Gottes Glanz, gebrochen im Menschlichen
von Ulrich Weisgerber (55578 Wallertheim )
Predigtdatum
:
09.02.2014
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
4. Sonntag vor der Passionszeit
Textstelle
:
2. Petrus 1,16-19.(20-21)
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Wochenspruch:
"Über dir geht auf der Herr und seine Herrlichkeit erscheint über dir." (Jesaja 60, 2)
Psalm: 97
Lesungen
Altes Testament: 2. Mose 3, 1 - 10 (11 - 14)
Epistel: 2. Korinther 4, 6 - 10
Evangelium: Matthäus 17, 1 - 9
Liedvorschläge
Eingangslied: EG 40,1 - 3 Dies ist die Nacht, da mir erschienen
Wochenlied: EG 67 Herr Christ, der einig Gotts Sohn
Predigtlied: EG 70, 1.4. Wie schön leuchtet der Morgenstern
Schlusslied: EG 171, 1 - 4
EG 572 Bewahre uns Gott, behüte uns Gott
Gottes Wort ist wie Licht in der Nacht
Hinführung
Der Predigttext entstammt einem der späten Teile des Neu-en Testaments. Er setzt die Überlieferung des Evangeliums, das am Sonntag gelesen wird, voraus.
Dieser Brief macht die „Tradition“, das „Anknüpfen an die Ü-berlieferung“ selbst zum Thema – in der Weise, dass der Verfasser sich als der Jünger Petrus ausgibt. Das ist kein „Hinters-Licht-Führen“ sondern ein erlaubtes Stilmittel.
Der Briefschreiber bedient sich aus dem zu seiner Zeit schon reichen Schatz christlicher Überlieferung, aus der Ü-berlieferung der Hebräischen Bibel ebenfalls. Die Geschichte von der Verklärung Jesu hat es ihm offenbar besonders angetan; das lässt diesen Bibeltext zum Predigttext für den Letzten Sonntag nach Epiphanias werden. Dieser Sonntag, mit der liturgischen Farbe Weiß für die Christusfeste, rückt noch einmal die Weihnachtsbotschaft in den Blickpunkt: Das Licht scheint in der Finsternis, … und wir sahen seine Herrlichkeit.
Konzentriert ist diese Botschaft nun nicht auf das Kind in der Krippe sondern auf den erwachsenen Jesus, dem Gottes Stimme gilt: das ist mein geliebter Sohn, den sollt ihr hören.
Die Lesung des Evangeliums (Matthäus 17, 1 - 9) ist unerlässlich für das Verständnis der Predigt. Vielleicht sollte vor der Evangelien-Lesung darauf hingewiesen werden.
Der Bibeltext wird erst während der Predigt verlesen.
Liebe Gemeinde,
manchmal gibt es solche Momente: ein älterer oder alter Mensch erzählt etwas aus seiner Lebensgeschichte; die Augen leuchten, die Stimme bekommt einen feierlichen Klang; und wer zuhört, spürt: da spricht jemand von dem, was nie, aber auch niemals, vergessen werden darf! Es war für diesen Menschen enorm wichtig.
Vielleicht mischt sich in die Erzählung auch noch der Satz: „Ich war dabei, ich habe es selbst erlebt“,
• als am 9. November 1989 die Menschen in Berlin „außer Rand und Band“ waren – die Mauer war noch nicht gefallen, aber offen;
• als meine geliebte Fußballmannschaft endlich die Meisterschaft / den Pokal / den Aufstieg (was auch immer) erreicht hat …
• als es gelungen war, eine der begehrten Eintrittskarten für (passendes Beispiel, das Prediger/in glaubhaft schildern kann, einsetzen: Festspiele in Bayreuth / gigantisches Pop- oder Rockkonzert mit …) zu bekommen und dann diese wunderbare Atmosphäre zu spüren und hingerissen zu sein von diesem Ereignis …
• als die dem Tod geweihte und von den Ärztinnen aufgegebene alte Mutter doch noch einmal gesund wurde.
Das Ereignis mag Jahre oder Jahrzehnte zurück liegen – es wird durch die Erzählung wieder lebendig und gegenwärtig.
Wenn, mit dieser Erzählung zusammen, auch noch angedeutet wird: allzu oft werde ich darüber nicht mehr sprechen können, denn ich fühle das Sterben kommen – dann ist es erst Recht etwas Besonderes.
Vielleicht sind der einen oder dem anderen, liebe Gemeinde, jetzt solche Situationen eingefallen - aus den Erzählungen von Eltern oder Großeltern; vielleicht von anderen Menschen, die eine imponierende Lebensgeschichte aufzuweisen haben.
Im heutigen Predigttext, liebe Gemeinde, tritt uns ein Mensch entgegen und kommt zu Wort, der sich als alter, als lebenserfahrener Mann präsentiert. Viel an Menschenkenntnis, viel auch an Urteilen über das menschliche Verhalten hat sich da angesammelt im Zweiten Petrusbrief.
