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Gott kommt in diese Welt

von Michael Haspel

Predigtdatum : 25.12.2010
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Christfest 1. Feiertag
Textstelle : Micha 5,1-4a
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Wochenspruch: „Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns und wir sahen seine Herrlichkeit.“(Johannes 1, 14)
Psalm: 96 (EG 738)

Lesungen
Altes Testament: Micha 5, 1 – 4 a
Epistel: Titus 3, 4 – 7
Evangelium: Lukas 2, (1 – 14) 15 – 20

Liedvorschläge
Eingangslied: EG 35, 1 - 4 Nun singet und seid froh
Wochenlied: EG 23, 1 - 4 Gelobet seist du Jesu Christ
Predigtlied: EG: 56, 1 - 4 Weil Gott in tiefster Nacht erschienen
Schlusslied: EG 45 Herbei, o ihr Gläubigen

Biblisch-theologische Vorbemerkung:

Bei diesem Predigttext sind drei Dinge zu beachten.

1. Die Abgrenzung des Predigtextes entspricht nicht den Einsichten der neueren Bibelauslegung. Es gehören zusammen: 4,14-5,3 und 5,4 mit 5.5. Damit ist der Schlusssatz des Predigttextes eigentlich der Vorsatz für das Folgende, nämlich die militärische Abwehr der Feinde, und nicht die Erläuterung des Vorhergehenden.

2. Dies steht im Zusammenhang mit einem Übersetzungsproblem: Luther 1984 übersetzt V4a mit: Und er wird der Friede sein. In der neueren Auslegung wird das Subjekt allerdings als Neutrum aufgefasst: Und dies wird der Friede sein. D.h. der Friede ist das, was in V. 4b und 5 ausgeführt wird: Die militärische Abwehr der Aggressoren zur Wahrung des Rechts. Dies steht nur in Spannung aber nicht im Widerspruch zu Micha 4, 1 - 5: Die Friedensvision ist die verheißene Zukunft. Die Gewalt der Gegenwart muss erst noch überwunden werden.

3. In der christlichen Auslegung ist Micha 5, 1-4a auf Christus bezogen worden. Im historischen Horizont des Textes handelt es sich aber um eine Herrscherverheißung nicht um eine Messiaserwartung. Die Messiasvorstellung, die dem Neuen Testament zu Grunde liegt, ist jünger als dieser Text. Die Verheißung gilt also zunächst den Jüdinnen und Juden und uns Christinnen und Christen in unserer Beziehung zu ihnen. Der Text kann dessen eingedenk gleichwohl christologisch ge¬deu-tet werden, wenn damit keine Enteignung der ursprünglichen Adressaten verbunden ist.

Zu den exegetischen Befunden vgl. Rainer Kessler: Micha (HThKAT), 2. Aufl., Freiburg/Basel/Wien 1999.
In der Predigt bin ich von dem gewohnten Wortlaut des Luthertextes ausgegangen und habe versucht, die exegetisch-the-ologischen Ein¬sich¬ten in der Auslegung fruchtbar zu machen.

Begrüßung

Liebe Schwestern und Brüder,

herzlich willkommen zu unserm Gottesdienst zum Christfest. Der Heilige Abend liegt hinter uns. Manche kommen reich beschenkt und im Kreise der Familie. Andere kommen alleine und spüren vielleicht in diesen Tagen den Verlust eines lieben Menschen mehr als sonst. Bei den einen herrscht eitel Sonnenschein in der Familie, bei anderen brechen gerade an Weihnachten alte Konflikte wieder auf. An Weihnachten und am Christfest ist nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen. Aber heute am Christfest sind wir eingeladen, über das Wesentliche nachzudenken, uns an den kleinen Dingen zu freuen und miteinander neue Aufbrüche zu wagen hin zu dem Gott, der uns entgegen kommt. Darauf dürfen wir uns freuen!

Predigt

Der Predigttext wird während der Predigt verlesen

Liebe Schwestern und Brüder,

Weihnachten ist das Fest des Friedens. So wünschen wir uns das. Viele von uns wollen zumindest keinen Streit an Weihnachten, die anderen vielleicht sogar Harmonie oder sogar eine Vorahnung auf den Frieden, der uns von Gott zugesagt ist.

Und doch erleben wir den Unfrieden. Persönlich in unserem Umfeld, aber auch medial vermittelt in Afghanistan, dem Irak, Sudan und Kongo und vielen anderen Ländern. Und wir kennen Menschen, die entweder als Kriegsflüchtlinge zu uns gekommen sind, oder die als Soldaten oder Helfer in Kriegesgebieten im Einsatz waren. Wenn Sie kurz nachdenken, fällt Ihnen bestimmt jemand ein [ggf. kurzes Innehalten]. Die Älteren tragen selber noch die Bilder des Krieges in ihrer Erinnerung. Diese Spannung von Friedenshoffnung und realer Gewalt ist auch den Worten des Propheten Micha eingeschrieben, aus denen heute Gottes Weisheit zu uns sprechen möge:

Und du, Bethlehem Efrata, die du klein bist unter den Städten in Juda, aus dir soll mir der kommen, der in Israel Herr sei, dessen Ausgang von Anfang und von Ewigkeit her gewesen ist. Indes lässt er sie plagen bis auf die Zeit, dass die, welche gebären soll, geboren hat. Da wird dann der Rest seiner Brüder wiederkommen zu den Söhnen Israel. Er aber wird auftreten und weiden in der Kraft des HERRN und in der Macht des Namens des HERRN, seines Gottes. Und sie werden sicher wohnen; denn er wird zur selben Zeit herrlich werden, so weit die Welt ist. Und er wird der Friede sein (Micha 5, 1 – 4 a).

