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Gott und sein Volk

von Wolfdietrich Rasp (Pirmasens)

Predigtdatum : 16.08.2020
Lesereihe : II
Predigttag im Kirchenjahr : 10. Sonntag nach Trinitatis - Israelsonntag: Kirche und Israel
Textstelle : Römer 11,25-32
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Wochenspruch: Wohl dem Volk, dessen Gott der Herr ist, dem Volk, das er zum Erbe erwählt hat! (Psalm 33,12)

Psalm: 122

Predigtreihen

Reihe I: Markus 12,28-34
Reihe II: Römer 11,25-32
Reihe III: 2. Mose 19,1-6
Reihe IV: Matthäus 5,17-20
Reihe V: 5. Mose 4,5-20
Reihe VI: Sacharja 8,20-23

Liedvorschläge

Eingangslied: EG+ 35 Kommt herbei, singt dem Herrn
Wochenlied: EG 429 Meine engen Grenzen
Predigtlied: EG 613 Freunde, dass der Mandelzweig
Schlusslied: EG+ 127 Schenk uns Weisheit

Predigttext Römer 11,25-32

Ganz Israel wird gerettet werden

25 Ich will euch, Brüder und Schwestern, dieses Geheimnis nicht verhehlen, damit ihr euch nicht selbst für klug haltet: Verstockung ist einem Teil Israels widerfahren, bis die volle Zahl der Heiden hinzugekommen ist.
26 Und so wird ganz Israel gerettet werden, wie geschrieben steht (Jesaja 59,20; Jeremia 31,33): »Es wird kommen aus Zion der Erlöser; der wird abwenden alle Gottlosigkeit von Jakob.
27 Und dies ist mein Bund mit ihnen, wenn ich ihre Sünden wegnehmen werde.«

28 Nach dem Evangelium sind sie zwar Feinde um euretwillen; aber nach der Erwählung sind sie Geliebte um der Väter willen.
29 Denn Gottes Gaben und Berufung können ihn nicht gereuen.
30 Denn wie ihr einst Gott ungehorsam gewesen seid, nun aber Barmherzigkeit erlangt habt wegen ihres Ungehorsams,
31 so sind auch jene jetzt ungehorsam geworden wegen der Barmherzigkeit, die euch widerfahren ist, damit auch sie jetzt Barmherzigkeit erlangen.

32 Denn Gott hat alle eingeschlossen in den Ungehorsam, damit er sich aller erbarme.

[Lesen: Brief an die Gemeinde in Rom 11,25-32]

Liebe Geschwister in Christus,

Tag für Tag – sagt die Statistik. Antisemitische Übergriffe tag-täglich. In Deutschland im Jahr 2020. Im 75. Jahr nach dem Ende der NS-Herrschaft. Dem Ende der Vernichtung von Menschen jüdischen Glaubens – und ganz vieler anderer. Im Mai jährte sich das Kriegsende in Mitteleuropa zum 75. Mal. In diesen Tagen das Ende des Krieges im Pazifik. 

Wieder greifen Menschen andere Menschen an mit Worten. Mit Propaganda. Mit Waffen. Mit Spucke und Fäusten. Weil sie Ivrit – Neuhebräisch – sprechen. Eine Kippa tragen. In die Synagoge gehen. Vermeintlich jüdisch aussehen – was immer das auch sein mag.
Die wenigen Menschen jüdischen Glaubens, die wieder in unserem Land leben, sie leben in Angst und Unsicherheit. Fürchten um ihr Leben
Tag für Tag.

Dabei wissen einige Wenige sicherlich nicht, was sie tun. Viele andere aber – die Meisten – sie wissen genau, was sie da tun. Schlagen auf Menschen ein, die anders sind. Anders glauben. Anders leben. Anders beten. Für die Täter sind es klare Feindbilder. Althergebracht. Die auch ihre Väter schon hatten. Und deren Väter. Oft haben sie diese eingepflanzt bekommen. Von Kindesbeinen an. Durch antisemitische Vorurteile und Sprüche, die die Großeltern sagten. Und die Eltern nachspra-chen. Die in ihnen einen Hass wachsen ließen – ohne erkennbaren Anlass.
Tag für Tag.

Und dann hören sie vielleicht, dass auch Christinnen und Christen wieder sagen, das Alte Testament sei doch überflüssig. Dass wir das als Christen gar nicht bräuchten. Vielleicht hören sie das noch. Und vielleicht sogar den Widerspruch. 

Dabei, liebe Mitchristinnen und Mitchristen, haben wir allen Grund, solchen Umtrieben, wo wir ihnen begegnen, zu wider-stehen. Zu widersprechen. Uns entgegenzustellen. Uns zu positionieren. Klar und eindeutig. Ohne Wenn und Aber. Gerade in diesen Tagen, in denen die Gräuel 75 Jahre her sind. Und immer Weniger leben, die uns Nachgeborenen davon berichten können. Da gilt es schon, Medien wahr zu neh-men. Berichte. Dokumentationen. Und Urkunden. Erinne-rungskultur aufzubauen – auch hier vor Ort.

[An dieser Stelle eventuell eigene Beispiele: Stolpersteine // Gedenkprojekt aus der Gemeinde/Kommune/Region.]

