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Gottes Liebe und unsere Barmherzigkeit

von Klaus Douglass (Zentrum Verkündigung)

Predigtdatum : 14.09.2014
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : 11. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle : Apostelgeschichte 6,1-7
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Wochenspruch:
„Christus spricht: Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.“ (Matthäus 25, 40)

Psalm: 112, 5 – 9


Lesungen
Altes Testament: 1. Mose 4, 1 – 16 a

Epistel: 1. Johannes 4, 7 – 12

Evangelium: Lukas 10, 25 – 37

Liedvorschläge
Eingangslied: EG 295 Wohl denen, die da wandeln
Wochenlied: EG 409 Gott liebt diese Welt
Predigtlied: EG 414 Lass mich, o Herr, in allen Dingen
Schlusslied: EG 614 Lass uns in deinem Namen

Liebe Gemeinde,

das waren noch Zeiten, als die Apostel höchstpersönlich die Suppe austeilten! Als Wortverkündigung und Diakonie noch in einer Hand lagen und noch nichts zu spüren war von je-ner unseligen Aufgabenteilung zwischen der Verkündigung des Evangeliums auf der einen und der praktizierten Näch-stenliebe auf der anderen Seite. Als es noch nicht zu jener Teilung gekommen war, die dann zur Trennung wurde, ja, allzu oft zur Konkurrenz. Mission oder Diakonie: Bis heute markieren diese beiden Begriffe zwei Lager in unserer Kirche, die sich gegenseitig misstrauen und belauern wie zwei Geschwister, die sich untereinander verfeindet haben und einen ständigen Kampf darüber austragen, wer von den beiden dem Vater denn besser gefällt.

Auf der einen Seite sind die, die auf der Verkündigung des unverfälschten Evangeliums beharren. Auf der anderen Seite jene, die das wahrhaft Christliche in der Tat ver-körpert sehen. Ein kurzer Blick von außen schon würde ge-nügen, um zu sehen, dass die beiden zusammengehören und dass wir unserem himmlischen Vater keine größere Freude machen könnten, als beide Kräfte zusammenzutun und gemeinsam die Liebe Gottes in diese Welt zu bringen. Aber wenn man einmal in Abgrenzungs- und Verteilungs-kämpfen verwickelt ist, hat man dafür oft keinen Blick mehr. Zu viele Auseinandersetzungen hat es da schon ge-geben, zu viele Wunden sind bereits geschlagen. So gibt es einen Wort-Flügel in unserer Kirche, der jeder prak¬tischen Nächstenliebe misstraut, wenn sie nicht unablässig ein verbales Zeugnis ihrer Rechtgläubigkeit ablegt. Und es gibt auch einen Tat-Flügel, der nicht minder deut¬lich zur Sache geht, wenn er irgendwo in der Kirche das nötige politische oder soziale Engagement vermisst. Zwei Flügel, die sich belauern und bekämpfen: als ob ein Vogel mit nur einem Flügel fliegen könnte!

Dabei sollte die Aufgabenteilung zwischen den Aposteln und den Diakonen ein Auseinanderbrechen der Kirche eigentlich gerade verhindern und nicht hervorrufen. Das Problem damals war das gleiche wie heute: Die Gemeinde war zu groß. Es war einer Einzelperson oder auch einer kleinen Gruppe von Aposteln schlicht nicht mehr möglich, auf die vielen Bedürfnisse adäquat einzugehen, die immer dann entstehen, wenn eine größere Gruppe von Menschen zusammenkommt und beginnt, das Leben miteinander zu teilen. „Sie teilten alles miteinander“, heißt es von der ersten Gemeinde. Wir denken dabei meist an Geld und Besitz, aber sie teilten auch das andere: ihre oft sehr handfesten Sorgen, ihre Probleme, ihre Nöte. Mit jeder Person, die zur christlichen Gemeinde hinzukam, kam sozusagen ein neues Arbeitsfeld hinzu: ein Mensch, der (oft mitsamt seiner Familie) integriert werden musste, der begleitet werden wollte, der sich vielleicht einbrachte, oft aber erst mal einfach nur Hilfe brauchte.

