Menü

Gottes gute Ordnungen

von Eckhard Käßmann

Predigtdatum : 21.10.2012
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : 19. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle : 1. Korinther 7,29-31
Wenn Sie diese Predigt als Word-Dokument erhalten möchten, tragen Sie bitte Ihre E-Mail-Adresse ein und klicken Sie auf "Abschicken"
Ihre E-Mail

Wochenspruch:
 

"Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was der Herr von dir fordert, nämlich Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott." (Micha 6, 8)
 

Psalm: 119, 101 - 108 (EG 748)
 

Lesungen
 

Altes Testament: 1. Mose 8, 18 - 22
 

Epistel: 1. Thessaloniker 4, 1 - 8
 

Evangelium: Markus 10, 2 - 9 (10 - 16)
 

Liedvorschläge
 

Eingangslied: EG 156 Komm, Heiliger Geist
 

Wochenlied: EG 443, 1 - 4 Aus meines Herzens Grunde
 

Predigtlied: EG 640, 1 - 3 EG 409, 1 - 8 Lasst uns den Weg der Gerechtigkeit gehen Gott liebt diese Welt
 

Schlusslied: EG 421 Verleih uns Frieden
 

Aus der Werkstatt des Predigtschreibers
 

Zum Text:
 

Er steht im Brief an die junge Gemeinde in Korinth. Sie braucht Hilfe. Orientierungshilfe. Anfechtungen aller Art begegnen der Gemeinde. Und Paulus schmeichelt, fordert, beansprucht, weist zurecht, verheißt. Alles aber geschieht, so einer seiner zentralen Sätze, auf dem Grund, der gelegt ist, und der ist Jesus Christus (1.Kor 3,11).
 

Von dort her ist die Welt zu betrachten. Gott ist Herr allen Geschehens. Wer sich auf diesen Herrn hat taufen lassen, hat einen Glück erheischenden Freibrief: “Alles ist mir erlaubt, aber nicht alles dient zum Guten. Alles ist mir erlaubt, aber nichts soll mich gefangen nehmen“(1.Kor 6,12).
 

Der zentrale Predigtgedanke:
 

Das ist es wohl. Paulus redet von der herrlichen Freiheit der Kinder Gottes. Die aber nur dann gewahrt bleibt, wenn sie sich nicht gefangen nehmen lässt durch die gesetzten Dinge dieser „alten“ Welt. Mit Jesu Kommen gilt ein anderer Anspruch. Wer sich auf Jesus hat taufen lassen, ist Angehöriger der „neuen“ Welt, einer neuen Zeit, die sich zumindest in Distanz zur „alten“ bewegt, wenn nicht gar im entschiedenen Gegensatz.
 

So ist in unserem Predigttext das „Haben als hätte man nicht“, das berühmte „hos me“ zu verstehen. Die Distanz zum Alltag verschafft Freiheit in Analyse und Aktion.
 

Nur wer nicht aufgeht in der Welt, kann in ihr sich christgemäß bewegen. Und so hat er die dann endlich anbrechende neue Zeit in seiner Person und Handlung anbrechen helfen.
 

Wer mag, kann mit Rudolf Bultmann argumentieren: „Der Glaube ist von der Angst des auf sich selbst vertrauenden, über die Welt verfügenden, ihr verfallenen Menschen befreit. Er kennt nur eine Sorge – wie er dem Herrn gefalle – nur das eine Streben. Frei von der Sorge der Welt, die an das Vergehende bindet…steht er der Welt frei gegenüber als einer, der sich mit den Fröhlichen freut und mit den weinenden weint, der am Handel und Wandel der Welt teilnimmt, aber in der Distanz des hos me.“ (aus meinem Zettelkasten, ohne Quellenangabe).
 

Das Kirchenjahr:
 

Der Text wird am Ende (20. Sonntag) der langen Trinitatiszeit gepredigt. Die Gemeinden bereiten Feste zur Kirchweihe oder zu Erntedank vor. Zeit der Freude, des Dankes, aber auch immer der Frage nach der Verbindlichkeit des Glaubens für mein Leben in dieser Kirche und Welt.
 

Die Lieder:
 

Diese sind bekannt. Das Lied EG 409 gibt verständlich wieder, was für mich der Korinthertext sagen will. Gott gehört die Welt. Wohin er uns stellt, sollen wir es zeigen in dieser Welt. Dort ist unser Platz. Dort zeigen wir als Christen Präsenz in „Kontemplation und Widerstand“(Dorothee Sölle) oder „Widerstand und Ergebung“ (Dietrich Bonhoeffer).
 

