Wochenspruch: Es soll nicht durch Heer oder Kraft geschehen, sondern durch meinen Geist, spricht der Herr Zebaoth. (Sacharja 4,6)
Psalm: 118,24-29
Reihe I: Johannes 14,15-19(20-23a)23b-27
Reihe II: Apostelgeschichte 2,1-21
Reihe III: 1. Mose 11,1-9
Reihe IV: Römer 8,1-2(3-9)10-11
Reihe V: 1. Korinther 2,12-16
Reihe VI: Hesekiel 37,1-14
Eingangslied: EG 135 Schmückt das Fest mit Maien
Wochenlied: EG+ 20 Atem des Lebens
Predigtlied: EG 130 O Heilger Geist, kehr bei uns ein
Schlusslied: EG 503, 13-15 Geh aus, mein Herz
1 Und als der Pfingsttag gekommen war, waren sie alle beieinander an einem Ort.
2 Und es geschah plötzlich ein Brausen vom Himmel wie von einem gewaltigen Sturm und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen.
3 Und es erschienen ihnen Zungen, zerteilt und wie von Feuer, und setzten sich auf einen jeden von ihnen,
4 und sie wurden alle erfüllt von dem Heiligen Geist und fingen an zu predigen in andern Sprachen, wie der Geist ihnen zu reden eingab.
5 Es wohnten aber in Jerusalem Juden, die waren gottesfürchtige Männer aus allen Völkern unter dem Himmel.
6 Als nun dieses Brausen geschah, kam die Menge zusammen und wurde verstört, denn ein jeder hörte sie in seiner eigenen Sprache reden.
7 Sie entsetzten sich aber, verwunderten sich und sprachen: Siehe, sind nicht diese alle, die da reden, Galiläer?
8 Wie hören wir sie denn ein jeder in seiner Muttersprache?
9 Parther und Meder und Elamiter und die da wohnen in Mesopotamien, Judäa und Kappadozien, Pontus und der Provinz Asia,
10 Phrygien und Pamphylien, Ägypten und der Gegend von Kyrene in Libyen und Römer, die bei uns wohnen,
11 Juden und Proselyten, Kreter und Araber: Wir hören sie in unsern Sprachen die großen Taten Gottes verkünden.
12 Sie entsetzten sich aber alle und waren ratlos und sprachen einer zu dem andern: Was will das werden?
13 Andere aber hatten ihren Spott und sprachen: Sie sind voll süßen Weins.
14 Da trat Petrus auf mit den Elf, erhob seine Stimme und redete zu ihnen: Ihr Juden, und alle, die ihr in Jerusalem wohnt, das sei euch kundgetan, vernehmt meine Worte!
15 Denn diese sind nicht betrunken, wie ihr meint, ist es doch erst die dritte Stunde des Tages;
16 sondern das ist's, was durch den Propheten Joel gesagt worden ist (Joel 3,1-5):
17 »Und es soll geschehen in den letzten Tagen, spricht Gott, da will ich ausgießen von meinem Geist auf alles Fleisch; und eure Söhne und eure Töchter sollen weissagen, und eure Jünglinge sollen Gesichte sehen, und eure Alten sollen Träume haben;
18 und auf meine Knechte und auf meine Mägde will ich in jenen Tagen von meinem Geist ausgießen, und sie sollen weissagen.
19 Und ich will Wunder tun oben am Himmel und Zeichen unten auf Erden, Blut und Feuer und Rauchdampf;
20 die Sonne soll in Finsternis verwandelt werden und der Mond in Blut, ehe der große und herrliche Tag des Herrn kommt.
