Wochenspruch:
„Es werden kommen von Osten und von Westen, von Norden und von Süden, die zu Tisch sitzen werden im Reich Gottes.“ (Lukas 13, 29)
Psalm: 86, 1 – 11.17
Lesungen
Altes Testament: 2. Buch der Könige 5, (1 – 8) 9 – 15 (16 – 19 a)
Epistel: Römer 1, (14 – 15) 16 – 17
Evangelium: Matthäus 8, 5 – 13
Liedvorschläge
Eingangslied: EG 74 Du Morgenstern, du Licht vom Licht
Wochenlied: EG 293 Lobt Gott den Herrn, ihr Heiden all
Predigtlied: EG 495 O Gott, du frommer Gott
Schlusslied: EG 171 Bewahre uns, Gott, behüte uns, Gott
Was für eine Geschichte!
Sie ist an Irrungen und Wirren genau so reich wie an unerwarteten Wendungen, sie ist voll Spannung ebenso wie voller tiefsinniger Einsichten. Sie hat zwei offensichtliche „Helden“ – den Feldhauptmann Naaman und den Propheten Elisa und einige „Helden im Hintergrund“ – das namenlose Mädchen aus Israel und die Diener des Naaman. Schließlich zwei hohe Herren, die beiden Könige von Aram und Israel, die allerdings mehr zur Verwirrung beitragen und im Grunde Randfiguren bleiben, weil ihre offensichtliche Macht in die Schranken verwiesen wird. Der wirklich Mächtige ist der Gott Israels. Er ist der Eine und Einzige, der Leben spendet und erhält, der auch in Krankheit und Not heilt und hilft.
„Naaman, der Feldhauptmann des Königs von Aram, war ein treff-licher Mann vor seinem Herrn und wertgehalten“ – so beginnt unsere Erzählung. Ein Mann, eindeutig auf der Sonnenseite des Lebens, so könnte man meinen. Von seinem König „wertgehalten“, wie Luther wunderbar übersetzt. In diesem kleinen Wort wird die Bedeutung des Naaman deutlich. Und obwohl erst durch ihn militärische Überlegen-heit sich durchsetzen konnte, wirkt das Ende seiner Vorstellung wie ein Paukenschlag: „…jedoch aussätzig“! Aussätzig zu sein bedeutete kultische Unreinheit und damit am Ende den sozialen Tod. Nun war der aramäische König durchaus in einer Zwickmühle: Seine Sieg-Garantie wollte er nur ungern verlieren, eigentlich aber musste er den Naaman von seinem Hof verstoßen.
Rettung naht in dieser schwierigen Situation ausgerechnet von einer israelitischen Magd, einer Kriegsbeute, denn mit Israel lag Aram latent in Zwist, manchmal auch im Krieg. Ausgerechnet diese junge Frau weist den Weg zur Heilung: Es ist ein Prophet in Israel, und er kann helfen. Dumm nur, dass der König diese Anregung gründlich missversteht und meint, nur seinesgleichen habe die Macht, also: der König von Israel. Der wiederum wird ob der Bitte des königlichen Kollegen nervös, weil er einen Vorwand für neue kriegerische Aktivitäten wittert. Dieses Verwirrspiel hat komödiantische Züge, und erst der Prophet selber kann die Fäden entwirren: „Als Elisa, der Mann Gottes, hörte…“ Ja, die diplomatischen Verwicklungen zogen Kreise, nun naht die Lösung – aber wie!
Naaman ist gänzlich irritiert und nicht bloß das: Wütend ist er! Noch nicht mal persönlich will der Gottesmann ihn treffen. Durch einen Boten lässt er ihm eine simple Anweisung ausrichten. Viel zu simpel eigentlich: Wie soll das gehen?!
Naamans Lebenskonstruktion bricht nun vollkommen zusammen. Auch bezüglich der Heilung hatte er feste Vorstellungen. Er möchte mit seiner Krankheit ernst und wichtig genommen werden. Weiterhin möchte er die Kontrolle behalten über den Lauf der Dinge. Wieder verfällt er in die alten Denkmuster dessen, was er für angebracht und angemessen hält. Was so lange die Struktur seines Lebens geprägt hat, lässt sich nicht so leicht aufgeben: Es war das Vertrauen auf die eigene Leistung, das Wissen um die Anerkennung der Anderen und den eigenen Einfluss. Es war das Wissen darum, über andere und sich selbst bestimmen zu können, eigene Ideen und Vorstellungen zu verwirklichen, immer Herr der Lage zu bleiben, niemals Schwäche zu zeigen. Und wenn er schon zu einem fremden Gottesmann geht, dann soll der zumindest Zeichen und Wunder tun und zwar solche, die er nicht selbst tun könnte. Sol-che, die der äußeren Form nach dem entsprechen, was Naaman sich vorstellt!
Aber seine Erwartungen erfüllen sich nicht. Vorgefasste Meinungen versperren der Gnade Gottes den Weg. Gottes Gnade richtet sich nicht nach dem, was wir uns überlegt haben, was wir erwarten, wie wir es gern hätten. „Ich dachte, er würde... „ – so wird Gott zu einem Götzen und beide nehmen Schaden: Gott und wir. Gott ist anders. Anders als wir und anders als wir meinen.
„Da machten sich seine Diener an ihn heran, redeten mit ihm und sprachen: „Lieber Vater, wenn dir der Prophet etwas Großes geboten hätte, hättest du es nicht getan? Wie viel mehr, wenn er zu dir sagt: Wasche dich, so wirst du rein!“ Aus ihren Worten spricht große Demut genauso wie große Anerkennung seiner Person, gebotene Distanz ebenso wie persönliche Beziehung.
