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Gott heilt Leib und Seele

von Stefanie Schlenczek (Landau)

Predigtdatum : 31.10.2019
Lesereihe : I
Predigttag im Kirchenjahr : 31. Oktober - Gedenktag der Reformation (Reformationsfest)
Textstelle : 5. Mose 6,4-9
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Wochenspruch: Einen andern Grund kann niemand legen außer dem, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus. (1. Korinther 3,11)

Psalm: 46,2-12

Predigtreihen

Reihe I: 5. Mose 6,4-9
Reihe II: Matthäus 10,26b-33
Reihe III: Galater 5,1-6    
Reihe IV: Psalm 46,1-12    
Reihe V: Matthäus 5,1-10(11-12)    
Reihe VI: Römer 3,21-28

Liedvorschläge

Eingangslied: EG 362 Ein feste Burg ist unser Gott
Wochenlied: EG 360, 1, 2, 6 Die ganze Welt hast du uns überlassen, Herr
Predigtlied: EG 409, 1, 2, 4, 7, 8 Gott liebt diese Welt
Schlusslied: EG+ 135 Wie ein Fest nach langer Trauer

Predigttext 5. Mose 6, 4 – 9

Ermahnung zur Liebe und zum Gehorsam gegen den Herrn

4 Höre, Israel, der HERR ist unser Gott, der HERR ist einer.
5 Und du sollst den HERRN, deinen Gott, lieb haben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft.

6 Und diese Worte, die ich dir heute gebiete, sollst du zu Herzen nehmen
7 und sollst sie deinen Kindern einschärfen und davon reden, wenn du in deinem Hause sitzt oder unterwegs bist, wenn du dich niederlegst oder aufstehst.
8 Und du sollst sie binden zum Zeichen auf deine Hand, und sie sollen dir ein Merkzeichen zwischen deinen Augen sein,
9 und du sollst sie schreiben auf die Pfosten deines Hauses und an die Tore.

Gewagte Thesen

Das Phänomen des Verliebtseins trifft vielleicht nicht nur Menschen, rechnet mit der Freiheit des anderen und ist vielleicht sogar Teil meiner Gottesbeziehung.

Liebe Schwestern und Brüder,

ich wage eine Vermutung: Sie waren schon einmal verliebt. Stimmt's? Ich glaube, die meisten könnten dazu Ja sagen. Und bestimmt auch einige von Euch Konfis. Da ist man ganz hin- und hergerissen: Soll ich's anderen erzählen? Lass' ich sie mitfiebern? Oder behalte ich's besser für mich? Dann wird's nicht so peinlich, wenn's nichts wird.

Noch spannender ist ja die Frage: „Sag ich's dem, den es betrifft? Sag ich ihr, dass ich sie gut finde? Soll ich mich einfach mal trauen?“ „Einfach“ ist gut ... diese Aufregung, bei jeder Begegnung. An etwas anderes denken – völlig ausgeschlossen. Ein Ausnahmezustand, könnte man sagen. An-strengend und schön zugleich.

Es ist auch ganz und gar unberechenbar – Liebe kann jeden erwischen: Kleine, Große, Junge, Alte – durch alle Schulabschlüsse und Berufsgruppen. Amors Pfeil kann jeden treffen. Und Frühlingsgefühle kennen keine Jahreszeit.

Manchmal, liebe Schwestern und Brüder, manchmal scheint es mir:

Verliebte sind nicht mehr dieselben, die sie vorher waren. Finden Sie nicht auch? Ich glaube, Verliebte haben einfach ein neues Lebensthema. Eines, das die Aufgaben des Alltags völlig banal erscheinen lässt. Ich denke daran ... (Parkplatz für eigene Erlebnisse mit Verliebten), wie mein 15-jähriges Paten-kind die Spülmaschine ausräumen sollte und sie ihre Mutter mit großen Augen skeptisch ansah: „Dein Ernst?!“ – und diese Frage erinnert daran: Egal, mit was man kommt, Verliebte haben immer Wichtigeres im Kopf. Anstrengend für Außenstehende, das zu akzeptieren. Aber versuchen wir's doch mal:

Verliebte haben ein Ziel. Sie tragen eine Sehnsucht in sich. Sie haben ein Bild vor Augen: In Zukunft Hand in Hand ge-hen. Das, was ich erlebe, mit jemandem teilen. Und umge-kehrt: Dabei sein, mitfiebern, mitfeiern. Einfach Leben teilen. – Alles andere: Nebensache!

