Gott lässt mich nicht
von Bernhard Zeller (Braunsbreda)
Predigtdatum
:
04.03.2007
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
Invokavit
Textstelle
:
Johannes 8,(21-26a).26b-30
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Wochenspruch:
Gott erweist seine Liebe zu uns darin, dass Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren.
(Römer 5, 8)
Psalm: 10, 4.11 – 14.17 – 18 oder Psalm 34 (EG 718)
Lesungen
Altes Testament:
Jesaja 5, 1 – 7
Epistel:
Römer 5, 1 – 5 (6 – 11)
Evangelium:
Markus 12, 1 - 12
Liedvorschläge
Eingangslied:
EG 545
Wir gehen hinauf nach Jerusalem
Wochenlied:
EG 366
Wenn wir in höchsten Nöten sein
Predigtlied:
EG 32679
Sei Lob und Ehr dem höchsten Gut
Schlusslied:
EG 66, 6 + 9
Jesus ist kommen, ein Opfer für Sünden
Vorbemerkung:
Der Predigttext ist schwer verdaulich! In seiner ganzen Länge vorgelesen, erzeugt er beim Hörer das bekannte diffuse Wortrauschen: Weil die Gedanken nicht Schritt halten können, weil der Zusammenhang und die Botschaft auf Anhieb nicht zu erfassen sind, bleiben nur einige Worte und Gedankensplitter hängen. Darum habe ich mich entschieden:
1. der Verlesung des Predigttextes eine (hoffentlich) aufschlussreiche/aufschließende Hinführung voranzustellen
2. mich für die Predigt auf die Verse 23-28 zu beschränken und auch nur diese Verse vorzulesen
3. den Text im Verlaufe der Predigt häppchenweise noch ein zweites Mal - wenn auch nicht vollständig- zu lesen.
Liebe Gemeinde!
Es ist noch gar nicht so lange her, da waren die Bilder in den Familienalben und in den Zeitungen schwarz-weiß. Heutzutage sind die Fotos bunt. Das versetzt niemanden mehr in Erstaunen. Farbfotos sind technisch ausgereift und für jedermann erschwinglich und darum längst Standard. Erstaunlich ist nun aber, dass trotz des technischen Fortschritts die Schwarz-Weiß-Fotografie keineswegs tot ist. Im Gegenteil: Nicht nur Künstler, auch viele Hobby-Fotografen schwören auf Schwarz-Weiß! Schwarz-Weiß-Fotos verfremden und reduzieren. Aber gerade dadurch lehren sie uns, besser und schärfer zu sehen: Kontraste werden verstärkt, Linien treten hervor, Strukturen werden erkennbar. Und darum ist die Schwarz-Weiß-Fotografie bis heute lebendig. Trotz aller bunten Bilder. Manchmal sieht man das Wichtige eben erst, wenn man den Kontrast erhöht und die Buntheit des Lebens vorübergehend ausblendet.
Und genau das scheint auch das Rezept des Johannes zu sein, dem 4. Evangelisten in unserer Bibel. Wenn der Evangelist Johannes von Jesus erzählt, dann wirkt das zunächst oft künstlich und unwirklich. Konflikte werden zugespitzt, Gespräche ziehen sich in die Länge, Gesprächspartner werden typisiert. Johannes erzählt keine Geschichten, die das Leben schrieb. Johannes konstruiert kunstvolle Szenen, die das Bewusstsein verändern und zur Entscheidung aufrufen sollen. Und damit gleicht er einem Künstler, der sich der Schwarz-Weiß-Fotografie bedient.