Das Lied EG 421 „Verleih uns Frieden gnädiglich“ sollte wieder mehr gesungen werden. Treffend bündelt es die christliche Botschaft.
 

Fürbittengebet aus: Agende EKKW, 2.Teil, besondere Fürbittgebete, Nr.851, abgewandelt durch Verfasser
 

Liebe Gemeinde,
 

ein erstaunlicher Text, oder? Eigentlich möchte man kopfschüttelnd die Bibel beiseitelegen und sich dem Sportteil der Zeitung zuwenden, wenn nicht beim zweiten Nachdenken der Reiz des Textes sich auftäte. Irgendwie verrückt dieser Text. Es heißt nicht, wie wir es in jeder „Apothekenrundschau“ lesen können, „Lebe Dein Leben!“ „Mach Dein Ding!“. Der Reiz des Textes liegt in den Zumutungen, die irritieren. Lebe so, als hättest du es nicht! Leben ja, aber nicht so verbissen! Gebrauch der Welt, ja, aber aus einer den Überblick verschaffenden Distanz. Kaufen, ja, aber nicht sich verkaufen. Eine Frau haben, ja, aber sie nicht besitzen.
 

Wer soll das verstehen? Folgen wir dem Denken des Paulus.
 

Er ist der Grundüberzeugung, dass wir nicht für uns selbst leben, nicht unser eigener Mittelpunkt sind und auch nicht der Mittelpunkt anderer, sondern dass unser Leben im Mittelpunkt der Liebe Gottes steht. Im Umkehrschluss heißt das: Des Christen Herz gehört allein Gott, und das hat Konsequenzen. Der Glaube justiert alles menschliche Dichten und Trachten neu. Davon spricht Paulus in unglaublichen Sätzen der Freiheit. Sätze aber nicht aus Geringschätzung und Abwertung gegenüber den gegenwärtigen Mühen der Menschen.
 

Weil Gott diese Welt liebt, darum sollen wir als seine Werkzeuge seine Liebe in dieser Welt auch leben, genau dort, wo Gott uns hinstellt. Vom Lohn der Mühen lesen wir im letzten Buch der Bibel. In der Offenbarung, Kapitel 21, heißt es: „Und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid und Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen.“
 

Paulus befreit durch seine zuweisenden Worte seine Leser und Hörer von der kleinmachenden Angst um die tägliche Daseinsvorsorge, von der Selbstverliebtheit und Selbstzentriertheit, von Angst und Gewalt; ja sogar den Tod überwindet der, der auf Gott vertraut.
 

Paulus‘ Botschaft ist die einer großartigen Befreiung des Menschen von sich selbst und seinen alltäglichen Nöten zu rückhaltloser Liebe allen, sogar den Feinden gegenüber. Hört auf, um euch selbst zu kreisen. Hört auf mit der Kleinlichkeit eurer Liebe, die mehr Fessel eurer selbst und anderer ist.
 

Dann nennt er ein Beispiel: Eine Frau haben, als hätte man keine! Wie bitte? Wie soll das gehen? Werden nicht beide eins, sollen sie nicht ein Leben zusammen bleiben, bis der Tod sie scheidet? Und dann dieser ärgerliche Satz! Was meint Paulus wohl?
 

Paulus macht Ernst mit der eigenen Freiheit und der Freiheit des anderen, der - wie ich selbst - nicht irgendjemandes Besitz ist. Ja. Ehe ist nicht Eigentumsübertragung auf den jeweils anderen. Ehe ist andauerndes Ausrichten auf die Bedürfnisse des anderen. Liebe braucht Raum, um mit der richtigen Distanz den anderen ganz zu sehen. Ein Liebesklumpen kann keine Bewegung zulassen. Und eine Beziehung braucht Bewegung, sonst erstickt sie. Dauerndes Werben braucht die Liebe. Sie braucht Spannung und Entspannung. Sie braucht das Ja-Wort als Grundsatz, aber sie braucht auch den streitbaren Dialog um den rechten Weg heute und morgen.
 

Das ist das Geheimnis einer dauerhaften, lebendigen Beziehung, in der nicht einer von beiden untergeht und nach Jahrzehnten bis zur Unkenntlichkeit verheiratet ist. Nur so gelingen wahre Beziehungen zwischen aufrecht bleibenden Menschen. So meint es dieser Satz wohl. Wie finden Sie das, liebe Gemeinde? Noch nicht überzeugend? Nun dann hören Sie auf folgendes Zitat:
 

„Lasst Raum zwischen euch. Liebt einander, aber macht die Liebe nicht zur Fessel. Lasst sie ein wogendes Meer zwischen den Ufern eurer Seelen sein. Singt und tanzt zusammen und seid fröhlich, aber lasst jeden von euch auch allein sein. So wie die Saiten der Laute allein sind und doch von derselben Musik erzittern. Gebt eure Herzen, aber nicht in des anderen Obhut. Denn nur Gottes Hand kann eure Herzen umfassen. Und steht zusammen, aber nicht zu nah; denn die Säulen des Tempels stehen für sich und die Eiche und die Zypresse wachsen nicht im Schatten des anderen“ (Khalil Gibran).
 