Hier hört der Abschnitt auf, der am Weihnachtsfest gelesen wird, aber der Sinnzusammenhang geht weiter:

Wenn Assur in unser Land fällt und in unsere festen Häuser einbricht, so werden wir sieben Hirten und acht Fürsten dagegen aufstellen, die das Land Assur verderben mit dem Schwert und das Land Nimrods mit ihren bloßen Waffen. So wird er uns von Assur erretten, wenn es in unser Land fallen und in unsere Grenzen einbrechen wird (Micha 5, 4 b - 5)

Dieses Bibelwort nimmt eine andere Wendung als wir erwarten. War Micha nicht der, der den Slogan geprägt hat: Schwerter zu Pflugscharen!? Und jetzt das. Und auch noch an Weihnachten. Israel soll sich mit Waffengewalt verteidigen? Wie können wir das verstehen?

Micha widerspricht dem Anspruch auf Herrschaft der Mächtigen. Die Worte des Propheten nehmen uns hinein in die Spannung zwischen dem Ziel und der Hoffnung auf dauerhaften Frieden einerseits und den Umgang mit der Erfahrung realer Gewalt andererseits.

Ist das eine Weihnachtsbotschaft? [ggf. kurzes Innehalten]
Und du, Bethlehem Efrata, die du klein bist unter den Städten in Juda, aus dir soll kommen, der in Israel Herr sei, dessen Ausgang von Anfang und von Ewigkeit ist (5, 1).

Das ist das Evangelium für die, die immer zu klein sind, die Kinder, die Nachgeborenen und Nesthäkchen. Ihnen wird immer gesagt, dass sie für dieses und jenes noch nicht groß genug seien. Hier wird die kleine Stadt ganz groß! Endlich sind die einmal gemeint, zu denen man sagt: Da musst Du noch warten, Du bist noch viel zu klein. Oder die, die ihre eigene Ohmacht erfahren, und sich immer der Macht beugen müssen.

Aber ein wenig komisch ist das schon für die Großen. So schön das ist, wenn die Kleinen auch mal dran sind, aber so ganz am Rand will man doch auch nicht stehen. Mal ganz ehrlich. Was dächten denn die Berliner, wenn plötzlich alle wichtigen Leute aus Hannover kommen? Was dächten wir Europäer und Amerikanerinnen, wenn plötzlich die wichtigen Entscheidungen in der Welt nicht mehr in Genf und New York, sondern in Kinshasa und Porto Allegre gefällt würden?

Mindestens so irritierend muss das für die Zeitgenossen des Propheten Micha gewesen sein, als er in schwerer militärischer Bedrängnis durch die Babylonier verkündet hat, dass der Retter Israels nicht aus Jerusalem kommen wird, wo der Königssitz war, sondern aus Bethlehem. Bethlehem war keine ganz unbekannte Stadt. Schließlich kam der König David aus ihr.

Aber inzwischen war Jerusalem schon lange die Königsstadt. Und Micha kündigt wieder einen Retter und König aus Bethlehem an. Das stellt die Verhältnisse auf den Kopf. Nicht aus der befestigten Königsstadt, sondern aus dem kleinen Bethlehem soll der Retter kommen. Nicht aus dem Zentrum der Macht, sondern aus dem belanglosen Hinterland. Ein Zeichen dafür, dass die herrschenden Verhältnisse an ihr Ende gekom-men sind. Das Königreich Juda war von den Großmächten bedroht und wurde von den Babyloniern besiegt. Die Oberschicht musste nach Babylon ins Zwangsexil. Die Mittel der Macht waren an ein Ende gekommen. Feindschaft führt zur weiteren Zerstörung. Die Machtpolitik ist am Ende, nur Recht und Gerechtigkeit führen zum Frieden.

Eine Erfahrung, die viele von uns immer wieder und manchmal zu spät machen. Dass, wenn wir versuchen, Dinge mit Macht durch-zusetzen, darin kein Heil liegt. Das fängt im Kleinen an und gilt auch im Großen. Wollen wir nicht auch viel zu oft mächtig sein, setzen auf Feindschaft, als uns angreifbar zu machen und der Versöhnung zu vertrauen?