Von Jesus wissen wir, dass ihn ständig um die 70 Personen begleiteten. Ich vermute mal, das ist in etwa die Zahl der Menschen, die man gerade noch „aus einer Hand“ versorgen kann. Und selbst Jesus hatte dabei zwölf Leute, die ihm dabei assistierten. Unsere Gemeinden heute bestehen aus 1700, 2000, 2500 und oft sogar noch mehr Personen. Sie sind – wie die Ur-Gemeinde in Jerusalem – einfach zu groß, dass die pastorale Versorgung aus der Hand einiger weniger Menschen kommen könnte. Nicht selten kann man Klagen wie diese hören: „Nun wohne ich schon so lange in der Gemeinde – und nie hat mich jemand besucht.“ Oder: „Ich war sechs Wochen im Krankenhaus – und es hat keiner gemerkt.“ Oder aber auch: „Ich bin allein erziehend, habe zwei Kinder und muss arbeiten, doch niemand aus der Gemeinde kümmert sich um mich.“

Unsere Geschichte zeigt uns einen guten Weg auf, wie eine Gemeinde damit umgehen kann, dass der „best case“ (der Erfolgsfall) – dass nämlich viele Menschen hinzukommen und zu uns gehören wollen – nicht unversehens zum „worst case“ (Misserfolgsfall) wird: dass nämlich die Funktions-träger/innen damit hoffnungslos überfordert werden und die vielen Leute auf ihren Bedürfnissen und Sorgen sitzen bleiben, weil keiner da ist, der sich darum kümmert. Ich sehe drei wichtige Schritte auf diesem Weg.

1. Die offene Ansprache von Missständen
„Es erhob sich ein Murren…“ – leider werden Konflikte und Schieflagen auch in der christlichen Gemeinde oft nicht offen angesprochen, sondern erst einmal „hinten herum“ kolportiert. Anfangs behält man seine Unzufriedenheit für sich, dann sucht man sich Gleichgesinnte und Verbündete und teilt sie im kleinen Kreis. Irgendwo tröstet es mich, dass auch die Jerusalemer Urgemeinde, die uns sonst so oft wie ein unerreichbares Ideal vorkommt (und manchmal auch um die Ohren geschlagen wird nach dem Motto: „Schaut mal, wie toll es damals war und wie weit wir uns davon entfernt haben!“), dass auch diese vermeintliche Supergemeinde so durch und durch menschlich und normal war. Selbst in der Gemeinde, die von Aposteln geleitet wurde, wurden offensichtlich Menschen übersehen, gab es Ungerechtigkeit und Bevorzugung bestimmter Gruppen und in Folge davon Unzufriedenheit, Murren und schlechte Stimmung.

Die Apostel hätten auf vielerlei Weise darauf reagieren können. Sie hätten beleidigt sein oder auf ihren Status als von Jesus selbst berufene Apostel hinweisen können. Sie hätten darauf verweisen können, dass sie Übermenschliches leisten, dass sie ihr Bestes gegeben hätten und dass andere es erst einmal besser machen sollen etc. – Sie tun es aber nicht. Sie erkennen den Missstand, sie sehen auch die Rolle, die sie bei der Entstehung dieses Missstandes gespielt haben – und sie legen die Karten offen auf den Tisch. Sie holen den Konflikt aus der dunklen Ecke des Murrens und der heimlich geäußerten Unzufriedenheit und stellen ihn ins Licht. Ohne Schuldzuweisung, ohne Beschwerde über die, die hinter ihrem Rücken ihre Autorität angreifen und mit ihrer Klage die Stimmung vergiften, und auch ohne Selbstrechtfertigung. Sie denken und agieren – wie man heute sagen würde – „lösungsorientiert“: Sie sehen, dass da ein Problem ist, das aus der Welt bzw. aus der Gemeinde geschafft werden muss, damit das Evangelium keinen Schaden nimmt.

Konflikte in der Gemeinde sind leider normal. Wir alle haben unterschiedliche Bedürfnisse, eine mitunter sehr unterschiedliche Sicht der Dinge, eine begrenzte Kraft und wir sind – das sollte man nicht vergessen – alles miteinander auch Sünderinnen und Sünder, das heißt Menschen, die bei allem guten Willen oft sehr kurzsichtig und selbstbezogen denken und handeln und manchmal auch richtig eklig sein können. Aus dieser Gemengelage – Unter-schiedlichkeit, persönlicher Begrenzung und Sündersein – heraus entstehen geradezu notgedrungen Schieflagen und Konflikte. Und diese werden nicht dadurch gelöst, dass man sich in eine Spirale gegenseitiger Schuldvorwürfe hineinbe-gibt. Im Gegenteil: Das verstärkt den Konflikt oft nur noch.

