Gott lässt mich nicht
von Anke Spory (Bad Homburg)
Predigtdatum
:
16.03.2014
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
Invokavit
Textstelle
:
Hebräer 11,8-10
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Wochenspruch:
"Gott erweist seine Liebe zu uns darin, dass Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren." (Römer 5, 8)
Psalm: 10, 4.11 - 14. 17 - 18
Lesungen
Altes Testament: Jesaja 5, 1 - 7
Epistel: Römer 5, 1 - 5 (6 - 11)
Evangelium: Markus 12, 1 - 12
Liedvorschläge
Eingangslied: EG 166, 1, 5, 6 Tut mir auf die schöne Pforte
Wochenlied: EG 366, 1 - 4 Wenn wir in höchsten Nöten sein
Predigtlied: EG 382 Ich steh vor dir mit leeren Händen
Schlusslied: EG 369, 1, 2, 7 Wer nur den lieben Gott läßt walten
Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen
Der Predigttext für den heutigen Sonntag Reminiszere steht im Hebräerbrief im 11. Kapitel, Verse 8 - 10:
Durch den Glauben wurde Abraham gehorsam, als er berufen wurde, in ein Land zu ziehen, das er erben sollte; und er zog aus und wusste nicht, wo er hinkäme.
Durch den Glauben ist er ein Fremdling gewesen in dem verheißenen Lande wie in einem fremden und wohnte in Zelten mit Isaak und Jakob, den Miterben derselben Verheißung. Denn er wartete auf die Stadt, die einen festen Grund hat, deren Baumeister und Schöpfer Gott ist.
Liebe Gemeinde,
unser heutiger Abschnitt des Predigttextes über Abraham steht in einem größeren Zusammenhang. Das gesamte 11. Kapitel des Hebräerbriefes handelt von Gestalten des Alten Testamentes und ihres Glaubens. Zu Beginn stehen jeweils die Worte: durch seinen Glauben... und dann folgen Abel, Noah, Jakob, Josef und auch zwei Frauen werden genannt: Sara und die Prostituierte Rahab. Bei ihnen allen wird eine Veränderung hervorgehoben, die aufgrund ihres Glaubens geschehen ist: Bei Noah hat sein Glaube dazu geführt, dass er die Arche gebaut hat, durch den Glauben hat Sara im hohen Alter noch ein Kind bekommen, und Abraham ist durch den Glauben aus seinem Land ausgezogen in ein neues Land, das er vorher nicht kannte.
Der Hebräerbrief erzählt in diesem ganzen Kapitel von der Kraft des Glaubens. Er erzählt von dem Glauben als einem „bewegt werden“. Alle Menschen des Alten Testaments von denen der Verfasser erzählt, sind Menschen, die sich haben bewegen lassen. Bei ihnen ist durch den Glauben etwas in Bewegung gekommen, etwas hat sich durch den Glauben geändert in ihrem Leben. Der Hebräerbrief setzt damit einen wichtigen Akzent: Glauben heißt nicht etwas fürwahr halten. So, wie wir umgangssprachlich sagen: Glaubst du das wirklich? Diese Frage bezieht sich ja darauf, etwas für wahr zu halten. War es tatsächlich so?
Nein, der Hebräerbrief macht deutlich: Um das führ wahr-halten geht es im Glauben nicht. Es geht um Vertrauen, um Gottvertrauen, das einen Menschen dazu veranlasst, sich zu bewegen.
Gottvertrauen, dieses schöne alte Wort heißt ja: Nicht die Angst und die Sorge geben die Richtung vor, sondern das Vertrauen, dass Gott es gut mit uns meint.
Abraham zog aus seiner Heimat aus in ein neues Land. Dies ist heute noch wie damals kein leichtes Unterfangen. Ich denke an die vielen Flüchtlingsströme, die in Ländern wie Syrien auf der Suche nach einer neuen Heimat sind. Eine neue Heimat zu finden, finden zu müssen, kann Angst machen. So hat mir vor einigen Jahren einmal ein Mensch, der in der alten DDR aufgewachsen war erzählt: Ich mag das Lied „Vertraut den neuen Wegen, auf die der Herr uns weist“ gar nicht mehr. Bei uns hat sich nach der Wende so viel verändert, dass es mir schwer fällt, diese ganzen Veränderungen positiv zu sehen.“ Ja, Veränderungen können Angst machen. Das erleben wir auch immer wieder in unserem Alltag: Da muss einer den Job wechseln und zieht in eine neue Stadt, da zerbricht eine Ehe und es geht darum, einen neuen Ort zum Leben zu finden. Nicht jedes herausgerufen werden aus den alten Zusammenhängen ist ein Grund zu Freude.
