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Gottes gute Ordnungen

von Thomas Ludwig (67550 Worms)

Predigtdatum : 02.11.2014
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : 19. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle : 2. Korinther 3,2-9
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Wochenspruch:
"Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was der Herr von dir fordert, nämlich Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott." (Micha 6, 8)

Psalm: 119, 101 - 108

Lesungen
Altes Testament: 1. Mose 8, 18 - 22

Epistel: 1. Thessaloniker 4, 1 - 8

Evangelium: Markus 10, 2 - 9 (10 - 16)


Liedvorschläge
Eingangslied: EG 445, 1. 2. 5 Gott des Himmels und der Erde
Wochenlied: EG 295, 1 - 4 Wohl denen, die da wandeln
Predigtlied: EG 557 Ein Licht geht uns auf
Schlusslied: EG 157 Lass mich dein sein und blei-ben




Gnade sei mit Euch und Friede von Gott unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus. Amen
Liebe Schwestern und Brüder,

gleich zu Anfang eine Frage an die Jüngeren unter uns – an Euch, liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden:
Wer von euch schreibt gern Briefe? Wer hat in diesem Jahr überhaupt schon einen Brief geschrieben – mit der Hand geschrieben? (evtl. Antworten aufnehmen! Ansonsten mit vermuteter Antwort weiter predigen.)

Ich vermute, einen Brief zu schreiben, ein oder zwei A4 Sei-ten lang, das Papier zu falten, in einen Umschlag zu stecken, Marke drauf und dann zum Postkasten zu bringen – das kommt im Alltag von Jugendlichen in unserer Zeit eher selten vor. Und für mich selber gilt das eigentlich auch. Warum auch sollte man die 1 - 2 Tage Postweg abwarten bis so ein Brief angekommen ist? Oder gar eine oder mehrere Wochen bis die Antwort eintrifft? Die elektronischen Kommuni-kationssysteme wie E-Mail, sms, whatsapp oder wie sie sonst heißen, erlauben uns einen viel direkteren Austausch persönlicher Nachrichten. Kurze Texte werden beinahe in Echtzeit ausgetauscht. Das, was mir wichtig ist, teile ich mit, und die Antwort erhalte ich sofort. Ob diese schnelle Kommunikation besser oder schlechter ist als die langsame, die auf den Postweg angewiesen ist, das will ich heute nicht weiter untersuchen. Fakt ist, dass für uns heute ein auf Pa-pier geschriebener Brief recht selten geworden ist und eine völlig andere Bedeutung hat als noch für die Menschen vor 20, 30 Jahren.

Der gute Paulus, um dessen 2. Brief an die Korinther es heute geht, lebte nicht vor 20, sondern vor 2000 Jahren. Damals hatten Briefe noch mal eine ganz andere Bedeutung. Wir müssen uns vor Augen halten: die allermeisten Menschen damals konnten noch nicht einmal lesen und schreiben. Nur ganz wenige Leute mit besonderer Ausbildung konnten das. Und wenn dann solch ein Brief angefertigt war, musste er ja noch von A nach B transportiert werden. Es gab aber keine Post. Und auch keine motorisierten Fahrzeuge. Der Brief wurde also einem Boten anvertraut, der je nach Entfernung mehrere Wochen oder Monate un-terwegs war. Ich stelle mir vor: wer dann solch einen Brief in der Hand hielt, für den war das eine richtig große Sache. Man hat das Schriftstück dann wahrscheinlich immer und immer wieder anderen laut vorgelesen, hat darüber gespro-chen und einzelne Passagen diskutiert.

Eine Stelle im 2. Korintherbrief, die die Leute wohl ausführ-lich diskutiert haben werden, ist die folgende:
(Die Verse 1 + 2 werden hinzu genommen)
„Ist doch offenbar geworden, dass ihr ein Brief Christi seid, durch unsern Dienst zubereitet, geschrieben nicht mit Tinte, sondern mit dem Geist des lebendigen Gottes, nicht auf steinerne Tafeln, sondern auf fleischerne Tafeln, nämlich eure Herzen. (…) Denn der Buchstabe tötet, aber der Geist macht lebendig“

Wollte Paulus damit sagen, dass die 10 Gebote, die Mose in der Wüste dem Volk Israel auf den Steintafeln übergeben hatte, dass diese Gebote gefährlich, ja tödlich sind?

