Gottes Liebe und unsere Barmherzigkeit
von Jürgen Wolf (Hermsdorf)
Predigtdatum
:
21.08.2016
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
11. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle
:
1. Johannesbrief 4,7-12
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Wochenspruch:
„Christus spricht: Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.“ (Matthäus 25, 40)
Psalm: 112, 5 – 9
Lesungen
Altes Testament: 1. Mose 4, 1 – 16 a
Epistel: 1. Johannes 4, 7 – 12
Evangelium: Lukas 10, 25 – 37
Liedvorschläge
Eingangslied: EG 394, 1 - 5 Nun aufwärts froh den Blick gewandt
Wochenlied: EG 343, 1 - 3 Ich ruf zu dir, Herr Jesu Christ
Predigtlied: EG 412, 1 - 5 So jemand spricht: Ich liebe Gott
Schlusslied: EG 403 Schönster Herr Jesu
Predigttext 1. Joh 4, 7 - 12
„Ihr Lieben, lasst uns einander lieb haben; denn die Liebe ist von Gott, und wer liebt, der ist von Gott geboren und kennt Gott. Wer nicht liebt, der kennt Gott nicht; denn Gott ist die Liebe.
Darin ist erschienen die Liebe Gottes unter uns, dass Gott seinen eingebornen Sohn gesandt hat in die Welt, damit wir durch ihn leben sollen. Darin besteht die Liebe: nicht dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt hat und gesandt seinen Sohn zur Versöhnung für unsre Sünden. Ihr Lieben, hat uns Gott so geliebt, so sollen wir uns auch untereinander lieben. Niemand hat Gott jemals gesehen. Wenn wir uns untereinander lieben, so bleibt Gott in uns und seine Liebe ist in uns vollkommen.“
Hinführung
Der 1. Joh ist gegen Ende des 1. Jahrhunderts entstanden. Sein Stil und die sprachliche Gestaltung weisen eine große Nähe zum Johannesevangelium auf. Der Verfasser des Johannesbriefes entfaltet das Zeugnis von Christus als dem fleischgewordenen Worte Gottes (1.Joh 1 - 4). Dieses Zeugnis bewährt sich im Leben der Christen dann als Wandel im Licht und tätiger Bruder – bzw. Geschwisterliebe. Diese gelebte Nächstenliebe ist die Garantie für die Gemeinschaft mit Gott.
Der 1. Joh setzt sich in seiner Zeit mit Strömungen kritisch auseinander, die großen Wert auf innere spirituelle enthusiastische Erlebnisse legten und die tätige Nächstenliebe im Alltag der Welt vernachlässigten. Der christliche Glauben stand in der Gefahr in eine einseitige Innerlichkeit abzurutschen und das Leben in der Welt zu vernachlässigen.
Die Predigt nimmt dieses Ineinander von Gottes – und Nächstenliebe auf. Dieses Ineinander ist zentral für christliche Ethik. In der Umsetzung habe ich das deutlich gemacht an dem Bild einer Ellipse, die zwei Brennpunkte hat. Die Brennpunkte können nicht gegeneinander ausgespielt werden.
In der Umsetzung habe ich eine Kombination zwischen einer systematischen Gliederung und einer Homilie-artigen Auslegung versucht. Die Gliederdung ermöglicht dem Hörer eine gute Verfolgung der Predigt, weil durch die einzelnen Punkt noch einmal gesagt wird, wie der jeweilige Abschnitt thematisch kurz zusammengefasst werden kann.
So gibt es drei Abschnitte:
1. Die Liebe ist aus Gott.
2. Die Liebe Gottes erscheint durch Jesus.
3. Die Liebe Gottes bleibt in uns, wenn wir sie weitergeben.
In der Homilie-artigen Auslegung (klassischerweise wäre eine Homilie eine Auslegung des Textes Vers für Vers) wird der Text selbst mit zentralen Aussagen noch einmal gelesen, so dass die Predigt einerseits dicht am und unter dem Text bleibt.
Predigt
Liebe Gemeinde,
Johannes beschreibt hier das Zentrum des christlichen Glaubens. Er beschreibt dieses Zentrum für die Menschen seiner Zeit. Die Menschen in der Zeit des Johannes standen in der Gefahr zwischen dem Glauben an Gott als Innerlichkeit und dem Leben in der Welt zu trennen. Johannes will sagen: Das Leben in der Welt muss vom Glauben an Gott durchdrungen sein.
Das ist wie bei einer Ellipse. Sie hat zwei Brennpunkte. Der eine Brennpunkt ist die Liebe zu Gott in der Innerlichkeit. Das kann unser Beten sein, unser Nachdenken über die heilige Schrift oder die Meditation. Der andere Brennpunkt dieser Ellipse ist das Leben im Alltag. Hier soll sich unser Glauben bewähren. Die Herausforderungen für uns sind immer dann gegeben, wenn jemand unsere Zuwendung braucht.
