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Gott rettet

von Elisabeth Wedding (07745 Jena)

Predigtdatum : 30.01.2022
Lesereihe : IV
Predigttag im Kirchenjahr : Letzter Sonntag nach Epiphanias
Textstelle : 2. Mose 34,29-35
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Wochenspruch: Über dir geht auf der HERR, und seine Herrlichkeit erscheint über dir. (Jesaja 60,2)

Psalm: 97

Lesungen

Reihe I: 2. Mose 3,1-8a(8b.9)10(11-12)13-14(15)
Reihe II: Offenbarung 1,9-18
Reihe III: 2. Petrus 1,16-19(20-21)
Reihe IV: 2. Mose 34,29-35
Reihe V: Matthäus 17,1-9
Reihe VI: 2. Korinther 4,6-10

Liedvorschläge

Eingangslied: EG 69,1.3.4 Der Morgenstern ist aufgedrungen
Wochenlied: EG 450,1-3 Morgenglanz der Ewigkeit
Predigtlied: EG 73,1.5.6 Auf, Seele, auf und säume nicht
Schlusslied: EG 268 Strahlen brechen viele

Predigttext: 2. Mose 34,29-35

Als Mose vom Berg Sinai herabstieg, hatte er die zwei Tafeln mit den Geboten in der Hand. Von seinem Gesicht gingen Strahlen aus, weil er mit Gott geredet hatte. Das wusste Mose aber nicht. Doch Aaron und die Israeliten sahen es. Sie fürchteten sich, in seine Nähe zu kommen. Aber Mose rief sie herbei. Aaron und die Männer, die der Gemeinde vorstanden, wandten sich Mose wieder zu, und er redete zu ihnen. Später kamen auch alle Israeliten herbei. Mose gebot ihnen alles, was der Herr ihm auf dem Berg Sinai gesagt hatte. Sobald Mose nicht mehr mit ihnen redete, legte er eine Priestermaske vor sein Gesicht. Immer wenn Mose in das Zelt ging, um mit dem Herrn zu reden, legte er die Maske ab. Wenn er herauskam, verkündete er den Israeliten, was Gott geboten hatte. Wenn die Israeliten die Strahlen sahen, die vom Gesicht des Mose ausgingen, legte er die Maske vor sein Gesicht. Wenn er in das Zelt ging, um mit Gott zu reden, legte er sie wieder ab.

(Basis Bibel)

Predigt

Er strahlt.
Leuchtet über das ganze Gesicht. Nicht nur dort.
Irgendwie von innen.
Kein Mensch weiß, warum. Am allerwenigsten er selbst.

Er strahlt einfach. Es leuchtet aus ihm heraus.
Seit ein paar Tagen schon.
Seit er diese Stunden da auf dem Berg hatte, ganz für sich, ganz alleine.
Er ist losgegangen. Einfach so. Es hat ihn hingezogen.
Und er wusste: Ich muss los. Das Leben ruft mich.
So hat er sich auf den Weg gemacht.
Es braucht keine großen Erklärungen, wenn etwas so klar ist. Dann geht man. Dann geht es.
Der Weg war heiß und steil, er hatte Zeit.
War froh, so ganz für sich zu sein.

Jetzt zieht es ihn wieder auf den Berg.
Schon mehrfach war er dort gewesen. Der Berg, den alle seine Vorfahren heilighielten. Der oft von einer Wolke verdeckt war. Auf den man nicht einfach so, ohne Grund, ging.
Der Berg, auf dem etwas anders ist.
Und etwas in ihm anders wird.

Der Berg, auf dem sich Himmel und Erde ganz nahe kommen.
Auf dem das Leben in ein anderes Licht gerückt wird.
Ver-rückt wird.
Auf dem sich vieles klärt und sortiert.
Der Berg der Klarheit, so nennt er ihn in seinem Herzen.
Hier findet er, was er braucht, ohne es gesucht zu haben. Ohne es gewusst zu haben.
Klare Worte, klare Wege, klare Perspektiven vor Augen.

