Menü

Gottes Liebe und Barmherzigkeit

von Carola Krieg (55124 Mainz)

Predigtdatum : 29.08.2021
Lesereihe : III
Predigttag im Kirchenjahr : 13. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle : 1. Mose 4,1-16a
Wenn Sie diese Predigt als Word-Dokument erhalten möchten, tragen Sie bitte Ihre E-Mail-Adresse ein und klicken Sie auf "Abschicken"
Ihre E-Mail

Wochenspruch: Christus spricht: Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan. (Matthäus 25,40b)

Psalm: 112

Lesungen

Reihe I: Markus 3,31-35
Reihe II: Apostelgeschichte 6,1-7
Reihe III: 1. Mose 4,1-16a
Reihe IV: Lukas 10,25-37
Reihe V: 1. Johannes 4,7-12
Reihe VI: 3. Mose 19,1-3.13-18.33-34

Liedvorschläge

Eingangslied: EG 168 Du hast uns, Herr, gerufen
Wochenlied: EG HN 632 Wenn das Brot, das wir teilen
Predigtlied: EG 417 Lass die Wurzel unsers Handelns Liebe sein
Schlusslied: EG 590 Herr, wir bitten: Komm und segne uns

Predigttext: 1. Mose 4,1-16a

1 Und Adam erkannte seine Frau Eva, und sie ward schwanger und gebar den Kain und sprach: Ich habe einen Mann gewonnen mithilfe des HERRN.
2 Danach gebar sie Abel, seinen Bruder. Und Abel wurde ein Schäfer, Kain aber wurde ein Ackermann.
3 Es begab sich aber nach etlicher Zeit, dass Kain dem HERRN Opfer brachte von den Früchten des Feldes.
4 Und auch Abel brachte von den Erstlingen seiner Herde und von ihrem Fett. Und der HERR sah gnädig an Abel und sein Opfer,
5 aber Kain und sein Opfer sah er nicht gnädig an. Da ergrimmte Kain sehr und senkte finster seinen Blick.
6 Da sprach der HERR zu Kain: Warum ergrimmst du? Und warum senkst du deinen Blick?
7 Ist's nicht so: Wenn du fromm bist, so kannst du frei den Blick erheben. Bist du aber nicht fromm, so lauert die Sünde vor der Tür, und nach dir hat sie Verlangen; du aber herrsche über sie.
8 Da sprach Kain zu seinem Bruder Abel: Lass uns aufs Feld gehen! Und es begab sich, als sie auf dem Felde waren, erhob sich Kain wider seinen Bruder Abel und schlug ihn tot.
9 Da sprach der HERR zu Kain: Wo ist dein Bruder Abel? Er sprach: Ich weiß nicht; soll ich meines Bruders Hüter sein?
10 Er aber sprach: Was hast du getan? Die Stimme des Blutes deines Bruders schreit zu mir von der Erde.
11 Und nun: Verflucht seist du auf der Erde, die ihr Maul hat aufgetan und deines Bruders Blut von deinen Händen empfangen.
12 Wenn du den Acker bebauen wirst, soll er dir hinfort seinen Ertrag nicht geben. Unstet und flüchtig sollst du sein auf Erden.
13 Kain aber sprach zu dem HERRN: Meine Strafe ist zu schwer, als dass ich sie tragen könnte.
14 Siehe, du treibst mich heute vom Acker, und ich muss mich vor deinem Angesicht verbergen und muss unstet und flüchtig sein auf Erden. So wird mir's gehen, dass mich totschlägt, wer mich findet.
15 Aber der HERR sprach zu ihm: Nein, sondern wer Kain totschlägt, das soll siebenfältig gerächt werden. Und der HERR machte ein Zeichen an Kain, dass ihn niemand erschlüge, der ihn fände.
16 So ging Kain hinweg von dem Angesicht des HERRN und wohnte im Lande Nod, jenseits von Eden, gegen Osten.

