Gott heilt Leib und Seele
von Jürgen Wolf (Hermsdorf)
Predigtdatum
:
11.10.2015
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
18. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle
:
Markus 2,1-12
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Wochenspruch:
„Heile du mich, Herr, so werde ich heil; hilf du mir, so ist mir geholfen.“ (Jeremia 17, 14)
Psalm: 32, 1 - 5.10 - 11 (EG 717)
Lesungen
Altes Testament: 2. Mose 34, 4 - 10
Epistel: Epheser 4, 22 - 32
Evangelium: Markus 2, 1 - 12
Liedvorschläge
Eingangslied: EG 400, 1. 2. 5. 6 Ich will dich lieben, meine Stärke
Wochenlied: EG 320, 1 - 5 Nun lasst uns Gott dem Herren
Predigtlied: EG 383, 1 - 4 Herr, du hast mich angerührt
Schlusslied: EG 406, 1 - 3 Bei dir, Jesu will ich bleiben
Hinführung
In der Predigt versuche ich die Hörer mit in das Geschehen durch eine erzählende Sprachform hineinzunehmen. Der im Text unbekannte Gelähmte bekommt in der Predigt eine I-dentität mit einem Namen, einer Geschichte und lähmenden Erfahrungen. Das bietet für die Hörer die Möglichkeit sich mit der Person des Kranken zu identifizieren und im Hören eigene Lebenserfahrungen wach werden zu lassen. Die Erzählung selbst kann angereichert werden mit entsprechenden Erfahrungen von Menschen, die dem jeweiligen Lektor an seinem konkreten Ort vor Augen stehen.
Die Heilung wird als inneres Widerfahrnis erzählt, das sich dem Text gemäß äußerlich manifestiert. Im Blick ist dabei auch Heilung als Heilwerden von Beziehungen.
In dem abschließenden reflektierenden Teil sind die Hörer eingeladen sich selbst in ihrer Beziehung zu Gott wahrzunehmen und Impulse für das eigene Leben zu empfangen, von denen der Text selbst nichts mehr erzählt, die für uns heute aber wichtig sind.
Liebe Gemeinde,
da liegt er. Er kann nicht mehr. Nennen wir ihn Benjamin (der Name sollte im Interesse der Unverfänglichkeit gegebenenfalls verändert werden). Er wird versorgt durch seine Freunde. Eine Familie hat er nicht – nicht mehr. Seine Eltern sind bereits tot. Und mit den Geschwistern war das Verhältnis immer angespannt. Nun ist Benjamin gelähmt.
Und Benjamin hat eine lange Geschichte. Da war diese Nachbarin. Sie kam selbst nicht mit ihrem Leben zurecht. Sie war mürrisch und misstrauisch. Sie misstraute auch ihm. Immer diese Unterstellungen. Er war so hilflos. Schließlich ist er weggezogen.
Auf der neuen Arbeitsstelle war das Betriebsklima angespannt. Oft war der Vorgesetzte schlecht gelaunt. Als Mitarbeiter tat Benjamin, was er konnte. Die Kollegen schätzten ihn. Aber bei ihm, dem Chef kommt das einfach nicht an. Erst war er wütend. Es gab Auseinandersetzungen und klare Worte. Worte können verletzen. Auch Benjamins Worte verletzten. Aber auch Benjamin wurde verletzt. Er war hilflos. Und dann kamen dieser Unfall und diese Krankheit. Seitdem liegt er da. Er kann nicht mehr. Er ist gelähmt und kann nicht laufen. „Wahrscheinlich bin ich selber schuld“, dachte Benjamin. Nun ist er auf Fremde angewiesen.
Kennen Sie solche Situationen, liebe Gemeinde. Es gibt diese Erlebnisse, die nerven - und wir sind wie gelähmt. Wieder ist da das Missverständnis mit der Nachbarin. Wieder kommen die Kinder mit ihrer Unordnung aus der Schule nach Hause und im Zimmer liegt alles rum. Wieder, wieder … immer dasselbe! (hier können orts- oder situationsbezogene Beispiele eingefügt werden …)
Das Einzelne ist nicht schlimm. Aber die Summe macht es. Da kommt eines zum anderen. Das sind auch diese verletzenden Worte. Das kann lähmen.
