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Gottes Güte gegen unsere Selbstgerechtigkeit

von Michael Erlenwein (Schifferstadt)

Predigtdatum : 09.02.2020
Lesereihe : II
Predigttag im Kirchenjahr : Septuagesimae
Textstelle : Matthäus 20,1-16
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Wochenspruch: Wir liegen vor dir mit unserem Gebet und vertrauen nicht auf unsere Gerechtigkeit, sondern auf deine große Barmherzigkeit. (Daniel 9,18)

Psalm: 31,20-25 (EG 716)

Predigtreihen

Reihe I: Prediger 7,15-18
Reihe II: Matthäus 20,1-16
Reihe III: Philipper 2,12-13
Reihe IV: Jeremia 9,22-23
Reihe V: Matthäus 9,9-13
Reihe VI: 1. Korinther 9,19-27

Liedvorschläge

Eingangslied: EG 447, 1–3+6+7 Lobet den Herren alle, die ihn ehren
Wochenlied: EG 409, 1-8 Gott liebt diese Welt
Predigtlied: EG 497, 1-4 Ich weiß, mein Gott
Schlusslied: EG 265, 1-5 Nun singe Lob, du Christenheit

Predigttext Matthäus 20, 1 - 16

Von den Arbeitern im Weinberg

1 Denn das Himmelreich gleicht einem Hausherrn, der früh am Morgen ausging, um Arbeiter anzuwerben für seinen Weinberg.
2 Und als er mit den Arbeitern einig wurde über einen Silbergroschen als Tagelohn, sandte er sie in seinen Weinberg.

3 Und er ging aus um die dritte Stunde und sah andere auf dem Markt müßig stehen
4 und sprach zu ihnen: Geht ihr auch hin in den Weinberg; ich will euch geben, was recht ist.
5 Und sie gingen hin. Abermals ging er aus um die sechste und um die neunte Stunde und tat dasselbe.
6 Um die elfte Stunde aber ging er aus und fand andere stehen und sprach zu ihnen: Was steht ihr den ganzen Tag müßig da?
7 Sie sprachen zu ihm: Es hat uns niemand angeworben. Er sprach zu ihnen: Geht ihr auch hin in den Weinberg.
8 Als es nun Abend wurde, sprach der Herr des Weinbergs zu seinem Verwalter: Ruf die Arbeiter und gib ihnen den Lohn und fang an bei den letzten bis zu den ersten.
9 Da kamen, die um die elfte Stunde angeworben waren, und jeder empfing seinen Silbergroschen.
10 Als aber die Ersten kamen, meinten sie, sie würden mehr empfangen; und sie empfingen auch ein jeder seinen Silbergroschen.
11 Und als sie den empfingen, murrten sie gegen den Hausherrn
12 und sprachen: Diese Letzten haben nur eine Stunde gearbeitet, doch du hast sie uns gleichgestellt, die wir des Tages Last und die Hitze getragen haben.
13 Er antwortete aber und sagte zu einem von ihnen: Mein Freund, ich tu dir nicht Unrecht. Bist du nicht mit mir einig geworden über einen Silbergroschen?
14 Nimm, was dein ist, und geh! Ich will aber diesem Letzten dasselbe geben wie dir.
15 Oder habe ich nicht Macht zu tun, was ich will, mit dem, was mein ist? Siehst du darum scheel, weil ich so gütig bin?
16 So werden die Letzten die Ersten und die Ersten die Letzten sein.

Liebe Gemeinde,

jeder bekommt von Gott, was er braucht – so ein Ärger!

Es geht heute um die ärgerliche Güte Gottes. Wenn das keine Jesus-Geschichte wäre, dann würden wir uns jetzt schon ärgern. Das reinste Chaos ist das, kein Oben und kein Unten, keine Ordnung, keine „Leistung muss sich lohnen“, sondern gleicher Lohn für ungleiche Arbeit.

Wäre es keine Jesus-Geschichte, dann hätten wir schon längst geschimpft. Oder den Erzähler für einen Träumer er-klärt, der keine Ahnung habe, wie es in der Welt zugehe und dass die Menschen so sind, wie sie nun mal sind. So aber werden wir gezwungen nachzudenken über ein verstörendes Verhalten, das allem widerspricht, was wir vom Leben zu wissen meinen. Eine fremde Sicht auf das eigene Leben – die aber ist gar nicht so verkehrt. Vielleicht werden die Augen geöffnet.

