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Gottes Herrlichkeit entdecken

von Paul-Ulrich Lenz (63679 Schotten-Einartshausen)

Predigtdatum : 20.01.2019
Lesereihe : I
Predigttag im Kirchenjahr : 2. Sonntag nach Epiphanias
Textstelle : Römer 12,9-16
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Wochenspruch: "Von seiner Fülle haben wir alle genommen Gnade um Gnade." (Johannes 1,16)

Psalm: 105,1-8

Predigtreihen

Reihe I: Römer 12,9-16
Reihe II: Jeremia 14,1(2)3-4(5-6)7-9
Reihe III: Johannes 2,1-11
Reihe IV: 1. Korinther 2,1-10
Reihe V: 2. Mose 33,18-23
Reihe VI: Hebräer 12,12-18(19-21)22-25a

Liedvorschläge

Eingangslied: EG 452 Er weckt mich alle Morgen
Wochenlied: EG 398 In Dir ist Freude
Predigtlied: EG 390 Erneure mich, o ewigs Licht
Schlusslied: EG 170 Komm, Herr, segne uns

Predigttext Römer 12, 9 - 16

Das Leben der Gemeinde

9 Die Liebe sei ohne Falsch. Hasst das Böse, hängt dem Guten an.
10 Die brüderliche Liebe untereinander sei herzlich. Einer komme dem andern mit Ehrerbietung zuvor.

11 Seid nicht träge in dem, was ihr tun sollt. Seid brennend im Geist. Dient dem Herrn.
12 Seid fröhlich in Hoffnung, geduldig in Trübsal, beharrlich im Gebet.
13 Nehmt euch der Nöte der Heiligen an. Übt Gastfreundschaft.
14 Segnet, die euch verfolgen; segnet, und verflucht sie nicht.
15 Freut euch mit den Fröhlichen, weint mit den Weinenden.
16 Seid eines Sinnes untereinander. Trachtet nicht nach hohen Dingen, sondern haltet euch zu den niedrigen. Haltet euch nicht selbst für klug.

Liebe Gemeinde,

Wilhelm Busch, vor langen Jahren Essener Jugendpfarrer, erzählt folgende Geschichte: Zwei Jungen spielen auf der Straße. Der eine ist hinter einem Baum in Deckung gegangen und der andere greift ihn an. Er hat eine Spielzeugpistole in der Hand und schreit laut. Peng! Peng! Da fällt der andere Junge um: getroffen - tot. Wilhelm Busch ist stehen geblieben und fragt den Angreifer: Findest du das eigentlich gut, andere totzuschießen? Da sagt der kleine Knirps: "Ich mache es doch nur mit dem Mund."

"Nur Mundwerk" ist die Entschuldigung des kleinen Jungen. "Es ist ja nur Mundwerk" so entschuldigen wir wohl auch manchmal, wenn wir etwas gesagt haben, was besser nicht gesagt worden wäre, aber: Gott sei Dank ist es ein weiter Weg von den ärgerlichen Schimpfereien bis zur Tat. Es ist nur Mundwerk, das ist so ein Trost, weil es eben nicht zur Tat gekommen ist.

"Es ist ja nur Mundwerk" - kann aber auch zur Anklage werden. Das ist die schlimme Anklage, die es gegen Christ*innen geben kann, wenn sie nur reden und nicht tun, was sie reden. Das ist das schlimme Missverständnis, das es bei Christ*innen geben kann: dass der Glaube keine Folgen ins Leben hinein braucht, dass der Glaube keine Taten nötig hat. Wenn der Glaube zu bloßen Worten verkommt, wenn der Glaube keine Taten mehr hervorbringt, dann sagt der Jakobusbrief dazu: solcher Glaube ist in sich tot.

Damit der Glaube nicht "nur Mundwerk" bleibt, schreibt der Apostel Paulus die Sätze, die wir gehört haben, nach Rom. Damit der Glaube die Hände und Füße in Bewegung setzt, schreibt er. Damit der Glaube die Herzen aufschließt und durch den Geldbeutel geht, schreibt er. Damit der Glaube die Terminkalender verändern kann, schreibt er. Diese Worte des Paulus geben keinen Stoff für Theorien her. Sie geben keine Denksportaufgaben auf. Sie sind auch nicht geeignet, um über sie in große Diskussionen auszubrechen. Sie sagen schlicht, was wir tun sollen.

Es gibt einen Einwand gegen solche Worte: das versteht sich doch von selbst. Was Paulus fordert, das ist doch geradezu selbstverständlich! Das ist doch nur menschlich! Es gibt Menschen, die sagen: Wenn Paulus das Christen erst schreiben muss, dann "arme Christen".

Meine Antwort: es mag sein, dass es Leute gibt, die so etwas alles von selbst tun. Es mag sein, dass es Leute gibt, die sich ganz von selbst so dem Nächsten zugewandt verhalten. Meine normale Erfahrung aber ist eine andere. Und auch der Apostel Paulus hat eine andere Erfahrung gemacht: es ist alles andere als selbstverständlich, dass Menschen so miteinander umgehen: Es ist auch alles andere als selbstverständlich, dass Christ*innen so miteinander leben. Unsere konkrete Erfahrung lehrt es uns, unser Blick in die Zeitung zeigt es uns: das Arge feiert Triumphe, die Menschen tun sich schwer mit der Liebe, sie wischen dem anderen gar zu leicht eines aus, die offene Hand ist seltener als die geballte Faust.