21 Und es soll geschehen: Wer den Namen des Herrn anrufen wird, der soll gerettet werden.«
Was für ein Chaos! Erinnern Sie sich noch: letztes Jahr der Pfingstgottesdienst? Hier, bei uns in …? Alles ganz normal, dachten wir noch – und dann das: Nach der Predigt schon war da so eine komische Stimmung. Ja, da war von Jesus die Rede und dem Heiligen Geist und so – und von Gott natürlich auch. Aber irgendwie fühlte es sich anders an als sonst. Wichtiger. Leichter. Jedenfalls so, das viele von uns davon anderen erzählt haben. Den Kindern oder Enkeln, Arbeitskollegen oder Nachbarn. Und die fanden das auch spannend, haben es selbst weitererzählt und sind neugierig geworden. – Und dann waren sie plötzlich alle da! Haben nachgefragt, wann der nächste Gottesdienst ist. Haben uns gelöchert mit Fragen über Jesus. Das war schon anstrengend. Und dann der nächste Gottesdienst: Sie waren alle da! Nicht fünf, nicht zehn, Hunderte von Menschen, die die Predigt hören wollten, die Fragen stellten, die getauft werden wollten oder wieder in die Kirche eintreten …
Furchtbar! Überall waren sie, sogar auf meinem Platz in der Kirchenbank. Auf meinem Platz! Und noch nicht einmal beim Glaubensbekenntnis sind sie aufgestanden! Und unruhig waren sie, hatten sogar Kinder mitgebracht. Manchmal haben sie sogar im Gottesdienst gelacht!
Wir wussten gar nicht, wie uns geschieht – nein, das war nicht mehr unsere Kirche. Wir haben dann erstmal Schilder gemacht, wie man sich bei uns benimmt. Ist schließlich eine ernste Sache, so ein Gottesdienst. Da muss schon alles seine Ordnung haben.
Gott sei Dank ist das jetzt vorbei. Irgendwie fanden sie das mit den Schildern wohl nicht so gut. Ich hab meinen Platz wieder für mich. Sogar die ganze Bank. Puh, wir sind wieder unter uns. Und ich erzähl bestimmt keinem mehr, wie schön die Predigt war – man weiß ja nie!
In der Bibel wird auch von so einer Katastrophe erzählt. Lukas erzählt in der Apostelgeschichte von der ersten Gemeinde in Jerusalem: »An diesem Tag wurden hinzugefügt etwa dreitausend Menschen.« (Apg. 2, 41 b)
Wie konnte es dazu kommen? Im zweiten Kapitel heißt es:
Lesung Apostelgeschichte 2, 1 - 21
Und dann erzählt Petrus von Jesus, davon, dass er am Kreuz gestorben und auferweckt worden ist und die Leute umkeh-ren sollen und in der Taufe Vergebung erlangen können.
Und es passiert das Unglaubliche – die Leute machen das wirklich! »Die nun sein Wort annahmen, ließen sich taufen, und an diesem Tage wurden hinzugefügt etwa dreitausend Menschen.«
Ja, das ist die Geschichte von Pfingsten – überspitzt gesagt: Zu Pfingsten feiern wir das Chaos. Wir feiern den Kontroll-verlust. Erst verlieren die Jünger die Kontrolle über sich selbst und dann auch über die Gemeinde. Wieso feiern wir das? Das ist doch kreuzgefährlich! Die Jünger laufen Gefahr, als An-hänger von Jesus auch noch am Kreuz zu landen.
Bisher hatten Sie sich versteckt, um nicht aufzufallen. Aber dann gerät die Situation außer Kontrolle: Ein Brausen vom Himmel, feurige Zungen – und die Jünger sind draußen, reden in verschiedenen Sprachen und ziehen eine entsetzte, ratlose, spottende Menschenmenge an. – Die Lage ist außer Kontrolle.
Schließlich tritt Petrus auf und erklärt das Durcheinander:
»Das muss so sein,« sagt er, »das steht schon in der Bibel: Gott gießt seinen Geist aus über die Menschen!«
Gottes Geist bewirkt also Chaos, Kontrollverlust? Na Danke-schön. Dann überlege ich mir lieber, ob ich darum beten will. Die Kontrolle verlieren, das ist ja gefährlich.
Und doch ist es das, was Gott tut: Er übernimmt die Kon-trolle. Er sorgt dafür, dass die Jünger nicht mehr von ihrer Angst kontrolliert werden. Er sorgt dafür, dass sie rausgehen. Er sorgt sogar für die vielen Leute, die zusammenströmen, um das Chaos zu sehen. Und er sorgt dafür, dass Petrus diesen Leuten von Jesus erzählt, von Tod und Auferstehung, von Taufe und Vergebung.