Das finde ich überzeugend! Beide, Paulus und der Dichter Gibran, argumentieren nicht von sich aus. Sie schauen auf die Beziehungen von Menschen einzig von Gott her. Er ist Maß. Gott überwindet menschliches Erkennen und nennt es Stückwerk. Er allein umfasst unser Herz ganz und erfasst deshalb menschliches Streben allein ganz. Wer miteinander recht und glücklich leben will, denke alles von Gott her. Deshalb können Paulus und Gibran sagen: Habt einander als Menschen, die Gott gehören. Geht mit euch selbst um als Personen, die Gott gehören. Die Würde des Menschen hat genau darin ihren Grund. Von dort her bekommt alles die Achtung voreinander. Wer die Würde eines Gottesgeschöpfes verletzt, bekommt es mit Gott selbst zu tun. Das war und ist Glaubensgut über Generationen hinweg. Die Achtung vor Gottes Wort und die Hoffnung in die Macht des Heiligen bringt uns doch auch heute hier im Gottesdienst wieder zusammen.
 

„Gott liebt diese Welt, er rief sie ins Leben.
 

Gott ist‘s, der erhält, was er selbst gegeben.
 

Gott gehört die Welt.“
 

So singen wir gleich. Der Liederdichter Walter Schulz will Gottes Liebe so verstehen, dass sie uns stärkt und herausfordert, uns für diese vorfindliche Welt einzusetzen, ihr nicht zu entfliehen in den stillen Winkel der Gleichgültigkeit.
 

Paulus schreibt nicht, um die Menschen zu irritieren. Paulus geht es um die Vollendung der Sache Jesu. Entschiedene Menschen braucht das Land. Deshalb fordert Paulus heraus. Ein Christ lebt in der Welt, aber er geht nicht in der Welt auf. Der Christ bezieht Stellung im privaten wie im gesellschaftlichen Leben. Denn Gleichgültigkeit ist die Sache des Paulus sicher nicht. Haben, als hätte man nicht, kann nur der, der von sich selbst absieht, der auf den anderen in neuer Weise aufmerksam wird und dessen Würde entdeckt. Dem anderen Menschen und sich selbst in Würde begegnen, ist Aufgabe der jungen Gemeinde in Korinth damals und der Gemeinden heute.
 

Unsere Gemeinden können die alten Paulusworte gut gebrauchen. Dass die Glieder der Gemeinde sich von Gott her verstehen, ist der Grund, von wo her sich alles andere aufbaut. Aber was strahlt davon auf den Einzelnen und die Gesellschaft über? Warum muss Paulus eins ums andere Mal dies in Briefen betonen?
 

Die Gemeinden sind vergesslich. Verlassen den Gottesweg. Straucheln. Fallen. Geben auf. Zu schwer ist die Umsetzung der göttlichen Wahrheit. Zu klein ist das Gottvertrauen. Deshalb immer wieder der Appell: Glaubt und handelt! Immer wieder mag Paulus Geschichten des gelingenden Gottvertrauens aufschreiben. Gottvertrauen, das Mut macht scheinbar unmögliche Dinge zu tun, etwa sich zu lösen vom Gelingen müssen aus eigener Kraft.
 

Wir werden die Erde vor dem Ende nur im Vertrauen auf Gott bewahren können. Göttliche Weisheit wird uns beistehen, wenn unser kleines Herz mutlos wird. Göttliche Kraft wird uns stärken, wenn wir vor dem Berg der Armut weltweit stehen und nicht weiter wissen. Er wird uns so lange um oder auf den Berg tragen, bis uns die Idee kommt, wie wir den Berg abtragen können. Er umfasst unser Herz ganz, wo wir es nur bruchstückhaft können wegen unserer Beschränktheit auf unser persönliches Wohlergehen. Gott verbindet Bruchstücke unserer Taten aus Nächstenliebe zu einem wunderbaren Ganzen, wo und in wem das erfüllte Versprechen einer gerechten Gesellschaft Wirklichkeit geworden ist. Hier findet jeder sein Glück im Glück des anderen. Aufrecht begegnen sich die Geschöpfe. In Achtung voreinander als Geschöpfe Gottes machen Menschen ihre Geschäfte, lieben sie einander, lachen und weinen sie.
 

