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Gottes heilendes Wort reicht über Grenzen hinaus

von Winfried Anslinger (Homburg)

Predigtdatum : 23.01.2022
Lesereihe : IV
Predigttag im Kirchenjahr : 3. Sonntag nach Epiphanias
Textstelle : Matthäus 8,5-13
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Wochenspruch: Es werden kommen von Osten und von Westen, von Norden und von Süden, die zu Tisch sitzen werden im Reich Gottes. (Lukas 13,29)

Psalm: 86,1-2.5-11

Lesungen

Reihe I: Johannes 4,5-14
Reihe II: Apostelgeschichte 10,21-35
Reihe III: Ruth 1,1-19a
Reihe IV: Matthäus 8,5-13
Reihe V: Römer 1,13-17
Reihe VI: 2. Könige 5,(1-8)9-15(16-18)19a

Liedvorschläge

Eingangslied: EG 70,1.3.4 Wie schön leuchtet der Morgenstern
Wochenlied: EG 295,1+4 Wohl denen die da wandeln
Predigtlied: EG 638,1-3 Ich lobe meinen Gott der aus der Tiefe mich holt
Schlusslied: EG 590,1-3 Herr, wir bitten, komm und segne uns

Predigttext: Matthäus 8,5-13

5 Als aber Jesus nach Kapernaum hineinging, trat ein Hauptmann zu ihm; der bat ihn
6 und sprach: Herr, mein Knecht liegt zu Hause und ist gelähmt und leidet große Qualen.
7 Jesus sprach zu ihm: Ich will kommen und ihn gesund machen.
8 Der Hauptmann antwortete und sprach: Herr, ich bin nicht wert, dass du unter mein Dach gehst, sondern sprich nur ein Wort, so wird mein Knecht gesund.
9 Denn auch ich bin ein Mensch, der einer Obrigkeit untersteht, und habe Soldaten unter mir; und wenn ich zu einem sage: Geh hin!, so geht er; und zu einem andern: Komm her!, so kommt er; und zu meinem Knecht: Tu das!, so tut er's.
10 Als das Jesus hörte, wunderte er sich und sprach zu denen, die ihm nachfolgten: Wahrlich, ich sage euch: Solchen Glauben habe ich in Israel bei keinem gefunden!
11 Aber ich sage euch: Viele werden kommen von Osten und von Westen und mit Abraham und Isaak und Jakob im Himmelreich zu Tisch sitzen;
12 aber die Kinder des Reichs werden hinausgestoßen in die äußerste Finsternis; da wird sein Heulen und Zähneklappern.
13 Und Jesus sprach zu dem Hauptmann: Geh hin; dir geschehe, wie du geglaubt hast. Und sein Knecht wurde gesund zu derselben Stunde.

Predigt

Ein Vorschein vom Reich Gottes
Vertrauen überwindet Gräben

Liebe Gemeinde!

Ein Fischerdorf in Palästina. Am See sitzen die Männer und flicken ihre Netze, es ist später Nachmittag. Bald werden sie in ihre Boote steigen und auf den See hinausfahren. Den ganzen Tag ist nichts geschehen, nur die Hähne haben gekräht.

Da gibt es einen Auflauf. Eine Gruppe Fremder ist angekommen. Jeder will sehen, wer das ist. Was wollen sie? Es ist Jesus mit seiner Gruppe, die man hier kennt. Vor Zeiten hat er hier in der Synagoge eine Predigt gehalten, über die man noch lange sprach. Simon, den Fischer und seinen Bruder Andreas hatte er damals mitgenommen. Er zog seitdem mit ihnen durchs Land. Da sind ja die beiden Brüder. Die Leute begrüßen sie. Wird der Rabbi heute wieder ein paar von uns heilen? Wieder eine Ansprache halten?

Da öffnet sich eine Tür. Im vornehmen Haus des Römers. Der Hauptmann tritt heraus. Er genießt Respekt im Dorf. Die Soldaten, Uniformen, Rangabzeichen machen was daher, doch die meisten mögen ihn nicht. Obwohl er sich nie etwas hat zuschulden kommen lassen. Aber er ist ein Vertreter der Staatsmacht, die Steuern eintreibt, Brückenzölle erhebt, die Menschen oft ungerecht behandelt. Der Evangelist Lukas erzählt, dieser Römer sei eine Ausnahme gewesen, ein anständiger Kerl auf der falschen Seite der Front. So etwas kommt vor.

……………………

Weil selbst die brutalste Gewaltherrschaft von Menschen ausgeführt wird. Von Menschen, die Gefühle haben, die Verantwortung empfinden, die selbst Eltern, Geschwister, Freunde haben, und denen es dann oft schwerfällt, Pflicht und persönliches auseinander zu halten. Unser Wahrnehmen und Verhalten wird mehr von Gefühlen bestimmt und dem, was wir erlebt haben, als vom Verstand, der Befehl und Gehorsam kennt, sich an Begründungen orientiert und scheinbaren Sachzwängen. Was gar nicht so selten dazu führt, dass im Finsteren plötzlich ein Licht aufleuchtet.