Verklärung, so nennen es andere.
Er nicht. Verklärt wird hier nichts. Sondern klarer. Schärfer, deutlicher. Nicht immer lässt sich das festhalten oder ausdrücken oder gar benennen.
Aber hier oben sortiert sich das Leben ganz deutlich.
Hier oben sind andere Kräfte am Werk.
Hier oben begegnet er den Kräften des Himmels. Den Allmächtigen.

Hier oben findet er sie – die Regeln für seine Familie, seinen ganzen Stamm. Die Worte, die das Leben ordnen und sinnvoll machen.
In zehn Sätzen stehen sie ihm deutlich vor Augen.

Er braucht sie noch einmal.
Zu viel Klartext auf einmal war seiner Sippe zu viel.
War nicht verständlich und nicht erträglich.
Dafür waren sie noch nicht bereit.
Aber er - er weiß, dass es das Richtige ist. Dass es der Weg ist, den sie miteinander gehen müssen, wenn sie überleben wollen.

Deshalb ist er jetzt auf dem Weg. Auf den Berg.
Er braucht die deutlichen Worte noch einmal.
Schwarz auf Weiß. Wort für Wort in Stein gemeißelt.

Und er betet und ruft sie an, die lebendige Klarheit:
„Wenn wir bei dir Gnade gefunden haben, so zieh mit uns.“ (Ex 34, 9)

So sind sie miteinander ins Gespräch vertieft,
der Mann und die Klarheit, die so großartig, so ganz andersartig ist als er.
Die Kräfte des Himmels und der Erde verbinden die beiden.

Sie geben ihm eine neue Chance,
neue Worte, neue Wege – für ihn und die Seinen und alle,
Er findet neue Regeln, haut sie in Stein, damit sie nicht vergehen oder von den Launen verweht werden.
Er bringt sie seiner Sippe, die am Fuße des Berges wartet.
Und er strahlt.

Es ist ein Segen. Alles ist gut.
Er strahlt und leuchtet.

Nicht allen ist das geheuer. Zu lange war er unterwegs.
Unheimlich wird es, wenn einer so weit weg war und so erleuchtet wirkt.
Der ist schwer zu fassen,
nicht mehr ganz der Alte,
scheint unberechenbarer, weiter weg.

Das ist erstmal nicht geheuer.
Das verunsichert.
Zu viel Glanz blendet. Großartigkeit kann die blind machen, die strahlen. Und die, die es sehen und aushalten sollen.
Er merkt es, auch wenn er nicht weiß, warum.
Aber die Klarheit hat ihn verändert.
Macht seine Konturen schärfer,
gibt seinen Worten mehr Gewicht,
lässt ihn anders auftreten.

Sie weichen zurück, nehmen Abstand.
Sind irritiert von seiner Ausstrahlung.
Wie kann nur so viel Glanz auf einmal sein?

Dabei ist er so erfüllt, so stimmig sind die Worte,
die neuen Wege, die Schritte ins Leben.
So viel Neuland wartet auf sie,
und der Himmel geht mit ihnen.
Ist er zu hell? Zu viel? Zu groß?

Das Leben lässt sich nicht verkleinern, in Häppchen verteilen, um verdaulicher zu werden.
Das Leben kommt und geht, in aller Fülle.
Großartig, gewaltig und gewichtig.
Es braucht klare Worte.
Die will und kann er nicht verbergen.
Aber wenn sein Leuchten davon ablenkt, dann will er es zurückhalten.
Damit sie gemeinsam weitergehen können.
Dann wird er ab sofort eine Maske anlegen, damit sein Strahlen für alle auszuhalten ist.

Aber immer wieder geht er zurück,
in die lebendige Klarheit.
Er findet sie auf dem Berg, und er findet sie in dem Zelt, in dem die Steintafeln mit den Worten in Klartext aufbewahrt werden.
Dort ist er mit den Kräften des Himmels und der Erde verbunden.
Dort braucht es keine Maske,
braucht er sich nicht zu bedecken.
Im Gegenteil: Hier kann er leuchten,
hier bekommt sein Strahlen neue Kraft,
hier ist er bei sich und seiner Bestimmung.

