Gottes Liebe und unsere Barmherzigkeit
von Elke Stein (Ev. Kirchengemeinde Altstadt )
Predigtdatum
:
25.08.2013
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
11. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle
:
Matthäus 6,1-4
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Wochenspruch:
„Christus spricht: Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.“ (Matthäus 25, 40)
Psalm: 112, 5 – 9
Lesungen
Altes Testament: 1. Mose 4, 1 – 16 a
Epistel: 1. Johannes 4, 7 – 12
Evangelium: Lukas 10, 25 – 37
Liedvorschläge
Eingangslied: EG 449, 1 + 4 + 8 Die güldne Sonne
Wochenlied: EG 333, 1 – 3 + 5 Danket dem Herrn
Predigtlied: 632, 1 – 5 Wenn das Brot, das wir teilen
Schlusslied: 171, 1 – 4 Bewahre uns, Gott
Predigttext nach der Bibel in gerechter Sprache
1 Achtet darauf, dass euer gerechtes Handeln nicht mit der Absicht öffentlich erfolgt, euch zur Schau zu stellen. Sonst habt ihr keinen Lohn bei Gott, für euch Vater und Mutter im Himmel.
2 Wenn du also eine Tat der Barmherzigkeit tust, so lass sie nicht vor dir her posaunen. So machen es Scheinheilige in den Versammlungen und auf den Straßen, um von den Menschen verehrt zu werden. Wahrhaftig, ich sage euch: Sie haben ihren Lohn schon empfangen.
3 Vielmehr, wenn du eine Tat der Barmherzigkeit tust, lass deine linke Hand nicht wissen, was deine rechte macht,
4 damit dein barmherziges Tun unauffällig bleibt. Gott, Vater und Mutter für dich, sieht das Unauffällige und wird es dir anrechnen.
Liebe Gemeinde,
eine Bäckerei backt Kirchenmäuse und spendet den Erlös der ortsansässigen Kirchengemeinde für die Außenrenovierung der Kirche, Konfirmandinnen und Konfirmanden verhüllen Grabsteine à la Christo mit Stoffbahnen, wieder eine andere Gemeinde brennt Schnaps und verkauft ihn als Paradieswässerchen. Pfiffige Ideen, um anderen das Geld aus der Tasche zu locken und damit ein wichtiges Projekt zu unterstützen. Grundschulkinder aquirieren Sponsoren, die pro 100 m ein paar Cent oder Euro stiften, um dann die Summe für die Strecke, die sie gerannt sind, für ein Partnerschulprojekt in Südamerika zu spenden. Ein Kinderchor führt ein Musical auf und der Eintritt wird einem kleinen Projekt für Waisenkinder in Kenia gestiftet. Später erfahren sie, dass davon der lang ersehnte Wassertank gebaut werden konnte.
Sponsorenläufe, spritzige Spendenaktionen, Stiftungsgründungen – nicht nur Kirchengemeinden, auch Schulen und Kindertagesstätten, Vereine und Wohlfahrtsverbände lassen sich viel einfallen, um hier und anderswo wichtige und sinnvolle Projekte und am Leben zu erhalten oder überhaupt neu ins Leben rufen zu können.
Selbst in unserem Land werden Mittel knapp, fließen öffentliche Gelder immer spärlicher, damit Gebäude erhalten, Menschen sich darin treffen und in Not Geratenen geholfen werden kann.
Höre und sehe ich aufmerksam hin, dann weiß ich, dass in anderen Gebieten der Erde Menschen unter erbärmlichen Lebensbedingungen leiden und ihr Leben ein vielfältiger Überlebenskampf ist. Mache ich mir bewusst, dass auch in unserem Land, in der Stadt, dem Ort, in dem ich lebe, Menschen in materieller Armut oder seelischer Notlage leben, dann erwächst da hoffentlich Mitgefühl und Verstehen, dass es „Taten der Barmherzigkeit“ braucht. Taten, nicht nur Reden. Handeln, das mein Herz, aber auch konkrete Hilfe oder echte Mittel, auch Geld braucht. Und um das zu erreichen, werden Menschen, die sich für andere einsetzen, richtig kreativ.
Es gibt viele Menschen, die ihr Herz berühren lassen und Aktivität entwickeln, um am Ende Geld beieinander zu haben, das anderen oder auch Tieren oder der Umwelt zugutekommt.
Schon zuzeiten der ersten Gemeinden verstanden die Menschen unter den „Taten der Barmherzigkeit“ vor allem auch Geld. Almosen hieß das lange in unserer Sprache. Da klingt noch an: Ich lasse mich anrühren von der Not eines anderen, erbarme mich, wende mich konkret zu, gebe etwas von dem, das ich habe, selbst wenn es nicht viel scheint.