Darum möchte ich mit Ihnen, liebe Gemeinde diesen Text in drei Schritten betrachten:
1. Die Liebe ist aus Gott.
2. Die Liebe Gottes erscheint durch Jesus.
3. Die Liebe Gottes bleibt in uns, wenn wir sie weitergeben.
1. Die Liebe ist aus Gott
So schreibt Johannes: die Liebe ist von Gott, und wer liebt, der ist von Gott geboren und kennt Gott.
Johannes denkt bei Liebe an die sich selbst verschenkende Zuwendung Gottes zu uns Menschen. Gott wendet sich uns zu. Er schenkt uns, was wir zum Leben haben und brauchen: Nahrung, Wohnung, aber vor allem auch die Menschen mit denen wir leben: Eltern Geschwister, Freunde oder Nachbarn
[hier können Ergänzungen geschehen im Hinblick auf die Dinge, die wir unverdient von Gott haben].
Für diese Zuwendung von Gott müssen wir keine Vorleistung bringen. Er wendet sich uns zu, weil wir ihm wichtig sind. Er wendet sich uns zu, weil er uns eben liebt. Und Liebe kann nicht begründet werden.
Diese Liebe von Gott soll auf uns abfärben. Sie ist ein Erkennungsmerkmal für uns Christen. So sagt Johannes: die Liebe ist von Gott, und wer liebt, der ist von Gott geboren und kennt Gott.
Wer liebt, der ist von Gott geboren und kennt Gott.
Gott kennen ist dabei nicht einfach ein Vorgang im Kopf. Es geht nicht um das Wissen über Gott. Es geht auch und vor allem darum, dass wir Gott erfahren. Wir erfahren Gott durch die Dinge, die wir haben. Wir erfahren Gott zuwendend und herausfordernd durch die Menschen, mit denen wir leben. Da sind vielleicht die alten Eltern, die unsere Hilfe brauchen. Da sind die Kinder, die unsere Zeit brauchen. Da sind Freunde, durch die wir in unserem Leben bereichert werden.
Wir erfahren Gott aber auch in den Ereignissen des Lebens.
In besonderer Weise hat Gott uns seine Zuwendung durch Jesus mitgeteilt.
Darum
2. Die Liebe Gottes erscheint durch Jesus.
So schreibt Johannes: Darin ist erschienen die Liebe Gottes unter uns, dass Gott seinen eingebornen Sohn gesandt hat in die Welt, damit wir durch ihn leben sollen.
Gottes Zuwendung ist darin in besonderer Weise sichtbar geworden, dass er sich in Jesus in menschliche Gestalt begeben hat. Jesus wendet sich uns Menschen in besonderer Weise zu. Die Kranken seiner Zeit berührt er heilend. Er wendet sich besonders solchen Kranken zu, die aus der Gesellschaft ausgegrenzt wurden. Das waren damals sie Leprakranken. Ihnen wurde unterstellt, dass sie deshalb krank sind, weil sie vor Gott eine große Schuld auf sich geladen hätten. Und das stimmte nicht.
Jesus geht mit Frauen in ganz anderer Weise um als es in seiner Zeit üblich war. Er betrachtet sie als gleichberechtigtes Gegenüber. Er wertschätzt Kinder in besonderer Weise. Und er nimmt Menschen in seine Mitte, die an den Rand der Gesellschaft gedrängt wurden. Das waren Zöllner und Sünder. Jesus sieht sie mit ihrem Schicksal vor allem als Menschen an. Und er sieht in ihnen vor allem das Kind Gottes.
Auf diese Weise wird neues Leben möglich: Darin ist erschienen die Liebe Gottes unter uns, dass Gott seinen eingebornen Sohn gesandt hat in die Welt, damit wir durch ihn leben sollen.
Das heißt auch: Gott kommt in unsere Grenzen. Das stärkste Zeichen ist dafür sein Sterben am Kreuz. Er teilt mit uns die Erfahrung des Leidens und er teilt mit uns sogar die Erfahrung des Scheiterns.
Das ist Gottes bewusste Entscheidung. Es ist nicht so, dass Jesus einfach irgendwie unter die Räder der Machtkämpfe dieser Welt gekommen ist. Es ist seine bewusste Entscheidung. Diese Entscheidung ist in Gethsemane gefallen, als er mit Gott und sich ringt. Jesus hätte hier noch die Möglichkeit der Flucht gehabt. Niemand hätte ihn gefunden. Aber er wäre auch vergessen gewesen. So entscheidet er sich aber, den Willen Gottes zu tun. Gott will, dass wir seine Zuwendung auch in den äußersten Verlassenheiten und Einsam- keiten erfahren. Und Jesus führt uns über unsere Grenzen hinaus, damit wir durch ihn leben. Und zwar das Leben leben, das jenseits des Horizontes aller unserer Grenzen von ihm her geschenkt ist; und das jetzt schon.
