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Gottes gute Ordnungen

von Friederike F. Spengler (99636 Ostramondra)

Predigtdatum : 25.10.2020
Lesereihe : II
Predigttag im Kirchenjahr : 20. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle : Markus 2,23-28
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Wochenspruch: Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was der Herr von dir fordert, nämlich Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott. (Micha 6,8)

Psalm: 119,1-8.17-18

Predigtreihen

Reihe I: 1. Mose 8,18-22;9,12-17
Reihe II: Markus 2,23-28
Reihe III: Prediger 12,1-7
Reihe IV: Hohelied 8,6b-7
Reihe V: Markus 10,2-9(10-12)13-16
Reihe VI: 2. Korinther 3,3-6(7-9)

Liedvorschläge

Eingangslied: EG 162 Gott Lob, der Sonntag kommt herbei
Wochenlied: EG 408 Meinem Gott gehört die Welt
Predigtlied: EG 360 Die ganze Welt hast du uns überlassen
Schlusslied: EG 258 Zieht in Frieden eure Pfade

Predigttext Markus 2,23-28

Das Ährenraufen am Sabbat

23 Und es begab sich, dass er am Sabbat durch die Kornfelder ging, und seine Jünger fingen an, während sie gingen, Ähren auszuraufen.
24 Und die Pharisäer sprachen zu ihm: Sieh doch! Warum tun deine Jünger am Sabbat, was nicht erlaubt ist?
25 Und er sprach zu ihnen: Habt ihr nie gelesen, was David tat, da er Mangel hatte und ihn hungerte, ihn und die bei ihm waren:
26 wie er ging in das Haus Gottes zur Zeit des Hohenpriesters Abjatar und aß die Schaubrote, die niemand essen darf als die Priester, und gab sie auch denen, die bei ihm waren?
27 Und er sprach zu ihnen: Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht und nicht der Mensch um des Sabbats willen.
28 So ist der Menschensohn Herr auch über den Sabbat.

Gnade sei mit Euch und Friede …

Liebe Gemeinde,

wie gut, dass es in unserem Land einen geschützten wö-chentlichen Feiertag gibt! Der Sonntag dient zu Vielem – Sie haben sich heute für die schönste Form entschieden, ihn zu begehen, und so können wir gemeinsam Gottesdienst feiern. Andere treffen sich vielleicht als Großfamilie zum runden Geburtstag der Mutter oder nutzen den Tag zum Radfahren oder Wandern. „Es gibt den Sonntag. Gott sei Dank!“ heißt es auf der Startseite der mitteldeutschen Landeskirche bereits ab samstags. Ein bisschen Vorfreude. Zeit für die Vor-bereitung. 

Juden auf der ganzen Welt feiern den Schabbat. Dieser wöchentliche Ruhetag beginnt mit dem Vorabend. Wenn am Freitag die ersten drei Sterne am Himmel stehen, ist Feier-abend mit der Woche. Und das im wahrsten Sinne des Wor-tes. Alles ruht aus. So wie Gott nach den sechs Tagen der Schöpfung. Der siebte Tag der Woche will unsere Seele ins Gleichgewicht bringen. Nach all der hastigen und arbeit-samen Kurzatmigkeit atmen wir unter Gottes Schutz tief aus und ein. Alles Laute bleibt draußen, alles Eilige vor der Tür. Es ist ein Stück Zeitlosigkeit mitten in der Zeit. Der Fernseher bleibt aus, der dringende Termin hat auch noch übermorgen Zeit. Dieser Feiertag ist ein geschenkter Tag, so kann jede Woche in Ruhe beginnen, bevor der Alltag seinen eigenen Gesetzen folgt. Was für ein Segen! - (Als Pause beim Predigen: einmal tief aus- und einatmen ...)

Selbstverständlich hielt auch Jesus den Feiertag, den Schabbat ein. Er schöpfte aus den Quellen des Wortes Gottes und der Ruhe die Kraft für die kommenden Tage. 

Nun lesen wir in den Evangelien davon, wie Jesus mit anderen, oft auch mit den theologischen Lehrern in der jü-dischen Gemeinde diskutiert. Bei Markus sind es Schrift-gelehrte, häufiger noch Pharisäer, die mit Jesus streiten. Zu seiner Zeit gab es rund 6000 Pharisäer, Mitglieder einer religiös-politischen Gruppierung, die in Genossenschaften zu-sammenlebten, für die Dienste am Tempel zur Verfügung standen und besonders auf die strikte Einhaltung der 613 Gebote und Gesetze der Schrift achteten. 

Markus beschreibt das Verhältnis zwischen Pharisäern und Jesus problematisch, teilweise fragen die Gesetzeslehrer herausfordernd, teilweise antwortet Jesus darauf sehr direkt. Für Markus ist klar: Bereits in diesen theologischen Streitigkeiten erweist sich Jesus als alle überragend. 