Das denke ich nicht. Paulus war ein sehr gebildeter Mann. Er war als frommer Jude aufgewachsen und hatte die Thora lesen gelernt. Natürlich kannte er auch die Propheten und alle anderen heiligen Schriften seines Volkes. Man kann wohl annehmen, dass er die 10 Gebote für wichtig oder gültig ansah. Aber er hatte die Erfahrung gemacht, dass Menschen an diesen Geboten scheitern können. Wenn sie benutzt werden, um andere Menschen zu unterwerfen und zu unterdrücken, dann sind sie sogar gefährlich. So ist es ja nicht nur mit den biblischen Geboten, sondern im Grunde mit allen Gesetzen: sie müssen immer interpretiert werden. Je nach Situation muss man den guten Geist bewahren, aus dem heraus ein Gesetz entstanden ist. Zum Beispiel das 9. Gebot: „Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten“. Konfirmanden lernen es gerne als Kurzform: „Du sollst nicht lügen“. Das ist scheinbar eindeutig. Aber wie wendet man dieses Gebot zum Beispiel in einer Situation der Verfolgung an? Im Film „Bonhoeffer, die letzte Stufe“ wird Dietrich Bonhoeffer verhört. Der Gestapo-Offizier will von ihm Informationen über den Widerstand gegen Hitler erhalten, möglichst Namen anderer Aktivisten. Er erinnert den Pfarrer an das 9. Gebot, er dürfe doch als Christ, als Theologe nicht lügen… Dietrich Bonhoeffer entscheidet sich für die Notlüge. Er konnte sich dabei auf Martin Luther beru-fen. Der hat schon im kleinen Katechismus den guten Geist des Gebots (nach Luthers Zählung ist es das Achte) so aus-gelegt: „Wir sollen Gott fürchten und lieben, dass wir unse-ren Nächsten nicht belügen, verraten, verleumden oder sei-nen Ruf verderben, sondern sollen ihn entschuldigen, Gutes von ihm reden und alles zum besten kehren.“

Das starre „Du sollst nicht lügen“ reicht also nicht immer aus, und in der Situation der Verfolgung kann eben auch eine Lüge notwendig sein, um dem ursprünglich guten Geist des Gebots gerecht zu werden, und andere Menschen nicht in Gefahr zu bringen und zu verraten.

So verstehe ich auch Paulus hier, wenn er schreibt: „Denn der Buchstabe tötet, aber der Geist macht lebendig.“ (V. 6)
An den Geboten kann man scheitern, aber deshalb sind sie nicht außer Geltung. Durch die Begegnung mit Jesus Christus hatte Paulus den guten Geist kennengelernt, der den Geboten zugrunde liegt, und der ihm half, die Gebote über-haupt erst richtig zu verstehen und anzuwenden. Gott hat den Menschen seine Gebote gegeben, um ein Zusammenle-ben in Frieden und gegenseitiger Vergebung zu ermöglichen. Die in Stein gemeißelten Buchstaben allein helfen dabei nicht weit. Es kommt darauf an, den Geist zu erkennen, die Intention, die sich hinter den Buchstaben verbirgt.

Und dieser Geist, das ist die Liebe Gottes, die in unsere Herzen geschrieben ist. Und das Vertrauen auf Gottes Gna-de, dass wir nach den in Stein gehauenen zehn Geboten leben können, die den Menschen jüdischen Glaubens gege-ben wurden. Und: dass er uns immer wieder aufrichtet, falls wir an dieser Aufgabe scheitern.

Paulus hatte das in der Begegnung mit dem Christus er-kannt. Und er hatte versucht, den Leuten in Korinth davon zu erzählen und es beispielhaft vorzuleben. Er hatte ja fast ein-einhalb Jahre dort verbracht, hatte die Gemeinschaft der Christen in der Hafenstadt mit aufgebaut.

Aber nun war er schon länger nicht mehr dort gewesen und schlechte Nachrichten aus Korinth hatten ihn erreicht. Andere Lehrer waren dort aufgetaucht, hatten die Leute beeindruckt durch scheinbar wundersame Fähigkeiten und wirre Lehren. Dass die Christen in Korinth sich auf Paulus berufen, das machen die Wunderlehrer lächerlich. Vielleicht haben sie ungefähr folgendes gesagt: „Wer ist denn dieser Paulus überhaupt? Was hat er denn besonderes vorzuweisen? Hat er euch vielleicht Empfehlungsschreiben gezeigt?“