Zunächst einmal. Tagelöhner gibt es bei uns nicht mehr, Menschen, die ihre Arbeitskraft morgens auf dem Markt an-bieten und hoffen, dass jemand ihnen Arbeit gibt. Bei uns meldet man sich beim Jobcenter und bekommt eine Grundsicherung. Dass diese oftmals viel zu gering ist, steht auf einem anderen Blatt, aber wenigstens kommt das Geld regelmäßig und man ist krankenversichert.

Für die Menschen zur Zeit Jesu war die Tagelöhnererfahrung weit verbreitet. Ein Großteil der Landbevölkerung waren Ta-gelöhner ohne eigenes Land. Jeden Morgen versammelten sie sich auf dem Dorfplatz und hofften darauf, dass ein Bauer oder der Verwalter eines der großen Landgüter noch Hilfs-kräfte brauchen würde. Jeden Morgen von neuem die Unge-wissheit, ob sie heute genug verdienen würden, um sich und ihre Familie durch den Tag zu bringen. Jeden Abend von neuem die Enttäuschung, wenn es keine Arbeit gab und die Mägen knurrten. Eine unsichere und ungewisse, prekäre Existenz. So etwas steckt man nicht einfach so weg. Das hat auch Folgen für die eigene Seele.

Wenn Jesus also von den Arbeitern und dem Weinbergbe-sitzer erzählte, dann wussten seine Zuhörer, von was er redete. Jeder konnte sich in die Geschichte ohne Probleme ein-fühlen. Sie hatten das schon am eigenen Leib erfahren, müßig herumzustehen und auf Arbeit zu warten. Sie konnten sich leicht einfinden in die Tagelöhner der ersten, dritten, neunten und elften Stunde. „Was steht ihr müßig herum“, fragt der Weinbergbesitzer und die einzige Antwort, die es darauf gibt, ist: „Es hat uns niemand eingestellt.“ So weit, so alltäglich, so normal. Nichts Überraschendes.

Dann aber verändert sich die Geschichte, und der Ärger beginnt. Am Ende wird abgerechnet. Und die zuletzt Eingestellten bekommen genau so viel Lohn wie die ersten. Kein Wunder, dass diese sich ärgern. Sie haben in der Hitze des Tages geschuftet und erhalten nicht mehr. Das würde mir genauso gehen, wenn ich zu den ersten gehören würde; genauso wie ich dankbar wäre, wenn ich mehr erhalten würde, als ich verdiene.

Der Ärger verdeckt jedoch, dass im Grunde keiner benachteiligt wird. Jeder bekommt das, was vereinbart war.

Im Kopf, bei ruhigem Nachdenken, mag man das vielleicht noch einsehen. Aber das nagende Gefühl, das einem Unrecht getan wurde, bekommt man nicht los.

Dabei gibt es eigentlich nur Gewinner, jeder hatte Arbeit und jeder einen Lohn, von dem seine Familie satt werden konnte. Die ersten verlieren nichts und die letzten gewinnen etwas dazu.

Eine menschengerechte Ordnung, eine Ordnung der Güte. Wahrscheinlich musste Jesus das als Gleichnis vom Himmelreich erzählen. Lohn unabhängig von der Leistung – wer glaubt denn so was?

Sicherlich – man kann aus dem Gleichnis kein wirtschafts-politisches Programm machen. Das sollte man Berufeneren überlassen. Aber sich fragen darf man doch. Wenn Jesus über das Himmelreich erzählt, dann erzählt er gleichzeitig immer auch etwas darüber, wie diese Welt und die Menschen aussehen könnten. Eine fremde Sicht auf das eigene Leben. Vertraute Regeln, nach denen die Welt seit Generationen funktioniert, werden infrage gestellt. Wie wäre es denn, wenn jeder bekommt, was er braucht; und keiner kommt zu kurz. Werden wir wirklich ärmer, wenn andere zu ihrem Recht kommen? Und es könnte sein, dass wir beim Nachdenken dabei zu ganz erstaunlichen Ergebnissen kommen.