…………………………

Doch trotz all dem machen die Menschen erst mal Platz, als der römische Hauptmann schweren Schritts auf die Menge zu geht. Was hat er vor? Mit einem Rabbi hat so jemand doch nichts zu schaffen, denken sich einige nicht ohne Sorge. Er wird doch nicht von Amts wegen einschreiten? Die Wanderpropheten galten den Behörden als verdächtig, weil sie häufig mit dem politischen Widerstand sympathisierten, mit Leuten, die Mautstationen überfielen, Morde begingen.

Eine Kluft tut sich auf, die zwischen Staatsmacht und Zivilgesellschaft klafft, zwischen einer religiösen Autorität und einem Militär. Kann es da überhaupt zu einer Begegnung kommen?

Tatsächlich ergreift der Hauptmann das Wort und alle wundern sich. Er redet Jesus mit „Herr“ an. Einer, der sonst im Befehlston spricht. Redet wie ein Zivilist.

Damit bringt er Jesus jedoch in Verlegenheit. Die Stimmung ist derzeit im ganzen Land aufgeheizt: Wer sich mit Römern einlässt, macht sich leicht der Kollaboration verdächtig. Wie die Zöllner, die im Auftrag Roms überall Weggebühr kassieren. Darf Jesus mit so einem sprechen? Vor allen Leuten? Wie weit darf er gehen?

Er geht weit, sehr weit. Das hätte sich niemand im Dorf getraut. Der Grund ist schnell klar.

Der Römer ist in großer Not. Sein Knecht ist krank, stöhnt vor Schmerzen und kann sich auf seinem Bett nicht mehr regen. Es wird mehr gewesen sein als ein Hexenschuss. Schmerz ist eine schrille Klingel, ein Trompetenstoß, der einem durch Mark und Bein geht. Da werden alle Menschen gleich. Niemand unterscheidet mehr nach Herr und Knecht, Frau oder Mann, obwohl es heißt, Frauen könnten besser damit umgehen als Männer.

Jesus versteht sofort: „Ich will kommen und ihn heilen“, antwortet er. Mehr als jeder andere kann er sich in fremdes Leiden einfühlen. Erneut regiert das Gefühl über den Verstand, der zur Vorsicht rät. Der menschliche Impuls zählt mehr als die Gruppenmoral.

………………………

Eine Front kommt ins Wanken, so sehr, dass es nicht nur die Umstehenden merken, sondern der Hauptmann selbst. Obwohl er sich doch nichts dringlicher wünscht, als dass Jesus kommt und etwas tut, geht bei ihm eine Warnlampe an. Er ist ja kein Jude und er weiß, dass die Strenggläubigen nie das Haus eines Ungläubigen betreten. Er will Jesus, dem er offenbar vertraut, keine Scherereien machen. Er ist nicht nur ein anständiger Kerl, sondern auch einer, der Zwischentöne hört: „Herr, ich bin nicht wert, dass du unter mein Dach kommst.“  Spricht so jemand, der als Autorität vor Ort alle Macht hat? Von außen betrachtet schwer vorstellbar.

Der Mann gibt uns jedoch einen Blick in sein Inneres frei. Offenbar geht er in seiner Rolle nicht auf. Weil unter dem Panzer ein ganz anderer steckt. Einer, der auf gleicher Augenhöhe stehen möchte. Der anerkannt sein will. Und der sich jetzt tief betroffen fühlt vom Terror der unerträglichen Schmerzen bei seinem Knecht, der ihm scheinbar auch persönlich nahesteht. Er zeigt sich uns als Mensch, der um Hilfe ruft, weil mit den erreichbaren Mitteln und Kompetenzen nichts mehr auszurichten ist. Der versteht, dass die Fassade, die ihn stark gemacht hat, auf einmal nichts mehr wert ist. So greift er nach einem Rettungsring. Den erblickt er in Jesus, dem Propheten, dem ein legendärer Ruf als Heiler vorauseilt und der ihm jetzt zufällig beinahe vor die Tür gelaufen ist. Und damit dieser nicht vorübergeht, muss er ihn beeindrucken. Darum redet er Jesus mit „Herr“ an. Normalerweise wäre das umgekehrt. Er würde rufen und der andere müsste zu ihm kommen, dem Herrn. Er kehrt das Verhältnis um, indem er die Rolle des Untergebenen annimmt. Das ist nicht bloß sensationell für die Umstehenden, das ist auch klug, denn er überwindet damit den Graben, der sich normalerweise zwischen ihm und dem Juden Jesus auftut. Auf gleiche Augenhöhe, ja sogar darunter begibt er sich. Er wirft seinen ganzen Stolz, seine Autorität von sich, um eine Chance zu bekommen bei diesem Gegenüber.