Der Evangelist Johannes als Schwarz-Weiß-Fotograf mit Botschaft - vielleicht ist das eine Vorstellung, die uns helfen kann, einen Zugang zu dem nicht eben zugänglichen Predigttext des heutigen Sonntags zu finden. Es ist ein Ausschnitt aus einem längeren Gespräch, das Jesus im Tempel zu Jerusalem geführt hat:
23 Und Jesus sprach zu ihnen: Ihr seid von unten her, ich bin von oben her; ihr seid von dieser Welt, ich bin nicht von dieser Welt. 24 Darum habe ich euch gesagt, dass ihr sterben werdet in euren Sünden; denn wenn ihr nicht glaubt, dass ich es bin, werdet ihr sterben in euren Sünden. 25 Da fragten sie ihn: Wer bist du denn? Und Jesus sprach zu ihnen: Zuerst das, was ich euch auch sage. 26 Ich habe viel von euch zu reden und zu richten. Aber der mich gesandt hat, ist wahrhaftig, und was ich von ihm gehört habe, das rede ich zu der Welt. 27 Sie verstanden aber nicht, dass er zu ihnen vom Vater sprach. 28 Da sprach Jesus zu ihnen: Wenn ihr den Menschensohn erhöhen werdet, dann werdet ihr erkennen, dass ich es bin und nichts von mir selber tue, sondern, wie mich der Vater gelehrt hat, so rede ich.
Sie haben es gemerkt, liebe Gemeinde: Was wir gehört haben, ist nur schwer vorstellbar als ein wirkliches Gespräch, als lebendige Szene aus dem Leben Jesu. Johannes will keine Jesus-Biografie schreiben, schon gar keine netten Anekdoten überliefern. Johannes schreibt ein Buch, das zum Glauben und Verstehen herausfordert. Da muss man sich schon ziemlich konzentrieren. Da muss man vor allem bereit sein, sich herausfordern und provozieren zu lassen. Versuchen wir’s! Drei kunstvolle Schwarz-Weiß-Bilder stellt der Evangelist Johannes seinen damaligen Lesern und uns vor Augen:
1. „Und Jesus sprach zu ihnen: Ihr seid von unten her, ich bin von oben her; ihr seid von dieser Welt, ich bin nicht von dieser Welt. Darum habe ich euch gesagt, dass ihr sterben werdet in euren Sünden; denn wenn ihr nicht glaubt, dass ich es bin, werdet ihr sterben in euren Sünden.“ Unerhört, liebe Gemeinde! Gleich das erste Bild enthält eine handfeste Beleidigung. Es zeigt die Menschen nämlich als Erdmännchen und Erdweibchen! Sie stammen von unten, von der Erde ab. Sie sind aus vergänglichem Material gemacht. Und auch ihr Verhalten weist erdhafte, dunkle Züge auf: Wir sehen die Erdmännchen, wie sie sich das Leben schwer machen, wie sie einander beneiden, betrügen und übers Ohr hauen. Wir sehen die Erdmännchen, die einfach keinen Frieden halten können und denen es noch nicht einmal gelingt, wenigstens das Essen so zu verteilen, das alle davon haben. Wir sehen, wie die Erdmännchen Besitz aufhäufen ohne zu verstehen, wie vergänglich und eitel das ist.
Jesus sagt: Ihr seid von unten, und ihr werdet in Euren Sünden sterben. Und Johannes zeigt uns damit ein provozierendes Schwarz-Weiß-Bild. Könnten wir dieses Kunstbild in ein Farbfoto verwandeln, so bekämen wir auch andere Nuancen zu sehen: Natürlich - es gibt auch Liebe unter den Menschen, es gibt Versöhnung, Aufopferung, Heldentum. Aber Johannes will, dass wir uns damit nicht beruhigen. Wir sollen nicht sagen: So schlimm ist das doch alles gar nicht mit uns Menschen. Wir sollen erkennen: Alles in allem bleiben wir Erdmännchen und Erdweibchen! Unser Verhalten weist Fehler und Schwächen auf. Unsere Erkenntnis ist begrenzt. Und vor allem: Wir sind vergänglich - von Erde genommen, zu Erde werdend.
2. Verfolgen wir das Gespräch weiter. Jesus hatte gesagt: Ihr seid von unten her, ich aber bin von oben her. Es gibt also neben dem „unten“ mit den Erdmännchen und den Erdweibchen auch noch ein „oben“. Und genau das scheint nun die Zuhörer zu interessieren. Sie fragen: Wenn du von oben her bist, wer bist du dann? Jesus antwortet, indem er von seiner Herkunft redet: Der mich gesandt hat, ist wahrhaftig. Damit stellt Johannes das neue Schwarz-Weiß-Bild auf: Die Erdmännchen, die sind nach wie vor darauf zu sehen. Über ihnen aber wölbt sich ein lichter Horizont. Es gibt einen Ort der Wahrhaftigkeit! Es gibt einen Ort, an dem Vergänglichkeit kein Thema ist! Dort herrscht Klarheit und Freude, Licht und Ewigkeit. Dieses Licht aber und die Wahrheit begegnen in Jesus!
