Gottes Gebote - Maßstäbe für unser Leben
von Uwe Seibert (Dillenburg)
Predigtdatum
:
04.10.2015
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
16. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle
:
Markus 12,28-34
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Wochenspruch: "Dies Gebot haben wir von ihm, dass, wer Gott liebt, dass der auch seinen Bruder liebe." (1. Johannes 4, 21)
Psalm: 1
Lesungen
Altes Testament: 2. Mose 20, 1 - 17
Epistel: Römer 14, 17 - 19
Evangelium: Markus 12, 28 - 34
Liedvorschläge
Eingangslied: EG 161 Liebster Jesu, wir sind hier
Wochenlied: EG 397 Herzlich lieb hab ich dich, o Herr
Predigtlied: EG 251 Herz und Herz vereint zusammen
Schlusslied: EG 163 Unsern Ausgang segne Gott
Wie kann unser Leben gelingen? (Mk 12, 28 - 34)
28 Es trat zu ihm einer von den Schriftgelehrten, der ihnen zugehört hatte, wie sie miteinander stritten. Und als er sah, dass er ihnen gut geantwortet hatte, fragte er ihn: Welches ist das höchste Gebot von allen?
29 Jesus aber antwortete ihm: Das höchste Gebot ist das: "Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist der Herr allein,
30 und du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüt und von allen deinen Kräften" (5. Mose 6, 4.5).
31 Das andre ist dies: "Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst" (3. Mose 19, 18). Es ist kein anderes Gebot größer als diese.
32 Und der Schriftgelehrte sprach zu ihm: Meister, du hast wahrhaftig recht geredet! Er ist nur einer, und ist kein anderer außer ihm;
33 und ihn lieben von ganzem Herzen, von ganzem Gemüt und von allen Kräften, und seinen Nächsten lieben wie sich selbst, das ist mehr als alle Brandopfer und Schlachtopfer. 34 Als Jesus aber sah, dass er verständig antwortete, sprach er zu ihm: Du bist nicht fern vom Reich Gottes. Und niemand wagte mehr, ihn zu fragen.
Liebe Gemeinde,
welches ist das höchste Gebot von allen? Was würden wir antworten, wenn uns heute jemand danach fragen würde? „Wonach kann ich mich richten? Was ist die höchste Maxime für mein Handeln, was sind zeitlose Grundsätze, nach denen ich mich richten kann?“
Wir kennen die 10 Gebote und wir wissen oder haben zumindest davon gehört, dass es im Judentum noch mehr Regeln und Gesetze gibt. Diese Gesetze gründen sich auf die 5 Bücher Mose, die Tora. Die jüdische Theologie unterscheidet insgesamt 613 Gesetze. Diese 613 Gesetze teilen sich auf in 248 Gebote und 365 Verbote. Dazu gehören Regeln über körperliche und rituelle Reinheit, verbotene und erlaubte Speisen, über den Gottesdienst, über Feste, über den Umgang mit dem Besitz und der Sexualität und anderes mehr.
Um das alles zu überblicken und als Jude richtig und gottgefällig zu leben, war jeder Jude aufgerufen, die heiligen Schriften zu studieren. Weil das aber nicht jeder konnte und Zeit dafür hatte, gab es Gesetzeslehrer, die sich besser auskannten und die man im Zweifel fragen konnte.
Solch ein jüdischer Gesetzeslehrer also kommt zu Jesus und fragt ihn, welches das höchste Gebot von allen ist. Vorausgegangen war ein Streitgespräch zwischen Jesus und den Sadduzäern über die Auferstehung. Jesu Art und Weise auf seine Gegner einzugehen, hatte den Schriftgelehrten beeindruckt. So wagte er, Jesus eine Frage zu stellen, die ihn anscheinend schon lange bewegte. Diese Frage ist ehrlich gemeint. Er will nicht, wie andere, Jesus eine Falle stellen. Er will wirklich wissen, was Jesus für das höchste Gebot hält. Und Jesus gibt ihm eine Antwort auf seine Frage.
