Gottes Herrlichkeit entdecken
von Kerstin Marx
Predigtdatum
:
16.01.2011
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
2. Sonntag nach Epiphanias
Textstelle
:
2. Mose 33,17b-23
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Wochenspruch:„Das Gesetz ist durch Mose gegeben; die Gnade und Wahrheit ist durch Jesus Christus geworden.“ (Johannes 1, 17)
Psalm: 105, 1 – 8
Lesungen
Altes Testament: 2. Mose 33, 17 b – 23
Epistel:Römer 12, (4 – 8) 9 – 16
Evangelium:Johannes 2, 1 – 11
Liedvorschläge
Eingangslied: EG 66, 1 - 3 Jesus ist kommen
Wochenlied: EG 398 In dir ist Freude
Predigtlied: EG 379 Gott wohnt in einem Lichte
Schlusslied: EG 171 Bewahre uns Gott
Der Predigttext wird während der Predigt verlesen
Liebe Gemeinde,
wann kenne ich jemanden? Welche Bedingungen müssen erfüllt sein, damit ich zu Recht sagen kann: Ich kenne denjenigen oder diejenige? Wenn ich seinen Namen kenne – am besten den Vor- und Nachnamen? Dann kann ich jemanden direkt anreden, ihn rufen. Vielleicht gehört dazu auch, zu wissen, wo er wohnt oder eine E-Mail-Adresse oder eine Telefonnummer zu kennen? Kenne ich jemanden erst, wenn ich ihm persönlich begegnet bin, mit ihm gesprochen habe, seine/ihre Stimme gehört habe? Reicht schriftlicher Kontakt per Brief, E-Mail oder Chat aus? Gehört es zum Kennen, dass ich mich über ein Thema, eine Frage mit jemandem ausgetauscht habe? Muss ich jemanden gesehen haben, sodass ich mir mit meinen eigenen Augen ein Bild von ihm habe machen können?
Ich wage zu behaupten: Erst, wenn ich jemanden mit meinen Sinnen, mit Augen, Ohren, Händen wahrgenommen habe, wenn ich jemandem wirklich begegnet bin, dann kann ich sagen: Ich kenne ihn oder sie.
Aber ist es nicht oft so, dass ich jemanden dann noch näher kennenlernen möchte? Mehr über ihn erfahren möchte? Ich möchte, dass einem guten Gespräch weitere folgen, eine gelungene gemeinsame Unternehmung der Beginn von vielen ist. Ich möchte mehr über denjenigen erfahren, denn meine Neugier, mein Interesse ist geweckt. So geht es mir mit Menschen.
Und mit Gott? Wann kenne ich eigentlich Gott, liebe Gemeinde? Kann ich Gott überhaupt kennen? Ist er nicht der ganz Andere? Weit weg, unerreichbar? Die Geschichten der Bibel, vor allem im Alten Testament, beschreiben Begegnungen von Menschen mit Gott, die oft sehr menschlich sind.
So zum Beispiel die Geschichten von Mose. Als er die Schafe seines Schwiegervaters hütet, hört er Gottes Stimme aus dem brennenden Dornbusch. Gott spricht mit ihm. Er gibt Mose den Auftrag, das Volk Israel aus Ägypten aus der Knechtschaft zu führen. Und Gott stellt sich Mose mit seinem Namen vor. „Ich bin, der ich bin.“ oder anders übersetzt: „Ich bin der Ich-bin-da.“ Mose kennt also Gottes Namen. Mehr noch: Er kennt sogar den „Wohn“ort Gottes, den Berg Sinai. Und immer wieder erzählt die Bibel von Gesprächen zwischen Mose und Gott.
Von einem solchen Gespräch zwischen Mose und dem Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs erzählt der heutige Predigttext.
Ich lese aus dem 2. Buch Mose, Kapitel 33, die Verse 17b - 23.
(Verlesen des Predigtextes)
Mose möchte Gott sehen, Gottes Angesicht sehen. Er kennt zwar Gottes Stimme, er hat mit ihm gesprochen, er kennt seinen „Wohn“-ort, doch nun möchte er ihn sehen. Von Angesicht zu Angesicht.
