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Gottes Güte gegen unsere Selbstgerechtigkeit

von Jürgen Grimm (Neustadt)

Predigtdatum : 13.02.2022
Lesereihe : IV
Predigttag im Kirchenjahr : Septuagesimae
Textstelle : Jeremia 9,22-23
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Wochenspruch: Wir liegen vor dir mit unserem Gebet und vertrauen nicht auf unsere Gerechtigkeit, sondern auf deine große Barmherzigkeit. (Daniel 9,18)

Psalm: 31,20-25

Lesungen

Reihe I: Prediger 7,15-18
Reihe II: Matthäus 20,1-16
Reihe III: Philipper 2,12-13
Reihe IV: Jeremia 9,22-23
Reihe V: Matthäus 9,9-13
Reihe VI: 1. Korinther 9,19-27

Liedvorschläge

Eingangslied: EG 155,1-4 Herr Jesu Christ, dich zu uns wend
Wochenlied: EG 409,1-4 Gott liebt diese Welt
Predigtlied: EG 608 Alles, was wir sind
Schlusslied: EG 170 Komm, Herr, segne uns

Predigttext: Jeremia 9,22-23

22 So spricht der HERR: Ein Weiser rühme sich nicht seiner Weisheit, ein Starker rühme sich nicht seiner Stärke, ein Reicher rühme sich nicht seines Reichtums.
23 Sondern wer sich rühmen will, der rühme sich dessen, dass er klug sei und mich kenne, dass ich der HERR bin, der Barmherzigkeit, Recht und Gerechtigkeit übt auf Erden; denn solches gefällt mir, spricht der HERR.

Vorbemerkung

Die Predigt versteht sich als fiktives Zwiegespräch zwischen dem Prediger bzw. der Predigerin und dem Propheten und ist daher dialogisch aufgebaut. Die Predigt könnte insofern von zwei Personen vorgetragen werden, mit ein wenig Geschick in Veränderung von Stimmlage und Körperdrehung natürlich auch von einer Person.

Predigt

Liebe Gemeinde,

wie hätten sie stolz sein können: Özlem Türeci und Ugur Sahin, stolz auf Ihre Erfindung. Eine wahre Glanzleistung, die Entdeckung und Herstellung eines Impfstoffs, mit dem Millionen Menschen vor schlimmster Erkrankung, ja vor dem Tod gerettet werden konnten. Das Mainzer Erfinderpaar erhielt das Bundesverdienstkreuz dafür – und blieb bescheiden.

Stolz sein. Wer sich heute bewirbt, braucht nicht nur gute Noten. Man muss seine Stärken, seine Kompetenzen aufzählen können. Man muss belastbar, teamfähig, kommunikativ, führungsstark sein können, möglichst mehrsprachig und gut vernetzt. Bestens mit den digitalen Medien umgehen können.

Und seien wir ehrlich: wir sind doch auch stolz auf unsere Fähigkeiten und darauf, wenn uns etwas gelingt.

Wie kommt Jeremia, der Prophet, nur auf die Idee, uns das Stolzsein madig zu machen? Muss denn Religion immer alles auf den Kopf stellen? Darf ich nicht stolz sein auf Weisheit, Wissen, Klugheit, ja, auch auf clevere Geldanlage? Immer alles miesmachen!

Fragen wir den Propheten selber.

Lieber Jeremia,
Du ermahnst uns: Ein Weiser rühme sich nicht seiner Weisheit, ein Starker rühme sich nicht seiner Stärke, ein Reicher rühme sich nicht seines Reichtums.
Sag, was meinst Du damit?

Nun zunächst einmal sollst Du wissen, das sind nicht meine Worte, die du da zitierst, das ist ein Wort Jahwes. Also von Gott gesprochen. Es stimmt auch nicht, dass hier Fähigkeiten wie Weisheit, Klugheit, Stärke kritisiert werden. Aus ihnen kann Wunderbares erwachsen wie bei euch zurzeit die Überwindung einer Pandemie durch die Erfindung eines Impfstoffs. Einfach grandios!

Aber sich rühmen, sich selber loben für die eigene Gescheitheit und Stärke, das riecht doch stark nach Eigenlob. Sicher, Du kannst Dich glücklich schätzen, wenn Dir Talente hierfür in die Wiege gelegt wurden. Allerdings: Worauf Du dann stolz bist, hast Du in der Regel nicht aus dir selber, das hast du geschenkt bekommen von Gott oder Menschen. Also Vorsicht: von wegen alles meine Leistung.

Na gut, das verstehe ich. Ich soll mir nichts einbilden auf meine Weisheit. Nicht alles ist auf meinem Mist gewachsen. Aber irgendwie spüre ich, da muss mehr dahinterstecken, wenn Du oder Gott so heftig das Rühmen anprangern.

Na ja, lieber Prediger (liebe Predigerin), Du wirst es gleich besser verstehen.

Übrigens Du kennst unsere Sprache nicht. Das Wort, das Luther mit „rühmen“ übersetzt, hat bei uns einen besonderen Klang. Es kommt von hallal. Du kennst das. Ihr singt oder betet es im Gottesdienst: Halleluja. Und das heißt loben, preisen.

Danke für die sprachliche Nachhilfe. Also Loben, preisen, rühmen, das alles ist nicht im Sinne Gottes.