Die Jünger verlieren die Kontrolle, weil Gott sie übernimmt. Das ist Pfingsten. Gott leitet seine Gemeinde – manchmal auch dadurch, dass er sie ins Chaos stürzt: 3000 Menschen an einem Tag – wer soll das denn organisieren …
Aber in und aus diesem Chaos entsteht Neues – unsere Kirche. Meist sieht man ihr die turbulenten Anfänge nicht an. Struktur und Ordnung sind schließlich wichtig, wo Menschen zusammenleben – ob nun in einer Familie, einer Gemeinde oder einer Gesellschaft.
Und außerdem behalten wir gern die Kontrolle, wissen, was geschieht, wer seinen Platz wo hat. Geordnete Verhältnisse machen das Leben leichter.
Da liegt es dann schon nahe, dass wir den Heiligen Geist als Störenfried empfinden: Wenn er kommt, soll er sich doch bitte in unsere Struktur einfügen, wir haben uns schließlich so viel Mühe damit gegeben!
Zu Pfingsten also feiern wir den Geburtstag der Kirche. Wir feiern, dass Gott durch seinen Heiligen Geist Menschen in seine Gemeinde berufen hat – damals im Trubel des Anfangs und seitdem immer wieder. Deshalb sind wir hier! Nicht aufgrund von Konzepten, Aktionen oder Events. Nicht, weil die Kirche so effizient organisiert ist. Sondern weil Gott es so will. Weil er seinen Geist wehen lässt auch in unseren Gemeinden und weit darüber hinaus.
Und – Gott sei Dank – er lässt es ja nicht beim Chaos. Damals hat er durch die Predigt des Petrus sichtbar gemacht, was da vor sich geht. Damals hat er dafür gesorgt, dass – so erzählt es Lukas jedenfalls – die vielen neuen Christen »beständig blieben in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft und im Brotbrechen und im Gebet.« (V. 42)
Und heute? Viele Gemeinden sind sehr übersichtlich gewor-den. Der Glaube ist Privatsache und wer davon redet, muss schon ein Sonderling sein. Mancher fragt sich, ob der Geist Gottes wirklich noch da ist unter uns.
Und? Ist er da – heute, hier? Woran ist er denn zu erkennen? So wie damals, in Jerusalem?
Ein »Brausen vom Himmel«? – Das ist dann wohl eher ein Flugzeug, das über die Kirche fliegt.
»Zungen, zerteilt wie von Feuer«? Hat das was mit Handy-Strahlung zu tun?
»Predigen in anderen Sprachen«? – Kein Problem mit der neuen Smartphone-App.
Oder ist es das: »Da trat Petrus auf mit den Elf, erhob seine Stimme und redete zu ihnen …«
Da steht einer mutig auf und redet von Jesus Christus, von dem Wunder seiner Liebe, die sogar den Tod überwindet.
Ja! Das gibt es in unserer Gemeinde! Im Gottesdienst erzählen wir von unserem Glauben. Heute stehe ich hier vorne – und vertraue darauf, dass der Heilige Geist hier ist, mich leitet und stützt. Und dass er uns allen die Herzen öffnet für die Botschaft von Jesus, damit wir sie auch weitererzählen, unseren Kindern und Enkeln, Kollegen und Nachbarn – nicht nur im Gottesdienst.
Wir wissen, das ist gefährlich! Glauben ist ansteckend. Und er hat Nebenwirkungen:
Glauben gefährdet Ihre falsche Sicherheit. Er legt schonungs-los offen, wie abhängig ich bin – von anderen Menschen und von der Gnade Gottes.
Glauben zerstört die Illusion, ich hätte die volle Kontrolle über mein Leben. Glauben heißt darauf zu vertrauen, dass Gott die Kontrolle hat – und dass er es gut mit mir meint.
Aber Glauben hilft auch: Er hilft gegen die Angst. Zum Bei-spiel gegen die Angst vor dem Ende der Kirche.
Altbischof Axel Noack hat gesagt: »An uns liegt es nicht, dass es die Kirche noch gibt.« – All die Irrungen und Wirrungen, die furchtbaren Verfehlungen und die kleinen Schwächen der Christen haben es im Laufe der Kirchengeschichte nicht ge-schafft, die Kirche zu zerstören.