Liebe Gemeinde! Für die Gesprächspartner Jesu ist selbstverständlich, dass es einen Ort der Wahrhaftigkeit und des Lichtes gibt. Als fromme Juden glauben sie ja fest an Gott, den Schöpfer des Himmels und der Erden. Johannes würde also offene Türen bei ihnen einrennen mit seinem Bild, welches über der Erde den lichten Horizont der Ewigkeit zeigt. Aber es gibt eine Schwelle, die die Gesprächspartner noch nicht überschreiten können. Sie können nicht verstehen, dass Gottes Wahrhaftigkeit für sie ja zum Greifen nahe ist! Es ist möglich, die Ewigkeit zu berühren, sich von ihr an die Hand nehmen zu lassen und so der Vergänglichkeit zu entrinnen. Jesus ist die Leiter in den Himmel! Und der steht direkt vor ihnen! Aber das können die Gesprächspartner nicht glauben. Und darum muss Johannes feststellen: Sie verstanden nicht, dass er zu ihnen vom Vater sprach.
Das zweite Bild des Johannes zeigt uns Menschen als Erdmännchen, überwölbt von Gottes Himmel der Wahrhaftigkeit und Ewigkeit. Und es zeigt Jesus, die Leiter in den Himmel!
Vielleicht ist es ja so, dass auch wir gerade mit diesem zweiten Bild so unsere Probleme haben. Natürlich fühlen wir uns als Christen. Wir kennen viele Jesusgeschichten. Wir sprechen das Glaubensbekenntnis mit. Aber ist das eine Erkenntnis, die uns im Innersten bewegt? Flüchten wir uns zu Jesus, wenn es uns schlecht geht? Lassen wir uns von Jesus trösten, wenn wir Angst haben? Suchen wir Rat bei ihm, ehe wir unsere Entscheidungen treffen? So müsste es doch sein, wenn es für uns nur die eine Himmelsleiter Jesus gäbe! Unser wirkliches Leben mag oft genug anders aussehen: Wenn es uns schlecht geht, flüchten wir in Vergnügungen. Wenn wir Angst haben, greifen wir nach handfesten, irdischen Halteseilen. Unsere Entscheidungen treffen wir auch gerne schon mal nach eigenem Gutdünken. Und aus all dem lugt ein grundsätzliches Misstrauen hervor: Wer weiß, ob wir diesem Jesus wirklich trauen können!
So ist es gut, dass Jesus noch weiterredet, zu seinen Gesprächspartnern und zu uns.
3. Folgen wir dem Gesprächsgang: Da sprach Jesus zu ihnen: Wenn ihr den Menschensohn erhöhen werdet, dann werdet ihr erkennen, dass ich es bin und nichts von mir selber tue, sondern, wie mich der Vater gelehrt hat, so rede ich. Liebe Gemeinde! Johannes weiß um unser Misstrauen. Er weiß, dass es nicht einfach ist, Jesus bedingungslos zu vertrauen.
Darum legt er uns noch ein drittes Bild vor Augen: einen Ausschnitt, der das Wichtigste in Vergrößerung zeigt! Ein Symbol, das uns das Erkennen möglich macht! Auf dem dritten Bild ist das Kreuz zu sehen. Johannes lässt Jesus von „Erhöhung“ reden. Und das ist mehr, als eine rätselhafte Umschreibung des Kreuzes. Johannes bietet eine Deutung an, damit wir verstehen und glauben können: Karfreitag wird Jesus am Kreuz erhöht. Wir haben das Bild dieser furchtbaren Folterszene vor Augen: Jesus - hoch oben am Kreuz, gequält, gedemütigt, für alle zum Spott geworden. Was in unseren Augen als tiefste Erniedrigung erscheint, ist in Wahrheit Erhöhung. Es ist der Weg, der in die Höhe führt, zu Gott und in die Ewigkeit. Und es ist der einzige Weg, der einzige, den es gibt!