Verständlich ist das. Mose hat mit Gott schon so viel erlebt: seine Berufung zum Führer der Israeliten, den Auszug aus Ägypten durch das Rote Meer.
Nun sind sie in der Wüste. Mose hat von Gott die Steintafeln mit den Zehn Geboten erhalten. Allerdings hat er diese vor Ärger und Enttäuschung zerstört, als er erleben musste, dass die Israeliten sich in seiner Abwesenheit einen goldenen Stiergott gefertigt hatten. Alleingelassen fühlt er sich von den Menschen, vom Volk Israel. Umso größer ist sein Wunsch, wenigstens von Gott nicht verlassen zu sein. Mehr noch, er möchte Gott noch genauer kennenlernen. In dieser Situation genügen Worte allein nicht mehr. Mose möchte Gott sehen, von Angesicht zu Angesicht. Er möchte sich vergewissern, dass er wirklich da ist und ihn in dieser schwierigen Lage nicht allein lässt.
Doch Gott ist kein Mensch, auch wenn Mose oft scheinbar wie mit einem Menschen zu ihm sprechen kann. Das muss er, vielleicht auch schmerzlich, erfahren.
Dabei geht Gott bei der Ablehnung von Moses Bitte sehr liebevoll vor. Er sagt nicht als erstes „Nein, das geht nicht.“ Er macht ein Angebot: „Ich will vor deinem Angesicht all meine Güte vorübergehen lassen.“ Güte kann man nicht sehen, aber spüren. Was Gott den Augen des Mose verwehrt, das eröffnet er seinem Herzen. Du kannst mich nicht sehen, aber du darfst mich spüren. Dann erläutert Gott Mose noch seine Ablehnung: „Kein Mensch wird leben, der mich sieht.“ Gott sehen bedeutet den Tod. Warum? Vielleicht, weil es zu überwältigend ist, Gott zu sehen? Weil ich es nicht aushalten würde, ich kleiner Mensch.
Ich wage den Vergleich mit der Sonne. Das Sonnenlicht ist lebensnotwendig, ohne das Sonnenlicht, die Energie der Sonne, gäbe es kein Leben auf der Erde. Und doch darf ich mich der Sonne nicht einfach so nähern. Die Augen erblinden, wenn man direkt in das Sonnenlicht schaut. Man kann sich am Sonnenlicht freuen. Man kann sich von der Sonne wärmen lassen, aber eine zu lange Zeit in der Sonne führt zu einem Sonnenbrand. Die Kraft der Sonne ist so groß, dass sie einen schädigt, wenn man nicht guten Abstand hält.
Gottes Kraft, seine Herrlichkeit ist noch größer. Sie zu sehen, würde nicht nur das Auge dauerhaft schädigen, sich ihr auszusetzen würde nicht nur die Haut schädigen, sondern den ganzen Menschen. Die Herrlich Gottes darf Mose nicht anschauen. So bewahrt Gottes „Nein“ Leben, Moses Leben.
Wie aber kann ich Gott dann begegnen? Wie kann ich ihn sehen? Für mich ist der Wunsch des Mose, Gott von Angesicht zu Angesicht zu sehen, sehr verständlich. Er braucht ein sichtbares Zeichen von Gottes Existenz, auf das er sich verlassen kann.
Auch für uns ist es immer wieder schwierig, an einen Gott zu glauben, den wir nicht sehen können, dem wir nicht so begegnen können, wie wir anderen Menschen begegnen. Es kommen dann auch mal Zweifel auf, ob es Gott wirklich gibt und die Fragen: Wer ist Gott eigentlich? Und wie ist er?
Auf jeden Fall ist er jemand, der Leben für uns Menschen will und der es gut mit uns meint. So auch mit Mose. Er hört seine Bitte und antwortet darauf mit einer Art Zusage: „Wem ich gnädig bin, dem bin ich gnädig, und wessen ich mich erbarme, dessen erbarme ich mich.“ Er offenbart sich Mose und gibt damit etwas von sich preis.