Das geschieht – Gott sei Dank an vielen Plätzen. So wurde Ende 2019 der 75.000 Stolperstein verlegt. Ein Tropfen der Erinnerung im Meer des Vergessens. Immerhin: ein Tropfen.

Tag für Tag begegnet uns Hoffnung – Menschen, die erinnern. Und sich erinnern lassen. Dabei in den Blick nehmen, was uns verbindet. Was gemeinsame Grundlage im Glauben ist.

So lese ich noch einmal den Abschnitt, den Paulus an die Christinnen und Christen in Rom schreibt – in einer neuen Übersetzung: [z. B. Basisbibel]

25 Brüder und Schwestern, ich will euch über folgendes Geheimnis nicht in Unkenntnis lassen. Denn ihr sollt euch nicht selbst einen Reim auf die Sache machen: Tatsächlich hat Gott dafür gesorgt, dass sich ein Teil von Israel vor ihm verschließt. Das soll aber nur so lange dauern, bis alle heid-nischen Völker sich ihm zugewandt haben.
26 Und auf diese Weise wird schließlich ganz Israel gerettet werden. In der Heiligen Schrift heißt es ja auch:»Vom Zion her wird der Retter kommen und alle Gottlosigkeit von Jakob nehmen.
27 Das ist der Bund, den ich, der Herr, mit ihnen geschlossen habe. Er wird erfüllt, wenn ich ihre Schuld von ihnen nehme.«
28 Betrachtet man es von der Guten Nachricht her, dann sind sie Gottes Feinde geworden. Und das kommt euch zugute. Betrachtet man es aber von daher, dass Gott sie erwählt hat,
dann bleiben sie von Gott geliebt. Es waren ja ihre Vorfahren, die er einst erwählt hat.
29 Denn was Gott aus Gnade geschenkt hat, das nimmt er nicht zurück. Und wen er einmal berufen hat, der bleibt es.
30 Früher habt ihr Heiden Gott nicht gehorcht. Aber weil die Juden ungehorsam waren, hat Gott jetzt euch sein Erbarmen geschenkt.
31 Und genauso gehorchen sie jetzt Gott nicht, weil er euch sein Erbarmen geschenkt hat. Und dadurch werden künftig auch sie sein Erbarmen finden.
32 Denn Gott hat alle im Ungehorsam vereint, weil er allen sein Erbarmen schenken will.

Klar, liebe Mitchristinnen und Mitchristen, Paulus konstatiert ganz deutlich, dass im Augenblick Menschen aus dem jüdischen Glauben und Menschen aus dem christlichen Glauben einen je eigenen Zugang zu Gott haben. Den Letztere, den Christinnen und Christen aber nur haben, weil sie aus Gottes ersterwähltem Volk den Messias noch erwarten. Dabei erwählt bleiben. Berufen. Gottes Kinder sind. 

Wir, liebe Gemeinde, waren Heiden. Gojim. Völker. Sind Nachfahren von Menschen, die ganz ursprünglich den Gott Abrahams und Sarahs, Isaaks und Rebeccas, Jakobs und Lea/Rahels nicht kannten. Die andere Gottheiten anbeteten. Und erst später dazukamen. Durch Jesus Christus. Den Juden. Der Gott nahe war. Der Gott lebte. Der die Schranken durchbrach zu den Völkern hin. Durch den uns der Zugang zum Gott Israels eröffnet wurde. 

Tag für Tag dürfen wir uns daran erinnern lassen. Wir sind Hinzugekommene. Hineingenommene. Eigentlich, so wurde einmal gesagt: eine zu groß geratene Gruppierung aus den vielen Gruppen des Judentums zur Zeit des Königs Herodes, des Zweiten Tempels.

Und die Gott zuerst berufen hat, denen er in der Hebräischen Bibel seine Nähe verheißen hat – sie bleiben Gott nahe. Blei-ben Erwählte. Berufene. Gehören zu Gott. Auch wenn ihnen in der Geschichte Schreckliches widerfahren ist – den Holocaust möchte ich stellvertretend benennen als absoluten Tiefpunkt des Antisemitismus. Untilgbar. Unauslöschlich. Gott bleibt ihnen nahe. Wird sie am Ende der Zeit retten. Gott sei Dank. Halleluja!

Auch uns wird Gott retten. Am Ende unserer Zeit. Das hat er in ihm verheißen. In ihm, an den wir als seinen Sohn glauben. Der uns aus den Völkern diesen Gott nahe brachte. Und all seine Verheißungen: Jesus von Nazareth, an den wir als Messias, als Christus, als den Gesalbten Gottes, seinen Sohn glauben.
Tag für Tag dürfen wir das mitnehmen. In den Alltag, in dem uns immer wieder Vorurteile begegnen. Dumme Sprüche. Ausgrenzung. Hintenansetzung von Menschen, die jüdischen Glaubens sind. Und Kippa tragen. Da dürfen wir mit Gottes Unterstützung eingreifen. Stellung beziehen. Mutig sein. Couragiert auftreten. Und dankbar, dass wir mit ihnen zu-sammen unseren Gott loben und preisen können – den Schöpfer – barmherzig und mächtig zu Allem.
Amen

Verfasser: Pfarrer Wolfdietrich Rasp, Hauptstraße 58, 66953 Pirmasens


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