Dagegen weist der Prophet Micha auf einen hin, der die Verhältnisse zum Tanzen bringen wird. Von ihm erhoffen die Menschen, dass er den Frieden bringt, bei dem es nicht mehr um die Überwindung des Feindes, sondern um die Überwindung der Feind¬schaft geht. Auch wenn die Verteidigung des Rechts und des eigenen Lebens bei Micha weiterhin gefordert wird, geht es in der Abwehr der Angriffe nicht mehr darum, nun die Babylonier oder im nächsten Krieg die Ägypter zu zerschlagen, sondern sie abzuwehren und in der Folge Recht zu schaffen, den Krieg und die Feindschaft überhaupt zu überwinden. Die Kleinen werden bemächtigt, für ihr Recht einzustehen, ja aufzustehen. Gerade in der Abwehr des Unrechts der Großen, der Mächtigen wird eine Friedens¬perspektive gesehen.

Wie wir uns diesen Frieden vorstellen mögen, können wir im vorhergehenden Kapitel beim Propheten Micha lesen:

Sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen. Es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben, und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen. Ein jeder wird unter seinem Weinstock und Feigenbaum wohnen, und niemand wird sie erschrecken (Micha 4, 3 - 4).

Wenn der Friedefürst in Bethlehem geboren wird, dann bricht die Zeit an, in der die Schwerter zu Pflugscharen geschmiedet werden können und ein jeder unter seinen Weinstock und Obstbaum sitzen kann. Darüber freuen wir uns an Weihnachten, dass Gott in Gestalt eines kleinen Kindes in einem Stall zur Welt gekommen ist, um uns zu zeigen, dass im Vertrauen auf Macht, Stärke und Reichtum kein Heil liegt. Sondern dass das Heil darin liegt, dass alle genug haben, dass Konflikte nicht zur Feindschaft werden, dass wir darauf vertrauen, dass Gott zu uns gekommen ist und mit uns ist.

Der Weg dahin bleibt schwierig. Wie kann das gelebt werden? Wo muss das Recht verteidigt werden, und wie kann dabei doch die Friedensvision die Orientierung sein? Diese Fragen sind uns nicht abgenommen durch die Friedenshoffnung Michas. Aber sie bekommen durch die Friedensverheißung ihren Richtungssinn. Dies im Konkreten immer wieder neu zu bestimmen und uns auf dem Weg des Friedens zu machen, das ist der Anspruch, der im Zuspruch des Friedens Gottes liegt.

Auf diesem Weg haben wir die Verheißung, bleiben aber gefährdet. Auch davon erfahren wir in der heiligen Schrift: Die 3 Sterndeuter aus dem Morgenland, die dem Weihnachtsstern nachgingen, sind kurz vor dem Ziel doch noch in die Irre gegangen. Sie haben der Macht vertraut und gehen zuerst nach Jerusalem zu Herodes. Das wäre beinahe schief gegangen, weil Herodes den neuen König, der in Bethlehem geboren wurde, umbringen lassen wollte. Aber sie haben sich dann aufgemacht nach Bethlehem und haben den König Herodes hinter sich gelassen.

Vielleicht gehen wir auch manchmal diese Umwege, dass wir zuerst zu den Großen und Mächtigen laufen. Gut, wenn man rechtzeitig merkt, dass das Wichtige oft im Kleinen und Unscheinbaren zu finden ist. Wer sich am Kleinen freuen kann, hat einen großen Schatz im Herzen. Wer sich an seiner Familie, an den Freunden, am gemeinsamen Weihnachtsessen freuen kann, hat einen großen Schatz. Und dort, wo uns dieses miteinander im Kleinen nicht gelingt, spüren wir gerade in der Weihnachtszeit, wie belastend das ist.

Wenn uns das gelingt, dann ist das Grund zu großer Freude. Deshalb singen wir an Weihnachten die Freudenlieder. Wir singen sie im Vorgriff auf das, was uns verheißen ist und wozu Weihnachten der Anfang sein kann. Wir singen die Freudenlieder nicht, weil wir denken, dass alles schon in Ordnung ist, sondern gerade weil wir darauf vertrauen, dass sich mit Gott unser Leben verändern kann.

Der französische Philosoph Jean-Paul Sartre hat sich darüber mokiert und gesagt: „Weihnachten ist ein Fest der Freude. Leider wird dabei zu wenig gelacht.” In diesem Fall hat er allerdings unrecht. Weihnachten ist kein Spaß. Es ist Grund zu tiefer Freude. Etwa solcher Freude, die man empfindet, wenn man ein Neugeborenes Kind in den Armen hält. Vielleicht hat man dann sogar Tränen in den Augen und schluchzt. Und empfindet große Freude, über die Hoffnung und die Verheißung, die im neuen Leben liegt. Grund tiefer Freude ist das Kind in der Krippe, das uns einlädt uns an den kleinen Dingen zu freuen und uns daran erinnert, dass Gott noch Großes mit uns vorhat!


Verfasser: Dr. Michael Haspe, Zinzendorfplatz 3, 99192 Neudietendorf



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