Zur Predigt

Persönlich bin ich besonders an den Basisfragen der Menschheit interessiert, die bevorzugt in 1.Mose zur Sprache kommen. Diese biblischen Texte sind mir sehr sympathisch, da der Mensch, ob Frau oder Mann, ungeschönt beschrieben wird. Der Schreiber bzw. die Schreiber des Textes 1. Mose 4,1-16a war/waren feine Psychologen, die das allzu Menschliche ans Tageslicht befördern. Neid und andere negativen Charakterzüge werden in dieser Perikope aufgedeckt. Der Neid kann erst entstehen, wenn wir Menschen uns vergleichen. Zu diesem Themenfeld des Vergleichens will diese Predigt einen kleinen Beitrag leisten.

Predigt

Sich vergleichen (ver)führt in die falsche Richtung

Liebe Gemeinde,

wer kennt nicht den Blick zum Nachbarn, zur Freundin oder dem Berufskollegen:

  • Mein Nachbar kann sich mehr leisten als ich – aber mir fehlt das dickere Portemonnaie.
  • Meine Freundin hat mehr Glück mit ihrer Familie, denn ihre Kinder geraten gut – aber bei mir kriselt es und mein Sohn macht mir viel zu schaffen.
  • Mein Berufskollege hat ein geschickteres Händchen im Beruf und er fällt die Karriereleiter hoch – aber ich komme nicht weiter und mache einen einfachen Job und dabei ist mir oft langweilig.

Wir kennen das Gefühl, unzufrieden zu sein. Da höre ich regelrecht Klagen über den eigenen Lebensweg aus dem Mund von Verwandten und Freunden. Und manche vertrauten Gesichter mag man nicht mehr kontaktieren, da die negative Sicht zu sehr überschwappt und auch die Aufzählung von gesundheitlichen Wehwehchen mag nicht jeder im Detail langatmig anhören.

In diesem Blick zum anderen lauert eine Gefahr. Es wird verglichen. Meine Lebenssituation und die meiner Mitmenschen werden auf eine Waage gelegt. Irgendwie geschieht es automatisch: Wir blicken zum anderen und vermissen etwas bei uns. Wenn die Bekannte etwas tun kann, was mir nicht gelingt, dann empfinde ich es so, als ob bei mir ein Puzzleteil fehlen würde, mit dem es mir besser gehen würde.

Unser heutiger Predigttext hat es damit zu tun, dass sich ein Bruder mit seinem Bruder vergleicht. Dieser Text steht im 1. Buch Mose im vierten Kapitel in den Versen 1-16a (Lutherbibel 1984): „ …..“

Kain blickt zu seinem Bruder und aus dem Vergleich kommt ein großes Gefühl der Spannung und der Ungleichheit auf. Kain kann diese Spannung nicht mehr aushalten. Doch wie kommt es dazu?

Eva und Adam bekamen zwei Söhne. Der erste wurde Kain genannt, der zweite Abel. Vom Anfang der Menschheitsgeschichte an geht es arbeitsteilig zu. Kain wurde ein Bebauer des Erdbodens und Abel ein Kleinviehhirte, also ein Hirte über Schafe und Ziegen. Diese Tätigkeiten gehören zu den grundlegenden einer Gemeinschaft von Menschen. Die Beschäftigung mit den Tieren und den Früchten des Ackerbodens bringt es mit sich, dass Dank daraus erwächst, denn Wachstum und Gedeihen liegen nicht in den Händen von Abel und Kain. Die Ergebenheit gegenüber der Natur und dem Schöpfer zeigt sich in der Handlung der beiden Brüder. Sie legen von ihren Erzeugnissen etwas beiseite als Geschenk für den Schöpfer. Ihre unmittelbare Verbundenheit mit der Natur, aus der sie leben, motiviert sie, der Kraft zu danken, die ihnen das Leben ermöglicht und erhält.