Stopp, lieber Prediger (liebe Predigerin). Du urteilst zu schnell. Es gibt sehr wohl ein rechtes Sich-Rühmen, doch dazu komme ich gleich. Eins nach dem andern.
Ich kann ein Lied davon singen, was Intellekt, Macht und Reichtum anrichten können. Zu meiner Zeit führte das in den Abgrund. Angebliche Klugheit wurde brutal missbraucht. Von wegen Klugheit und Weisheit. Unsere Herrscher setzten auf fragwürdige Bündnisse mit den Nachbarstaaten. Es wurde verleumdet und gelogen, das Recht ausgehebelt, die Menschen unterdrückt, ausgebeutet, Vernunft und Stärke ad absurdum geführt. Am Ende die schlimmste Katastrophe, die mein Volk je erlebt hat, der Untergang Judas, die Zerstörung Jerusalems samt Tempel, zigtausend Dahingemetzelte durch Nebukadnezars Truppen und schlussendlich die Verschleppung unserer Oberschicht ins Exil nach Babylonien.

Verstehe, dass Du da kritisch eingestellt bist bei solch niederschmetternden Erfahrungen.
Aber hätten denn nicht Leute wie Du das Ruder rumreißen können – eben mit Weisheit und Klugheit?

Schön wär‘s gewesen.
Und jetzt, lieber Prediger (liebe Predigerin), kommt Gott ins Spiel. Meine Landsleute hatten unseren Glauben aufgekündigt, sind anderen Gottheiten nachgelaufen. Und dann traf es mich. Gott beauftragte, ja verdonnerte mich förmlich dazu, die Leute zu warnen. Sie zurückzugewinnen. Dass sie endlich begreifen, dass sie mit ihrem Gescheit-sein-wollen und ihren Machtoptionen auf dem Holzweg sind.

Und sie haben nicht auf Dich gehört?

Von wegen auf mich gehört! Verfolgt haben sie mich. Geschlagen, gefoltert, bespuckt, verhöhnt, sich über mich lustig gemacht. Nur ganz knapp bin ich ihren tödlichen Anschlägen entkommen.

Wo war da Gott?

Ja, wo war da Gott?
In jeder noch so verzweifelten Situation hörte ich ihn sagen, „Ich bin mit dir, ich bin bei dir“. Wie hätte ich das glauben können? Die Wirklichkeit sprach dagegen. Ich sollte dem Volk den Untergang ankündigen. Und was passierte? Nichts!  „Na, wo ist denn dein Gott, na, wo bleibt denn die Katastrophe“, raunten meine Widersacher. Zu allem Übel gab es einige - wohl gekaufte - Propheten, die die Gefahren herunterspielten. Die beschwichtigten und die den Leuten vom Heil, von der Wende zum Guten erzählten. Alles erdichtet und erlogen! Wie soll man das aushalten? Einmal war ich soweit, dass ich Gott den ganzen Bettel hinschmeißen wollte, ich verfluchte meine Geburt, wünschte mir den Tod.

Ehrlich gesagt, ich versteh Deinen Gott nicht. Machte er Dich nicht zum Narren? Oder – und das wäre der Gipfel – wollte er sein erwähltes Volk einfach der Vernichtung preisgeben?

Nein! Nein! So dachte Gott nicht. Er wollte die Leute warnen, die Katastrophe abwenden. Er liebte doch sein Volk. Deshalb sein Appell: Wer sich rühmen will, rühme sich dessen, dass er wirklich klug sei, dass er mich kennt und weiß, dass ich der Herr bin, der auf Erden Güte, Recht und Gerechtigkeit schafft.

Wie sagtest Du? Gott schafft Güte, Recht und Gerechtigkeit auf Erden? Mag sein, dass er das so will. Aber die Realität sieht anders aus. Das brauche ich Dir nicht zu erzählen. Ich denke, viele Menschen heutzutage wenden sich von Kirche und Glaube ab, weil sie ein Eingreifen Gottes vermissen. Weil sie einfach nicht daran glauben können, dass GOTT es sein soll, der die Menschen zum Guten bewegt. Oder siehst Du das anders?

Unser Volk musste damals 50 Jahre warten, bis es von dem babylonischen Joch befreit wurde. Ich habe es nicht mehr erlebt. Aber die Generationen nach mir waren fest davon überzeugt, Gott hat seinen Bund nicht aufgekündigt. Er blieb – bei allem was geschehen ist – seinem Volk treu. Es gab einen Neuanfang.

Lieber Jeremia, am Ende unseres Gesprächs hätte ich doch noch gerne von dir gewusst, was soll ich unseren Gottesdienstbesucher*innen jetzt zusammenfassend sagen?

Sie dürfen sich rühmen, wenn sie kapiert haben, was Gott auf dieser Erde ausrichten will: Güte, Recht und Gerechtigkeit. Und dazu wird jede und jeder gebraucht. Wie diese drei Dinge konkret aussehen und umzusetzen sind, muss jede und jeder für sich selber herausfinden. Fest steht: an solchen Menschen hat Gott seine Freude. Ihnen hält er gewiss seine Treue.

Danke, lieber Jeremia.  (Amen)

Verfasser: Pfarrer i. R. Dr. Jürgen Grimm, Hambacher Treppenweg 1, 67434 Neustadt


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