Wochenspruch: Kommt her und sehet an die Werke Gottes, der so wunderbar ist in seinem Tun an den Menschenkindern. (Psalm 66,5)
Psalm: 107,1-2.23-32
Reihe I: Markus 4,35-41
Reihe II: 2. Korinther 1,8-11
Reihe III: Jesaja 51,9-16
Reihe IV: Matthäus 14,22-33
Reihe V: Markus 5,24b-34
Reihe VI: 1. Mose 8,1-12
Eingangslied: EG 292 Das ist mir lieb, dass du mich hörst (auch mit Melodie 366)
Wochenlied: EG+ 18 Stimme, die Stein zerbricht
Predigtlied: EG 407 Stern, auf den ich schaue
Schlusslied: EG 320,7-8 Nun lasst uns Gott, dem Herren
Predigttext: Matthäus 14, 22-33
22 Und alsbald drängte Jesus die Jünger, in das Boot zu steigen und vor ihm ans andere Ufer zu fahren, bis er das Volk gehen ließe.
23 Und als er das Volk hatte gehen lassen, stieg er auf einen Berg, um für sich zu sein und zu beten. Und am Abend war er dort allein.
24 Das Boot aber war schon weit vom Land entfernt und kam in Not durch die Wellen; denn der Wind stand ihm entgegen.
25 Aber in der vierten Nachtwache kam Jesus zu ihnen und ging auf dem Meer.
26 Und da ihn die Jünger sahen auf dem Meer gehen, erschraken sie und riefen: Es ist ein Gespenst!, und schrien vor Furcht.
27 Aber sogleich redete Jesus mit ihnen und sprach: Seid getrost, ich bin's; fürchtet euch nicht!
28 Petrus aber antwortete ihm und sprach: Herr, bist du es, so befiehl mir, zu dir zu kommen auf dem Wasser.
29 Und er sprach: Komm her! Und Petrus stieg aus dem Boot und ging auf dem Wasser und kam auf Jesus zu.
30 Als er aber den starken Wind sah, erschrak er und begann zu sinken und schrie: Herr, rette mich!
31 Jesus aber streckte sogleich die Hand aus und ergriff ihn und sprach zu ihm: Du Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt?
32 Und sie stiegen in das Boot und der Wind legte sich.
33 Die aber im Boot waren, fielen vor ihm nieder und sprachen: Du bist wahrhaftig Gottes Sohn!
Und alsbald trieb Jesus seine Jünger, in das Boot zu steigen und vor ihm hinüberzufahren, bis er das Volk gehen ließe. Und als er das Volk hatte gehen lassen, stieg er allein auf einen Berg, um zu beten. Und am Abend war er dort allein.
Abstand nehmen, sich herauslösen aus dem Betrieb. Allein sein. In die Stille gehen. Für eine Zeit am Morgen oder am Abend. Wer bräuchte das nicht?! Jesus braucht es offensichtlich. Jesus ist so belegt, er muss die Zeit fürs Alleinsein mit Gott regelrecht frei räumen. So sehen wir ihn. So zeigt ihn uns das Evangelium hin und wieder, und auch hier: Jesus braucht Zeit und Stille, um zurückschauen auf das Vergangene. Um zu verarbeiten, was gewesen ist. Oder um sich vorzubereiten auf das, was kommt. Im Gespräch mit Gott.
Dieses Alleinsein Jesu wird besonders betont: Er schickt die Jünger „über’n See“. Er lässt das Volk gehen. Er steigt allein auf einen Berg. Und am Abend ist er dort allein, um zu beten. Die Stille des Berges macht es möglich, dass er Gott hört.
Das Beten braucht zuweilen dieses Alleinsein. Oder besser: Diese Zweisamkeit des Herzens mit Gott. Das ist nicht immer so. Wir beten auch viel gemeinsam: wenn wir Psalmen singen, wenn wir Fürbitte halten, wenn wir das Vaterunser beten. In manchen Gemeinden oder Gruppe auch im freien Gebet. Wir brauchen auch immer wieder andere, die uns mitnehmen ins Gebet. Gerade wenn uns die Worte fehlen oder wenn unser Herz müde ist zum Beten, ist es gut, wenn andere da sind, wenn wir den Anschluss finden an eine Gemeinschaft der Betenden: im Gottesdienst oder während einer Freizeit. Aber dann braucht es eben auch dieses Alleinsein zum Beten: Zeiten der Stille für Gott, mit Gott, am Morgen oder am Abend. Die Stille zum Hören auf Gott. Manche finden auch einen Tag im Monat oder eine Woche im Jahr dafür hilfreich.
Lassen wir Jesus also allein auf dem Berg im Gebet. Bei nächster Gelegenheit werden wir ihm in die Stille folgen, ins Gespräch mit Gott, in unsere Stille, in unser Gespräch mit Gott. Jetzt aber schauen wir, was in unserer Geschichte aus den Jüngern geworden ist.
