Gott rettet
von Gisela Dehlinger (Stuttgart)
Predigtdatum
:
02.02.2014
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
Letzter Sonntag nach Epiphanias
Textstelle
:
1. Mose 8,1-12
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Wochenspruch:
"Kommt her und seht an die Werke Gottes, der so wunderbar ist in seinem Tun an Menschenkindern." (Psalm 66, 5)
Psalm: 107, 1 - 2. 23.32
Lesungen
Altes Testament: Jesaja 51, 9 - 16
Epistel: 2. Korinther 1, 8 - 11
Evangelium: Markus 4, 35 - 41
Liedvorschläge
Eingangslied: EG 445, 1 - 4 Gott des Himmels und der Erde
Wochenlied: EG 346, 1 - 4 Such, wer da will, ein ander Ziel
Predigtlied: EG 200 oder EG 396 oder EG 369 Ich bin getauft auf deinen Namen Jesu, meine Freude Wer nur den lieben Gott lässt walten
Schlusslied: EG 410, 1 – 10 Christus, das Licht der Welt
Hinführung
Der Predigttext ist ein Teil der Sintflutgeschichte (1. Mose 6 – 9). Da diese Perikope nur sehr selten gepredigt wird (zuletzt vor 24 Jahren!), und die Sintfluterzählung auch sonst kaum in den 6 Perikopenreihen vorkommt (der Anfang – 1. Mose 6,5-22 - kommt nur in der Württemberger Reihe vor, ein weiterer Teil – 1. Mose 8, 15 - 22, Noahs Auszug aus der Arche – wurde zuletzt im Herbst 2005 gepredigt, darüber hinaus taucht die Geschichte in den Perikopen nicht auf), scheint es mir wichtig, die Zusammenhänge deutlich zu machen. Meine Predigt greift deshalb auf, was vor der Perikope geschah, und erzählt auch, wie es weiterging.
Bewusst beschränke ich mich auf ein Predigtthema und verzichte deshalb auf andere Themen, wie z. B. den Vergleich mit anderen Sintfluterzählungen aus dem altorientalischen Raum oder die Frage nach unserem Umgang mit der Schöpfung.
Gliederung
Eingeschlossen und ohne Perspektive – die Situation auf der Arche
Gott kann sich ändern
Noah baut auf Gottes Versprechen
Gottes Versprechen gilt auch uns
Ziel
Ermutigung zum Vertrauen auf Gott – gerade in schweren Zeiten
Predigt
(Eingeschlossen und ohne Perspektive – die Situation auf der Arche)
Liebe Gemeinde,
wie sich das wohl angefühlt hat? Seit fünf Monaten sind Noah und die Seinen nun in der Arche eingeschlossen. In den ersten vierzig Tagen und Nächten haben sie noch den Regen gehört, der auf das Dach der Arche trommelt. Sie haben gespürt, wie die Arche emporgehoben wurde und ins Schwimmen kam. Sie konnten sich vorstellen, wie draußen das Wasser stieg, wie nach und nach alles in den Fluten versank. Irgendwann in diesen langen Tagen muss ihnen bewusst geworden sein, dass sie die einzigen Überlebenden dieser Katastrophe sein dürften, dass es außer ihnen nichts und niemand mehr gab.
Inzwischen ist es draußen schon lange still. Kein Regen mehr, auch sonst kein Geräusch, das in die Arche dringt. Drinnen ist es vermutlich umso lauter. Acht Menschen, die auf engstem Raum zusammenleben. Die Eltern, drei Söhne, drei Schwiegertöchter – was macht man da den ganzen Tag? Noch dazu im Dunkeln? Um sie herum die Tiere. Große und kleine, harmlose und gefährliche, aber vor allem: viele auf engem Raum. Umgerechnet war sie wohl etwa 140 m lang, 25 m breit und 14 m hoch, die Arche. Nicht viel Platz, um von allen Tieren ein Paar unterzubringen.
Dunkel, eng, laut – und um sie herum eine Welt, die untergegangen ist. Ein Zurück gibt es nicht mehr. Und eine Zukunft ist nicht in Sicht. Ohne Steuerung, ohne Ziel treibt ihr Schiff auf den uferlosen Wassern. Allen Boden unter den Füßen haben sie verloren. Sie haben zwar überlebt, ja. Aber zu beneiden sind sie nicht, die acht Menschen und die Tiere in der Arche.
Liebe Gemeinde,
es ist wahrlich eine dramatische Geschichte, über die wir heute nachdenken. Eine echte Urgeschichte, die von menschlichen Erfahrungen berichtet, die wir alle kennen, wenn auch zum Glück meist nur im übertragenen Sinn: Man muss nicht gleich eine ganze Sintflut erfahren haben, um zu wissen, wie es ist, wenn eine Welt zusammenbricht. Mitunter reicht ein einziges, leichtfertig dahin gesprochenes Wort, um eine Welt zum Einsturz zu bringen. Eine Krankheit zieht uns den Boden unter den Füßen weg. Zuviel Ansprüche und Erwartungen lassen uns das Wasser bis zum Halse stehen oder uns gar untergehen. Wir sehen nicht mehr hinaus, es wird eng um uns und immer dunkler. Was nun?