Wieder sind es Worte der Kleinen, die dem Wunder den Weg bereiten. Die Geschichte hätte hier ein übles Ende nehmen können, wenn sie sich nicht getraut hätten, das Wort zu ergreifen und ihre Sicht der Lage auszusprechen.
Alle, die in dieser Erzählung zum Wirken Gottes beitragen, werden „Knechte“ genannt: das Mädchen, die Diener hier, die Boten, die Elisa schickt und der Prophet selbst, ein Knecht Gottes. Sie sind Knechte, Diener des Wortes Gottes. Sie dienen seiner Ausbreitung, sie dienen der Erinnerung und dem Erweis seiner Macht. Welche Macht dem Wort Gottes zukommt, lesen wir im heutigen Evangelium: es bewirkt Heilung selbst über Entfernungen hinweg. Hier macht es den Naaman rein, selbst gegen sein Zaudern und Zürnen. Es wirkt ohne Bedingung, aber es bleibt nicht ohne Folgen. Gottes Wort durchbricht die Gefangenschaften, in die sich Menschen durch ihre eigenen Vorurteile und Erwartungen verstricken. Gottes Wort zeigt Alternativen, es gibt der Hoffnung Nahrung.
„Da stieg er ab und tauchte unter im Jordan siebenmal, wie der Mann Gottes geboten hatte. Und sein Fleisch wurde wieder heil wie das Fleisch eines jungen Knaben, und er wurde rein.
Und er kehrte zurück zu dem Mann Gottes mit allen seinen Leuten. Und als er hinkam, trat er vor ihn und sprach: Siehe, nun weiß ich, dass kein Gott ist in allen Landen, außer in Israel; so nimm nun eine Segensgabe von deinem Knecht… Und Elisa sprach zu ihm: Zieh hin mit Frieden!“
Naaman ist ein anderer geworden. Rein an Leib und Seele – und auf einmal nennt er sich selbst auch Knecht. Die wahre Erkenntnis Gottes – sie ist das eigentliche Wunder der Geschichte. Aus dem Heiden, der sein Herz an das hing, was Macht verspricht, wird ein Mensch, der zu Gott findet, der dem Wort Gottes traut. Aus all dem, was ihn gefangen hielt, aus aller Selbstverständlichkeit von Erfolg, Ansehen und scheinbar gelingendem Leben wird er befreit. Naaman erkennt Gott. Er erkennt, wem er Heilung und Leben verdankt. Seine Erfahrung wird zum Unterpfand seiner neuen Gottesverehrung.
Naaman zieht hin im Frieden. Er ist gekommen trotz aller inneren und äußeren Widerstände. Er hat sich raten lassen, er hat sich berühren lassen; zunächst von Worten, dann vom Wasser des Flusses. Er hat sich eingelassen auf einen neuen Weg und Dünkel und Hochmut überwunden. Er hat Gott erkannt und wird dieses Vertrauen auf Gott mitnehmen. Das macht diese Geschichte wunderbar, dass hier ein Mensch hinhört, dem Wort traut, den Erinnerungen anderer Vertrauen schenkt und deshalb neue Wege gehen will. Naaman überwindet das Bedürfnis nach Sicherheit und Kontrolle und macht die Erfahrung, dass er trotzdem geachtet bleibt.
Die Geschichte Naamans ist auch für uns eine Herausforderung zum Glauben. Sie ist für uns wie das Wort all der Knechte auf Naamans Weg für ihn. Die alttestamentliche Erzählung und das Evangelium bewahren die Erinnerung an die Macht des Wortes Gottes. Sie erzählen beide von der Erfahrung, dass Gottes Wort heilt. Sie erinnern daran, dass Leben und Tod, Krankheit und Heilung in seiner Hand liegen.
Naaman erkennt das erst, als seine Krankheit sein Leben und alles, was er sich erarbeitet hat, in Frage stellt. Erst, als er sich nicht mehr selbst helfen kann, sucht er Hilfe - und findet sie. Gott ist Herr über das Leben, ist größer als unser Herz und unsere Hand. Wir könnten uns früher daran erinnern lassen.
Aber das erfahren wir nicht immer. Wie oft beten wir gemeinsam um Frieden - und es ist immer noch Krieg. Wie oft sehnen wir uns nach Heilung und sie geschieht nicht. Wenn aber die Konsequenz daraus ist, dass die Sprache für Wünsche und Hoffnungen bescheiden wird, werden auch die Wünsche bald bescheiden. Dann werden die Hoffnungen im Sagbaren erstickt, dann trauen wir Gott eigentlich all das nicht mehr zu, was wir in biblischen Geschichten wie dieser hören. Dann wird aus Gottes Dienst Ritual, dann wird unser Trost kleinlaut. Der Glaube und die Hoffnung auf Gott, der verspricht, dass alles gut wird – er wird immer begleitet sein von Zweifel und Anfechtung. Sicherheit gibt es nicht: Wunderbare Geschichten wie die des veränderten Naaman sind der Einspruch gegen Hoffnungslosigkeit und Verzagen. Worte tragen die Erinnerung und machen das Vertrauen auf den erbarmenden, helfenden Gott glaubwürdig. So endet diese Geschichte voller wunderbarer Erinnerungen mit dem Wunsch Elisas: Zieh hin mit Frieden. Selbst der Geheilte bleibt auf dem Weg und auf der Suche. Anfechtung und Mühe, Zweifel und Verzweiflung begleiten diesen Weg, den allein die Erinnerung und die Hoffnung gangbar machen. Am Ende aber steht der Friede!
Und der Friede Gottes, welcher höher ist als all unsere Vernunft bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus
Amen.
Verfasser: Pfarrer Dr. Holger Saal
Fritz-Kalle-Straße 40, 65187 Wiesbaden
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