Die Apostel sprechen das Problem vielmehr sachlich und of-fen an. Das macht keinen Spaß und es gibt auch keine Garantie, dass es in jedem Fall gut geht, aber sie wissen: Es ist die einzige Möglichkeit, die Sache zu bereinigen. Offenheit ermöglicht Vertrauen. Und eine größtmögliche Sachlichkeit stellt sicher, dass ein Konflikt nicht heillos ins Persönliche entgleitet. Damit ist das Problem zwar noch nicht gelöst, aber nur so sind sinnvolle Lösungen überhaupt möglich. Es ist sozusagen die Basis zur Problemlösung. Die inhaltliche Lösung des Problems liegt dann in einem weiteren Schritt:

2. Die Beteiligung möglichst Vieler
Wir erinnern uns: Das Problem, um das es geht, ist, dass die Gemeinde in Jerusalem einfach zu groß war und viele Nöte und Bedürfnisse von Menschen schlichtweg übersehen wurden, vor allem, wenn die Apostel bei aller pastoralen Verantwortung auch noch den Dienst der Predigt und der Unterweisung wahrnehmen wollten, den sie von Jesus mit auf den Weg bekommen hatten.

Die Apostel kamen nicht mehr zurande. Was mich an einen Spruch erinnert, den ich einmal gelesen habe: „Wenn der liebe Gott dir ein Geschenk machen möchte, verpackt er es oft in ein Problem.“ Was für ein Gedanke! Vielleicht schickt Gott selbst dieses Problem, dieses Nicht-Zurande kommen der Apostel, um damit Raum zu schaffen für etwas Neues! Die Apostel sollten nämlich etwas abgeben von ihren Auf-gaben – und auch von dem Geist, der mit diesen Aufgaben verbunden war. Im Grunde wird hier ein ur-evangelisches, ein ur-christliches Prinzip geboren: nämlich das Prinzip der Verteilung der Aufgaben und damit auch des Geistes von einem bzw. wenigen Amts- und Geist¬träger/innen auf viele. Das damalige Problem der Gemeinde sollte sich nicht als bloßes Hindernis, sondern als Eröffnung eines neuen Weges erweisen. Wir erleben in unserem Text die Geburtsstunde dessen, was Martin Luther später das „allgemeine Prie-stertum der Gläubigen“ genannt hat. Dieses allgemeine Priestertum ist ein Konzept, das damals in Jerusalem tat-sächlich aus der Not heraus geboren wurde, das aber viel mehr ist als eine bloße Notlösung. Denn aus dieser kon-kreten Not heraus erwuchs ein grundlegendes Prinzip der christlichen Gemeinde, das über alle konkreten Nöte und über alle Zeiten hinweg Gültigkeit hat: ein neuer Weg, eine neue Stufe von Gemeinde, der kategoriale Sprung von einer weit gehenden Versorgungs¬kirche hin zu einer breit ange-legten Beteiligungskirche. Je mehr Menschen sich beteiligen, desto mehr Nöten und Bedürf¬nissen kann eine Gemeinde begegnen. Je mehr wir hingegen auf einige wenige Funk-tionsträger und Hauptamtliche setzen, desto mehr Leute bleiben unzufrieden zurück.

Denn es ist völlig unzweifelhaft, dass niemand, auch nicht eine Handvoll Haupt- oder ein Dutzend hochengagierter Ehrenamtlicher auch nur im Ansatz die Fülle der Aufgaben bewältigen können, die Gott in dieser Welt eigentlich bewältigt haben möchte. Selbst der überragendste Geist-träger kann das Zusammen¬spiel einer sich gegenseitig er-gänzenden Gemeinde nicht ersetzen. Selbst ein Super-Apostel kann nicht die Funktionen des Verkündigers, der Diakonin, des Kirchenvorstehers, der Altenpflegerin, des Kinder- und Jugendleiters sowie der Chorleiterin gleichzeitig und mit gleicher Hingabe und Effizienz wahrnehmen.