Was nun? Das hat sich wahrscheinlich auch Noah gefragt in seiner Arche. Gerettet waren sie zwar, ausgewählt als Einzige, die überleben sollten. Über alle anderen hatte Gott sein Urteil gesprochen. Wie selbstverständlich heißt es zu Beginn der Sintflutgeschichte:
„Als aber der Herr sah, dass der Menschen Bosheit groß war auf Erden und alles Dichten und Trachten ihres Herzens nur böse war immerdar, da reute es ihn, dass er die Menschen gemacht hatte auf Erden, und es bekümmerte ihn in seinem Herzen und er sprach: Ich will die Menschen, die ich geschaffen habe, vertilgen von der Erde, vom Menschen an bis hin zum Vieh und bis zum Gewürm und bis zu den Vögeln unter dem Himmel …
Aber Noah fand Gnade vor dem Herrn“, denn „Noah war ein frommer Mann und ohne Tadel … er wandelte mit Gott.“
Glück gehabt, Noah!
Oder vielleicht doch nicht?
Gerettet waren sie zwar. Doch im Moment, fünf Monate nach dem Einzug in die Arche scheint mir Noah nicht gerade beneidenswert. Gott hat ihn und die Seinen zwar ausgewählt, jetzt aber scheint es fast, als habe er sie und die Tiere, ja die ganze orientierungslose Arche vergessen. So, wie auch wir uns manchmal von Gott vergessen fühlen, nicht mehr gesehen, im Stich gelassen. Gerade dann, wenn es eng und dunkel um uns ist, gerade dann, wenn wir Gott doch am allermeisten bräuchten. Hat Gott uns verlassen?
(Gott kann sich ändern)
Der erste Satz unseres Predigttextes ist wie eine Antwort auf diese Frage: „Da gedachte Gott an Noah und an alles wilde Getier und an alles Vieh, das mit ihm in der Arche war…“. Spontan könnte man denken: „Was für ein Glück, dass die Arche Gott noch rechtzeitig wieder eingefallen ist!“ Doch das hebräische Wort, das wir mit „gedenken“ übersetzen, ist kein spontaner Einfall, der kommt oder auch nicht. Wenn Gott an jemand gedenkt, dann beinhaltet das immer auch sofort, dass er handelt. Und zwar so handelt, dass er eine Situation zum Besseren wendet. Gottes Gedenken markiert einen Wendepunkt in der Geschichte der Eingeschlossenen – auch wenn sie es möglicherweise gar nicht sofort gemerkt haben. Ab jetzt kommt kein neues Wasser nach, ab jetzt beginnen die Wasser zu sinken.
Gottes Gedenken markiert aber auch einen Wendepunkt in seiner eigenen Geschichte. Er, der zuvor in seinem Zorn und in seiner Enttäuschung über die Bosheit der Menschen beschlossen hat, „alles Fleisch“ zu vernichten, er ändert seine Meinung und gibt dem Menschen eine zweite Chance. Obwohl er weiß, dass der Mensch sich nicht geändert hat. Wirklich sichtbar wird das erst einige Verse weiter, als Noah bereits die Arche verlassen und wieder festen Boden unter den Füßen hat. Dann schließt Gott einen Bund mit ihm und verspricht, hinfort nicht mehr die Erde zu verfluchen und nie wieder eine alles vernichtende Sintflut zu schicken. „Ich will hinfort nicht mehr schlagen alles, was da lebt, wie ich getan habe“, heißt es da. „Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.“
Ein Wendepunkt. Nicht nur für uns Menschen, sondern für Gott: Aus dem enttäuschten, verzweifelten Gott, der keine Möglichkeit mehr sieht, als alles, was er geschaffen hat, wieder zu vernichten, ist ein anderer geworden. Es scheint, als habe Gott tatsächlich erkannt, dass seine Vernichtungsstrategie nicht der richtige Weg war. Er entscheidet sich für einen neuen Weg mit seiner Schöpfung und seinen Menschen: er wird vom Zerstörer zum Bewahrer, vom Ver-nichter zum Erhalter.
Nicht mehr strafende Gerechtigkeit soll künftig für sein Verhalten bestimmend sein, sondern Gnade und Barmherzigkeit. Indem Gott verspricht, nie mehr zu zerstören, geht er eine Selbstverpflichtung ein. Seither wissen wir: Gott will, dass wir leben, obwohl er unsere Abgründe kennt. Und er gibt alles, was wir brauchen, um leben zu können. Als Zeichen dafür setzt Gott seinen Bogen in die Wolken, so dass wir immer wieder daran erinnert werden: Gott hat sich mit uns verbunden in einem unverbrüchlichen Bund.