Verliebten ist auch völlig klar: Sie haben etwas zu verlieren. Ein Ansehen. Selbstwertgefühl. Sich selbst und den anderen. Gerade deshalb brauchen sie, denk' ich manchmal, alle Aufmerksamkeit für ihre Situation. Jetzt bloß nichts falsch machen. Und in kaum einer anderen Lebenssituation steht mir so klar vor Augen: Ich habe Kopf und Bauch. Und die beiden sind bei weitem nicht immer einer Meinung. Der Kopf sagt: „Lass den Quatsch, reiß Dich zusammen. Komm mal wieder klar!“ Und der Bauch: „Ja, aber ...“ Eine Zwickmühle – und eine Aufgabe.

Nun könnten Sie langsam wirklich mit Recht fragen: „Schön und gut. Aber was hat das alles mit Gottesdienst und mit Reformationstag zu tun?“ Ich würde sagen: Eine ganze Menge. Wenn wir – und das ist schließlich der allererste Satz zu uns Menschen in der Bibel – wenn wir nach Gottes Bild geschaffen wurden, dann hieße das ja: Gott kann auch verliebt sein, kann ganz den Verstand verlieren, ist in einem Ausnahmezustand.

„Blasphemie!“ „Gotteslästerung!“, hätten sicher einige sehr laut zu Luthers Zeiten gerufen. Und möglicherweise gibt es diese Stimmen noch heute. Das nehme ich zur Kenntnis. Aber es hindert mich nicht daran, diesen Gedanken richtig zu finden, ja, mehr noch, davon sogar überzeugt zu sein: Gott kann verliebt sein, kann ganz den Verstand verlieren, ist in einem Ausnahmezustand. Und das, liebe Schwestern und Brüder, würde so manches erklären: Dann höre ich das Bibelwort von vorhin auf einmal ganz neu.

Da hieß es: Du sollst den HERRN, deinen Gott, lieb haben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft.

Und zunächst hab ich gedacht: Wie soll das denn gehen? Lieben geht doch nicht auf Befehl. Aber wenn ich noch einmal überlege, dann könnte doch in dieser Aufforderung etwas drin stecken, ganz viel Gefühl. Dann könnte das heißen: Gott wünscht sich eine Beziehung zu seinem Volk, zu uns Menschen, so sehr, dass er's gar nicht mehr aushalten kann, das nicht zu sagen. Ja, mehr noch, dass er ganz klar sagt, was er will: Geliebt werden. Und zwar nicht nur so ein bisschen, sondern so richtig. Öffentlich. Wir Menschen sollen dazu stehen. Und das finde ich einen ganz erstaunlichen Anspruch.

Und, dass das aus Verzweiflung heraus kam, diesen Gedanken werde ich nicht los. Für mich klingen die Worte wie: „Meine Güte, jetzt mach doch mal die Augen auf, schau doch mal hin, wie ich in der Vergangenheit versucht habe, Dir zu zeigen, wie ich's mit Dir meine. Und die einzig vernünftige Reaktion darauf wäre, dass Du Dich für mich entscheidest. Schreib's Dir hinter die Ohren. Und an die Türpfosten. Und an sämtliche anderen Orte, an denen Du vorbei läufst. Bis Du's ganz verinnerlicht hast!“

Ein komisches Gefühl bleibt dabei, oder? Im Kopf mag das ja alles irgendwie ankommen, ja, sogar Sinn machen. Dann wäre es ein Handel, ein Tauschgeschäft: Gott tut seinem Volk etwas Gutes und sein Volk macht dafür öffentlich, dass er es war, der Gutes unter ihnen wirkt. Aber: Da fehlt doch das Herz, finden Sie nicht auch?

