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Gottes Geist –Gabe des Lebens

von Juliane Kleemann (39576 Stendal)

Predigtdatum : 11.05.2008
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Exaudi
Textstelle : Römer 8,1-2.(3-9).10-11
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Wochenspruch:

Es soll nicht durch Heer oder Kraft geschehen, sondern durch meinen Geist, spricht der Herr Zebaoth. (Sacharja 4, 6)

Psalm: 118 (EG 747)

Lesungen

Altes Testament:
4. Mose 11, 11 – 12. 14 – 17. 24 – 25
Epistel:
Apostelgeschichte 2, 1 – 18
Evangelium:
Johannes 14,23 – 27

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 449, 1-4
Die güldne Sonne
Wochenlied:
EG 125
Komm Heiliger Geist, Herre Gott
Predigtlied:
EG 134, 1-3.6-7
Komm, o komm, du Geist des Lebens
Schlusslied:
EG 272
Ich lobe meinen Gott von ganzem Herzen

Liebe Gemeinde,
wissen Sie, was eine Initialzündung ist? So kommt, vereinfacht beschrieben, ein Dieselmotor in Gang: Man braucht einen vorgewärmten Raum, einen Zylinder. Dann braucht es noch einen Treibstoff und den Funken zur richtigen Zeit. Diese erste kleine Explosion nennt man Initialzündung, danach läuft der Motor fast wie von selbst. Auf die erste Zündung kommt es an, wenn die nicht kommt, läuft allerdings gar nichts.
So ähnlich war das damals, vor 2000 Jahren in Jerusalem. Es hatte gefunkt, besser gesagt: Gott hatte dazwischen gefunkt, die Jünger und Jüngerinnen aus ihrer Verschüchterung gerüttelt.
So waren sie an das Versprechen von Jesus erinnert worden, der ihnen beim letzten Zusammensein gesagt hatte: „Bleibt in Jerusalem und wartet auf das Geschenk meines Vaters. Johannes hat mit Wasser getauft, ihr aber werdet mit dem Geist Gottes getauft werden.“ (Apg. 1,4.5)
Und eben dies hatten sie gerade erlebt – hatten die Kraft zu spüren bekommen, die Jesus den „Geist Gottes“ genannt hatte. Petrus hält eine wahrhaft zündende Predigt und die Menschen um ihn herum bekommen etwas von der Begeisterung ab. Der Funke sprang über, auch wenn sich mancher verwundert an den Kopf fasste. Ja sind die denn alle übergeschnappt?
Bis dahin haben wir die Geschichte noch im Ohr und vorhin als Episteltext gehört. Im Hinterkopf bleibt eine begeisterte erste Gemeinde, die sich an vielen Orten ausbreitet, so auch in Rom. Der Text für die Predigt heute ist Jahre später geschrieben, vom Apostel Paulus an die ersten Christen in Rom. Dieser Text ist, das möchte ich gleich voraus schicken, keine leichte Kost und auf den ersten Blick eher wenig begeisternd:

1 So gibt es nun keine Verdammnis für die, die in Christus Jesus sind. 2 Denn das Gesetz des Geistes, der lebendig macht in Christus Jesus, hat dich frei gemacht von dem Gesetz der Sünde und des Todes. 3 Denn was dem Gesetz unmöglich war, weil es durch das Fleisch geschwächt war, das tat Gott: er sandte seinen Sohn in der Gestalt des sündigen Fleisches und um der Sünde willen und verdammte die Sünde im Fleisch, 4 damit die Gerechtigkeit, vom Gesetz gefordert, in uns erfüllt würde, die wir nun nicht nach dem Fleisch leben, sondern nach dem Geist.
5 Denn die da fleischlich sind, die sind fleischlich gesinnt; die aber geistlich sind, die sind geistlich gesinnt. 6 Aber fleischlich gesinnt sein ist der Tod, und geistlich gesinnt sein ist Leben und Friede. 7 Denn fleischlich gesinnt sein ist Feindschaft gegen Gott, weil das Fleisch dem Gesetz Gottes nicht untertan ist; denn es vermag's auch nicht. 8 Die aber fleischlich sind, können Gott nicht gefallen. 9 Ihr aber seid nicht fleischlich, sondern geistlich, wenn denn Gottes Geist in euch wohnt. Wer aber Christi Geist nicht hat, der ist nicht sein. 10 Wenn aber Christus in euch ist, so ist der Leib zwar tot um der Sünde willen, der Geist aber ist Leben um der Gerechtigkeit willen. 11 Wenn nun der Geist dessen, der Jesus von den Toten auferweckt hat, in euch wohnt, so wird er, der Christus von den Toten auferweckt hat, auch eure sterblichen Leiber lebendig machen durch seinen Geist, der in euch wohnt.

