Wochenspruch: Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was der Herr von dir fordert, nämlich Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott. (Micha 6,8)
Psalm: 119,1-8.17-18
Reihe I: 1. Mose 8,18-22;9,12-17
Reihe II: Markus 2,23-28
Reihe III: Prediger 12,1-7
Reihe IV: Hohelied 8,6b-7
Reihe V: Markus 10,2-9(10-12)13-16
Reihe VI: 2. Korinther 3,3-6(7-9)
Eingangslied: EG 445 Gott des Himmels und der Erden
Wochenlied: EG 295 Wohl denen, die da wandeln
Predigtlied: EG+ 109 Meine Hoffnung und meine Freude
Schlusslied: EG 590 Herr, wir bitten: Komm und segne uns
Denk an deinen Gott, der dich geschaffen hat! Denk an ihn in deiner Jugend, bevor die Tage kommen, die so beschwerlich sind! Denn wenn du alt geworden bist, kommen die Jahre, die dir gar nicht gefallen werden. Dann wird sich die Sonne verfinstern, das Licht von Mond und Sternen schwinden. Dann werden die dunklen Wolken aufziehen, wie sie nach jedem Regen wiederkehren. Wenn der Mensch alt geworden ist, zittern die Wächter des Hauses und krümmen sich die starken Männer. Die Müllerinnen stellen die Arbeit ein, weil nur noch wenige übrig geblieben sind. Die Frauen, die durch die Fenster schauen, erkennen nur noch dunkle Schatten. Die beiden Türen, die zur Straße führen, werden auch schon geschlossen. Und das Geräusch der Mühle wird leiser, bis es in Vogelgezwitscher übergeht und der Gesang bald ganz verstummt. Wenn der Weg ansteigt, fürchtet man sich. Jedes Hindernis unterwegs bereitet Schrecken. Wenn schließlich der Mandelbaum blüht, die Heuschrecke sich hinschleppt und die Frucht der Kaper aufplatzt: Dann geht der Mensch in sein ewiges Haus, und auf der Straße stimmt man die Totenklage an. Denk an deinen Gott, der dich geschaffen hat, bevor die silberne Schnur zerreißt und die goldene Schale zerbricht – bevor der Krug am Brunnen zerschellt und das Schöpfrad in den Schacht stürzt. Dann kehrt der Staub zur Erde zurück, aus dem der Mensch gemacht ist. Und der Lebensatem kehrt zu Gott zurück, der ihn gegeben hat. (BasisBibel)
Ich lese den heutigen Predigttext aus dem Buch Prediger, dem 12. Kapitel (in der Übersetzung der BasisBibel).
(…)
Liebe Gemeinde,
das ist doch mal ein Text für uns. Für uns hier, Sie und mich, uns Menschen in Deutschland. Wir, mit einem Durchschnittsalter von rund 45 Jahren und einer Lebenserwartung von über 80. Nur um das richtig einordnen zu können: Auf dem afrikanischen Kontinent liegt das Durchschnittsalter bei unter 19 und die Lebenserwartung bei knapp über 60. Ein Text, eine Mahnung, ein Hinweis, gerade für uns, für Menschen, in einer Gesellschaft die alt wird, oder es eigentlich ja schon ist!?
In der wir uns vielleicht auch mehrheitlich direkt in einem der gezeichneten Bilder wiederfinden, die das Altern beschreiben: Der Sonne, die sich verfinstert; dem Zittern und Krümmen. Bei den wenigen, die mit uns zusammen übriggeblieben sind oder bei denen, die nur noch dunkle Schatten sehen und geschlossene Türen vor Augen haben. In der Angst vor Anstiegen und Hindernissen.
Die Furcht, die Sorge, die Angst vor dem Altwerden, sie klangen damals schon ganz ähnlich. Auch wenn wir heute andere Hilfsmittel haben, ganz andere Möglichkeiten und Unterstützung. Andere medizinische Vorsorge. Es bleibt die Sorge, auch die Angst vor dem Altwerden und all dem, was es mit sich bringt, an Einschränkungen und Entbehrungen. Wenn die Kräfte schwinden und der Bewegungsradius abnimmt.
Aber, interessanterweise ist das nur die Perspektive aufs Altwerden, aber offensichtlich nicht diejenige beim Altwerden. Es gibt in Deutschland einen Forschungszweig, der sich mit der Zufriedenheit beschäftigt. Also eine wissenschaftliche Suche danach, wann Menschen mit ihrer eigenen Situation im Reinen sind, zufrieden eben, in ausgeglichener Seelenlage. Und in diesem Forschungszweig spricht man vom Zufriedenheitsparadoxon. Davon also, dass die Zufriedenheit in den Jahren zwischen 20 und 25 und wieder über 65 am Höchsten ist. Das wird als U dargestellt und beschrieben, dem Zufriedenheits-U. Bei dem diejenigen über 65 wieder ähnliche Werte erreichen, wie die mit Anfang 20. Natürlich ist das ein Mittelwert und keine Aussage über die Seelenlage Einzelner. Kein Verdikt über das Schicksal, das manche Menschen im Alter hart trifft und das sie erleiden müssen. Aber, im Schnitt gesehen, kann man mit Blick auf unsere Gesellschaft sagen, dass Menschen über 65 zu den Zufriedensten gehören, auf die Länge des Lebens gesehen.