Der Verfasser des Hebräerbriefes schreibt in so eine schwierige Zeit hinein. Er adressiert seinen Brief an eine christliche Gemeinde, die in der zweiten oder sogar schon dritten urchristlichen Generation steht. Wo genau diese Gemeinde liegt, wissen wir heute nicht. Aber aus dem Brief lässt sich entnehmen, dass es in der Gemeinde Ermüdungserscheinungen gibt. Die Gemeinde ist einem ablehnenden bis feindlichem Umfeld ausgesetzt und so werden Zweifel laut: Was ist mit den Verheißungen Gottes? Es ist nichts zu spüren davon. Glaubensmüde sind sie geworden. Was soll das alles? Diese Gemeinde ist zutiefst verunsichert. In diese Situation hinein schreibt der Verfasser des Hebräerbriefes. Er will, so schreibt er das an anderer Stelle: die erschlafften Hände und die wankenden Knie (12, 12) stärken.
Er tut dies, in dem er die alten Zeugen in Erinnerung ruft. Reminiszere ist der Name unseres 2. Sonntags in der Passionszeit. Er heißt übersetzt: Gedenke.....Also: erinnere dich, schau zurück. Und mit Abraham und Sara, mit Noah und Josef, mit Abel und Rahab erinnert er daran, wie diese Menschen in oft ausweglosen Situationen durch ihr Gottvertrauen eine Veränderung in ihrem Leben erlebt haben. Diese „Wolke der Zeugen“ (12,1), wie der Hebräerbrief sie nennt bezeugt, dass Gott seine Verheißungen wahr macht. Diese Menschen bezeugen, dass Gott in ihrem Leben etwas verändert hat.
Ich meine, der Text passt auch gut in unsere heutige Zeit. Jammern wir nicht viel in unseren Kirchen und Gemeinden, dass die Menschen wegbleiben? Oder nicht mehr so regelmäßig kommen, wie früher? Manche sind auch hier und heute glaubensmüde. Was tragen die alten Texte denn noch aus?
Es ist gut, sich in Erinnerung zu rufen, dass der Glaube nicht alleine durch uns getragen wird. Die Wolke der Zeugen: Ich finde das ein wunderbares Bild. Es heißt doch, auch wir sind von der Wolke der Zeugen umgeben, wir müs-sen unseren Glauben nicht selbst definieren, sondern können auch an anderen sehen und wahrnehmen, was glauben heißt.
Die Wolke der Zeugen ließe sich erweitern. Ich denke an das Portal der großen Kathedrale in London, Westminster Abbey. Dort sind über dem Haupteingang 20 Märtyrer des 20. Jahrhunderts dargestellt: Maximilian Kolbe, Manche Masemola, Janani Luwum, Elisabeth von Hessen-Darmstadt, Martin Luther King, Oscar Romero, Dietrich Bonhoeffer, Esther John, Lucian Tapiedi, Wang Zhiming. Ich kenne sie nicht alle, aber von vielen weiß ich, dass sie sich mit friedlichen Mitteln für eine andere Welt eingesetzt haben. Für eine Welt, in der Menschen anderer Hautfarbe keinen Menschen zweiter Klasse sind; für eine Welt, in der Menschen anderer Religion nicht ausgegrenzt oder verfolgt werden; für eine Welt, in der Menschen für ihre Arbeit anständig bezahlt werden. Diese 20 Märtyrer haben dies aus ihrem Glauben heraus getan, im Gottvertrauen darauf, dass die Welt sich ändern kann, zum Guten. Im Vertrauen, dass Gott sie stärkt und mitgeht.
Solche Menschen können Vorbilder sein, weil sie vorleben, dass der Einsatz für eine friedlichere Welt wichtig ist. Weil sie auch vorleben: Angst und Sorge sind nicht die richtigen Wegbegleiter, wenn es darum geht, neue Wege zu gehen und ausgetretene, die nirgends mehr hinführen, zu verlassen.
Das 11. Kapitel des Hebräerbriefes rahmt diese Wolke der Zeugen ein. Es beginnt: Es ist aber der Glaube eine feste Zuversicht auf das, was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht. Ich finde, das klingt wie eine Grundformel des Glaubens. An Abraham wird es deutlich in unserem Predigttext. Er hat sich aufgemacht, wurde ein Fremdling und wohnte in Zelten mit Isaak und Jakob. Durch den Glauben, also zuversichtlich und vertrauend, hat er sich aufgemacht.
Und wohnte in Zelten..... Abraham war ein Nomade, einer, der tatsächlich in Zelten wohnte. Ich meine, wir können dies heute auch übertragen verstehen: Ich brauche keine festen Mauern um mich herum aufbauen, ich muss kein unerschütterliches Fundament unter mir haben, damit ich leben kann. Mein Glaube muss auch nicht so stark und massiv sein wie ein festes Haus. Ein Zelt reicht.
Ein solches Zelt will der Glaube sein. Eine Hoffnung und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht. Ein solches Glaubenszelt reicht, im Vertrauen auf Gott die Wege zu gehen, die noch unbekannt sind, hinter denen wir aber am Horizont die Verheißung ahnen können.
Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Verfasserin: Pfarrerin Dr. Anke Spory
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