Am Fest des „Heiligen Geistes“ möchte man am liebsten nur bei den ersten Versen hängen bleiben und den Rest einfach weglassen. Dort, wo vom lebendigen und befreienden Geist geredet wird, lässt es sich gut aushalten. Dann aber wird´s sperrig.
Vielmehr beschreibt Paulus nämlich in unserem Textabschnitt ausführlichst und fast schon peinlich das Gegenteil von „Geist oder geistlich“, er redet von „Fleisch“ und „Fleischlichkeit“.
Um aber zu verstehen, was Paulus am Anfang mit dem „Gesetz des Geistes und der Freiheit“ meint, kommt man nicht umhin, sich auch mit dem etwas altmodischen, aber für Paulus ungeheuer wichtigen Begriff „Fleisch“ auseinander zu setzen.
Wenn wir bei dem Wort „Fleisch“ nicht zuerst an einen Fleischerladen denken, dann verbinden wohl die meisten Menschen heute damit „Sexualität“ oder doch zumindest die Körperlichkeit des Menschen. Und es gibt in der christlichen Kirche eine lange Tradition dafür, dass man das „Fleisch“ in dieser Bedeutung gering geschätzt und sogar verachtet hat.
Nach dieser Tradition, die schon älter ist als das Christentum, geht es darum, sich von den Bindungen an das Fleisch, der Körperlichkeit allgemein – und der Sexualität im Besonderen – freizumachen. Lediglich „Die Gedanken sind frei“, heißt es im Volkslied.
Es kann kein Zweifel daran bestehen: Der Apostel Paulus lebte in solch einer Angst vor der eigenen Sexualität. Vielleicht war es seine Erfahrung, dass der eigene Körper einem fremd werden kann, wie eine unappetitliche Hülle, der man sich am besten entledigt.
Es nicht schwer und mag vielleicht „modern“ erscheinen, sich über diese „Leibfeindlichkeit“ des Paulus und der christlichen Tradition zu erheben. Mittlerweile haben auch Theologen längst den positiven Aspekt von bewusst gelebter Körperlichkeit entdeckt. Es erscheint jetzt beinahe schon anstößig, im Sinne von Paulus vom Gegensatz zwischen Fleisch und Geist zu reden.
Und dort, wo man es noch tut, deutet man den Begriff „der Fleischlichkeit“ rasch um, in Charaktereigenschaften, wie Egoismus, Selbstsucht oder dergleichen.
Vielleicht ist es nötig, die Zumutung von Paulus einmal auszuhalten heute und das Wort „Fleisch“ tatsächlich wörtlich zu verstehen. Paulus warnt davor, sich zum Sklaven seines eigenen Körpers zu machen. Der Mensch ist mehr als sein Leib, der Mensch ist auch Geist.
Wir leben ja in einer Zeit, in der mit dem Körper ein regelrechter Kult betrieben wird. Vielleicht wird so das Wort des Apostels Paulus von denen, die „nach dem Fleisch“ wandeln und sich dadurch zum Sklaven ihres Körpers machen, wieder in einem ganz wörtlichen Sinne aktuell. „Nach dem Fleisch wandeln“ ist ja nicht die unmittelbare und positive Freude an der eigenen Hülle, sondern eine moderne Form des Sklaventums.
Die „Leibesübung“, Sport und Spiel, die Freude am Körper wird zur Selbstquälerei. Das kann nicht gesund sein und degeneriert im wahrsten Sinn zum Kult; der Körper als Anbetungsobjekt, die krankhafte Angst vor dem Älterwerden. Was eigentlich gut und gesund ist, verkommt zum Fitnesswahn – Paulus würde sagen: dem Gesetz der Sünde und des Todes.
Der Fehler ist nicht, dass man sich an der Körperlichkeit freut – sondern ganz im Gegenteil: dass man seinen Körper beherrschen will.
Dies gilt auch für das Leben überhaupt: Wenn man es beherrschen, besitzen will, statt es zu leben, dann macht man sich zum eigenen Sklaven.