Benjamin hat Freunde. Sie kümmern sich um ihn. „So kann es nicht weitergehen“, sagen sie. „Du kannst doch hier nicht für immer liegen bleiben. Wir haben von einem Lehrer gehört“, erzählen sie ihm. „Er soll anders lehren und predigen als die anderen Lehrer. In seiner Nähe werden Menschen froh. Er hat eine besondere Gabe zu trösten. Zu dem bringen wir dich jetzt. Wir bringen dich jetzt zu Jesus. So heißt der nämlich.“
Und sie nehmen die Trage, auf der Benjamin liegt und heben sie an. Der Weg ist nicht lang. Es geht nur bis Kapernaum. Dort wohnt und arbeitet dieser Lehrer. Er stammt aus Nazareth. Das Haus ist bekannt. Sie gehen dorthin. Für einen Moment trauen sie ihren Augen nicht. Um das Haus stehen viele Menschen. „Wie sollen wir da rein kommen?“, schießt es ihnen durch den Kopf. Nichts bewegt sich. Offenbar lehrt oder predigt Jesus gerade.
Sie schauen hin. Da ist die Treppe an der Hauswand. Sie führt direkt aufs Flachdach. Blicke werden gewechselt. Zielstrebig und kraftvoll heben sie Benjamin auf das Dach. Sie können das Dach öffnen und lassen die Trage herunter. Nun liegt Benjamin vor Jesus: mit seinem Leben, mit seiner Geschichte, mit seinen Worten, durch die er verletzt hat und mit den Worten, die ihn verletzt haben.
Jesus schaut nach oben. Vier Augenpaare blicken auf ihn, zielsicher und voller kraftvoller Gewissheit und Vertrauen auf ihn. Jesus schaut nach unten auf Benjamin. Im Halbdunkel des Raumes, im Lichtgemisch aus Öllampen und Tageslicht ist es jetzt ganz still geworden.
Dann hören alle die Stimme Jesu: „Mein Kind, deine Sünden sind dir vergeben.“ Für Benjamin heißt das: „Die Last meines Lebens hat plötzlich kein Gewicht mehr. Die Worte, mit denen ich verletzt habe, taten mir letztlich auch weh. Jetzt ist dieser Schmerz weg. Und die Worte mit denen ich verletzte. Sie trafen auch mich wie brennende Pfeile, die mir wehtun. Jetzt ist das weg. Und alles was war. Es ist wie ein großer Raum von Freiheit. Es tut gut hier zu liegen“, so denkt Benjamin.
So erweist Jesus sich als Heiland. Er sieht Benjamin konkret an. Er sieht seine Last und seine Sehnsucht. Jesus stellt die Verbindung zum Leben neu her. In ihm ist Gott da. Benjamin spürt das ganz deutlich. Das tut gut.
Plötzlich wird Unruhe in dem Raum spürbar. Jesus wendet sich anderen zu. Aber Jesus ist für ihn gleichzeitig wie ein Schutzraum. Jetzt hört er Jesus sagen: „… Warum denkt ihr das in eurem Herzen? Warum denkt ihr in eurem Herzen, dass ich Gott lästere? Was ist leichter? Zu einem Gelähmten zu sagen: Dir sind deine Sünden vergeben, oder: Steh auf, nimm dein Bett und geh?“. Benjamin merkt: Es sind Schriftgelehrte. Sie stellen die Macht von Jesus in Frage. Sie suchen etwas gegen ihn. „Spüren die nicht, wie gut die Worte Jesu tun?“, denkt Benjamin. „Ich bin meine ganze Last los. Merken die das nicht?“
Jetzt ruhen die Augen von Jesus wieder auf Benjamin, so wie er vor ihm liegt. Jesus blickt ihn an. Er redet noch immer mit den Schriftgelehrten: „Damit ihr erfahrt, dass der Menschensohn Vollmacht hat, Sünden zu vergeben auf Erden sage ich dir: Steh auf, nimm dein Bett und geh heim!“
Benjamin liegt noch in dem Raum der Freiheit. Er ist frei von der Last seines Lebens. Er ist frei von den falschen Bildern von sich und den anderen. Jetzt kann er aufstehen … ?!
Die Menschen sind außer sich. Sie staunen und loben Gott. Benjamin hört, wie sie sagen: „So etwas haben wir noch nie gesehen.“
Liebe Gemeinde,
haben Sie sich mit bestimmten Erfahrungen ihres Lebens in Benjamin wieder entdecken können? Es sind die Erfahrungen, wenn wir an Grenzen kommen und uns wie gelähmt fühlen. Da sind Schuld und Verletzungen. Solche seelischen Erfahrungen können in der Tat auch richtig lähmen, ohne dass ein körperlicher Befund vorliegt.