Ein naher und ein ferner Gott zugleich. Er bleibt für uns Menschen unverfügbar. Er lässt sich nicht von uns festlegen. Er ist für den menschlichen Verstand unbegreiflich. Insofern er ein ferner Gott. Auf seine Gnade und Güte können wir uns aber verlassen. Und darauf, dass er seine Hand schützend über uns hält. Wir können darauf vertrauen, dass er uns in allen Momenten unseres Lebens nahe ist. Das darf auch Mose erfahren. Als Gottes Herrlichkeit an ihm vorüberzieht, hält Gott seine Hand schützend über ihn, damit ihm kein Unheil widerfährt. Und Mose darf Gott hinterher sehen. Die Bitte, ihn von Angesicht zu Angesicht zu sehen, erfüllt Gott Mose nicht. Er reagiert anders, als Mose es sich gewünscht hat. Gott erlaubt ihm, hinter ihm her zu sehen. Mose kann also Gottes Spuren sehen. Spuren, denen er vielleicht folgen kann auf seinem Weg. Spuren, denen auch wir heute folgen können.
In einem Lied heißt es: „Wir haben Gottes Spuren festgestellt auf unseren Menschenstraßen; Liebe und Wärme in der kalten Welt, Hoffnung, die wir fast vergaßen. Gott wird auch unsere Wege gehen, uns durch das Leben tragen.“ (Evangelisches Gesangbuch für das Rheinland, Nummer 648).
Spuren Gottes lassen sich in unserem Leben entdecken. Oft lässt sich aber erst im Nachhinein feststellen, dass Gott einen Weg mit uns gegangen ist, ihn für uns geöffnet hat und uns auf die richtige Spur gebracht hat. Oft lässt sich erst im Nachhinein erkennen, dass er seine Hand schützend über uns gehalten hat – so, wie er sie über Mose gehalten hat. Wir können Spuren von Gottes Gnade und Barmherzigkeit in unserem Leben spüren und sehen. Gottes Wirken in unserer Welt und in unserem Leben spüren und sehen. Ihn von Angesicht zu Angesicht zu sehen, bleibt uns aber verwehrt. Wir glauben an ihn, an seine Existenz, ohne ihn selbst mit unseren Augen zu sehen. Er ist eben der Unbegreifliche, der Verborgene. Wir wissen, dass wir Gott nie ganz begreifen und erkennen können. Es gibt auch keinen direkten Beweis für sein Da-Sein. Manchmal ist das schwer auszuhalten. Und dennoch vertrauen wir darauf, dass er da ist und uns Menschen gegenüber gnädig und barmherzig ist. Erkennen können wir nur Spuren von ihm, erkennen können wir nur sein Wesen.
In der Bibel sind Erfahrungen aufgeschrieben, die Menschen mit Gott gemacht haben, wie zum Beispiel Mose. Es sind Situationen, in denen Menschen in ihrem Leben gespürt haben: „Da hat mich Gott begleitet, da habe ich etwas von ihm gespürt.“ Diese Erfahrungen machen Menschen bis heute. Ich vermute, jeder und jede von uns kann solche Geschichten erzählen. Vielleicht ist es wichtig, einander davon zu erzählen. Vielleicht ist es gut, gemeinsam nach diesen Spuren Gottes im Leben zu suchen. Denn wer sie entdeckt, bekommt einen neuen Blick auf das Leben. Manche Dinge kann man nicht nur mit den Augen sehen, sondern auch anders wahrnehmen – besonders im Glauben. Und dann erscheint es oft ganz anders.
So sagt es auch Lothar Zenetti: „Menschen, die aus der Hoffnung leben, sehen weiter. Menschen, die aus der Liebe leben, sehen tiefer. Menschen, die aus dem Glauben leben, sehen alles in einem anderen Licht.“
Amen.
Verfasserin: Pfarrerin Kerstin Marx, Kirchring 7, 39579 Garlipp
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