Und das Boot war schon weit vom Land entfernt und kam in Not durch die Wellen; denn der Wind stand ihm entgegen. Aber in der vierten Nachtwache kam Jesus zu ihnen und ging auf dem See. Und als ihn die Jünger sahen auf dem See gehen, erschraken sie und riefen: Es ist ein Gespenst! und schrien vor Furcht.
Eine Nacht lang rudern sie. Stundenlang schweigend kämpfen sie gegen die Wellen. Verbissen und verzweifelt, als ob es um ihr Leben ginge. Und dann diese frühen Morgenstunden, wenn die Ängste übermächtig werden.
Die „vierte Nachtwache“, die Stunden zwischen Drei und Sechs, das ist die Zeit des Fiebers, die Zeit des Todeskampfes, aber auch die Zeit der Alpträume und der Angstphantasien. Da ist kein klarer Gedanke im Kopf mehr, nur ein Gewirr von wüsten Bildern und Schreckensszenarien. Die kennt so mancher von uns auch. Zu beunruhigt, um sich dem Schlaf überlassen zu können. Zu schwach und zu kraftlos, um richtig wach zu sein und der Wirklichkeit ins Auge zu sehen. So liegt man da. Da baut sich etwas auf: ein Gespenst. Ein „Phantasma“, wie es im Urtext unserer Geschichte heißt. Eine groteske Verzerrung der Realitäten in der Phantasie.
Nicht der Wind macht den Jüngern Angst. Gegen den könnten sie arbeiten. Die Situation ist zwar hart, aber bewältigbar. Nein, das „Phantasma“ macht ihnen Angst. Woher kommt so etwas? Woher nimmt so etwas seine unheimliche Kraft? „Sie schrien vor Furcht.“ Ein unheimliches Wechselspiel von realer Bedrohung und eingebildeten Projektionen, von wirklichen Anstrengungen, Kämpfen, Herausforderungen und der eingebildeten Sorge, all dem nicht gewachsen zu sein. Und da werden Menschen von lähmender Panik erfasst. Das Herz schreit vor Furcht.
„Die so genannten Tatsachen sind eigentlich auf irgendeine Weise immer zu bewältigen“, schreibt Dietrich Bonhoeffer aus dem Tegeler Gefängnis an seinen Freund Eberhard Bethge. Er erlebt die Panik der Gefangenen in ihren Zellen, wenn die Brandbomben auf Berlin niederprasseln. Die so genannten Tatsachen sind immer auf irgendeine Weise zu bewältigen. Es ist ein Gespinst aus Bedrohungen, Sorgen, Ängsten, Phantasien, das einen in Panik versetzt.
Das erfahren die Jünger im Boot. Sie sehen etwas, aber sie vermögen es nicht zu erkennen. Sie sind in Panik.
Aber sogleich redete Jesus mit ihnen und sprach: Seid getrost, ich bin's; fürchtet euch nicht!
Aus diesem Gespinst tritt ER als der Herr hervor. Mit einem Wort, mit einem Zuspruch gibt er sich zu erkennen. An seinem Wort, nicht an seiner Gestalt wird er erkannt. Wir merken schon: logisch ist an dieser Geschichte gar nichts. Hatte er die Jünger nicht vorausgeschickt über den See? Hatte er sich nicht in die Einsamkeit des Berges zurückgezogen, um zu beten? Wozu kommt er jetzt? – Er erscheint. Er geht auf dem See. Er kann, was nur der Schöpfer selber kann, der Himmel und Erde, Land und Meer und alles geschaffen hat. Das ist es, dazu kommt er jetzt: Er erscheint den Seinen als der, der eins ist mit Gott. Ganz und gar. Und das sagt auch sein Wort: „Seid getrost. Ich bin’s. Fürchtet euch nicht.“
Es ist wie eine Erinnerung an das Wort des Herrn zu Mose am Sinai: „Ich bin, der ich bin.“ Und es ist also ob er hier schon mal vorwegnimmt, was er auf dem Berg in Galiläa als Auferstandener zu den Jüngern spricht: „Siehe, ich bin bei euch alle Tage, bis an der Welt Ende!“ So spricht er kraftvoll und klärend in ihre Panik hinein. So erscheint er, tritt er hervor aus dem Gespinst von Bedrohungen, Sorgen, Ängsten und Phantasie: „Seid getrost. Ich bin’s. Fürchtet euch nicht.“
Könnte es damit nicht gut sein? Hätte es nicht genügt zu vermerken, dass er zu ihnen ins Boot trat, das das Unwetter sich legte und sie am Morgen das andere Ufer erreichten? – Wie froh wäre mancher, wenn er das erleben könnte! Ja, wie froh ist mancher, der die Geschichte bis hierher erlebt! Das Herz wird getröstet, die Panik legt sich, die Gedanken werden klarer, es kann einer den Fuß auf den festen Boden des kommenden Tages setzten, wenn Gott selbst in das verwirrende Zwielicht der Ängste und Sorgen sein morgenklares Wort spricht: Sei getrost! Ich bin’s. Ich bin bei dir. Fürchte dich nicht! Aus allen Irrungen und Phantasmen Ihn hervortreten zu sehen, in der schlimmsten Verwirrung und Panik Ihn zu erfahren als die wirklich tröstende, klärende Wahrheit, das ist schon viel.
