Wochenspruch: "Freuet euch in dem Herrn allewege, und abermals sage ich: Freuet euch! Der Herr ist nahe." (Philipper 4, 4.5 b)
Psalm: 102,13-14.16-18.20-23 (EG 741)
Reihe I: Lukas 1,(26-38)39-56
Reihe II: 2. Korinther 1,18-22
Reihe III: 1. Mose 18,1-2.9-15
Reihe IV: Lukas 1,26-38(39-56)
Reihe V: Philipper 4,4-7
Reihe VI: Jesaja 62,1-5
Eingangslied: EG 8,1–4 Es kommt ein Schiff geladen oder EG 1,1–4 Macht hoch die Tür
Wochenlied: EG 9,1–6 Nun jauchzet all, ihr Frommen
Predigtlied: EG 11 Wie soll ich dich empfangen
Schlusslied: EG 1,5 Macht hoch die Tür
26 Und im sechsten Monat wurde der Engel Gabriel von Gott gesandt in eine Stadt in Galiläa, die heißt Nazareth,
27 zu einer Jungfrau, die vertraut war einem Mann mit Namen Josef vom Hause David; und die Jungfrau hieß Maria.
28 Und der Engel kam zu ihr hinein und sprach: Sei gegrüßt, du Begnadete! Der Herr ist mit dir!
29 Sie aber erschrak über die Rede und dachte: Welch ein Gruß ist das?
30 Und der Engel sprach zu ihr: Fürchte dich nicht, Maria! Du hast Gnade bei Gott gefunden.
31 Siehe, du wirst schwanger werden und einen Sohn gebären, dem sollst du den Namen Jesus geben.
32 Der wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden; und Gott der Herr wird ihm den Thron seines Vaters David geben,
33 und er wird König sein über das Haus Jakob in Ewigkeit, und sein Reich wird kein Ende haben.
34 Da sprach Maria zu dem Engel: Wie soll das zugehen, da ich doch von keinem Manne weiß?
35 Der Engel antwortete und sprach zu ihr: Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten; darum wird auch das Heilige, das geboren wird, Gottes Sohn genannt werden.
36 Und siehe, Elisabeth, deine Verwandte, ist auch schwanger mit einem Sohn, in ihrem Alter, und ist jetzt im sechsten Monat, sie, von der man sagt, dass sie unfruchtbar sei.
37 Denn bei Gott ist kein Ding unmöglich.
38 Maria aber sprach: Siehe, ich bin des Herrn Magd; mir geschehe, wie du gesagt hast. Und der Engel schied von ihr.)
39 Maria aber machte sich auf in diesen Tagen und ging eilends in das Gebirge zu einer Stadt in Juda
40 und kam in das Haus des Zacharias und begrüßte Elisabeth.
41 Und es begab sich, als Elisabeth den Gruß Marias hörte, hüpfte das Kind in ihrem Leibe. Und Elisabeth wurde vom Heiligen Geist erfüllt
42 und rief laut und sprach: Gesegnet bist du unter den Frauen, und gesegnet ist die Frucht deines Leibes!
43 Und wie geschieht mir, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt?
44 Denn siehe, als ich die Stimme deines Grußes hörte, hüpfte das Kind vor Freude in meinem Leibe.
45 Ja, selig ist, die da geglaubt hat! Denn es wird vollendet werden, was ihr gesagt ist von dem Herrn.
46 Und Maria sprach: Meine Seele erhebt den Herrn,
47 und mein Geist freuet sich Gottes, meines Heilandes;
48 denn er hat die Niedrigkeit seiner Magd angesehen. Siehe, von nun an werden mich selig preisen alle Kindeskinder.
49 Denn er hat große Dinge an mir getan, der da mächtig ist und dessen Name heilig ist.
50 Und seine Barmherzigkeit währet für und für bei denen, die ihn fürchten.
51 Er übt Gewalt mit seinem Arm und zerstreut, die hoffärtig sind in ihres Herzens Sinn.
52 Er stößt die Gewaltigen vom Thron und erhebt die Niedrigen.
53 Die Hungrigen füllt er mit Gütern und lässt die Reichen leer ausgehen.
54 Er gedenkt der Barmherzigkeit und hilft seinem Diener Israel auf,
55 wie er geredet hat zu unsern Vätern, Abraham und seinen Nachkommen in Ewigkeit.
