Wochenspruch: Von seiner Fülle haben wir alle genommen Gnade um Gnade. (Johannes 1,16)
Psalm: 105,1-8
Reihe I: Römer 12,9-16
Reihe II: Jeremia 14,1(2)3-4(5-6)7-9
Reihe III: Johannes 2,1-11
Reihe IV: 1. Korinther 2,1-10
Reihe V: 2. Mose 33,18-23
Reihe VI: Hebräer 12,12-18(19-21)22-25a
Eingangslied: EG 70 Wie schön leuchtet der Morgenstern
Wochenlied: EG 74 Du Morgenstern, du Licht
Predigtlied: EG 382 Ich steh vor dir mit leeren Händen, Herr
Schlusslied: EG 65, 1+7 Von guten Mächten
1 Dies ist das Wort, das der HERR zu Jeremia sagte über die große Dürre:
(2 Juda liegt jämmerlich da, seine Städte verschmachten. Sie sinken trauernd zu Boden, und Jerusalems Wehklage steigt empor.)
3 Die Großen schicken ihre Diener nach Wasser; aber wenn sie zum Brunnen kommen, finden sie kein Wasser und bringen ihre Gefäße leer zurück. Sie sind traurig und betrübt und verhüllen ihre Häupter.
4 Die Erde ist rissig, weil es nicht regnet auf das Land. Darum sind die Ackerleute traurig und verhüllen ihre Häupter.
(5 Selbst die Hirschkühe, die auf dem Felde werfen, verlassen die Jungen, weil kein Gras wächst.
6 Die Wildesel stehen auf den kahlen Höhen und schnappen nach Luft wie die Schakale; ihre Augen erlöschen, weil nichts Grünes wächst.)
7 Ach, HERR, wenn unsre Sünden uns verklagen, so hilf doch um deines Namens willen! Denn unser Ungehorsam ist groß, womit wir wider dich gesündigt haben.
8 Du bist der Trost Israels und sein Nothelfer. Warum stellst du dich, als wärst du ein Fremdling im Lande und ein Wanderer, der nur über Nacht bleibt?
9 Warum bist du wie einer, der verzagt ist, und wie ein Held, der nicht helfen kann? Du bist ja doch unter uns, HERR, und wir heißen nach deinem Namen; verlass uns nicht!
„He’s gone again“, singt der britische Liedermacher Paul Millns. Er ist wieder fort. Bevor wir noch Amen sagen, ist Er schon wieder fort. Auf allen Straßen suchten wir Ihn, unter vielen Glockentürmen, in Häusern der Stille. Wir fragten Seine Freunde, aber Er ist nur noch eine alte Erinnerung; Er kam und ging - und nun ist Er fort. Auf den Schlachtfeldern dieser Welt suchten wir Ihn, in den Augen und Schreien verzweifelter Männer, aber hinter all dem Blut und Gestank hatte Er sich schon zurückgezogen - und nun ist Er fort. Wir suchten ihn bei den Sanftmütigen und Demütigen. Wir schauten nach ihm in geheimen Büchern – von Alpha bis Zen. Aber Er ist weit voraus, hat uns für immer verlassen, hat uns allein gelassen - und nun ist Er fort. Wir wissen nicht, wohin, wir wissen nicht warum, wir wissen nicht einmal wann. Bevor wir noch Amen sagen können, ist Er schon wieder fort. – „… don’t know where or why, or even when. Before we even say Amen, he’s gone again.“ – Bittere Worte von einem, der vieles versucht hat. Ein melancholischer Psalm eines Zeit-genossen, der Gott verloren hat.
Gott: wie ein Fremdling im Lande, wie ein Wanderer, der nur über Nacht bleibt? Das sind nicht die erschrockenen Zeilen eines Zeitgenossen. So klagt schon der Prophet Jeremia vor zweieinhalb tausend Jahren. Alle Quellen sind versiegt, das Land ist unfruchtbar. Die Ackerleute sind traurig und verhüllen ihre Häupter. Selbst Tiere auf freier Wildbahn finden keine Nahrung mehr. – Das sind Bilder für eine ent-setzliche geistliche Verarmung. Kein Trost, keine Gewissheit, keine Orientierung - nichts ist mehr zu finden, wovon der Mensch leben kann - he’s gone again.
Aber der Prophet klagt anders: Ach, Herr, wenn unsre Sün-den uns verklagen, so hilf doch um deines Namens willen! Ja, es kann sein, dass es an uns liegt, dass Gott uns wie ein Fremder vorkommt. Nicht weil Er sich wie ein Fremder verhält und schnell wieder verschwindet, sondern weil wir uns ihm entfremdet haben. Und Jeremia hat wohl Recht: dieses Eingeständnis, dass wir uns von Gott entfremdet haben, das ist unumgänglich. Denn unser Ungehorsam ist groß, womit wir wider dich gesündigt haben. Ja, wenn es an uns liegt, dass Du uns fremd geworden bist, weil wir uns getrennt haben von dir, weil wir Nichtiges zwischen Dich und uns gestellt haben, ja, wenn Du auch allen Grund hättest, Dich abzukehren von uns, so hilf doch – nicht weil wir bitten und betteln in unserer Not, unserer Armut, unserem brennenden Durst nach Dir, nein hilf doch um Deines Namens willen. Denn Dein Name, der ist ja: Ich bin da. Ich werde sein der ich sein werde. Ich erweise mich allezeit als der Lebendige, Mit-gehende. (2. Mose 3, 14) So erweise Dich jetzt als der Gegen-wärtige und der Lebendige, lass die Quellen des Lebens wieder sprudeln.