(Noah baut auf Gottes Versprechen)
Noah allerdings weiß davon noch nichts. In Dunkelheit und Enge sitzt er weiterhin mit seiner Familie und den Tieren in der Arche. Von Gottes Gedenken, von seinem Entschluss erfährt er nichts. Auch das Fallen der Wasser, so stelle ich mir vor, war in der Arche nicht zu spüren. Erst als die Arche auf dem Gebirge Ararat strandet, merken die Eingeschlossenen, dass sich etwas tut. Endlich!
Noah aber scheint es gar nicht eilig zu haben. Weitere vierzig Tage, so erzählt unser Predigttext, wartet er tatenlos ab. Während ich – und Sie ja vielleicht auch – nach dieser langen Zeit so schnell wie möglich die Arche verlassen wollte, scheint er alle Zeit der Welt zu haben. Offenbar fühlt er sich nicht eingesperrt, sondern sicher und geborgen. Offenbar erlebt er die Situation nicht als ausweglos und ohne Perspektive, sondern glaubt daran, dass es ein gutes Ende geben wird. Was gibt ihm diese Gewissheit?
Es waren wohl wenige Worte in Gottes Ankündigung der Sintflut, die Noah so gelassen haben werden lassen. Mitten in der Ankündigung der Vernichtung sagt Gott zu ihm: „Aber mit dir will ich meinen Bund aufrichten ….“
Sicher erklärt ihm Gott dann noch genau, was er zu tun hat, wie er die Arche bauen soll, wer mit hineinsoll usw. Aber die Gewissheit Noahs, dass die Zeit der Enge und des Eingeschlossen Seins ein gutes Ende haben wird, die kommt wohl aus diesen wenigen Worten: „Mit dir will ich meinen Bund aufrichten.“ Sie lassen Noah durchhalten, die ganze lange Zeit in der Arche hindurch und auch jetzt noch, während unklar ist, wie es draußen aussieht, was sie erwartet. Selbst als zunächst der Rabe, dann die Taube, die er fliegen lässt, ohne Ergebnis wieder zurückkommen, gibt er nicht auf. Wieder und wieder schickt er einen Vogel hinaus, bis er das Zeichen dafür bekommt, dass draußen wieder Leben möglich ist.
(Gottes Versprechen gilt auch uns)
Mich beeindruckt Noahs Ruhe. Mich beeindruckt sein Vertrauen über Monate der Ungewissheit hinweg. Vielleicht kann ich mich daran erinnern, wenn ich selbst einmal wieder in einer Situation bin, in der ich den Boden unter den Füßen verloren habe, keinen Ausweg mehr sehe, und alles um mich nur noch dunkel erscheint. Denn Gottes Zusage gilt mir, gilt uns genauso wie Noah:
Mit dir will ich meinen Bund aufrichten! Für dich bin ich da, auch wenn du es nicht immer spürst. Mit dir wird es ein gutes Ende haben. Ich, dein Gott, vergesse dich nicht.
Auch heute noch gibt es Zeichen dieses Bundes. Der Regenbogen erinnert uns an Noahs Geschichte mit Gott. Aber auch die Taufe ist Zeichen für Gottes Bund mit uns. In ihr hat Gott sich mit jedem und jeder Einzelnen von uns verbunden. Von Martin Luther wird erzählt, dass er in Zeiten von Anfechtung und Zweifeln mit Kreide vor sich auf den Tisch geschrieben hat: „Ich bin getauft“. So hat er sich an Gottes Treue erinnert:
Gott vergisst uns nicht, ganz gleich wie lang die schwere Zeit geht.
Ich wünsche Ihnen, dass auch Sie das jeden Tag erfahren. Amen.
Fürbittengebet
Du guter Gott,
du willst, dass wir leben.
In allem, was uns widerfährt, lässt du uns nicht allein.
Wir bitten dich für alle Menschen, die verzweifelt sind,
die nicht wissen, wie es weitergehen soll:
schenke du ihnen Hoffnung, zeige du ihnen einen Weg.
Wir bitten dich für alle, die den Boden unter den Füßen verloren haben
und keinen Halt mehr finden:
Nimm du dich ihrer an, lass sie bei dir Halt finden.
Wir bitten dich für alle, die krank sind,
die unter Schmerzen leiden, vielleicht schon lange Zeit:
tröste du sie in ihrer Not und lass sie nicht mutlos werden.
Wir bitten dich für alle Heimatlosen, für die vielen Flüchtlinge auf unserer Welt:
Lass sie einen Ort finden, an dem sie sicher sind
und Menschen, die sich ihrer annehmen.
Guter Gott, dir vertrauen wir uns an, in guten wie in bösen Tagen.
Lass uns deine Nähe spüren, geleite uns durch die Stürme unseres Lebens,
sei du unser Halt, unsere Hoffnung und unser Ziel. Amen.
G.D.
Verfasserin: Pfarrerin Gisela Dehlinger
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