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Gott lässt mich nicht

von Wolfram Seeger (64373 Roßdorf)

Predigtdatum : 17.02.2008
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Invokavit
Textstelle : Hebräer 11,8-10
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Wochenspruch:

Gott erweist seine Liebe zu uns darin, dass Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren. (Römer 5, 8)

Psalm: 10, 4.11 – 14.17 – 18 oder Psalm 34 (EG 718)

Lesungen

Altes Testament:
Jesaja 5, 1 – 7
Epistel:
Römer 5, 1 – 5 (6 – 11)
Evangelium:
Markus 12, 1 – 12

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 545
Wir gehen hinauf nach Jerusalem
Wochenlied:
EG 366
Wenn wir in höchsten Nöten sein
Predigtlied:
EG 311
Abraham, Abraham, verlass dein Land
Schlusslied:
EG 66, 6 + 9
Jesus ist kommen, ein Opfer für Sünden

8 Durch den Glauben wurde Abraham gehorsam, als er berufen wurde, in ein Land zu ziehen, das er erben sollte; und er zog aus und wusste nicht, wo er hinkäme. 9 Durch den Glauben ist er ein Fremdling gewesen in dem verheißenen Lande wie in einem fremden und wohnte in Zelten mit Isaak und Jakob, den Miterben derselben Verheißung. 10 Denn er wartete auf die Stadt, die einen festen Grund hat, deren Baumeister und Schöpfer Gott ist.