Mit dieser Darstellungsweise im Gepäck ist seitdem unsere Kirche unterwegs. Auch antijüdische, verachtende und hasserfüllte Einstellungen haben sich daraus gespeist. Für diese Lesart des Evangeliums aber, liebe Gemeinde, ist Jesus kein Zeuge! Jesus war von seiner Geburt bis zum Tod Jude: be-wusster, überzeugter, praktizierender Jude. 

Sieht man die uns durch die Evangelisten überlieferten Streit-gespräche genauer an, erhält man einen guten Einblick in die Art und Weise, wie man seit alters her die Auslegung der Heiligen Schrift betrieb: im Ringen und das richtige, Gott und dem Leben dienende Verständnis des Wortes. Das, was die Thora, die fünf Bücher Mose lehren, ist gesetzt. In jedem Streitgespräch geht es dann um die jeweils konkrete Umsetzung ins Leben. Auch bei dem eben gehörten Abschnitt ist das die eigentliche Frage: Wie lebe ich das Gebot Gottes, wie setze ich es in meinem Alltag um? Vertiefen wir uns ein wenig in den Text. Vielleicht erhalten wir eine Ahnung davon, wie Jesus mit den jüdischen Lehrern und die Lehrer mit Jesus umgegangen sind. Zoomen wir uns also heran, um besser sehen, hören, verstehen zu können.

Jesus hat nach den Vorschriften und Gesetzen Gottes gelebt. Er hat sie nie in Zweifel gezogen, wohl aber die konkreten Umsetzungen ins Leben hinterfragt. So auch in der Erzählung von den ährenraufenden Jüngern. Man male sich die Szene einmal vor Augen: Junge Männer und Frauen haben sich um Jesus geschart. Wieder einmal sind sie unterwegs. Die Mägen sind leer. Was haben sie für Hunger! Da liegt ein Kornfeld am Weg. Jesus führt sie mitten hindurch. Leise wiegen sich vollen Ähren im Wind. Reif stehen sie in der Frucht, ein Leichtes ist es, sich links und rechts zu bedienen. So füllt man notdürftig den Magen. Jesus lässt die Seinen gewähren

Das fällt den gesetzestreuen Pharisäern auf: Jeder Jude weiß doch wohl, dass am Sabbat Arbeit verboten ist! Dazu gehört auch das Heranschaffen von Nahrungsmitteln. Wie ernst die Sabbatruhe genommen wurde und wird, erzählen Juden bis heute mit einem Witz: Ein Rabbiner sitzt am Schabbat vor seinem Haus und fragt jeden, der an ihm vorbeiläuft: „Bist du ein Heide?“ Endlich antwortet einer mit „Ja.“ Glücklich ruft der Rabbi ins Haus hinein: „Frau, ich habe einen Heiden gefunden, der wird uns das Licht anschalten, damit wir weiterlesen können.“  

Die Pharisäer nun hatten beobachtet, wie Jesus seine Jünger die Ähren raufen lässt, und stellen ihn zur Rede. Sie konfron-tieren ihn mit der Übertretung des Gesetzes. Sie sprechen ihn direkt an und Jesus kann reagieren. Ein fairer Streit also. So, wie tausendfach unter jüdischen Männern erprobt, die sich über Gottes Wort beugen und diskutieren, wie es auszulegen sei. Vielleicht wollen die hier geschilderten Pharisäer auch Jesu Lehre prüfen. Dieser jedenfalls lässt sich darauf ein. 

Die Geschichte von David und den Gott geweihten Broten, die Markus Jesus hier erzählen lässt, hat nichts mit dem Schab-bat zu tun. Hier geht es um eine Notlage, um extremen Hunger und dessen Folgen. Und der Priester Abjatar, der die geweihten Brote herausgibt, kommt dem Flehen um Brot auch nur nach, als er sich vergewissert hat, dass die Reinheitsvorschriften unter den jungen Männern eingehalten wurden. Also, so richtig passt die Geschichte nicht. Und Jesus zitiert an anderen Stellen die Verse aus der Schrift eindeutig und mit großer Kenntnis. 