Die Gabe, von der im Predigttext gesprochen wird, ist noch kein Opfer wie wir es aus der Zeit des Tempels in Jerusalem kennen. Der Begriff Opfer ist hier zu hoch gegriffen, denn erst mit der Zeit entwickelte sich die Opferpraxis in den Gottesdiensten im zentralen Heiligtum.

Sie erinnern sich vielleicht an Bilder in Kinderbibeln mit der Darstellung von Kain und Abel. Sie werden gemalt mit den Früchten ihres Schaffens, die in Rauch aufgehen. Aber aufgepasst! Hier ist genau hinzuschauen: Der Rauch der Gabe von Abel geht himmelwärts in die Höhe, aber der Rauch der Gabe von Kain will nicht hochsteigen. Bei diesen Bildern in Kinderbibeln wird von einem Feueropfer ausgegangen. Doch über die Art und Weise der Handhabung der Gabe schweigt der biblische Text. Ein Altar wird auch  nicht erwähnt.

Nach der Bibelübersetzung von Luther sah Gott Abel gnädig an. Das Wort, das im Hebräischen für ‚gnädig ansehen‘ steht, meint aber ‚auf etwas blicken‘, im Sinne von hinsehen, beachten. Luther interpretiert bereits die Grundaussage des Geschehens, indem er von ‚gnädig ansehen‘ spricht. Hier hat Luther vielleicht schon die Deutung Abels im Neuen Testament im Blick. Im Hebräerbrief wird gesagt: (11,4) „Durch den Glauben hat Abel Gott ein besseres Opfer dargebracht als Kain; deshalb wurde ihm bezeugt, daß er gerecht sei, da Gott selbst es über seinen Gaben bezeugte; und durch den Glauben redet er noch, obwohl er gestorben ist.“ (Lutherübersetzung 1984)

Im Predigttext ist weder von einem besseren Opfer Abels die Rede noch bezeugte Gott über den Gaben des Abels, dass er gerecht sei. Der Zusammenhang im Hebräerbrief stellt Abel in eine Reihe mit Glaubensgenossen wie Abraham und Noah. Der Schwerpunkt unseres Predigttextes ist aber nicht der Glaube der großen Väter der Vorzeit, sondern eher das Brudersein des Menschen und wir reden heute von dem geschwisterlichen Miteinander unter uns Menschen.

Auch die Auslegung der heutigen Perikope im Judentum bleibt bei dem Hinblicken und lässt jede Wertung weg. So der hochangesehene Kommentator fast aller hebräischen Bücher der Bibel mit dem abgekürzten Namen Raschi, der im Mittelalter in Frankreich und Deutschland lebte.

Gott schaute also auf die Gabe des Abel und auf die Gabe des Kain blickte er nicht. Die Gründe für dieses Vorgehen Gottes kennen wir nicht und sie lassen sich nicht herausfinden. Über Kain nun zu urteilen, dass er ungerecht sei, verbiegt den biblischen Text in 1. Mose 4. Denn wäre Kain moralisch so verwerflich, dann wäre er nicht als erster in Erscheinung getreten, um von seinem Kleinvieh etwas für den Schöpfer beiseite zu legen.

Kain bemerkt, dass es seinem Bruder besser geht. Der Ackerbauer reflektiert diese Situation und senkt sein Antlitz. Er fühlt sich zurückgesetzt und kommt mit dieser Spannung nicht klar. Es wurmt ihn. Er ist mit sich uneins. Kain verliert seinen bodenständigen Halt. Er versteht sich selbst nur noch im Spiegel seines Bruders. Seine Bruderbeziehung wird stark belastet. Diese Last drückt auf seiner Seele und drückt ihn auch körperlich nieder. Er senkt sein Gesicht. Im hebräischen Text steht das Wort „finster“ nicht. Luther hat hier wieder einmal interpretiert statt dem Urtext strikt zu folgen. Er übersetzt nämlich in Vers 5: „Da ergrimmte Kain sehr und senkte finster seinen Blick“.