Petrus aber antwortete ihm und sprach: Herr, bist du es, so befiehl mir, zu dir zu kommen auf dem Wasser. Und er sprach: Komm her! Und Petrus stieg aus dem Boot und ging auf dem Wasser und kam auf Jesus zu. Als er aber den starken Wind sah, erschrak er und begann zu sinken und schrie: Herr, hilf mir! Jesus aber streckte sogleich die Hand aus und ergriff ihn und sprach zu ihm: Du Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt?
Wie gesagt: Hätte die Erfahrung Seiner tröstenden Gegenwart, das Hören Seines klärenden Wortes nicht genügt? Das wäre doch schon viel. Petrus aber will mehr. Petrus will teilhaben an dem, was Jesus im völligen Einssein mit Gott, dem Vater, dem Schöpfer, vermag. Freilich nicht aus eigener Kraft. Nein. „Befiehl mir“. Auf dein Wort hin! Wenn Er sein vollmächtiges Wort spricht, muss es gehen.
Wir begreifen: Petrus ist nicht verrückt. Er ist nicht so vermessen, es dem Herrn einfach nachtun zu wollen, nach dem Motto: Was der kann, kann ich auch. So ein kleines artistisches Kunststückchen, um vielleicht seine Führungsrolle im Jüngerkreis zu untermauern. Nein, teilzuhaben am Einssein Jesu mit Gott, des Sohnes mit dem Vater, das mag wohl der tiefste Wunsch des Petrus sein. Und nur auf sein Wort hin will er es wagen: „Herr, bist du es, so befiehl mir, zu dir zu kommen auf dem Wasser.“
Und wieder sind wir bei uns. Wie können wir überhaupt den Fuß aufs Wasser setzten? Wie können wir überhaupt so ein fremdes, unsicheres Element betreten, von dem wir doch sicher wissen: es trägt nicht? Eine Aufgabe, zu der wir gefordert sind. Ein Lebensgelände, das wir noch nicht kennen. Etwas, wovon nach menschlichem Ermessen nur eines sicher ist: wir werden untergehen. Wir haben von uns aus nicht das Vermögen, uns oben zu halten. Wenn überhaupt, dann nur auf Sein Wort hin. „Befiel mir, zu dir zu kommen.“
Und dann geht Petrus auf den Herrn zu. Aber offensichtlich nur, solange der Blickkontakt zu Ihm hält. In dem Augenblick, als er das Bedrohliche rundum wahrnimmt, den Wind und die Wellen, beginnt er zu sinken. Und es ist nur die rettende Hand des Herrn, die ihn ergreift und vor dem Untergang bewahrt.
So sehen wir ihn nun, Petrus, den Fels, darauf der Herr seine Kirche gründen will. Er sackt ab wie ein Stein, wenn er nicht im Blickkontakt bleibt mit dem Herrn. Er würde untergehen, wäre da nicht die rettende Hand des Herrn, die ihn ergreift. Das ist gar kein spöttischer, überheblicher Blick auf Petrus. Nicht anders geht es dem Herrn wohl mit uns, wenn er mit uns sein Reich, seine Kirche, seine Welt bauen will: Nur auf sein Wort hin können wir das Element betreten, das uns nicht trägt: Befiehl, dass wir zu dir kommen. Nur im Blickkontakt mit ihm können wir gehen. Und nur Seine Hand ist es, die uns hält, wenn wir sinken.
Und sie traten in das Boot, und der Wind legte sich. Die aber im Boot waren, fielen vor ihm nieder und sprachen: Du bist wahrhaftig Gottes Sohn!
Das bleibt. Wer ihn so erfährt, der kann nicht anders als staunen und bekennen und anbeten: Du bist wahrhaftig Gottes Sohn.
Uns bleiben vier kostbare Einsichten aus diesem Evangelium: eine Erkenntnis, eine Warnung, eine Zuversicht, und eine Hoffnung.
Die Erkenntnis: Nur auf Sein Wort hin können wir Lebensgegenden betreten, von denen wir wissen: sie tragen nicht. Nur im Blickkontakt mit ihm werden wir nicht versinken.
Die Warnung - sie steht dicht daneben: Es ist nicht gut, sich mit dem Herrn zu verwechseln und können zu meinen, was nur er vermag.
Die Hoffnung: Möge er uns immer wieder entgegenkommen. Möge er unsere Gespinste und Angstphantasien auseinander treiben mit seinem klaren Wort: Seid getrost, ich bin’s, fürchtet euch nicht.
Und die Zuversicht: Er ist es, der uns hält, wenn wir sinken.
Amen.
Verfasser: Pfarrer Dr. Matthias Rost, Zinzendorfplatz 3, 99192 Neudietendorf, matthias.rost(at)ekmd.de
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