Selbst unsere gut gemeinten Veränderungen und Erneue-rungen – sie alle sind nicht der Grund, dass es Kirche gibt. Der Grund ist allein Jesus Christus und sein Heiliger Geist, der trotz aller unserer Schwächen und Fehler seine Kirche bewahrt. Im Vertrauen darauf tun wir unseren Dienst in der Gemeinde. Im Vertrauen darauf wage ich es, hier vorn zu stehen und wie der Petrus damals die Stimme zu erheben und zu Ihnen zu reden.
Und noch eine Angst will der Glaube nehmen: Die Angst, dass ich nicht gut genug bin. Gut genug im Glauben oder im Leben, in meiner Arbeit oder in meiner Familie. Diese Angst treibt viele Menschen um und macht krank: »Ich muss immer noch besser werden, mehr schaffen und fester glauben, damit ich geliebt bin. Ich muss, ich muss, ich muss …«
Gott sagt: ›Du bist genau richtig! Ich liebe dich so, wie du bist. Auch mit deinen Zweifeln und Schwächen. Und ich brauche dich – so wie du bist. Mit dir will ich meine Gemeinde bauen. Der Petrus damals war auch nicht besser als du, er hat mich sogar verleugnet! Und doch hat er eine Predigt ge-halten – und 3000 ließen sich taufen. Nicht, weil er so toll war, sondern weil mein Heiliger Geist durch ihn gewirkt hat.
Und jetzt brauche ich dich! Und ich wünsche mir, dass ich auch durch dich wirken kann. Lass es zu! Gib die Kontrolle ab! Schau aus nach deinem Auftrag in der Gemeinde! Du bist nicht zu alt oder zu schwach, zu distanziert oder zu jung oder was auch immer. So, wie du bist, brauche ich dich. Erzähl davon, was du mit mir erlebt hast – auch wenn das nicht so spektakulär ist wie in dem Bericht des Lukas. Hilf mit, dass sich Menschen in der Gemeinde wohlfühlen. Steh jemandem bei, der krank ist oder nicht weiterweiß. Lass dich anstecken von der Freude darüber, dass ich tue, was ihr Menschen nicht könnt: Gemeinde bauen und bewahren, Glauben wecken und stärken!
So also redet Gott mit uns. Lassen wir uns von ihm ansprechen? – Vorsicht! Nicht, dass es wieder wie letztes Jahr wird: dass die Leute uns die Bude einrennen und alles durch-einanderbringen! Der Heilige Geist ist gefährlich – er bringt womöglich Veränderung. Vielleicht sieht unsere Gemeinde ganz anders aus, wenn er sich hier austobt. Wollen wir das wirklich?
AMEN
Gott, wir danken dir dafür,
dass du uns nicht unserem Schicksal überlässt.
Wir danken dir für den Heiligen Geist,
der sogar da wirksam ist und in Bewegung bringt,
wo wir nur verzagt und traurig sind.
So bitten wir dich:
Öffne unsere Augen für das Wunder deiner Gegenwart.
Leite uns und unsere Gemeinde und deine ganze Kirche,
dass wir den Mut haben, von dir zu reden.
Und wo wir festhalten am Altvertrauten,
wo wir deinem Wirken im Weg stehen,
lass uns das Feuer deines Geistes spüren,
dass es uns in Schwung bringt
und für Veränderungen öffnet.
Gott, wir bitten dich für die Menschen,
die in Traurigkeit, Mutlosigkeit und Angst gefangen sind.
Lass sie deine Gegenwart spüren.
Schenke neuen Mut und neue Hoffnung.
Überwinde die Angst und lass sie deine Zukunft schauen.
Gott, wir bitten dich für unsere Welt:
Soviel Dunkelheit und Leid, soviel Zerstörung und Gewalt.
Du bist es, der die Sinne der Menschen verwandeln kann.
Gib uns den Geist des Friedens und der Versöhnung,
Gieß deinen Geist der Liebe und der Hoffnung aus
über alle Menschen.
Wende das Leid
stärke die Hoffnung auf die Zukunft, die du schenkst,
erneuere uns und deine ganze Schöpfung.
So bitten wir mit den Worten Jesu:
Vater unser …
Verfasser: Pfarrer Friedrich von Biela, An der Marienkirche 4, 29410 Salzwedel
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