Kain hält es nicht mehr aus. Der Textverlauf zeigt, dass der Ackerbauer in die Ecke gedrängt wird. Da ist von Sünde die Rede, die jetzt an Kain anhaften soll. Doch sein konkretes Vergehen wird nicht genannt, die er vor dem Mord begangen haben soll. Sprachlich ist der Abschnitt von der Sünde nur unzureichend zu verstehen. Er klingt wie ein Weisheitsspruch, etwa so: „Wenn du dich gut verhältst, dann geht es dir auch gut. Wenn nicht, dann lässt du die Sünde in dein Leben.“ Aber so schablonenhaft ist unsere Geschichte mit Abel und Kain nicht. Die Story endet ja nicht so, dass Kain bestraft wird und Abel zu Ehren kommt. Der Ausgang unseres heutigen Predigtabschnitts ist ein ganz anderer. Kain, der sich innerlich verzehrt, da er sich nur noch im Gegenüber zu seinem Bruder wahrnimmt - dieser in sich gekehrte Kain, bekommt von Gott ein Zeichen, damit sein Leben geschützt ist, obwohl Kain das Leben seines Bruders ausgelöscht hat. Gott ermöglicht dem Ackerbauern ein Leben nach dem Mord. Durch das Kainsmal bezeugt Gott, dass er den Täter nicht verlässt, unabhängig davon, wie weit weg sich der Mensch vom Schöpfer entfernt.

Es gibt viel Rätselhaftes und Ungelöstes in unserem Predigttext, aber auch Botschaften an uns:

Wenn wir zu unserem Predigtanfang zurückkehren, werden wir erinnert an unsere Sichtweise, der wir oft im Alltag verfallen: wir vergleichen unsere Lebensqualität mit der unserer Nächsten und nehmen uns vor allem im Spiegel der anderen wahr. Dann spüren wir, dass die anderen mehr haben als wir selbst. Es kommt zu Spannungen und oft zu bösartigen Handlungen. Eine Grundbotschaft unserer Perikope wäre, sich dessen bewusst zu werden, wo wir unser Leben mit dem Lebensstil von anderen vergleichen. Auch ist zu fragen, warum wir so einen Drang haben, das Vergleichen nicht zu lassen.

Es liegt ein sehr großer Trost in unserem Predigttext. Wenn wir dennoch unser Leben abhängig machen vom besseren Ergehen unserer Freundin oder Berufskollegin und dann das Angesicht senken, so dürfen wir gewiss sein, dass Gott uns nicht verlässt, auch, wenn wir uns ganz weit von ihm entfernt haben. Gott bleibt unser Hirte, auch wenn wir seine Weide schon lange verlassen haben und unstet und flüchtig umherirren. Selbst über den Mord hinweg wendet sich Gott zum Menschen und ermöglicht ihm Leben jenseits von Eden.

Verfasserin: Pfarrerin Carola Krieg


Herausgegeben vom

Logo Zentrum Verkündigung

Referat Ehrenamtliche Verkündigung
Markgrafenstraße 14, 60487 Frankfurt/Main,
Telefon: 069.71379-140
Telefax: 069.71379-131
E-Mail: predigtvorschlaege@zentrum-verkuendigung.de

in Kooperation mit dem

Logo Gemeindedienst der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland
Gemeindedienst der
Evangelischen Kirche
in Mitteldeutschland

Pfarrer Dr. Matthias Rost
Zinzendorfplatz 3 (Alte Apotheke), 99192 Neudietendorf
Telefon: 036202.7717-97

Logo MÖD – Missionarisch Ökumenischer Dienst
Pfarrer Thomas Borchers
Missionarisch-Ökumenischer Dienst
Westbahnstraße 4
76829 Landau
Telefon: 06341.928912
E-Mail: info@moed-pfalz.de
Die „Predigtvorschläge“ sind auch auf CD-ROM (Text- und MS WORD-Datei) erhältlich (Bestellformular).