Und: viel an Hoffnung speist sich aus einem beeindruckenden, faszinierenden Erlebnis, das lange zurückliegt.
Dieser Brief liefert nun aber keine milde Altersweisheit sondern engagierte, kämpferische Rede.
Fast ein wenig zu wortreich kommt er daher, der Zweite Petrusbrief, eines der späten Dokumente im Neuen Testament.
Scharf sind die Worte der Ablehnung, die er Menschen ent-gegenschleudert, die oberflächlich, selbstgefällig sind, Lästermäuler und Geldsäcke.
Ebenso sehr schärft er der Gemeinde ein, nur ja treu zur Überlieferung und zu den Verheißungen zu stehen, die sie Gott verdankt.
Menschen, die im Herzen von Habsucht getrieben sind, nennt er „verfluchte Leute“ (2. Petr. 2, 14).
Die christliche Gemeinde ermahnt er, den christlichen Glauben als Fundament zu nehmen.
Auf diesem Fundament lassen sich Erkenntnis, Gespür für das rechte Maß, Geduld, Frömmigkeit, Liebe in der engeren Gemeinschaft und sogar die Liebe zu allen Menschen aufbauen. (2. Petr. 1,5-7).
Und: mögen auch viele Menschen dem Gericht Gottes verfallen, so warten wir Christenmenschen doch auf einen neuen Himmel und eine neue Erde nach Gottes Verheißung, in denen Gerechtigkeit wohnt (2. Petr. 3, 13).
Der Briefschreiber spricht davon, dass er wohl nicht mehr lange zu leben hat. Es ist ihm aber wichtig, dass – über seinen Tod hinaus – seine Botschaft im Gedächtnis bleibt.
Und nun setzt der heutige Predigttext ein:
16 Denn wir sind nicht ausgeklügelten Fabeln gefolgt, als wir euch kundgetan haben die Kraft und das Kommen unseres Herrn Jesus Christus; sondern wir haben seine Herrlichkeit selber gesehen.
17 Denn er empfing von Gott, dem Vater, Ehre und Preis durch eine Stimme, die zu ihm kam von der großen Herrlichkeit: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.
18 Und diese Stimme haben wir gehört vom Himmel kommen, als wir mit ihm waren auf dem heiligen Berge.
19 Um so fester haben wir das prophetische Wort, und ihr tut gut daran, dass ihr darauf achtet als auf ein Licht, das da scheint an einem dunklen Ort, bis der Tag anbreche und der Morgenstern aufgehe in euren Herzen.
20 Und das sollt ihr vor allem wissen, dass keine Weissagung in der Schrift eine Sache eigener Auslegung ist.
21 Denn es ist noch nie eine Weissagung aus menschlichem Willen hervorgebracht worden, sondern getrieben von dem heiligen Geist haben Menschen im Namen Gottes geredet.
(aus dem 2. Petrusbrief im 1 Kapitel)
Liebe Gemeinde,
„ich war dabei, ich habe es selbst miterlebt: damals, auf dem Berg der Verklärung.“
Der Briefschreiber, der das behauptet, nennt sich Simon Petrus und schlüpft damit in die Rolle und Autorität des Jüngers Jesu; derjenige war das, den Jesus vor dem Versinken im See Genezareth bewahrt hat; derjenige war das, der manchmal sehr mutig war und das Schwert geschwungen hat und manchmal kleinlaut und verzagt.
Petrus, der „Fels, auf den Christus seine Kirche baut“; Petrus, der den Herrn in der dramatischen Nacht vor Jesu Tod dreimal verleugnet und danach bitterlich geweint hat.
Hat dieser Jünger, der mit Jesus umhergezogen war, der nach dem wunderbaren Fischzug seinen Fischerberuf aufgegeben hatte, um „Menschen zu fischen“, tatsächlich auch jenen Brief geschrieben hat, den wir in der Bibel lesen können? – Das ist äußerst unwahrscheinlich.
Zu sehr spiegelt dieser Bibelteil die Probleme und gemeindlichen Verhältnisse wider, mit denen es die dritte und die vierte Generation in der Christentumsgeschichte zu tun hatte: die Treue zur Überlieferung einschließlich der Frage, wie man denn die Briefe des Paulus zu verstehen habe; die Abgrenzung gegenüber den Menschen, die mit ihrer am Wohlleben und am Geld orientierten Lebensweise auch eine Versuchung darstellen konnten.
Aber wie auch immer – es müssen nicht die selbst miterlebten Geschichten sein, die wichtig werden:
ein guter Geschichtslehrer kann von Verfolgung und Widerstand im Dritten Reich so erzählen, als sei er selbst dabei gewesen, wenn mutige Menschen Juden versteckt und gegen das Unrecht protestiert haben. Mit leuchtenden Augen und so, dass man merkt: das ist eine unglaublich wichtige Geschichte und nicht nur ein paar trockenes Fakten.