56 Und Maria blieb bei ihr etwa drei Monate; danach kehrte sie wieder heim.
Lukas 1, 26 – 38
Das Lukasevangelium betont das (neu-)schöpferische und gnadenvolle und groß-machende Handeln Gottes im Umfeld der Geburt des Jesus.
Lebensgeschichte und Heilsgeschichte gehören zusammen – das Heil der Welt ereignet sich nicht neben den Dramen des Lebens.
Bereits am Gruß des Engels ist für Maria erfahrbar, dass Gott neue Möglichkeiten eröffnet, welche dann im Glauben zu ergreifen sind, wozu wiederum der Heilige Geist Menschen befähigt. »Wer ist Maria? Maria ist der Mensch, der sich Gott gefallen lässt« (E. Lange)
Beim Heilswerk Gottes geht es um das Heil der Welt (siehe das Lied der Maria, das Magnificat, Lukas 1, 46 – 55). Freilich beginnt das Heil der Welt klein und erweist sich dadurch, dass einzelne Menschen im Kleinen eine Ahnung seiner Größe wahrnehmen.
Im heutigen Predigttext ist es der Engel, welcher alle Dimensionen zusammenbringt und eine adventlich-weih-nachtliche Linie aufzeigt vom Paradies hin zum jetzt zur Erde gekommenen Reich Gottes (»Heut schließt er wieder auf die Tür zum schönen Paradeis«).
Liebe Gemeinde,
ein Gespräch findet statt, unbemerkt von aller Öffentlichkeit in einem Wohnraum in Nazareth. Ein Bote Gottes kommt zu Maria. Sie wird in seinem Wort zu einem gesegneten und begnadeten Menschen.
Groß ist der Bogen, der gespannt wird von diesem Haus im galiläischen Bergland hinaus zur ganzen Welt. Die Verkündigung des Gottesboten bringt den Himmel zur Erde herunter und lenkt den Blick der Welt dann weit hinauf zum verheißenen »Sohn des Höchsten«. Maria wird zum begnadeten Menschen gesegnet: »Siehe, du wirst schwanger werden und einen Sohn gebären, und du sollst ihm den Namen Jesus geben«. Maria – welche so gering von Stand übrigens gar nicht ist, immerhin gehört sie durch den rechtlich wichtigen Akt der Verlobung zum Hause Davids! – Maria soll Mutter und Namensgeberin des Jesus von Nazareth werden.
Das ist die große Ankündigung des Boten Gabriel.
Gabriel, der (Erz-)Engel ist der Bewacher des Paradieses – wenn er selbst kommt, dann geht es darum, dass sich der Himmel wieder auftun wird auf Erden, dass das Paradies wiedereröffnet wird. Wenn Gabriel kommt, dann geht es um nichts weniger als das Neu-Geboren-Werden, um die Verheißung des nahe gekommenen Gottesreichs (1).
Tausendfach ist diese Szene von Künstlern gemalt und gezeichnet worden und nicht zu zählen sind die Deutungen der Engelsbegegnungen vom Engel und Mirjam, der Mutter Jesu. Maria – stellen wir sie uns freilich nicht vor als »in Gold gemalte Märchenfigur« (2), das würde die biblische Schlichtheit der Ankündigung Jesu nicht treffen. Es verschlägt ihr auch nicht vor frommem Erschrecken die Sprache, ganz im Gegenteil: Der gesunde Menschenverstand der Nazarenerin Mirjam meldet sich unverzüglich: »Ja, wie soll das zugehen, da ich doch von keinem Mann weiß?«
Liebe Gemeinde, wer wollte diese irdische Einsicht bestreiten – eine Schwangerschaft ohne Mann und Frau – im Prinzip unmöglich, auch wenn die theoretischen Möglichkeiten des Reagenzglases einen natürlichen Vorgang immer mehr technisieren und kommerzialisieren wollen.
Den heutigen Predigttext wollen manche verkürzen auf die Frage »ja war’s denn nun eine Jungfrauengeburt oder nicht?«.
Die Katholische Kirche hat dieses zum Dogma erhoben und ihre Mariologie – die Lehre von Maria – fußt ganz hierauf. Andere gehen an die Bibel heran wie an ein Biologiebuch und schreien »geht nicht« und »Wunder gibt’s nicht«.
Wir könnten heute Morgen in diese Debatte einsteigen und dabei auf meterweise Literatur und Stellungnahmen zurückgreifen, auf Erkenntnisse und Bekenntnisse und Beschwörungen. Interessant könnte das werden, doch ob wir für unseren Glauben einen Erkenntnisgewinn hätten, ob wir im Glauben wachsen würden dadurch – daran darf mit Recht gezweifelt werden. Ohne jeden Zweifel aber würden wir den Kern des lukanischen Bibeltextes verfehlen.