Gut ist es dann, wenn wir Menschen haben, die uns tragen. Mitunter werden wir von vielen Menschen in diesem übertragenen Sinne getragen und begleitet.
Benjamin ist zu beneiden. Er konnte Jesus direkt gegenüberstehen. Er konnte seine Kraft spüren und Heil und Heilung erfahren. Und wir? Wir stehen Jesus auch gegenüber. Er ist an unserer Seite. An ihn können wir uns wenden und um die Freiheit von der Last der Vergangenheit bitten. Diese Last und diese Lasten sind dann nicht weg. Sie bleiben als Ereignisse und Geschehnisse Teil unseres Lebens und unserer Geschichte.
Aber sie haben kein Gewicht mehr. Sie wiegen nicht mehr in unserer Beziehung zu Jesus und zu Gott. Wir sind von dieser Last und von dem Gewicht frei. Wir müssen sie einfach loslassen. Dazu ermutigt und befähigt Gott uns mit seiner Vergebung.
Und das ermächtigt uns, aufrecht zu gehen.
Von dem Gelähmten hören wir nichts weiter, wohin er gegangen ist. Ist er zu den Menschen gegangen, die mit ihm oder er mit ihnen Probleme hatte? Wir wissen es nicht.
Aber wir können als Befreite aufeinander zugehen. Und wir können nach erlittenen Niederlagen und bitteren Erfahrungen aus diesem Raum der Liebe Gottes immer neu in das Leben aufstehen und nach vorn schauen und gehen.
Amen
Begrüßung
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. …
„Heile du mich Herr, so werde ich heil; hilf du mir, so ist mir geholfen.“ (Jer. 17, 14)
Dieser Spruch für die neue Woche will uns auf das heilende Handeln Gottes orientieren. In der Lesung aus dem Alten Testament hören wir von dem neuen Anfang, den Gott mit seinem Volk macht. In der Predigt werden wir in eine Begegnung mit Jesus hineingenommen. In diese Begegnung können wir auch die Lasten unseres Lebens mitbringen. Wir werden hören, wie Jesus sie durch seine Kraft zum Segen wandeln kann.
Tagesgebet
Guter Gott, zu dir können wir so kommen wie wir sind.
Nichts müssen wir verstecken von unserer Schuld und der Last unseres Lebens.
Lass uns offen und frei werden, dass wir dir alles hinhalten, damit du es berührst und wandelst.
Das bitten wir durch Christus, unseren Herrn und Bruder, der mit dir und dem Heiligen Geist lebt und wirkt in Zeit und Ewigkeit.
Amen
Fürbittengebet
Guter Vater, wir loben und preisen Dich. Du schenkst uns Deine Güte und Nähe.
Du kennst unsere Sorgen und hörst auf das, was uns belastet und lähmt.
Und Du hast Zeit und Raum für uns. Das ist wunderbar.
So dürfen wir jetzt mit allem vor Dich treten was uns beschäftigt und uns nicht loslassen will.
Im Arbeitsalltag stehen wir jeden Tag neuen Anforderungen gegenüber, und die Zeit für Mitmenschlichkeit und klärende Gespräche fehlt. So kann es zu Verletzungen kommen.
So bitten wir: Stärke uns und gib uns neue Kraft.
In unseren Familien haben wir mit ganz unterschiedlichen Erwartungen zu tun.
Unsere Kinder leben in einer ganz anderen Welt. Wir können sie nicht immer verstehen.
Und auf den Eheleuten lastet ein großer Druck, ganz besonders wenn noch kranke Familienmitglieder zu betreuen sind.
So bitten wir: Stärke uns und gib uns neue Kraft.
Wir wissen um große gesundheitliche Nöte in
unseren Familien und in unserer Kirchengemeinde.
Menschen sind traurig und beladen und kraftlos. Es sind aufwendige Therapien notwendig, die langwierig und belastend sind. Oft ist auch die Zukunft ungewiss.
So bitten wir: Tröste uns mit Deiner Kraft und befreie uns zu neuem Leben.
Die Welt um uns wird immer unübersichtlicher.
Internationale Krisen und schlimme Gewalttaten
erschrecken und lähmen uns.
Zerstörte Lebensräume machen uns ratlos.
So bitten wir: Zeige uns Wege des Aufbruchs und schenke Du uns Weisheit und Kraft.
Alles was uns jetzt persönlich auf dem Herzen liegt, wollen wir Dir hinhalten, wenn wir beten:
Vater unser im Himmel...
Verfasser: Pfarrer Dr. Jürgen Wolf
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