Das Prinzip, von dem ich hier rede, ist mehr als bloß Arbeitsteilung. Es geht nicht lediglich darum, die Arbeit auf möglichst viele Schultern zu verteilen, sondern Menschen die Hände aufzulegen und ihnen etwas von dem „Geist“ abzugeben, den wir von Gott empfangen haben. Ihnen nicht nur Arbeit, sondern Verantwortung und vor allem auch einen Teil der eigenen Vollmacht und Kraft zu übertragen. Durch Gebet und Handlauflegung, aber auch durch die nötige Anleitung und auch durch Begleitung in ihrer neuen Verantwortung.

In unserem Text geht der Geist über von den Zwölfen auf zunächst weitere sieben. Dabei geht es natürlich nicht darum, nach den Zwölfen nun eine neue, heilige Neunzehnerschaft zu konstituieren, sondern dieser Vorgang ist nur der Anfang einer sich mehr und mehr auffächernden Entwicklung: neue Aufgaben kommen hinzu, neue Geist-träger/innen müssen berufen werden; alte Aufgaben werden von denen, die sie bearbeiten, nicht mehr bewältigt, und nun müssen sie erfinderisch werden und zusammen mit der ganzen Gemeinde neue Kräfte berufen, diese Aufgaben zu bewältigen. Die Zeit, in der sich die vielen Gemeinde¬glieder von wenigen Funktionären versorgen lassen, geht ihrem Ende entgegen. An ihre Stelle tritt ein neues Zeitalter, in dem sich vielleicht nicht alle, aber doch möglichst viele beteiligen, weil Gott seinen Geist an Pfingsten prinzipiell an alle Glaubenden ausgegossen hat und nicht nur auf wenige.

Heißt das, dass nun alle Christinnen und Christen in der Ge-meinde alles machen dürfen? Diese Frage kann man nur mit einem entschiedenen „Ja und Nein“ beantworten. „Im Prin-zip ja“, wird man sagen müssen. Jeder Christ und jede Christin ist für das Ganze der Gemeinde mitverantwortlich und darf, weil der Geist auf alle Gläubigen ausgegossen ist, prinzipiell alles: predigen, segnen, mit anderen beten, Kran-ke pflegen und Armen die Suppe austeilen. Er oder sie darf es und ist auch mitverantwortlich dafür, dass es passiert. Das heißt, wenn die Lage es erfordert, sollen wir hier auch eingreifen und zupacken. Und doch gibt es innerhalb der Gemeinde für den Normalfall eine sinnvolle Ordnung für diese Dienste. Das ist mein dritter Punkt:


3. Die sachgemäße Aufteilung der Dienste
Auch wenn das Prinzip des „allgemeinen Priestertums alle Gläubigen“ besagt, dass prinzipiell jeder Christ und jede Christ grundsätzlich jede Aufgabe in der Gemeinde übernehmen darf (und nicht etwa manche Dienste einem vermeintlich höheren „geistlichen Stand“ vorbehalten sind), ist es doch sinnvoll, die Aufgaben in der Gemeinde sachge-recht zu teilen. Auch hierzu finden wir in unserem Text ein paar hilfreiche Hinweise.

Dort sagen die Apostel: „Es ist nicht recht, dass wir für die Mahlzeiten sorgen und darüber das Wort Gottes vernach-lässigen“. Darum wollen wir sieben Leute aussondern, „wir aber wollen ganz beim Gebet und beim Dienst des Wortes bleiben“. Hinter diesen Worten steckt nicht – wie man manchmal vermutet hat – eine Über- und Unterordnung von Ver¬kündigung und Tischdienst. Dienst am Wort und prak-tizierte Nächstenliebe stehen im Leben der Gemeinde auf der gleichen Stufe, weil sie auch bei unserem Herrn Jesus Christus auf der gleichen Stufe standen.

Aber die Apostel hatten von Jesus einen konkreten Auftrag bekommen: Menschen zu evangelisieren, zu taufen und im Wort zu unterweisen. Dabei war es für sie anfangs selbst-verständlich, sich auch um die Versorgung der Witwen und Waisen in der Gemeinde zu kümmern – bis dann die Ge-meinde zu groß wurde und die Arbeit ihnen über den Kopf wuchs. Das führte sie dazu, sich darauf zu besinnen, wozu sie eigentlich von Jesus berufen waren. Denn es gibt wichtige Aufgaben, drängende Aufgaben, ehrenvolle Auf-gaben und schöne Aufgaben. Und es gibt unsere eigentliche Aufgabe: Singular. Die wichtigen, drängenden, ehrenvollen und schönen Aufgaben haben oft die Eigenschaft, sich vor diese eine Aufgabe zu schieben, an die Gott uns stellen möchte. Manchmal ist dies ein Auftrag, der sich über das ganze Leben wölbt, öfter wahrscheinlich aber eine Aufgabe, die uns für eine bestimmte Zeit lang anvertraut ist.

