verfasser: Pfarrer Dr. Eberhard Christof Grötzinger, 70499 Stuttgart
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