Leidenschaftlich appelliert der Prophet Jeremia an Gott, nennt ihn bei seinen schönsten Namen, wirft ihm vor, warum Gott denn so tut, als sei Er schwach, ein hilfloser Helfer, ein Held, der versagt hat, ja – wie Paul Millns singt – Gott, warum tust Du denn, als seist Du schon fort. Du bist der Trost Israels und sein Nothelfer. Warum stellst du dich, als wärst du ein Fremdling im Lande und ein Wanderer, der nur über Nacht bleibt? Warum bist du wie einer, der verzagt ist, und wie ein Held, der nicht helfen kann? Du bist ja doch unter uns, Herr, und wir heißen nach deinem Namen; verlass uns nicht!
Ist der HERR unter uns oder nicht? (2.Mose 17,7), das war und ist die bange zweifelnde Frage, die schon Israel auf dem Weg durch die Wüste des Lebens stellt. Ist der HERR unter uns oder nicht? Kein Tempel und kein Glockenturm, kein Ort der Stille, keine prächtigen Gottesdienste können Seine Gegen-wart garantieren. Kein spiritueller Lehrer, keine geistliche Übung kann die Sicherheit geben, dass Er unter uns ist. Kein Hilfeschrei aus der Tiefe, kein engelsgleicher Lobgesang kann Seine Anwesenheit beschwören. Gott ist frei. „… und wenn Dich einer in der Nacht erfasst, so dass Du kommen musst in sein Gebet – Du bist der Gast, der wieder weitergeht“, dichete Rainer Maria Rilke vor 100 Jahren.
Gott ist frei. Ja. – Aber die gute Nachricht ist: Er hat sich ge-bunden. Er hat sich gebunden an sein Wort, an seine Zusa-gen. Und darauf, allein darauf setzt nun der Prophet Jeremia. Du bist der Trost Israels und sein Nothelfer. … Du bist ja doch unter uns, Herr, und wir heißen nach deinem Namen; verlass uns nicht!
Das Land um uns her, die Welt, in der wir leben, ist wohl viel-fach so, wie der Prophet Jeremia sie beschrieben hat: dürrer, fruchtloser Acker. Der Boden der traditionellen Religionen oft ausgetrocknet und unfruchtbar. In den Kirchen lebt, wie Paul Millns sagt, oft nur noch eine alte Erinnerung. Die geistlichen Quellen sprudeln nicht mehr. Und viele mögen es so em-pfinden wie dieser Sänger: wir suchen Gott hier und dort, an traditionellen Orten, in der Not der Welt, bei den Armen, bei geistlichen Lehrern, aber before we say Amen, bevor wir Amen sagen können, ist Er schon fort. Wir wissen nicht wohin, wir wissen nicht warum, wir wissen nicht einmal wann. Ein entschiedener Atheismus ist das gar nicht. Gott scheint vielen Zeitgenossen einfach abhandengekommen zu sein. Und auch wer sozusagen „in freier Wildbahn“ – Jeremia sagt: wie die Hirschkuh und der Wildesel - außerhalb der traditio-nellen religiösen Institutionen und Ordnungen, nach spiritu-ellen Quellen sucht, geht leer aus, findet nichts, seinen Durst zu löschen.
Woran sollten wir uns da halten, wenn nicht, wie der Prophet Jeremia, an Gottes eigenes Wort, an Seine Zusagen? Du bist der Trost Israels und sein Nothelfer. … Du bist ja doch unter uns, Herr, und wir heißen nach deinem Namen; verlass uns nicht!
He’s gone again? Ist Er fortgegangen? Hat Er sich zurückge-zogen? Verbirgt Er sich vor uns? – Nein, sagen wir mit Jeremia: Du bist ja doch unter uns, Herr, und wir heißen nach deinem Namen; verlass uns nicht!
Du bist ja doch unter uns … Glauben kann ich an Gottes große Taten in der Vergangenheit. Glauben kann ich an sein Mit-gehen durch die Zeiten. Hoffen kann ich, dass es vielleicht wieder einmal so wird. Dass er sich auch in Zukunft wieder erweisen wird als der Lebendige, auch in unserem Land, auch in meinem Leben. Aber erfahren, „schmecken und sehen, wie freundlich der Herr ist“, und dessen gewiss werden, meinen Durst von Gott gestillt bekommen, und daran froh werden, das kann ich nur in der Gegenwart, hier und jetzt. Du bist ja doch unter uns.