Was Markus mit dieser Darstellung erreichen will, ist mir nicht deutlich. Wohl aber komme ich dem auf die Spur, was Jesus sagen will: „Heute erging es meinen Jüngern nicht anders als damals der Truppe um David. Ihr wisst schon, die Geschichte mit den Männern, die vor lauter Hunger am Tempel um die einzig verfügbaren Brote baten. Stellt das Gesetz nicht über die Liebe zu den Menschen. Vielmehr traut der Liebe zu, dass sie das Gesetz erfüllt. Ohne Liebe wird das Gesetz zu einem Dogma, bleiern schwer. Allein trägt es nichts bei zu einem Leben, wie es Gott gefällt. Die Liebe zu Gott und den Men-schen muss dazukommen. Seht doch: der Schabbat ist von Gott als Ruhetag für den Menschen geschaffen und nicht der Mensch ist dafür da, dass der Schabbat gehalten werde.“

Ob die Pharisäer erstaunt waren über seine Redegewandtheit? Oder verärgert über eine ganze Portion Dreistigkeit? Oder wütend über so viel Geschick? Markus erzählt nichts davon, wohl aber, dass Jesus regelmäßig in den jüdischen Tempel und in die Synagogen ging. Das Hören auf Gottes Wort, das ernsthafte Nachdenken, wie es im Leben eines jeden Gestalt gewinnen kann, das war ihm geistliche und geistige Heimat und Quelle. Eine Oase mitten im Gerede der Leute. 

Und das verbindet Jesus mit den Schriftgelehrten und Pharisäern: Ihre gemeinsame Suche nach dem rechten Ver-ständnis! Dabei stellt sich Jesus nie über seine Gesprächs-partner, wohl aber deutlich neben sie. Er streitet mit ihnen auf Augenhöhe, stellt Meinungen infrage, nicht aber die, die sie äußern. Jesus sagt immer wieder deutlich, dass er nicht gekommen sei, das Gesetz aufzulösen, sondern es zu erfül-len. Weil aber dieses Gesetz eine Liebesgabe Gottes ist, braucht es mehr als die strikte Befolgung, mehr als lehr-buchgemäßes Abarbeiten. Gott will eine liebende Erfüllung. „Es ist dir doch gesagt, Mensch, was gut ist und was der Herr von dir fordert, nämlich Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor deinen Gott.“ (Wochenspruch aus Micha 6) Jesu Reden und Handeln lösen genau dies ein – er erfüllt das Gesetz mit ganzem Herzen, ganzer Seele und all seiner Kraft. 

Damit ist er auch hierin Vorbild für uns: Abzuwägen, was jetzt wichtig ist: Sonntagsruhe oder Brot für die, die hungrig sind? Vielleicht ja zuerst den Hunger stillen und dann gemeinsam auf Gottes Wort hören? Immer wieder fragen, was in diesem Augenblick, das Gebot der Stunde ist. Jesus gibt uns keine Pauschalantwort. Vielmehr hinterfragt er Situation und An-lass stets neu. Christlicher Aktionismus wird sich ohne Besinnung auf die Bibel und Zeit zum Gebet totlaufen. Klösterliche Armut ohne Nächstenliebe wird egoistisch. Jesus selbst hat um die Balance, um das Gleichgewicht in dieser Sache ge-rungen. Ja, er hat das Schabbatgebot um des Menschen willen so ausgelegt, dass das Ährenraufen möglich war. Ja, er hat Menschen aufgefordert, aufzustehen, auch wenn das Stille sein am Feiertag gerade geboten wurde. Dann aber wieder hat er sich dem Drängen der Menschen entzogen, um vierzig Tage Wüste, Zeit für sich und Gott zu haben.

Jesus zeigt den Menschen seiner Zeit das Gesetz von einer neuen Seite: „Seht her“, sagt er, die „Ruhe des Schabbat ist euch zur Freude, zu Glück und neuer Stärkung gemacht. Gott ist nicht kleinlich, er will, dass ihr sein Gesetz zu euerm Schutz gebraucht.“

Liebe Gemeinde, mit dieser Lektion holt uns Jesus in die Geschichte hinein. Wir sitzen mit den Pharisäern und Schrift-gelehrten an einem Tisch, diskutieren mit. Und Jesus selbst lehrt uns: „Das Gebot ist für Dich gemacht“, sagt er. „Wenn es heißt: ‚Ich bin der Herr dein Gott, du sollst keine anderen Götter neben mir haben‘, dann verstehe es so: ‚Ich bin der Herr, dein Gott, du brauchst keine anderen Götter neben mir‘. Und wenn es heißt: ‚Du sollst nicht ehebrechen, stehlen und töten‘, dann verstehe es so: ‚Du hast es nicht nötig, die Ehe zu brechen, zu stehlen und zu töten‘. Gott hat dir alles geschenkt, damit du dies nicht tun musst. Bedenke, welche Freiheit das bedeutet! Gott schützt mit dem Gesetz dein Leben.“ 

Ja, Herr, aus deinem Wort kann ich viel lernen. Auch über mich. Über meinen kleinlichen Buchstabenglauben. Nimm mich in deine Lehre, Herr, damit ich höre, was damals die hören konnten, die mit dir am Tisch saßen: Das Gesetz ist für den Menschen gemacht und nicht der Mensch fürs Gesetz. So sei es auch bei uns –
Amen

Und der Friede Gottes …

Verfasserin: Dr. Friederike F. Spengler, Regionalbischöfin der Propstei Gera-Weimar, Talstraße 2, 07545 Gera


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