Mit dem Erzählen können wir sozusagen „gleichzeitig“ werden: mit Petrus und Jakobus und Johannes, die Jesus auf den hohen Berg begleiteten, wo sich Himmel und Erde berührten:
Himmel und Erde berühren sich im Erscheinen von Mose und Elia – zwei wichtige Gestalten der Bibel Israels, durch die Gott gesprochen hat; der Gott, der das Elend seines versklavten Volkes ansieht und den Weg in die Freiheit weist (Mosegeschichten); der Gott, der eifrig darüber wacht, dass das Volk sich an die Gebote Gottes hält und den Wohlstandsgöttern des Landes eine Abfuhr erteilt (Eliage-schichten).
Himmel und Erde berühren sich in der Stimme Gottes, die vom Himmel kommt und auf Jesus Christus weist: dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.
Himmel und Erde berühren sich, wenn das Licht Gottes in die dunklen Stellen des Lebens scheint und Traurige und Niedergeschlagene tröstet und aufrichtet.
Mit dem heutigen Sonntag, dem Letzten nach Epiphanias, schließt sich der Teil des Kirchenjahres, der mit dem Ersten Advent begonnen und der Weihnachten in der Mitte hat:
Der Weihnachtsfestkreis.
Und nun leuchtet dieser helle Schein in unseren Herzen (2. Kor. 4 – Epistel des Sonntags).
Christinnen und Christen, die sozusagen mit Jesus, Petrus, Jakobus und Johannes auf dem Berg der Verklärung waren, die Mose und Elia hören konnten und die Stimme Gottes vom Himmel – sie leben „noch irdisch“ und „schon himmlisch“ (EG 384). Der helle Schein, den Gottes Wort in unseren Herzen entzündet, ist die Erfahrung: „wir sahen seine Herrlichkeit“ und unbeirrbare die Hoffnung, das aktive Sich-Ausstrecken nach dem neuen Himmel und der neuen Erde, in denen Gottes Gerechtigkeit wohnen wird.
Das ist das „prophetische Wort“, das zu beachten der Briefschreiber uns einschärft.
Ein reiches Betätigungsfeld für christliches Engagement, auf dass Gottes Licht viele dunkle Stellen im Leben in unserer Zeit bescheine und aufkläre:
• elende Arbeitsbedingungen von Menschen, die in unser Land gelockt wurden
• die skandalöse Praxis, mit der den Wohlstandsgöttern ge-huldigt wird und unglaublich viele persönliche Entscheidungen nur vom eigenen materiellen Vorteil abhängig gemacht werden
• der leider alltägliche Rassismus
… (ggf. aktualisieren und ausformulieren).
Von der Schärfe der Auseinandersetzung, die der 2. Petrusbrief in seiner Zeit führt, können wir lernen, auch wenn wir nicht alles nachsprechen. Das ist jedenfalls kein betuliches Leisetreter-Christentum.
Christliches Leben ist ja das Gegenteil eines Sich-Einrichtens in der frommen Nische.
Vor allem aber können wir von ihm lernen, dass die letzte Frucht des christlichen Glaubens die Liebe zu allen Menschen ist, und dass uns eine große Hoffnung anvertraut ist. Amen
Fürbitten:
Gott, himmlischer Vater,
du berufst uns zu einer Existenz, die noch irdisch und schon himmlisch ist und erfüllt von deinem heilvollen Geist.
In der Taufe gliederst du uns ein in deine Kirche, der die Flut des Todes und die Pforten der Hölle nichts anhaben sollen; durch dein Wort leitest du uns auf verlässlichen, ja ewigen Wegen;
im Heiligen Abendmahl lässt du uns hier schon himmlische Gaben schmecken.
Wir bitten dich um Treue zur Erde und zum Himmel:
Treu lass uns sein und solidarisch mit den Menschen, die um ihre Rechte und ihre Freiheit kämpfen auf dem weiten Erdenkreis;
Treu lass uns sein den Menschen in unserer Nähe, von deren Nöten wir wissen:
die krank sind;
die sich schwer tun mit sich selbst und mit anderen;
die nach Orientierung suchen und nach guten Perspektiven für Arbeit und Beruf und die persönliche Zukunft;
die verzweifeln über ihrer Lebensgeschichte;
…
Für sie alle bitten wir um deinen Trost.
Treu lass uns sein in der Erinnerung an deine vielen guten, heilvollen Geschichten, in denen du, Gott, den Menschen begegnest;
Treu lass uns sein gegenüber deiner Verheißung eines neuen Himmels und einer neuen Erde, in denen deine Gerechtigkeit wohnt.
In der Stille lasst uns weiter beten und Gott anvertrauen, was noch persönlich auf dem Herzen und auf der Seele liegt. …
Verfasser: Pfarrer Ulrich Weisgerber
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