Die verstorbene Marion Gräfin Dönhoff hat in ihrem bewegenden Buch über ihre ostpreußische Heimat das Wort geprägt, dass man etwas lieben können muss, ohne es besitzen zu wollen. Dies ist ein sehr wahres Wort. Es gilt für die Heimat und gilt für auch unseren Körper: Wir „besitzen“ ihn nicht, wir „sind“ unser Körper. Das gilt auch für unser Leben insgesamt: Wer es besitzen will, wird es verlieren.
Das ist das Gesetz des Fleisches, das Gesetz der Sünde und des Todes, wie Paulus es definiert. Das Leben beherrschen wollen, statt zu leben. Dagegen stellt der Apostel das Gesetz des Geistes, der lebendig macht.
Der Römerbrief ist an konkrete Menschen geschrieben. Und auch wenn der Brief knapp 2000 Jahre alt ist, so spricht er auch zu uns. Paulus macht den Römern Mut, sich von den Fesseln der menschlichen Gesetze zu befreien.
Mit den Worten „Christus in euch“ versichert er, dass wir im Geist Gottes sind und leben. Durch die Taufe hat Gott uns mit seinem Geist beschenkt. Durch die Taufe sind wir nicht mehr Kinder des Fleisches und damit des Todes, sondern Kinder eines neuen Lebens (Röm 6,3ff).
Dieses neue Leben durch die Taufe ist ein befreites Leben. Diese Freiheit ist die Freiheit von den Fesseln des „Fleisches“, also der Angst vor dem Tod und all den Zwängen unseres Lebens; zum Beispiel dem Zwang nach Perfektion, Ansehen und Karriere.
Gottes Geist ist bei uns eingemietet, wie ein fremder Dauergast. So lesen wir es bei Paulus. Dabei erfahren wir keine Einschränkungen unserer Freiheit, sondern gewinnen neue Freiheiten zum Leben.
Dieser „Untermieter“ ermutigt uns dazu, Gottes Stimme in uns zu vertrauen. Er ist aber zugleich auch der Stachel im Fleisch unserer Gleichgültigkeit, Verzagtheit und Mutlosigkeit. Wir können seiner „Stachligkeit“ vertrauen, denn sie kommt aus der Liebe Gottes zu uns.
Ein Mensch, der solche Liebe erfährt, kann auch Ja zu sich selber sagen:
so wie er geschaffen ist zum Beispiel, mit runden Hüften und ohne Idealmaße; mit fortgeschrittenem Lebensalter und den natürlich dazu gehörenden Falten und Narben.
Der Geist Gottes gibt Liebe jenseits aller zwischenmenschlichen Liebe. Das ist besonders den Menschen gesagt, die ihr Leben ohne einen Partner bestreiten müssen. Oder denen, die in Trauer leben oder deren Liebe zu einem anderen Menschen zerbrochen ist. Das sei aber auch denen gesagt, die es schwer haben mit sich selbst.
Der Heilige Geist, unser ständiger Untermieter, ermutigt uns, den Lauf der Welt mit einem gewissen Abstand zu betrachten, ohne dabei das Leben und vielleicht auch unsere Körperlichkeit gering zu schätzen.
Der Geist Gottes hilft uns, nicht in Abhängigkeiten zu verfallen, uns nicht bestimmen zu lassen von Geld, Ruhm und Ansehen; von Getriebensein und der Angst, etwas Entscheidendes zu verpassen; z.B. der Sucht nach ewiger Jugend.
Als vom Geist Gottes „Besuchte“ brauchen wir uns auch von aller Zukunftsangst nicht einsperren zu lassen. Aus seiner Kraft heraus dürfen wir darauf vertrauen, dass selbst der Tod nicht das letzte Wort behalten wird.
Das ist mindestens ein guter Grund dafür, alle Jahre wieder das Pfingstfest zu feiern. „So gibt es nun keine Verdammnis für die, die in Christus Jesus sind.“
Mit diesem Satz beginnt unser Predigttext und unter dieser Gewissheit des Apostel Paulus soll es Pfingsten werden.
Amen.

Verfasserin: Provinzialpfarrerin Juliane Kleemann, Am Dom 18, 39576 Stendal

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