Hören wir die Worte des Paulus einmal als Fragen an uns gerichtet:  

  • Bist Du so, dass Deine Liebe ohne Hintergedanken ist, dass sie immer offen ist, dass sie nie den eigenen Vorteil sucht?  
  • Bist Du so, dass es ganz klar ist: da braucht einer Hilfe und ich gebe sie ihm? Da braucht einer Trost und ich wende mich ihm zu. Da braucht einer meine Zeit und ich nehme mir die Zeit für ihn? Oder ist da nicht ganz schnell die Frage da: Wer hilft mir? Wer tröstet mich? Wer opfert mir seine Zeit?  
  • Bist Du so, dass Du ungerechte Angriffe einfach wegstecken kannst oder ballst Du auch die Faust in der Hosentasche?  
  • Bist Du so, dass Du immer auf die eigene Verteidigung verzichten kannst oder kämpfst Du nicht oft genug doch um Deine Rechte, Deine Interessen, Deine Macht?

Ich weiß nicht, wie Ihre Selbstprüfung ausfallen wird. Aber ich ahne von mir her - sie ist eine Frage nach der Liebe. Wie steht es um meine Liebe - zu den Nächsten, zu den Fernsten, zu den Fremden, zu den Nahen, zu den Kleinen und Großen? Die Liebe stellt Paulus an den Anfang dieser Worte. Weil sie der Dreh- und Angelpunkt des Verhaltens ist. Nicht Liebe als Gefühl - Liebe als ein Tun. 

1. Liebe macht wach im Sehen der anderen. Wenn Sie und ich durch die Straßen gehen, dann sehen wir Häuser und Menschen. Wir sehen wohl auch, dass es vielen gut geht. Aber: Wenn eine*r die Menschen um sich her wirklich sehen lernt mit den erbarmenden Augen Gottes – dann bekommt er auch ihre Not mit. Dann bekommt er auf einmal mit, dass viele Jugendliche tagaus, tagein irgendwo abhängen und ihre Zeit totschlagen. Dann bekommt er/sie mit, wie Kinder sich auf der Straße herumdrücken, weil ja zuhause niemand ist, der auf sie wartet, höchstens der Fernseher. Dann bekommt er/sie auf einmal mit, wie eine junge Frau nur noch wie im Leichenzugtempo gehen kann, weil eine Krankheit an ihr frisst und ihr die Kraft nimmt. Liebe fängt mit dem Sehen an.

Es gibt viele Menschen, die sehen Tat für Tag die Tagesschau,   aber sie sehen sie gar nicht mehr. Sie nehmen sie nur noch optisch wahr. Sehen, das würde ihr Herz in Anspruch nehmen. Sehen, wie Menschen elend sind, wie sie vor die Hunde gehen, wie sie inmitten einer reichen Welt erbärmlich verhungern, das würde mich ja in Bewegung bringen, mir den Appetit verschlagen und mir womöglich noch Schuldgefühle machen. Und so verschließen wir die Augen des Herzens. Lasst uns doch wagen, mit dem Herzen zu sehen, so zu sehen, dass wir uns in Anspruch nehmen lassen, dass wir nicht die Augen vor dem Elend verschließen, das da um uns ist.

2. Liebe überwindet Trägheit. Ich weiß nicht, irgendwoher kenne ich das Wort von der Trägheit des Herzens. Es ist eine Angst in mir, ob ich ein träges Herz habe. Ich habe Not gesehen, sie ist mir zu Herzen gegangen. Und dann sage ich, man muss etwas tun. Da muss irgendjemand heran, der etwas von der Sache versteht. Um den Alkoholiker muss sich ein Sozialarbeiter kümmern. Um den Kranken, da muss sich ein Krankenpfleger kümmern. Das sind Leute, die sind dafür ausgebildet worden. Was kann ich armer Kerl, der ich so viel Arbeit habe, denn schon groß machen?

Sehen Sie, so redet dann mein träges Herz. Es will sich nicht in Bewegung setzen lassen. Es ist wohl angerührt worden, aber es ist nicht bereit, bewegt zu werden. Deshalb sagt Paulus: seid nicht träge in dem, was ihr tun sollt. Die guten Taten der Liebe kommen nicht von selbst. Aus dem Wissen um die Not, aus dem Sehen wächst noch nicht von selbst das Tun. Es braucht ein zweites: es muss bei mir klar werden: Not, die ich sehe, nimmt mich in Anspruch. Durch diese Not, die er mir zeigt, zeigt Gott mir meinen Platz. Er öffnet mir die Augen, damit ich hier mit der Hilfe anfange. Hier beginnt der Kampf der Liebe in mir! Die Trägheit sagt: Das darf man alles nicht so ernst sehen, sollen doch andere helfen. Und außerdem: Du bist nicht zuständig. Und die Liebe in mir sagt: Gott hat auch nicht gefragt, ob er zuständig ist, er hat sich deiner erbarmt. Geh hin und gib weiter, was du hast.