Liebe Gemeinde!
„Der Glaube ist eine feste Zuversicht auf das, was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht.“ Mit diesen kräftigen Worten und voller Glaubensüberzeugung übersetzt Martin Luther den Beginn des elften Kapitels des Hebräerbriefes. Und viele, die mit Martin Luthers Bibelübersetzung groß geworden sind, kennen diese starken Worte über das, was Glaube sei.
Doch an Luthers „fester Zuversicht“ und an seinem „Nichtzweifeln“ bleibe ich unwillkürlich hängen. Es hilft mir nichts, wenn mir jemand Zuversicht verordnet oder gar den Zweifel verbieten will. Auch wenn es nicht die Absicht Martin Luthers war, so klingen diese steilen Worte gleich zu Beginn wie ein Appell an meine Glaubenstreue.
„Muss ich wirklich alles glauben, was ich da mit dem Glaubensbekenntnis gelernt habe?“, fragt da etwa eine junge Konfirmandin oder ein Arbeitskollege meint, dass das mit der Auferstehung und Ostern nur schwer mit seinem Denken zu vereinbaren sei. Er spricht offen von seinem Zweifel, und gerade mit diesem Stolperstein des Glaubens kann ein gutes Gespräch über den Glauben einsetzen.
In Gesprächen erfahre ich immer wieder, wie abschreckend für manche ein verordneter Glaube war, in dem Zweifel und Kritik verboten waren.
Denn auch die Glaubensgewissheit Martin Luthers hat eine spannende Geschichte, die mit dem Zweifel begonnen hat.
Glaube ist eben nichts Statisches. Und die Dinge, die wir Christinnen und Christen glauben, stehen auch nicht wie in Stein gemeißelt nur so vor uns, sodass wir sie einfach nur zu akzeptieren hätten.
Glaube ist lebendig: Er wächst wie ein Samenkorn und verändert sich dabei, er packt und überrascht mich. Manchmal erweckt er das Staunen in mir und ein andermal macht er mich traurig oder unruhig.
Glaube hat eine Geschichte, und die ist spannend für mich, weil ich entdecke, dass sie schon vor unvorstellbar langer Zeit begonnen hat und dennoch auch mein Leben kreuzt. Der Hebräerbrief möchte uns genau auf diese Geschichte aufmerksam machen. Deshalb werde ich noch einmal neu an diesem ersten Vers des elften Kapitels ansetzen und ihn anders erzählen. Nämlich mit den Worten der „Guten Nachricht“, einer Übersetzung aus unseren Tagen. Dort heißt es:
„Glauben heißt Vertrauen, und im Vertrauen bezeugt sich die Wirklichkeit dessen, worauf wir hoffen. Das, was wir jetzt noch nicht sehen: im Vertrauen beweist es sich selbst. In diesem Vertrauen haben unsere Vorfahren gelebt.“
Glauben heißt Vertrauen. Glauben ist ein Geschehen in Beziehung zu etwas. Es geht nicht erst darum, etwas zu glauben, sondern zuvor jemandem zu vertrauen. So erzählt der Autor des Hebräerbriefes nun 16 Vertrauensgeschichten aus der Zeit des Alten Testamentes. So auch die von Abraham, der Gott vertraute, als der ihn rief.
Und in jeder dieser Geschichten macht er deutlich: Im Vertrauen auf Gott bezeugt dieser sich den Menschen selbst.
Nur im Loslassen des Alten konnte Abraham erkennen, ob das, was Gott versprach, auch wirklich Hand und Fuß hatte. Er vertraute dem, was Gott ihm verheißen hatte. Er sollte ein neues Land, eine Zukunft und Segen erfahren. Doch jedes Vertrauen beginnt damit, dass ich etwas loslasse. Das Kind, das schwimmen lernt, muss irgendwann die Hand der Mutter oder des Vaters loslassen. Auch die Liebenden müssen Altgewohntes verlassen, damit ihre Beziehung lebendig wird. Und wenn ich loslasse, werde ich Erfahrungen mit dem Neuen machen, ganz sicher.
Gott bezeugt sich selbst, so heißt es im Hebräerbrief. Ich muss ihn nicht beweisen, durch meinen Verstand erkennen oder vor anderen oder meinem Zweifel verteidigen. „Das, was wir nicht sehen: im Vertrauen beweist es sich selbst.“ Der Glaube, der für uns nicht fassbar scheint, und sein Gegenstand Gott, den wir nicht mit unseren Augen sehen können, den können wir dennoch erleben und erfahren. Nicht, weil wir ihn durch unseren Glauben machen oder erschaffen, nein, weil er sich uns selbst zu erkennen gibt.
Doch sollten wir nicht davon ausgehen, dass die Art, wie Gott uns begegnet, immer die ist, die wir uns von ihm erwartet haben. Abraham, so heißt es, vertraute Gott und lebte in dem ihm verheißenen Land. Er lebte dort in Zelten, als ein Fremder. „Das hat er nun davon“, mögen manche sagen, „im Zelt ohne festes Dach über dem Kopf und dann auch noch in fremdem Land ohne Muttersprache und familiären Rückhalt. Was soll diese Gotteserfahrung bringen?
Manche von uns kennen das: Erst in der Freiheit von allen vermeintlichen Sicherheiten spüre ich, ich bin gehalten. Vielleicht haben einige von uns in diesen Tagen Erfahrungen mit dem Fasten gemacht, dem bewussten Verzicht auf Dinge, die uns sonst wichtig sind: auf das Fernsehen, den Alkohol, die Süßigkeiten oder gar das Auto. In der Freiheit von Dingen, die mich sonst bestimmen wollen oder ohne die ich vermeintlich nicht auskommen würde, entdecke ich mich plötzlich neu. Frei davon spüre ich das, was mich wirklich ausmacht und leiten sollte. So erfährt Abraham gerade ohne festes Dach über dem Kopf den, der seine gute Hand über ihm hält und ihm einen weiten Blick schenkt. Ohne die vertraute Muttersprache wird er frei, auf Neues zu hören, nämlich auf die Worte Gottes, die sonst von unserem Gerede übertönt werden. Es tut uns gut, uns manchmal von Worten zu lösen und das Schweigen zu üben. In uns klingt es dann überraschend anders und viel klarer als zuvor.
Mitten in diesen Erfahrungen bricht der Hebräerbrief aber plötzlich ab. Er berichtet nicht von der Erfüllung der Verheißung, sondern blickt weit voraus. Er schaut auf das Ende der Zeit. Er lässt Abraham die Stadt Gottes erwarten, das himmlische Jerusalem. Die Heimat auf festem Grund bei Gott in seinem Reich.
„Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die Zukünftige suchen wir“, so heißt es anderer Stelle im Hebräerbrief. Die Freiheit soll nicht nur einen Augenblick lang die Erfahrung der Menschen auf Gottes Wegen sein. Sie soll ihnen erhalten bleiben als Grunderfahrung ihres Glaubens. Die Perspektive dieses Glaubens reicht über alles uns Bekannte hinaus, ja sogar über unseren eigenen Lebenshorizont. „Was erwarten Sie eigentlich noch von diesem Leben?“, fragte einmal ein Journalist eine alte Diakonissenschwester, die längst an den Rollstuhl gebunden war. Und sie antwortete ihm mit einem Lächeln: „Ich erwarte noch den ganzen Himmel!“
Der Himmel ist spürbar geworden in ihrem Leben. Und er wird in dieser Antwort für den jungen Journalisten spürbar. Vertrauensvolles Leben, ein Leben, das auf Gottes Verheißungen baut und sich ihm anvertraut, strahlt Gott selbst aus. Der Geist Gottes wird in diesem Vertrauen spürbar für andere.
Und so entdecke ich in dieser alten Frau die Glaubensgewissheit wieder, mit der Martin Luther ganz am Anfang vom Glauben gesprochen hat „Der Glaube ist eine feste Zuversicht auf das, was man hofft und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht.“
Glauben ist, wie gesagt, eben nicht statisch, sondern er wächst und verändert sich. Glauben hat eine Geschichte, und die muss immer wieder neu erzählt werden. Diese Geschichte, so macht es der Hebräerbrief deutlich, hört nicht mit den 16 Vertrauensgeschichten des Alten Testamentes auf. Diese Geschichte kreuzt heute meinen Weg und macht mir Mut, ein Teil von dieser Geschichte zu werden. Und wer weiß, vielleicht wird Gottes Geist auch für andere spürbar und erfahrbar in unseren neuen Kapiteln, die wir einmal schreiben werden. Auf ganz ähnliche Weise ist die Geschichte des Glaubens jedenfalls heute zu Ihnen gelangt. Und das zeigt uns, Glauben mag zwar nicht für unseren Verstand immer fassbar sein, erlebbar ist er allemal.
Amen.

Verfasser: Pfr. Wolfram Seeger Kirchgasse 1 64373 Roßdorf

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