Überhaupt – nichts ist ein größerer Antreiber als die Angst zu kurz zu kommen, die Furcht, man würde nicht das erhalten, was einem zu Recht zusteht, der Neid, wenn andere scheinbar oder wirklich das bessere Ende der Wurst erhalten.

Das ist eine Grundangst des Menschen: Zu kurz zu kommen, zu wenig zu haben: An Aufmerksamkeit, Anerkennung, Liebe, Zuneigung und auch materiellen Dingen. So strebt man nach mehr: Mehr Erfolg, mehr Güter, mehr Konsum. Und Werbung und Fernsehen hämmern das einem geradezu ein, so als wäre das der einzige Weg zum Glück.

Schauen Sie sich einmal die Werbung oder die „Daily Soaps“ an, die jeden Nachmittag oder am frühen Abend laufen. Da sehen Sie lauter junge, erfolgreiche, durchgestylte, schlanke Menschen, die erfolgreich durchs Leben gehen, eine Welt, die aussieht als wäre sie direkt aus einer dieser Lifestyle-Zeitschriften wie „Landlust“ oder „Schöner wohnen“ entsprun-gen. Selbst in der Werbung für Arzneimittel oder Hilfsmittel für das Alter sehen die Alten so aus, als würden sie das gar nicht brauchen, was da angepriesen wird.

Die Kehrseite davon: Wenn nur die Gesunden, Erfolgreichen, Jungen, Arbeitsplatzbesitzer zu zählen scheinen, dann bemühen sich viele diesem Ideal zu entsprechen und haben ständig Angst dieses Ziel zu verfehlen und aussortiert zu werden.

Im Grunde kann man es auch nie erreichen, weil einem ständig irgendetwas fehlt. So spürt man eine ständige, an einem nagende Unzufriedenheit. Statt auf das zu schauen, was man hat, sieht man nur das, was einem fehlt, ist neidisch auf die, die es bekommen. Und da ist dann dieses tiefe Misstrauen: Dem anderen fällt in den Schoß, was ich mir mühsam verdienen muss.

Der Weinbergbesitzer im Gleichnis wendet sich an die, die permanent unzufrieden sind, die das Gefühl haben, übervorteilt zu werden, die aus ihrer Leistung ableiten, dass ihnen noch etwas zusteht.

Und er wendet seine ganze Überzeugungskraft auf, um zu zeigen, dass sie nicht zu kurz kommen, wenn andere auch etwas haben. „Ich tue dir nicht unrecht, du bekommst das, was wir vereinbart haben. Oder siehst du so scheel drein, weil ich so gütig bin?“

Wieder ist da der fremde Blick, Gottes Blick, in den Geschich-ten Jesu, auf unser Leben und das, was uns antreibt und umtreibt. Man braucht nicht ständig auf die eigenen Defizite starren oder sich von den eigenen unendlichen Ansprüchen terrorisieren zu lassen.

Gott schenkt uns die Freiheit, das alles zu lassen.

Gott ist von einer geradezu ärgerlichen Güte und Menschenfreundlichkeit. Gott sei Dank ist er das.

Er kümmert sich nicht, um die menschlichen Maßstäbe. Gottes Wille und Weg sind verschieden von dem, was wir gewohnt sind und was Menschen damals gewohnt waren. Damit bietet er uns eine Alternative, eine Möglichkeit, wie das Leben in dieser Welt auch noch aussehen könnte.

Eine Alternative zu haben ist immer eine gute Sache. Denn eine Idee davon zu haben, wie es anders sein könnte, schenkt Hoffnung. Das macht uns zu Menschen, die dies versuchen können. Mit all den Einschränkungen, die uns zu eigen sind, weil wir eben in dieser Welt leben und nicht im Himmelreich, aber als Menschen, die um diese Alternative, um Gottes Reich wissen, ihm etwas zutrauen und sich von der ärgerlichen Güte Gottes anregen lassen.

AMEN

Verfasser: Pfarrer Michael Erlenwein, Langgasse 61, 67105 Schifferstadt


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