Zurück also ins Haus der Maria!
Zurück zum Dialog, den Gabriel und Maria hier miteinander führen. Es ist der Erzengel, der bereits mit seinen ersten Worten Verwunderung auslöst: »Sei gegrüßt, du Begnadete«!
Von Gott her sieht so der Anknüpfungspunkt aus:
Dass Gnade schon da ist. Eine etwaige religiöse Vorgeschichte von Maria spielt keine Rolle, von ihren Gebeten oder ihrer Frömmigkeit wird nichts gesagt. Nichts ist in diesem Moment wichtiger, als der gnädige Blick und das gnädige Wort. Sie sind die einzige Gesprächsgrundlage, mehr braucht es nicht.
Im Advent, im Zuge der Ankunft des Herrn gehört es also dazu, dass Gnade vor allem ergeht und dazu ein Engel tätig wird. Ein Engel kommt nach Galiläa, zu den Menschen, die vom religiösen Zentrum Jerusalem aus gesehen nicht so seriös waren. Engel in Nazareth, das heißt: Der Menschen suchende und Menschen liebende Gott macht sich auf den Weg dorthin, wo Menschen in ihrem Alltag leben, wo mancher eher verachtet ist, wo das Elend wohnt und man ausgestoßen ist. Dorthin wird die Botschaft der Gnade getragen: »Du hast Gnade bei Gott gefunden.«
Ein Mensch, die junge Frau Mirjam, kann jetzt begreifen, wie ihr ganzes Leben gemeint ist. Zur ihrer Existenz soll ein für alle Mal der Zuspruch der Gnade gehören. Niemand wird ihr das nehmen können, was Gabriel von Gott her ihr zugesagt hat: »…Du Begnadete«.
Liebe Gemeinde, wer Gottes Wirken so an sich erfährt, kann sich freuen, weil die Seele und die Gedanken groß werden. Großwerden – das ist das Geschenk des Advents.
Und: Neuwerden im Advent.
Keine geschwätzigen Appelle oder Besuche erleiden, sondern Zuspruch erfahren in der Begegnung, im Wort des Herrn: Maria wird ein Lied singen von der Größe, die in ihr Leben eingekehrt ist.
»Magnificat« heißt die neue Melodie ihres Lebens. Sie gibt allen kommenden Ereignissen jenen zugleich ernsten und heiteren Grundton, der sich nicht mehr ändern wird – egal, was geschieht. Sie weiß: Die Sache mit ihrer Zukunft geht gut aus. »Der Herr ist mit dir!« »Fürchte dich nicht!« Sie ist beschenkt von Gott. Ihr Horizont ist größer geworden. Neues wird geschehen, neue Möglichkeiten in der alten Wirklichkeit tun sich auf. Die Aufgabe von Engeln ist es wohl, uns Menschen »einzuweisen« (3) in diese neuen Möglichkeiten.
Gnädige und gnadenreiche Begegnungen – Liebe Schwestern und Brüder, das darf und soll am heutigen 4. Advent unser Wunsch auch sein für die kommenden Festtage – gerade dort, wo mancher von uns mit gemischten Gefühlen sich auf Weihnachten zubewegt und wo Menschen sich viel zu viel erwarten oder gar nichts mehr erwarten.
Gottes Engel werden Dir und mir Begegnungen ermöglichen, von welchen man auf immer zehren wird und welche auf immer uns in unsere neuen von Gott ermöglichten Möglichkeiten einweisen. Gott sei Dank!
Ob wir das annehmen wollen?
Ob wir das an uns geschehen lassen wollen?
Ob wir offen sind, wenn sich Begegnungen mit besonderen Qualitäten ereignen, und wir spüren, dass Gott uns da jemand schickt? Oder uns als sein Werkzeug braucht und uns zu jemand schickt. Man müsste schon bereit sein, mit Gott zu rechnen. Man müsste schon Ausschau halten nach Gott hinter den alltäglichen Dingen …
Und wenn dann Gott kommt in dieser oder jener Gestalt, und für mich dieses oder jenes Wort hat, so müsste man sich dann in Bewegung setzen lassen, wie Maria.