Johannes mutet hier unserem Glauben und Verstehen einiges zu: Verstehen sollen wir, dass der Weg in den Himmel kein Triumphmarsch ist. Keine bequeme und großzügige Freitreppe, die geradewegs zum Herrgott hinauf führt. Wenn wir Erdmännchen und Erdweibchen hoch hinaus wollen, dann müssen wir zum Abstieg bereit sein! Jesus hat das vorgemacht: Er war nicht der prominente Wunderdoktor mit dicker Villa in Kapernaum, zu dem die Kranken nur nach Voranmeldung kommen konnten. Auch nicht der gefeierte Rebellenführer, der die römischen Besatzer in hohem Bogen aus dem Land beförderte. Jesus hat vielmehr die Freundlichkeit Gottes scheffelweise und bedingungslos unter den Menschen verteilt, hat geheilt und geholfen, getröstet und neugierig gemacht. Und Jesus hat auch dann nicht damit aufgehört, als die Sache brenzlig wurde. Als er den Mächtigen in die Quere kam, hören wir von ihm kein: „War doch nicht so gemeint, Leute!“ Jesus blieb treu, sich selbst, den Menschen und Gott. Und uns hat er so den Weg gewiesen, der nach oben führt.
Liebe Gemeinde! Der Weg, der nach oben führt, ist der Weg Jesu. Kein leichter Weg, wie wir ahnen, sondern unter Umständen ein Weg mit starkem Gefälle. Das ist es, was Johannes uns zu verstehen geben will. Vor allem aber will Johannes unseren Glauben wecken. Glauben sollen wir, dass wir den Weg Jesu nicht aus eigener Kraft gehen müssen. Jesus ist nicht nur unser Wegweiser nach oben. Jesus ist selbst der Weg. Wenn wir also mit hängenden Schultern da stehen, weil unser Vorrat an Freundlichkeit nicht für einen ganzen Tag gereicht hat, weil wir verletzt haben, wo wir doch heilen sollten, weil wir ungeduldig waren, wo Nachsicht angebracht gewesen wäre, dann sollen und dürfen wir uns an Jesus festkrallen. „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“ - so sagt Jesus (Johannes 14, 6 ). Und er reicht uns mit diesem Wort die Hand, um uns mitsamt unserer Schwächen und Fehler nach oben zu führen.
Liebe Gemeinde! Wir haben den heutigen Predigttext aus dem Johannesevangelium betrachtet, wie man kunstvolle Schwarz-Weiß-Bilder betrachtet. Wir haben uns daran erinnern lassen, dass wir Menschen Erdmännchen und Erdweibchen sind: vergänglich und mit allerlei schlimmen Fehlern behaftet. Wir haben uns von Johannes das Himmelreich Gottes zeigen lassen, das in uns die Sehnsucht weckt nach Frieden und Ewigkeit.
Und wir haben das Kreuz betrachtet, das für uns Wegweiser und Weg in einem ist. Schalten wir nun wieder um auf unser buntes und vielgestaltiges Leben. Und versuchen wir, unser Verstehen und Glauben da mit hinein zu nehmen. Lassen wir uns inspirieren davon, wie Jesus zu Menschen geredet und an ihnen gehandelt hat, wenn wir selber reden und handeln. Vor allem aber: Lassen wir uns von Jesus mitnehmen auf den Weg nach oben. Amen.
Eingangslied:
EG 168,1-3 Du hast uns, Herr, gerufen
Predigtlied:
EG 379 Gott wohnt in einem Lichte
nach der Melodie EG 361 Befiehl du deine Wege
Schlusslied:
EG 168,4-6 Wenn wir jetzt weitergehen….
Pfarrer Bernhard Zeller, Pfarrstraße 07, 06242 Braunsbedra
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Pfarrer Thomas Borchers
Missionarisch-Ökumenischer Dienst
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