So gewöhnt er sich an die Maske, und sie alle gewöhnen sich an seine Maske, wenn er vom Leben, von der Klarheit redet.
Die Maske wird ein Teil seines Auftrags, ein Teil seines Lebens. Sie stört nicht mehr.
Sie hilft, dass keiner geblendet wird, keiner erschlagen wird von zu viel Licht.
Dass Himmel und Erde sich weiter berühren können.
Bis heute.

Denn schweigen kann und will er nicht.
Zu groß und zu kostbar ist das, was er für das Leben entdeckt hat.
Zu schön und zu wertvoll, um versteckt zu werden oder es für sich zu behalten.
Die lebendige Klarheit – sie gehört allen. Sie will zu den Menschen. Sie muss in seine Sippe. Zu seinen Lieben.
Denn sie räumt auf mit dem Nebel, dem Verschwommenen.
Eröffnet Spielräume, gibt Geländer.
Und bringt Menschen zum Strahlen.

Marie ist so eine von ihnen.
Marie könnte unter uns sitzen. Hier, neben Dir.
Marie strahlt.
Ein Leuchten geht von ihrem kleinen Gesicht aus.
Seit sie im Krippenspiel den Engel spielen durfte, wirkt sie so anders. Heller. Zart und bestimmt zugleich.
Sie traute sich erst nicht; so viele andere wollten doch auch gerne der Engel sein.
Aber dann war es auf einmal ganz einfach. Ganz klar.
Und wie sie da auf der Empore steht und von oben auf die vielen Menschen sieht und ihren Text laut und deutlich sprechen soll, da weiß sie es in ihrem Herzen: Hier ist gut sein.
Hier sind Himmel und Erde ganz nahe.
Und es sagt sich ganz leicht – und ganz klar:
Fürchtet euch nicht!
Denn der Himmel ist offen. Hier wirken die Kräfte, die größer sind als wir alle. Die Anfang und Ende verbinden, Zeit und Ewigkeit, alles Ungereimte und alles Glück.
Die Klarheit zieht mit uns.

Marie strahlt.
Das färbt ab. Lässt andere strahlen. Uns auch. Weit über Weihnachten hinaus. Leuchtet immer noch. Wenn man genau hinsieht.

Fürchte dich nicht! Vor dem Leben in Fülle.
Vor dem Kind in der Krippe.
Es strahlt auf seine Art.
Lädt zu sich ein:
Komm, fürchte dich nicht.
Friede ist mit uns.
Schau, was es zu entdecken gibt.
Mal zart und vorsichtig, mal laut und deutlich.
Und wenn man es findet, kann es sein, dass man zu strahlen beginnt.
Kein Mensch weiß, warum. 

Leuchtet es noch, das Licht aus der Krippe?
Der Morgenstern?
Hier im Raum hängen wir ihn heute ab. Er hatte seine Zeit.
Strahlen hat seine Zeit - und Dunkel hat seine Zeit.
Die Klarheit sehen hat seine Zeit - und die Klarheit suchen hat seine Zeit.
Die Herrlichkeit des Himmels hat ihre Zeit – und die Maske hat ihre Zeit.

Marie ahnt das.
Sie geht morgen früh wieder in die Schule. Wie immer auf den letzten Drücker.
Heute hat sie das Jesuskind vorsichtig in die Kiste zurückgeräumt. In den alten Stoff gehüllt. Damit es gut geschützt ist auf dem Dachboden.
Marie legt die Eselfigur direkt daneben.
Vielleicht beginnt der Esel dann auch zu strahlen?
Aber davon erzählt Marie keinem etwas.
Zu viel ist zu viel.
Sie lächelt. Amen.

Verfasserin: Pfarrerin Elisabeth Wedding, Scheidlerstr. 5, 07745 Jena


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