Das wissen wir, ist irgendwie, vor allem als Kirchgänger, doch auch ein alter Hut, nichts Neues. Schließlich sammeln wir jeden Sonntag Kollekte und führen diese einem bestimmten, sinnvollen Zweck zu. Viele Gemeinden können nur einen Teil ihrer Arbeit über Spenden finanzieren. Diakonie, Telefonseelsorge, Angehörigenarbeit im Gefängnis, Projekte für Migranten, sie sind ohne solche zusätzlichen Geldzuwendungen nicht gesichert.
Doch darum geht es offensichtlich nicht allein. Das Geben an sich scheint in diesen Sätzen der Bergpredigt nicht zur Debatte zu stehen.
Es geht um das Wie.
Und da fangen die Fragen schon an: sollen wir bei einem großen Projekt nach Sponsoren suchen, die dann auf einem Schild benannt zugleich für sich werben können? Das zieht dann vielleicht weitere und mit ihnen noch mehr Geld nach sich? Dies geschieht öfter bei der Renovierung von Kirchen oder Kirchtürmen, auch Orgelpfeifen oder Kirchenstühle lassen sich so finanzieren. Da ist der oder die Geberin sichtbares Vorbild für andere.
Ist das gut oder schlecht? Mit welcher Haltung machen Menschen eine Spende? In welcher Absicht gebe ich?
Brauche ich das Spenden, das mich Einbringen und Geben als ein Fenster, um mich hinauszulehnen und von allen gesehen und gelobt zu werden?
Welchem Zweck dient dann mein Engagement? Damit andere mich wichtig und ernst nehmen?
Diese Gedanken rücken unangenehm auf den Leib. Sichtbar würden die wenigsten das zugeben. Aber für sich im Kämmerchen betrachtet: mit welcher Absicht gebe ich? Aus welchen Gründen engagiere ich mich?
Die Worte Jesu sind da ganz klar:
Achtet darauf, dass euer gerechtes Handeln nicht mit der Absicht öffentlich erfolgt, euch zur Schau zu stellen.
Wenn du also eine Tat der Barmherzigkeit tust, so lass sie nicht vor dir her posaunen.
Erleben wir andere, die darauf wertlegen, öffentlich genannt und ge-würdigt zu werden, dann hinterlässt das schon hier und da auch ein beklommenes Gefühl.
Das Schwierige daran ist aber ja doch: über Dritte lässt sich so leicht reden oder auch urteilen, aber wie halte ich es selbst damit?
So geht es in meinen Augen beim Nachdenken über diese Sätze heute darum, dass ich mich selbst überprüfe, mir meiner Haltung bewusster werde, aus welchen Beweggründen heraus ich mich für eine Sache engagiere, und auch, wofür ich bereit bin, von dem, was ich habe, zu geben.
Es geht also um meine Haltung.
Um meine Aufmerksamkeit, mein Mitgefühl, mein Wahrnehmen anderer und meiner selbst.
Die eine Hand sollte nicht wissen, was die andere tut. Das Spenden und Geben soll nicht an die große Glocke gehängt werden, im Verborgenen geschehen.
Nun, ganz ausbleiben wird es zumindest hier und da nicht, dass ich, vielleicht sogar bewundernd, anerkenne, dass und wie andere sich einbringen und etwas geben. Und dafür anderen ein Dankeschön zu sagen oder auch selbst dieses Dankeschön anzunehmen, auch das ist angemessen.
So denke ich noch etwas vertiefter darüber nach, wie das mit der rechten Haltung gemeint sein mag.
Taten der Barmherzigkeit sollten aus einem mitfühlenden, liebenden Herz fließen. Aus dem Herzen, von einem Menschen zu anderen, in dem Wissen miteinander verbunden zu sein, weil wir, wie alles Leben, aus Gott geschaffen sind, und Gottes Barmherzigkeit über alle unsere Begrenzungen hinweg uns allen gilt.
Welchen Weg gäbe es, Mitgefühl, Nächstenliebe in mir wachsen und fließen zu lassen, sodass ich auch sichtbare „Taten der Barmherzigkeit“ üben kann?
Mir gelingt das am besten, wenn ich mich ganz ruhig hinsetze, die Augen schließe, schweige und atme, atme und schweige und dann meine Aufmerksamkeit auf die Spuren und Gaben Gottes in meinem Leben lenke, erforsche, wo Gottes Segen in meinem Leben wirkt, ich hinschaue, wo Gott mich beschenkt.
Ich mache mir Gottes Wohltaten in meinem Leben bewusst und
fange dann an, Dankbarkeit darüber zu empfinden und in einem weiteren Schritt, das als Gebet Gott gegenüber in Worten auszudrücken.
Eine kleine, aber sehr weitende und erfüllende Übung.