Empfehlungsschreiben - Im Gegensatz zu persönlichen Brie-fen, die in unserer Zeit, wie gesagt, sehr selten geworden sind, ist ein Empfehlungsschreiben immer noch ziemlich wichtig. Wer sich für eine Arbeitsstelle in Deutschland be-wirbt, der sollte möglichst gute Zeugnisse vorweisen können. Und der Nachweis über ein soziales Engagement, zum Beispiel die ehrenamtliche Mitarbeit in der Kirchengemeinde, öffnet jungen Menschen immer wieder Türen für Ausbil-dungsstellen oder die Unterstützung durch ein Stipendium. Wenn die in der Personalabteilung verantwortlichen Men-schen solch ein Empfehlungsschreiben der Kirchengemeinde vorgelegt bekommen, dann wissen sie: „Aha, diese Bewer-berin, dieser Bewerber hat sich über die Schule hinaus en-gagiert, hat freiwillig Verantwortung in einer Gemeinde übernommen. Das lässt auf einen positiven Charakter schließen. Wahrscheinlich ist sie/er hilfsbereit, kommunika-tiv und teamfähig.“

Wahrscheinlich - aber nicht sicher. Denn am Ende ist auch der beste Empfehlungsbrief lediglich beschriebenes Papier. Da kann viel behauptet werden –problematische Seiten bleiben oft ausgespart und Nebensächlichkeiten werden un-ter Umständen blumig übertrieben. Wie ein Mensch wirklich ist, erweist sich erst mit der Zeit, wenn man ihn im Alltag kennenlernt.

Paulus warnt seine Freunde in Korinth sogar davor, solchen Empfehlungsbriefen zu vertrauen. Er selbst jedenfalls braucht keine Empfehlung von höheren Stellen; seine Glaubwürdigkeit erweist sich anders. Er schreibt:
„Ihr seid unser Brief, in unser Herz geschrieben, erkannt und gelesen von allen Menschen!
Ist doch offenbar geworden, dass ihr ein Brief Christi seid, durch unsern Dienst zubereitet, geschrieben nicht mit Tinte, sondern mit dem Geist des lebendigen Gottes, nicht auf steinerne Tafeln, sondern auf fleischerne Tafeln, nämlich eure Herzen.“ (VV 2 + 3)

Das ist ein starkes Bild!

Wenn ich damals in Korinth zur christlichen Gemeinde gehört hätte, ich glaube, damit hätte Paulus mich überzeugt.
Er stellt ein bis heute gültiges Qualitätsmerkmal für christli-che Wahrheit und Wahrhaftigkeit auf: Nicht Bescheinigungen oder beeindruckende Leistungen sind gefragt.

Es kommt darauf an, wie es im Herzen der Menschen aus-sieht. Und: wovon ein Mensch im Herzen überzeugt ist, das wird auch in seinen Handlungen, in seinem ganzen Leben erkennbar sein.

Da redet jemand vielleicht gerne fromm von Jesus und zi-tiert unermüdlich seine Botschaften wie das berühmte „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!“ Aber ist sein Herz vom Geist Jesu erfüllt, wenn derselbe Mensch dann hartherzig im Umgang mit anderen ist; wenn er seine Mitmenschen aus-nutzt und für eigene Interessen missbraucht? Wohl kaum.

„Ihr seid unser Brief…“ sagt Paulus.
Das gilt auch heute noch. Ob wir etwas auf Papier schreiben, oder Nachrichten in ein Smartphone tippen - darauf kommt es nicht an. Denn wenn wir die Botschaft von der Nächstenliebe und von der Vergebung der Sünden für uns selbst gelten lassen und darauf vertrauen, dann kann unsere Umgebung davon etwas spüren, dann hinterlässt das Spuren. Wie wir miteinander umgehen - darauf kommt es an.

An den 10 Geboten der steinernen Tafeln dürfen sich alle Menschen orientieren. Aber Paulus hatte in der Begegnung mit Christus begriffen: wer an den Geboten scheitert, darf darauf vertrauen, dass Gott Fehler verzeiht. Mit solchem Vertrauen im Herzen, werde ich auch mit den Fehlern meiner Mitmenschen barmherzig umgehen. Indem wir das be-herzigen, werden wir auch heute noch zu lebendigen Emp-fehlungsschreiben der Gnade Gottes. In unserem Alltag braucht es keine frommen Erklärungen – weder schriftlich, noch mündlich – um zu beweisen, dass wir Christen sind.

Aber wie herzlich und aufrichtig wir mit uns selbst und un-tereinander umgehen, das ist wichtig. Und spürbar. Wenn wir zum Beispiel „Gott fürchten und lieben, dass wir unseren Nächsten nicht belügen, verraten, verleumden oder seinen Ruf verderben, sondern ihn entschuldigen, Gutes von ihm reden und alles zum besten kehren“ – dann sind wir als Menschen zu erleben, in deren Herz der Geist von Jesus Christus lebendig ist.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, be-wahre Eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.
Amen

Verfasser: Pfarrer Thomas Ludwig
Herrnsheimer Hauptstraße 53, 67550 Worms

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