Jesus antwortet zunächst mit dem Satz, der bis heute das Glaubensbekenntnis der Juden ist, das sogenannte Schma Jisrael: „Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist der Herr allein. Und du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüt und von allen deinen Kräften“ (5. Mose 6, 4.5). Das Schma Jisrael ist einer der am häufigsten gesprochenen Texte der Bibel. Jeder gläubige Jude spricht ihn täglich zweimal, morgens und abends.
Und dann zitiert Jesus noch eine zweite Stelle aus der Tora: "Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst" (3. Mose 19, 18). Diese beiden Gebote: Gott lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüt und von allen Kräften, und seinen Nächsten lieben wie sich selbst, das sind die wichtigsten. Es ist kein anderes Gebot größer als diese.
Der Schriftgelehrte stimmt Jesus zu: „Meister, du hast wahrhaftig recht geredet! Gott lieben von ganzem Herzen, von ganzem Gemüt und von allen Kräften, und seinen Nächsten lieben wie sich selbst, das ist mehr als alle Brandopfer und Schlachtopfer.“ Gott und den Nächsten zu lieben – das ist wichtiger als alle Rituale. Das wussten auch die Juden, das kam auch in ihrer Tradition vor. Das haben nicht erst die Christen erfunden.
Die Geschichte von Jesus und dem Schriftgelehrten zeigt, wie nahe sich das Judentum und das Christentum im Grunde stehen. So kann Jesus am Ende zu dem Schriftgelehrten sagen: „Du bist nicht fern vom Reich Gottes.“ Und diese doppelte Verneinung „nicht fern“ – ist im Grunde eine Bekräftigung: „Du bist ganz nah dran! Du hast verstanden, worum es geht!“
Wie nah sind wir dran am Reich Gottes, die wir heute hier in diesem Gottesdienst sitzen? Haben wir verstanden, worum es geht? Schauen wir uns noch mal an, was Jesus sagt. Was ist das wichtigste im Leben? Wie kann unser Leben gelingen?
Jesus sagt: „Liebe den Herrn, deinen Gott, von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüt und von allen deinen Kräften und deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“ Das Auffällige ist: Es geht immer um Liebe. Das heißt: im Glauben geht es nicht vor allem um Gebote, es geht nicht um ein bestimmtes Verhalten, sondern es geht zu allererst um Liebe. Wenn wir genau hinschauen, sind es drei Aspekte von Liebe, die hier genannt werden: Gottesliebe, Nächstenliebe und Selbstliebe. Alle drei sind wichtig. Wenn eins fehlt, werden die anderen auch beeinträchtigt. Gottesliebe, Nächstenliebe und Selbstliebe hängen zusammen wie die drei Seiten eines Dreiecks.
1. Gott lieben. Gott wünscht sich von uns zuerst und vor allem anderen nichts weiter als dass wir ihn lieben. Nicht Ehrfurcht, Treue und Gehorsam verlangt er, sondern Liebe, die das alles umfasst. Gott ist der einzige, der wahre, der lebendige Gott. Der uns in seiner Hand hält, der uns schon tausendmal auf unserem Lebensweg seine Liebe bewiesen hat - und der nichts mehr wünscht, als dass wir diese Liebe erwidern.
„Gott ist die Liebe; und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm.“ So lesen wir im 1. Johannesbrief. Und dort heißt es weiter: „Lasst uns lieben, denn er hat uns zuerst geliebt.“ Man kann Gott gar nicht lieben, ohne vorher seine Liebe zu empfangen. Damit sind wir als Menschen ganz einfach überfordert. Erst wenn wir erkannt haben, dass Gott uns liebt, dass er für uns sorgt, dass er gut zu uns ist, können wir Gott lieben. Wir können ihn immer nur zurück lieben.
Manchen Menschen fällt es schwer, Gott zu lieben, weil Gott für sie zu einem Schreckgespenst geworden ist. Da sagt ein Mann: Ich wurde von meinem Vater bei jedem Fehler, den ich gemacht habe, verprügelt. Seitdem sehe ich immer einen strengen, einen strafenden Gott über mir. Ich versuche, ein guter Christ zu sein, aber ich kann Gott nicht lieben. Weil er so viel von mir zu verlangen scheint und ich immer noch das Gefühl habe, nicht genug für ihn zu sein.