Denn über dem Nachsinnen wächst mein Bewusstsein darüber,
wo ich erlebt habe und erlebe, dass Gott es gut mit mir meint;
wo ich erfahre, dass Gott mit seiner Kraft für mich da ist.
Möglicherweise auch und gerade dort, wo mir mein Leben schwer oder zur Herausforderung geworden ist.
Denn auch ich bin einer, der bedürftig ist,
auch ich bin eine, die etwas von anderen braucht.
Ich lasse die schwierigen Gefühle und Gedanken darin zu,
und bin eingeladen, Gott zu vertrauen, dass ich versorgt werde,
so wie Mutter oder Vater Kinder versorgen, behüten und begleiten.
In dieser Übung, dieser Meditation, diesem Beten kann ich erleben:
Gott gewährt mir sein Erbarmen, seine Barmherzigkeit.
Gott schenkt Fülle und Erfüllung:
in der Fülle der Beziehungen, in denen wir leben, auch im materiellem Wohlstand und gutem Auskommen.
Gott gewährt mir sein Erbarmen und die Fülle seine Liebe,
inmitten der Brüche, des Scheiterns oder der schwierigen Kehrtwendungen des eigenen Lebens.
So wie Gott mir das gibt, was ich brauche,
so gilt diese Barmherzigkeit allen.
Das verbindet mich mit allen anderen Menschen und Geschöpfen.
So ist dann ist ein mich öffnen für die Bedürfnisse, auch die Nöte und Bedrängnisse anderer ein ganz natürlicher Prozess.
Auf diese Weise schenken wir einander dann auch die Fülle unserer Gaben und Möglichkeiten: Geld und Kreativität, Fähigkeiten unterschiedlichster Art, die zusammengeführt zu solch tollen Projekten werden, an deren Ende auch die, die sich für andere engagiert haben, selbst viel bekommen haben.
Es sollte keine Ranking geben, keine Liste, welche der Spenden oder Gaben die wertvollere ist:
Geld ist wichtig, am Grill stehen oder Flyer für eine Aktion entwerfen ebenso, Kuchen backen oder mit dabei sein, wenn nach einem Spendenlauf wieder aufgeräumt wird, alles das, und noch so vieles mehr, zählt.
Klar, es zählt und braucht auch und vor allem unser Geld. Wir leben in einem wohlhabenden und in allen Wirtschaftskrisen doch recht abgesichertem Leben verglichen mit den meisten anderen Menschen dieser Erde. Das bedeutet Verantwortung. Verantwortung die in biblischer Sicht selbstverständlich und nicht in Frage zu stellen ist.
Ihre Tiefe erhält das Geben aber doch wohl aus der Haltung, aus der heraus ich das tue. So möchte ich Ihnen am Ende sehr weise Gedanken mit auf den Weg geben.
Maimonides, ein großer jüdischer Gelehrter im 12. Jahrhundert, schreibt folgendes über das Geben von Almosen, über die „Taten der Barmherzigkeit“:
Acht Stufen gibt es in der Zedaqa mit absteigender Reihenfolge:
1. Die höchste Stufe ist: Wenn jemand die Hand eines in Armut geratenen Israeliten festhält und ihm Unterstützung zukommen lässt, damit er sich selber helfen kann, sodass er nicht darauf angewiesen ist, von anderen etwas zu erbitten.
2. Die nächst niedrige Stufe: Wenn jemand etwas gibt, ohne zu wissen, wem er gibt, und der Arme nimmt, ohne zu wissen, von wem er nimmt.
3. Die nächst niedrige Stufe: Wenn jemand gibt und weiß, wem er gibt, der Arme aber nicht weiß, von wem er nimmt.
4. Die nächst niedrige Stufe: Wenn der Arme weiß, von wem er nimmt, aber der Gebende nicht weiß, wem er gibt.
5. Die nächst niedrige Stufe: Wenn jemand einem Armen gibt, bevor der ihn bittet.
6. Die nächst niedrige Stufe: Wenn jemand einem Armen gibt, nachdem er gebeten wurde.
7. Die nächst niedrige Stufe: Wenn jemand weniger gibt, als angemessen ist, dies aber mit einem freundlichen Gesicht tut.
8. Die nächst niedrige Stufe: Wenn jemand mit finsterer Miene gibt.
(Aus: Klaus Müller: 13. So n. Trin. In Predigtmeditationen im christlich-jüdischen Kontext Hg. Wolfgang Kruse 2000, S. 257, Studium in Israel e. V.)
Oder in den Worten der Bergpredigt:
Wenn du eine Tat der Barmherzigkeit tust, lass deine linke Hand nicht wissen, was deine rechte macht, damit dein barmherziges Tun unauffällig bleibt. Gott, Vater und Mutter für dich, sieht das Unauffällige und wird es dir anrechnen.
Amen.
Verfasserin: Pfarrerin Elke Stein
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