Das hat sicher viele verschiedene Ursachen. Wohl auch, dass Menschen dieser Altersgruppe nicht mehr im direkten Berufsleben stehen. Oder, wenn, dann nur aus freien Stücken und mit Themen, die sie wirklich interessieren. Und nicht, weil sie es müssen. Und so auch dem Konkurrenzkampf entzogen sind, um Aufstiegschancen und Verteilung von Macht und Geld.
Aber auch, dass sie heute mit entsprechender medizinischer Hilfe länger jung bleiben, fit und damit aktiv. Dass Sie vieles schon erlebt und gesehen haben, und manchem nicht mehr nachjagen müssen. Dass sie, eher eine Begegnung mit einem Familienmitglied oder einer Freundin wichtig finden als eine weitere Reise zu unternehmen, so die Forschung. Eben das Zufriedenheits-U!
Aber, natürlich, dass wir insgesamt noch älter werden, hat auch seine Auswirkungen auf die Seelenlage und je weiter das Leben fortschreitet und je schwieriger und mühsamer das Leben wird, desto trüber die Sicht darauf. Dann kommt, wie der Prediger es schon damals beschrieben hat, das Schwere zum Vorschein. Das, was den Ausblick trübt und auch die Zufriedenheit mindert. Klingt die eigene Schau auf das Leben wieder stärker, wie diejenige aus alttestamentlicher Zeit.
Aber, schon damals bleibt eine Hoffnung, eine Aussicht, eine große Perspektive: Gott, sein Dasein und Bleiben, sein Mitgehen und verlässlich sein. Vom Anfang bis ans Ende und darüber hinaus. In allen Phasen, in den guten und zufriedenen und gerade auch dann, wenn es schwer wird, mühsam und schleppend. Die Empfehlung des Predigers damals: Frühzeitig sollen wir uns ihm anschließen, in der Jugend, bevor die Tage kommen, die so beschwerlich sind.
Und ja, das ist natürlich ein guter Rat, sich Gott schon in der Jugend anzuschließen, mit ihm Vertrauen zu schließen, mit ihm sich aufzumachen und durchs Leben zu springen. Eine Freundschaft einzugehen. Schon eine lange gemeinsame Geschichte zu haben, bevor es holprig wird und schwer.
Aber, nicht jedem ist das möglich, nicht jede hat die Chance. Bei manchen läuft das Leben anders. Kommt es in der Jugend zu keiner Berührung mit Gott, kommt kein Kontakt zustande oder er bleibt flüchtig. Kommt Gott zu anderen Zeiten ins Spiel, ins Leben. Und wird Teil davon. Oder wird es auch nie. Zu keinem Moment, bleibt ein Fremdwort.
Aber, das Zufriedenheits-U und die Erforschung der jungen Alten machen gerade Mut, dass Lebensabschnitte nicht mehr so holzschnittartig zu sehen und zu begreifen sind. Ja, dass wir nicht nur in der Jugend, so frisch und frohgemut durchs Leben streifen, dass wir für neue Bekanntschaften offen sind, empfänglich, aufnahmebereit. Sondern, dass diese am Anfang und am Ende und sicher auch bei manchen in der Mitte passieren können. Gott sich andocken kann. Mit uns flirten und sich anschleichen. Uns auf der Straße des Lebens ansprechen. Und wir reagieren, offen sind, zuhören, nicht gleich weglaufen. Sondern dableiben. Vertrauen schließen.
(hier wäre Gelegenheit ggf. aus dem eigenen Erleben mit Gott zu erzählen).
Lebenslange Freundschaften sind etwas Wunderbares. Sie sind kostbar und unglaublich wertvoll. Sie gehen mit einem, durch alle Phasen, werden dichter und lockern sich wieder. Sind aber da, verlässlich, belastbar, wenn nötig. Stark und fest. Schön, wenn wir solche erleben dürfen und geschenkt bekommen. Wenn eine solche lebenslange Freundschaft auch mit Gott entsteht und trägt.
Aber, auch die neuen Bekanntschaften, die auf dem Weg dazu Gekommenen, die sich unerwartet zu uns gesellen und bei uns bleiben - überraschend, belebend, erhellend – sind ein Geschenk und eine Lebenshilfe. Wenn sie sich verstärken und mehr werden und mit uns gehen. Auch so kommt Gott zu uns. Als Bekanntschaft auf dem Lebensweg und im guten Fall lassen wir ihn bleiben, nehmen ihn hinein in dieses Leben, unser Leben. Und lassen ihn Teil davon werden, in den guten, bereichernden und heiteren Momenten und wissen ihn bei uns, wenn es schwieriger wird, holpriger, auch hart im Leben. Als verlässlichen Freund, als stärkende Freundin.
Das Zufriedenheits-U malt uns vor Augen, dass die guten, leichten Phasen im Leben, in denen neue Bekanntschaften es vielleicht leichter mit uns haben, im Leben gut verteilt sind. Sie auch noch im letzten Lebensdrittel liegen. Zumindest aber nicht nur zu Beginn. Und die Erfahrungen, die Sie und ich mit Gott gemacht haben, zeigen, dass er sich zu ganz unterschiedlichen Lebensphasen zu uns gesellen kann und will. Damit wir Freundschaft schließen. Eine, die gut tut – wie der der Prediger schon wusste - und hoffentlich lange hält und trägt. In diesem Leben und sogar noch weit darüber hinaus.
Amen
Verfasser: Pfarrer Marc Reusch
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in Kooperation mit dem
Pfarrer Dr. Matthias Rost
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