Wir alle haben ein Bild von Gott, ein strenges oder ein liebevolles, je nachdem, was uns von Gott erzählt wurde. Und wenn ich Gott nur so kennen gelernt habe wie dieser Mann, dann fällt es mir schwer, Gott zu lieben. Dann muss ich Gott erst darum bitten, mein Bild von ihm zu heilen, wieder ganz zu machen. Wahrscheinlich kann ich erst dann Momente er-leben, in denen ich wirklich von seiner Liebe berührt bin und seine Liebe spüre.
2. Wenn ich Gott liebe, dann werde ich auch meinen Nächsten lieben. Im 1. Johannesbrief lesen wir: „Wenn je-mand spricht: Ich liebe Gott, und hasst seinen Bruder, der ist ein Lügner. Denn wer seinen Bruder nicht liebt, den er sieht, der kann nicht Gott lieben, den er nicht sieht.“ Gottesliebe und Nächstenliebe gehören zusammen. Es gibt keine wirkliche Gottesliebe ohne Nächstenliebe.
Nächstenliebe – was kann das heißen? Das können ganz einfache, kleine Dinge sein: ein Lächeln an der Kasse, jemandem zuhören, dem es nicht gut geht, dem Nachbarn helfen. Es können aber auch ganz große, politische Dinge sein: Mich nicht nur um meine kleine Welt zu drehen, sondern mich auch dafür zu interessieren, was in der Welt vor sich geht. Global denken, lokal handeln. Das heißt: wir haben die Schwachen und Benachteiligten weltweit im Blick, aber wir kümmern uns zuerst um die Schwachen und Benachteiligten in unserem Ort.
3. Eine gesunde Selbstliebe ist Voraussetzung für die Nächstenliebe. Nur wer sich selbst lieben kann, kann auch seinen Nächsten lieben. Wer immer nur an sich herum¬nör-gelt und mit sich selbst unzufrieden ist, der wird auch am anderen kein gutes Haar lassen. Deshalb gehören Nächstenliebe und Selbstliebe ganz eng zusammen. Wenn ich mich selbst nicht lieben kann, dann werde ich auch meinen Nächsten nicht lieben können.
Die Frage der Selbstliebe, der Selbstannahme ist ein großes Thema unserer Zeit. Vielen Menschen fällt es schwer, zum Beispiel ihren Körper so anzunehmen, wie er ist. Zufrieden damit zu sein, auch wenn ich damit nicht Germany’s next Topmodel werden kann.
Wie ist das? Kann ich auch dann mit mir zufrieden sein, wenn ich nicht so schön und nicht so erfolgreich bin wie andere? Kann ich trotzdem zufrieden sein mit dem, was mir gegeben ist oder habe ich ständig das Gefühl, zu kurz gekommen zu sein?
Kann ich sagen: ”Ich mag mein Leben. Es ist zwar nicht alles so, wie ich mir das vorstelle, aber ich bin trotzdem zu-frieden und glücklich.“ Oder sind die Unzufriedenheit und der Frust über mein Leben längst so groß, dass ich mich selbst nicht mehr liebe, sondern hasse? Und dass ich auch an anderen Menschen nichts Gutes mehr finde?
„Liebe den Herrn, deinen Gott, von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüt und von allen deinen Kräften und deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“ Gottesliebe, Nächstenliebe und Selbstliebe gehören zusammen. Wenn alle drei gleichmäßig entwickelt sind, dann kann unser Leben gelingen. Dann sind wir „nahe am Reich Gottes“.
Aber weil wir das trotz unserer ehrlichen Bemühungen allein nicht schaffen, Gott, unseren Nächsten und uns selbst zu lieben, sind wir immer wieder auf Gottes Gnade angewiesen. Gott erwartet nicht, dass wir in allem perfekt sind und wir müssen ihn mit unserer Leistung nicht beeindrucken. Er selbst ist die Quelle aller Liebe, darum können wir mit unserem Mangel an Liebe zu ihm kommen und ihn bitten, die Liebe in uns zu entzünden und wachsen zu lassen.
Und der Friede Gottes ...
Verfasser: Pfarrer Dr. Uwe Seibert
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