Man wird einverstanden, stimmt ein mit Gottes Plänen für das eigene Leben: »Siehe, ich bin des Herrn Magd; mir geschehe, wie du gesagt hast.«
Es ist die Kraft des Heiligen Geistes, welche zu allem hinzukommt und welche Maria durch den Erzengel Gabriel im Blick auf den kommenden Jesus zugesagt wird: »Der heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten…« – Geist und Kraft – sie sind die alljährlichen Adventsgeschenke. Und Weihnachtsgeschenke. Und dann auch Ostergeschenke. Maria in ihrem Haus nimmt all das an: »Mir geschehe, wie du gesagt hast.«
Durch den Gottesboten Gabriel ist die Nazarenerin Maria zum beschenkten und gesegneten Menschen geworden – das alles erzählt der heutige Predigttext mit seinem Gespräch.
Liebe Gemeinde – jetzt ist ein Bogen gespannt vom Himmel auf die Erde und dann wieder zurück in den Himmel – »er wird Sohn des Höchsten genannt werden, und Gott der Herr wird ihm den Thron geben.« Derselbe Gott, welcher in das persönliche Leben eines Menschen, in dein oder mein Zimmer die erleichternde und sinnstiftende Botschaft bringt, derselbe Gott hält die Mächte mit und ohne Namen in seinen Händen und führt die Welt zu seinem Ziel (4).
Von all den Mariendarstellungen bei der Verkündigungsszene sind darum jene besonders eindrücklich, in welchen die nächsten Schritte und Handlungen der Maria bereits mitschwingen: erfüllt von Geist und Kraft wird sie hinausgehen aus ihrem Haus.
Einen größeren und anderen Aktionskreis als bisher im Leben wird es ab jetzt für sie geben. In den entfernten Bergen Judäas wird sie Elisabeth besuchen. Maria will ihr erzählen, dass sie von Gottes Engel groß gemacht worden ist; und ihr großes Lied, ihr Magnificat, wird erklingen, weit ins Land und zum Trost-Gesang der Welt werden. Sie singt mit großem Horizont. Sie traut der Kraft des Heiligen Geistes alles zu, auch, dass Gott die Gewaltigen vom Thron stößt und die Niedrigen erhebt; auch, dass die Hungrigen mit Gütern gefüllt werden und dass da die Barmherzigkeit Gottes ist, welche währt von Geschlecht zu Geschlecht.
Amen
Herr,
du hast dich angekündigt.
Als Mensch kommst du zu uns,
um ganz für uns da zu sein.
Gib, dass in allem,
was wir in diesen adventlichen Tagen tun,
planen und lassen, die Freude aufstrahlt,
mit der du uns begegnest in Jesus Christus.
C.E.
Gott,
wenn du bei uns einziehst,
verwandelt sich unsere Welt.
Wenn du mit uns redest,
so weicht unsere kleine Gedankenkreiserei.
Wenn deine Liebe uns anrührt,
schwindet unsere Angst.
Das danken wir dir und bitten:
Kehre ein in unsere Lebenshäuser,
sprich du ein Wort, wo Verzagte warten,
wo Rastlose den Frieden nicht spüren,
wo Verbitterte keine Hoffnung haben.
Christus Jesus,
komm zu deiner Welt, sie zu erlösen.
Gebrauche Menschen so, dass andere wieder
guter Hoffnung werden,
Komm zu deiner Welt,
ihren Horizont groß zu machen,
ihre Herzen weit zu machen,
ihre Hände ruhig zu machen,
ihre Füße mutig zu machen,
ihre Worte und ihr Handeln friedlich zu machen.
Heiliger Geist, wohne du in der Welt
und sei du unsere Kraft.
Sende uns die Engel,
die uns einweisen in unsere Möglichkeiten.
Schenke du nötige Veränderung
und gute Verwandlung, mache du uns
zu deinen Werkzeugen.
Wir bitten dich, großer Gott:
wecke in den Alltagsbegegnungen der Vorweihnachtszeit das große Lied der Gnade neu,
schenke Furchtlosigkeit im Leben
und einen gesunden Menschenverstand zu allem.
Dreieiniger Gott des Himmels und der Erden,
mache du uns noch entschlossener zu neuen Wegen
bei den großen Fragen von Frieden und Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung.
Leite uns recht hin zu deinem Reich,
in welchem du regierst von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Amen
Nach Gottesdienstbuch Wü, Seite 224, Nr. 2 und 3
Verfasserin: Pfarrerin Christine Eppler, Gölzstraße 2, 72127 Kusterdingen
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Anmerkungen zur Predigt
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Telefax: 069.71379-131
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