Paulus ist überzeugt, dass in Kürze der Herr Jesus wiederkommt, um Gottes Reich zu vollenden. So sind seine scheinbar unzumutbaren Forderungen zu verstehen. Für kurze Zeit wünscht er sich gewaltige Anstrengungen in den Gemeinden. Verweigert euch den Sitten und Gesetzen der Zeit, haltet dagegen mit eurem Vertrauen in Gott alleine. Und er wird euch nicht alleine lassen. Denkt alles was ihr tut von Gott her, auch und gerade in der Wartezeit, bis er entscheidend wiederkommt und sein Versprechen erfüllt, dass alle Menschen wie Brüder und Schwestern angstfrei und in Würde beieinander leben – in der Familie, an der Arbeit, in Staaten und Religionen.
 

Vertraut auf Gott. Ihm gehört diese Welt. Ihm gebührt Ehre und Ruhm. Worauf noch warten? Gott ist doch mit uns, am Abend und am Morgen und gewiss an jedem neuen Tag. Ob vor oder nach der Sportseite – verhalten wir uns nicht gleichgültig. Die Gemeinde braucht uns!
 

Amen.
 

Lasst uns beten:
 

Herr, unser Gott, du siehst und hörst uns.
 

Du kennst uns, einen jeden.
 

Du liebst uns, eine jede.
 

Du hilfst uns immer und immer wieder.
 

Du bist der, der uns fordert und uns Zumutung ist.
 

Doch immer begegnest du uns als unser Heiland.
 

dafür danken wir dir.
 

Erwartungsvoll sind wir, wenn das Wesen der Welt vergeht und wir schauen dürfen, wozu du uns frei machen willst, dann wenn der Glaube diese Welt verzaubert.
 

Mach uns frei dazu.
 

Gib uns den rechten, aufrichtigen, tätigen Glauben
 

an dich, an deine Wahrheit.
 

Gib ihn allen Menschen.
 

Da ist keiner, der es nicht nötig hätte, mit glaubenden Augen zu sehen.
 

Zu wunderbar wird die Zukunft sein, auf die wir ungeduldig warten.
 

Milch und Honig werden fließen und das Leid hat ein Ende.
 

Verfasser: Pfarrer Eckhard Käßmann
 

Wilhelmshöher Allee 330, 34131 Kassel
 

Herausgegeben vom Referat Ehrenamtliche Verkündigung:
 

Pfarrerin Dr. Christiane Braungart, Markgrafenstraße 14, 60487 Frankfurt/Main,
 

 069 71379-140   069 71379-131
 

E-Mail: predigtvorschlaege@zentrum-verkuendigung.de
 

in Verbindung mit dem
 

Gemeindedienst der
 

Evangelischen Kirche
 

in Mitteldeutschland
 

Provinzialpfarrer Karsten Müller
 

Zinzendorfplatz 3, 99192 Neudietendorf
 

 036202 771797
 

und Pfarrer i. R. Wolfgang Hartmann
 

Edelweißweg 19, 06118 Halle/Saale
 

Die „Predigtvorschläge“ sind auch auf CD-ROM (Text- und WINWORD-Datei) erhältlich
 

und im Internet abrufbar (http://www.zentrum-verkuendigung.de/predigten.html)
 

E-Mail: predigtvorschlaege@zentrum-verkuendigung.de
 


Herausgegeben vom

Logo Zentrum Verkündigung

Referat Ehrenamtliche Verkündigung
Markgrafenstraße 14, 60487 Frankfurt/Main,
Telefon: 069.71379-140
Telefax: 069.71379-131
E-Mail: predigtvorschlaege@zentrum-verkuendigung.de

in Kooperation mit dem

Logo Gemeindedienst der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland
Gemeindedienst der
Evangelischen Kirche
in Mitteldeutschland

Pfarrer Dr. Matthias Rost
Zinzendorfplatz 3 (Alte Apotheke), 99192 Neudietendorf
Telefon: 036202.7717-97

Logo MÖD – Missionarisch Ökumenischer Dienst
Pfarrer Thomas Borchers
Missionarisch-Ökumenischer Dienst
Westbahnstraße 4
76829 Landau
Telefon: 06341.928912
E-Mail: info@moed-pfalz.de
Die „Predigtvorschläge“ sind auch auf CD-ROM (Text- und MS WORD-Datei) erhältlich (Bestellformular).