Eine große Not unserer Zeit heute ist, dass wir als Zivilgesellschaft uns zu oft hinter den Staat zurückziehen. Dass wir meinen, wie könnten den unbedingten Ruf Jesu zum Erbarmen mit der geschlagenen Kreatur auf die staatlichen Stellen abwälzen: Sozialhilfe statt Nächstenliebe, Sozialarbeit mit Kindern, statt elterlicher Zuwendung, Jugendhilfe statt einer Jugendarbeit, die um den einzelnen Jugendlichen ringt.

Wir haben als Gemeinde Jesu Christi vor 150 Jahren manches angefangen, was heute zu einer sozialen Dienstleistung geworden ist und von staatlichen Stellen übernommen wurde. Aber dabei dürfen wir uns nicht beruhigen: unzählige Leute fallen durch das Gitter der sozialen Absicherungen hindurch. Von ihnen sind wir gefordert. Da gilt es, die Trägheit unserer Herzen zu überwinden. Nicht der Staat, wir sind gefordert. Nicht der Staat, wir haben den Auftrag: Übt geschwisterliche Liebe!

Das gilt auch für die großen Weltprobleme: Viele sagen: was kann ich schon machen. Wo soll ich schon helfen, wenn es diese Flut von Flüchtlingen gibt, wenn Millionen jedes Jahr verhungern. Was sind da meine paar Euro schon? Wie oft hören Sie und ich den Satz: Wir können doch nicht allen helfen, nicht alle retten. Nein, wir können nicht allen helfen, nicht alle retten - aber wir sind auch nicht zur Tatenlosigkeit verurteilt. 

Ein furchtbarer Sturm kam auf. Der Orkan tobte. Das Meer wurde aufgewühlt und meterhohe Wellen brachen sich ohrenbetäubend laut am Strand.

Nachdem das Unwetter langsam nachließ, klarte der Himmel wieder auf. Am Strand lagen aber unzählige Seesterne, die von der Strömung an den Strand geworfen wurden.

Ein kleiner Junge lief am Strand entlang, nahm behutsam Seestern für Seestern in die Hand und warf sie zurück ins Meer.

Da kam ein Mann vorbei. Er ging zu dem Jungen und sagte: "Du dummer Junge! Was du da machst ist vollkommen sinnlos. Siehst du nicht, dass der ganze Strand voll von Seesternen ist? Die kannst du nie alle zurück ins Meer werfen! Was du da tust, ändert nicht das Geringste!"

Der Junge schaute den Mann einen Moment lang an. Dann ging er zu dem nächsten Seestern, hob ihn behutsam vom Boden auf und warf ihn ins Meer. Zu dem Mann sagte er: "Für ihn wird es etwas ändern!"

3. Liebe lässt mich den anderen in seiner Situation suchen. Die Liebe zu uns Menschen hat Jesus vom Vater auf die Erde und ans Kreuz getrieben. Wenn uns diese Liebe erfasst, dann stellt sie uns gleichfalls Menschen zur Seite: den Fröhlichen und den Weinenden, den Hungrigen und den Gefolterten, den Verspotteten und den Geschlagenen. Ich glaube, dass hier dann der dritte Schritt der Liebe geübt werden muss: Liebe macht nicht nur den Geldbeutel auf, sondern sie setzt in Bewegung. Sie bringt mich dazu, die Einsamkeit eines Menschen mit ihm zu teilen. Sie bringt mich dazu, mein Haus zu öffnen, damit Leute kommen können, die sonst nicht wissen, wohin. Diese Liebe lässt mich die Zeit nutzen, lässt mich erfinderisch werden in dem, was ich tun kann. Und sie lässt mich wohl dabei auch einmal mich selbst vergessen, dass ich eigentlich dies oder das noch unbedingt tun wollte.

Liebe macht solidarisch, nicht in den großen Reden und den großen Aktionen, sondern im Handeln, auch, wo es keiner sieht.

Sehen Sie, das will Jesus von uns: dass wir, jeder an seinem Platz und in seiner Umgebung anfangen, Liebe zu üben, seine Liebe weiterzugeben an Menschen, die sonst nichts davon erfahren, dass Gott sie lieb hat.

Das ist Gottes Auftrag an uns für unsere Familien, für unsere Nachbarschaft, für unsere Berufsausübung und für unsere Stadt. Und dann will er auch, dass wir mit den gleichen Augen der Liebe diese ganze Welt sehen lernen und uns auch da in Anspruch nehmen lassen und zur Hilfe rufen lassen. Um in dieser Welt zu helfen, sucht Gott Menschen, die sich von ihm zu Werkzeugen machen lassen. Als einen unter vielen, der ihm dazu dienen soll, ruft er Sie und mich.

Verfasser: Pfarrer i. R. Paul-Ulrich Lenz, Am Litzenau 17, 63679 Schotten


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