In scheinbar aussichtsloser Lage sind die meisten von uns bereit, sich in die Hände anderer zu geben, die Rettung versprechen, auch wenn die Alltagsvernunft dem vielleicht widerspricht.

……………………………….

Davon leben Kliniken, die besondere, neuartige, altbewährte oder wie immer qualifizierte Krebstherapien anbieten, für solche Situationen gibt es Rettungsdienste und Notfallseelsorger. Im Ausnahmefall werden wir zu Ausnahmemenschen, die unerwartetes tun und vor allem eines dafür geben: Vertrauen. „Sprich nur ein Wort, so wird mein Knecht gesund!“

Auf ein zweites lässt der Hauptmann uns blicken: Er ist unzufrieden mit seiner herausgehobenen Stellung. Um sein ungewöhnliches Verhalten zu begründen, sagt er: „Auch ich bin ein Mensch, der unter Vorgesetzten steht, und unter mir habe ich Soldaten.“ Soll heißen: Auch ich bin ein Untergebener wie Ihr alle. Auch ich muss gehorchen. Deshalb geht es mir oft ebenso wie Euch. Doch bin ich in der Rolle des Vorgesetzten, fühle ich mich genauso unwohl: „Sag ich zu diesem geh! so geht er. Sag ich zum anderen Komm! So kommt er.“ Was soll das? Wäre es nicht besser, man könnte auf all das verzichten?

Ich vermute, dass dem Vorgesetzten des Hauptmanns solche Worte nicht zu Ohren kommen durften. Er hätte das System bedroht gesehen. Ohne oben und unten geht es da nicht. Die oben befehlen, die unten gehorchen. Wo kämen wir hin?

Wir kämen in eine bessere Welt, müsste der Hauptmann seinem Chef darauf antworten und schon wäre er rausgeflogen. Uniform, Pensionsanspruch, alles weg. Hätte er es gewagt? Später gab es tatsächlich welche, die haben ihre Entlassung aus dem Heer in Kauf genommen und schlimmeres.

Auch das kommt immer wieder vor. Dass Menschen plötzlich merken: Das kann ich nicht mehr mitmachen. Da muss ich raus. Oder die sich zumindest sagen: Besser, es wäre anders. Welchen Sinn hat das denn? Und die danach versuchen, einen Kompromiss zu finden mit dem, was sie nicht ändern können. Einen Ausgleich zwischen Gewissen und Pflicht.

…………………………….

Jesus versteht das Dilemma, in dem der Römer steckt, sofort. Schon dessen vorsorgende Ablehnung eines Hausbesuchs hat klargemacht, wie heikel das Ganze für beide ist. Er merkt, dass dieser Fremde das gleiche Einfühlungsvermögen besitzt wie er selbst und ist beeindruckt. Noch mehr aber rührt ihn das Vertrauen, das dieser Mann ihm entgegenbringt: „Bei keinem in Israel habe ich so großen Glauben gefunden“, staunt er. Um fast im gleichen Atemzug ihn und sich selbst aus allen Komplikationen zu befreien. Er sagt: „Geh hin, dir geschehe, wie du geglaubt hast.“

So gibt uns die Geschichte einen Eindruck davon, wie sich etwas, das die Bibel „Reich Gottes“ nennt, zeigen kann. Als ein zartes Vorscheinen in der Finsternis unserer weltlichen Abhängigkeiten und Leiden:

Der eine findet aus seinem Rollenzwang heraus, weil ihm die Not keine andere Wahl lässt, - der andere setzt sich über Verhaltensnormen hinweg. Der eine erweist sich trotz aller Vorurteile als ein grundanständiger Kerl, - der andere sieht die Not und handelt sofort. Gemeinsam zerschlagen sie die Schaukästen gefügter Systeme, die mehr Unheil bringen als Ordnung. Und am Ende tut Gott noch das Seine hinzu.

Der Evangelist erzählt uns diese Geschichte unmittelbar nach dem Bericht über die Bergpredigt, wo Jesus sagte: „Ihr seid das Licht der Welt. Euer Licht soll vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Werke sehen. Ihr seid das Salz der Erde.“ Will sagen: Mit Euch beginnt, was Gott mit unserer Welt vorhat und was er einmal selbst vollenden wird. Das war nicht als Forderung gemeint oder gar als Moralzwang, sondern als Angebot. Für Leute, die etwas mehr Phantasie haben, die hinaus denken können über die Schaukästen gefügter Systeme, wo von vornherein feststeht, wer die guten und wer die Schlechten sind. Für Leute, die an die Möglichkeit einer besseren Welt glauben. Das Reich Gottes beginnt in uns.

Übrigens ist der Ort der Bergpredigt, heute Berg der Seligpreisungen genannt, gerade mal 2 Kilometer von Kapernaum entfernt. Die zeitliche und örtliche Nähe ist kein Zufall.

Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Sonntag und eine gute Woche.

Amen

Verfasser: Winfried Anslinger, Homburg


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