Und so nehmen wir diesen einen Satz, diese eine Zusage mit in unseren Alltag, denn dort muss sie sich bewähren.
Wir nehmen sie mit in eine kleine stille Zeit am Morgen oder in ein intimes Zwiegespräch mit Ihm auf einem Spaziergang: Du bist ja doch unter uns, Herr, … verlass uns nicht!
Wir nehmen sie mit zu einem Besuch bei einem Schwer-kranken oder einem, der sichtlich auf der letzten Lebensstrecke ist: Du bist ja doch unter uns, Herr, … verlass uns nicht!
Wir können sie auch im Grunde unseres Herzens mitlaufen lassen, wenn wir die Nachrichten des Tages sehen [hier eventuell aktuell bewegende Nachrichten in Erinnerung bringen], aber auch die unbedeutenden Ereignisse, die es nie in die Top-Nachrichten schaffen: Die Mutter in Afrika, die ihre fünf Kinder heute satt bekommen hat, der Flüchtling in Deutschland, der seine Sprachprüfung mit gutem Erfolg bestanden hat.
Du bist ja doch unter uns, Herr, … verlass uns nicht!
Wir können diese eine Zusage, ja diesen Appell an Gott, auch mitnehmen, wenn wir an die schier unlösbaren politischen Aufgaben in der Welt denken: den Ressourcenverbrauch zu begrenzen, die Vermüllung der Meere zu stoppen, dem rasan-ten Klimawandel zu wehren.
Du bist ja doch unter uns, Herr, … verlass uns nicht!
Und auch wenn wir gefordert werden, Seine Gegenwart zu beweisen, oder von Ihm zu schweigen, wenn wir uns allein und verlassen fühlen in einer Umgebung der Gottvergessenheit: Du bist ja doch unter uns, Herr, … verlass uns nicht!
Vielleicht hören wir das eine oder andere Mal – wie Jesu Mutter im Evangelium von ihm hören muss: „Meine Stunde ist noch nicht gekommen.“ Das aber lassen wir nicht gelten. Nein, Herr, Deine Stunde ist jetzt. Hier und Jetzt. Du bist unser Trost. Du bist ja doch unter uns, und wir heißen nach deinem Namen; verlass uns nicht.! AMEN
Beim aufgehenden Morgenlicht preisen wir dich, Gott,
denn du bist der Erlöser der ganzen Schöpfung.
Schenke uns in deiner Barmherzigkeit einen Tag,
erfüllt mit deinem Frieden.
Vergib uns unsere Schuld.
Lass unsere Hoffnung nicht zuschanden werden.
In deiner sorgenden Liebe trägst du uns.
Verbirg dich nicht vor uns.
Du kennst unsre Schwäche. O Gott, verlass uns nicht.
Du bist unsere Hoffnung in Zeit und Ewigkeit Amen.
(Nach einem Gebet der Ostsyrischen Kirche)
Du unser Trost und unser Helfer,
kein Fremder für uns,
denn Du bist einer von uns geworden,
kein Wanderer, der wieder weiterzieht,
denn Du bist in unseren Schuhen gegangen,
und wir heißen nach deinem Namen.
Wir sagen dir, laut oder leise, was uns bewegt,
und bitten dich:
Du bist ja doch unter uns! Verlass uns nicht!
Vor Deine Augen stellen wir
die, denen es am Nötigsten zum Leben fehlt:
ausreichend Nahrung und gutes Wasser,
ein Dach überm Kopf und auskömmliche Arbeit.
Für sie und für uns bitten wir dich:
Du bist ja doch unter uns! Verlass uns nicht!
Dir vor die Füße legen wir
unsere Sorge um den Frieden in dieser Welt,
die Länder, in denen Despoten und Oligarchen herrschen,
die Menschen, die in ständiger Angst leben müssen
vor Terroranschlägen und vor staatlicher Willkür.
Für sie und für uns bitten wir dich:
Du bist ja doch unter uns! Verlass uns nicht!
Dir ans Herz legen wir dir
Unsere Freunde und Verwandten, Nachbarn und Kollegen,
besonders die, die die Verbindung zu Dir
niemals hatten oder irgendwann verloren haben,
oder die Dich nicht mehr zu erkennen vermögen
im Zwielicht der Zeit.
Für sie und für uns bitten wir dich:
Du bist ja doch unter uns! Verlass uns nicht!
Dir in die Hände legen wir
uns selbst, unser Geschick, unseren Weg,
unsere Zweifel, unsere Hoffnungen,
unsere Fragen, unsere Erwartungen,
unsere Entfremdung von Dir
und unsere Sehnsucht, Dir nahe zu sein.
Für sie und für uns bitten wir dich:
Du bist ja doch unter uns! Verlass uns nicht!
Verfasser: Pfarrer Dr. Matthias Rost, Arbeitsstelle Gottesdienst der EKM, Zinzendorfplatz 3, 99192 Neudietendorf
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