Ich glaube, ganz entscheidend ist: Weiß der andere, wie ich's meine, nur im Kopf, oder weiß er das auch mit dem Herzen? Ich glaube, das macht einen wichtigen Unterschied:

Wir schauen noch einmal auf das Beispiel des Verliebten mit seinem Gegenüber: Im Kopf da landet eine Information. Der oder die mag mich. Punkt. Und dann kann ich mir vielleicht noch überlegen, ob das ein guter Partner, eine gute Partnerin sein könnte. So ganz theoretisch. Aber das ist ja nicht das, was der Verliebte erreichen möchte, oder? Für mich nicht. Sehe ich nur die Information, dann ist das Ganze zum Scheitern verurteilt. Es kann dann höchstens in Freundschaft enden, vielleicht aber auch in Unsicherheit, sodass es einem immer peinlich ist, wenn man sich begegnet. Da fehlt doch was. Informationen, lernt man im Deutschunterricht, sind Sätze mit Punkt am Ende. Aber hinter einem „Ich liebe Dich“, steckt doch mehr, oder? Da geht es für mich um ein Ausrufezeichen! Und vielleicht um Fragezeichen. Denn ich habe zwar eine Hoffnung, aber auch ein bisschen Angst: Geht's dem anderen genauso? Oder sieht er die Dinge ganz anders?

Ich glaube: Gescheiterte Liebeserklärungen spielen sich ab auf Kopfebene. Da kann die Botschaft nicht bis ins Herz durchdringen. Weil was im Weg ist. Eine Angst, Bedenken, vielleicht Gefühle für jemand anderen. Etwas, das ich unbedingt erreichen möchte, beruflich oder privat, ein Lebensstandard oder so. Und Gottes Liebeserklärung an sein Volk Israel klingt für mich nach genau so einem Fall.

Gescheiterte Liebeserklärung. Die Aufforderung, nun doch zu lieben – sie klingt nach einem verzweifelten letzten Versuch. Ein Befehl – im Wissen darum, dass sich der Inhalt gar nicht befehlen lässt. Wenn ich dabei stehen bleibe, dann lassen mich die Worte „Höre Israel..“ und so weiter niedergeschlagen zurück. Mit einem Schulterzucken. Mit Ratlosigkeit. Aber ich möchte noch einen Versuch wagen. Was, wenn sich hinter diesen Worten gar nicht wirklich ein verzweifelter Befehl verbirgt, sondern ein Vorschlag, ein Angebot vielleicht? Versuchen wir, liebe Schwestern und Brüder, es einmal so zu betrachten:

In Beziehungen ist es ganz wichtig, dass es zu einem Austausch kommt. Das ist so gemeint: Mal ist die eine stark, kann den Partner stützen, und mal ist es der andere, die ihr etwas gibt. Beide können geben. Beide können auch nehmen.

Wenn wir uns das klar machen, dann drängt sich ein Gedanke auf: Israel kann Gott gar nicht in gleichem Maße Gutes geben wie er seinem Volk, seinen Menschen. Israel ist eigentlich ziemlich abhängig von Gott. Da frag' ich mich doch: Ist das eine Beziehungsform, auf die man Lust hat? Ein Miteinander, bei dem man sich immerzu klein fühlt? Ich glaube nicht. Es muss etwas geben, das Israel für Gott tun kann.

Und auf einmal höre ich die Worte unseres Predigttextes ganz anders, höre sie als Gottes Klarstellung an Israel. Eben genau so: „Dass Du mich liebst, Israel, das kann ich nicht bewirken. Das kannst nur Du mir schenken. Und es wäre für mich das größte Geschenk überhaupt.“ Immer noch ein bisschen schwierig vielleicht, weil Israel hier nicht frei wählen kann, was sie Gott entgegenbringt. Aber umgekehrt gilt das Ver-sprechen, gilt das Ja. Als wollte Gott sagen: „Ihr könnt die Worte an den Hauspfosten auch lesen als Erinnerung daran, dass in allem, was kommt, einer da ist, der’s gut meint, der Euch liebt, ohne Wenn und Aber. Und Ihr erinnert Euch damit gleichzeitig daran: „Das Lieben kann uns keiner befehlen, das ist der Teil, den ganz allein wir aus eigener Haltung heraus tun können – in aller Freiheit.'“ Gott sagt zu Israel: „Das ist mein Wunsch an Dich. Das ist, wie ich's mit Dir meine. Und alles andere liegt allein in Deiner Hand.“

Und wissen Sie was? Ein Gott, der so was tut, wäre ein ungewöhnlicher Gott. Aber einer, der mir gefällt. Und dann trau ich mich doch eher, ja zu sagen, spüre, wie ich nervös bin, ob ich alles richtig mache, ob er versteht, wie ich's meine, wenn ich bete. Fast wie beim Verliebtsein.

Amen

Verfasserin: Pfarrerin Stefanie Schlenczek, Missionarisch Ökumenischer Dienst, Westbahnstraße 4, 76829 Landau


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