3. Die Liebe Gottes bleibt in uns, wenn wir sie weitergeben.
So schreibt Johannes:
Ihr Lieben, hat uns Gott so geliebt, so sollen wir uns auch untereinander lieben. Niemand hat Gott jemals gesehen. Wenn wir uns untereinander lieben, so bleibt Gott in uns, und seine Liebe ist in uns vollkommen.
Die Liebe Gottes, die Zuwendung Gottes verlieren wir, wenn wir sie festhalten und versuchen sie für uns zu behalten. Wir haben diese Liebe aber, wenn wir sie anderen weitergeben.
Ein Beispiel für diese Weitergabe haben wir in dem Evangelium dieses Sonntages erzählt. Das Gleichnis vom barmherzigen Samariter. In dem Handeln des Samaritaners geht es um Liebe, aber es geht nicht um Sympathie. Der Begriff der Liebe – auch bei Johannes – ist nicht gebunden an die Frage ob ich jemanden sympathisch oder nett finde. Der Begriff der Liebe habe etwas damit zu tun, ob ich die Not des anderen sehe und darauf so reagiere, dass ich die Not wende.
Dazu müssen wir tiefer sehen. Da ist vielleicht die Nachbarin, die eigentlich allen mit ihrem vielen Reden auf die Nerven fällt und jeder sieht, dass er Abstand hält. Dahinter steckt aber möglicherweise eine Not – hinter dem vielen Reden - nämlich die Not der Einsamkeit. [Dieses Beispiel kann auch ausgewechselt werden je nachdem, was der konkreten Gemeinde naheliegend ist. Es geht um einen Fall, in dem ein Hilfsbedürftiger nicht unbedingt unsere emotionale Sympathie hat, aber wir in der Verantwortung stehen, seine Not zu sehen und darauf zu reagieren.]
Vielleicht gelingt es, dass auseinander zu halten. Dann können wir die Zuwendung Gottes weitergeben und gewinnen sie auf diese Weise immer wieder neu.
Das ist wie bei einer Ellipse. Sie hat zwei Brennpunkte. Der eine Brennpunkt ist die Liebe zu Gott in der Innerlichkeit. Der andere Brennpunkt diese Ellipse ist das Leben des Alltages. Hier soll sich unser Glauben bewähren. Die Herausforderungen für uns sind immer dann gegeben, wenn jemand unsere Zuwendung braucht.
Die beiden Brennpunkte dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. So segne Gott unser Leben, dass wir seine Zuwendung in Dankbarkeit empfangen und weitergeben und auf diese Weise seine Liebe in dieser Welt vermehren.
Amen
Eingangsgebet
Gott der Barmherzigkeit, deine Liebe zu uns ist unerschöpflich. Deinen Sohn hast du zu uns gesendet, damit er uns deine Liebe in seinem Leben, Sterben und Auferstehen zeigt. Wir bitten dich: Lass uns wie er immer die Not des Nächsten sehen. Zeige uns, wie wir ihnen helfen können, damit die Not sich zum Guten wendet. Das bitten wir durch ihn, der mit dir und dem Heiligen Geist lebt und wirkt in Zeit und Ewigkeit.
Fürbitten
Vater im Himmel, niemand hat dich gesehen. Aber im Angesicht deines Sohnes Jesus schauen wir auf dich. In seinem Leben und in seinem Sterben hast du uns deine Liebe bekannt gemacht. Lass uns seinem Beispiel folgen, dass wir uns denen zuwenden, die unsere Nähe brauchen.
Vater im Himmel, niemand hat dich gesehen. Aber im Angesicht unseres Nächsten lass uns das Angesicht deines Sohnes erkennen. So bitten wir dich für die Hungernden, die Flüchtenden und die unschuldig Gefangenen und die Gefolterten. Zeige uns, wo wir helfen können, damit Not gewendet und das Licht deiner Liebe strahlend wird.
Vater im Himmel, niemand hat dich gesehen. Lass aber durch uns deine Liebe sichtbar werden. So bitten wir dich für die Mächtigen dieser Welt in Politik und Wirtschaft, wir bitten dich für die Verantwortlichen in Kirche und Gesellschaft und für die führenden Menschen in Wissenschaft und Kunst. Lenke ihre Sinne darauf, dass sie mit dem ihnen Anvertrauten an Macht, Verantwortung und Begabung so umgehen, dass jeder Mensch in Würde und mit Respekt der anderen leben kann.
Vater im Himmel, niemand hat dich gesehen. Aber du hast uns deinen Geist geschenkt, so dass wir deine Gegenwart in unserem Herzen spüren. Wir bitten dich für die Menschen unseres Alltages, für Angehörige und Freunde, für Nachbarn und Arbeitskollegen/Mitschüler, begleite du sie in ihrem Leben und zeige uns, wo unser Handeln nötig ist.
So denken wir an die Menschen, die wir lieb haben in der Nähe und in der Ferne. [Stille]
Vater unser …
Verfasser: Pfarrer Dr. Jürgen Wolf
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Pfarrer Thomas Borchers
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