Jeder und jede von uns hat eine solche Aufgabe, an die Gott ihn oder sie stellen möchte. Das ist eine Grunderkenntnis Luthers gewesen, als er von dem allgemeinen Priestertum aller Glaubenden sprach. Jeder und jede von uns hat einen priesterlichen Auftrag in der Welt, das heißt er oder sie soll mit dem, was er ist, kann und hat, dazu helfen, zwischen Gott und den Menschen zu vermitteln. Die Frage ist nur: Wie bekommen wir diese Aufgabe heraus? Die Apostel hatten das Privileg, von Jesus noch zu seinen Erdenzeiten beauftragt worden zu sein. Das können wir so für uns nicht in Anspruch nehmen, und ein inneres Berufungserlebnis, das mancher vielleicht für sich verspürt, sollten wir zwar sehr ernst nehmen, aber es kann nicht an diese Stelle treten, da das bei Weitem nicht jeder erlebt und vor allem, weil man sich (und anderen) in dieser Hinsicht ganz schön etwas vormachen kann.

Was kann an die Stelle der Berufung treten, mit der der irdische Jesus seine Jünger in den Aposteldienst rief? Doch wohl vor allem die Berufung durch die Gemeinde, die das Neue Testament als „Leib Christi“ versteht! Nach der Himmelfahrt Jesu tritt dieser Leib Christi an die Stelle des irdischen Jesus, und führt in der Kraft des Heiligen Geistes das fort, was der irdische Jesus seinerzeit angefangen hat: er predigt, er hilft und heilt, er sammelt und segnet – und er beruft. So auch in unserem Text: Es ist die Gemeinde, die die sieben Diakone beruft, angeleitet durch die Apostel. Sie suchen nach Menschen, die sich bereits bewährt und entsprechend „einen guten Ruf“ haben, die geistliche Persönlichkeiten („voll Heiligen Geistes und Weisheit“) sind und die anstehende Aufgabe ein Herz und eine entspre-chende Gabe mitbringen. Dass diese sieben eine entspre-chende Begabung mitbrachten, erwähnt der Text nicht eigens, ist aber neben der Bewährung im Kleinen durch-gängige neutestamentliche Praxis bei Berufungen. Und es zeigt sich schlicht darin, dass die Aufgabenteilung anschließend funktionierte und das Wort Gottes sich wieder ausbreitete und die Gemeinde weiter wuchs. Dass die sieben darüber hinaus ein Herz für diese Aufgabe hatten, zeigt sich an den Namen der Diakone: es waren samt und sonders griechisch stämmige Juden, das heißt Vertreter eben jener Gruppe, die bei der Versorgung der Witwen zu kurz gekommen waren. Ihnen traut man die gerechte Verteilung der Güter an die ganze Gemeinde zu: das heißt, es gibt keine Vorbehalte, dass die Gruppe der Griechen nun ihrerseits die jüdischen Witwen übervorteilen würde. Der Konflikt ist ausgesprochen und gelöst: Es hat wirklich eine Versöhnung stattgefunden.

Diese Männer stellten sie vor die Apostel; die beteten und legten die Hände auf sie. So war die Aufgabenteilung damals: Die Gemeinde wählte die Leute aus, die Gemein-deleitung berief und segnete diese Menschen. Wahrhaft ein „evangelisches Prinzip“: Leitung bedeutete nicht Herrschaft und Entmündigung, sondern Ermöglichung des gemeind-lichen Willens.

Und das Wort Gottes breitete sich aus, und die Zahl der Jünger wurde sehr groß in Jerusalem. Das ist das Ziel, um das es bei aller Gemeindearbeit und bei aller gemeindlichen Aufgabenteilung letztlich geht: dass das Wort von der Liebe Gottes sich ausbreitet und Menschen beginnen, Jesus nach-zufolgen. Darum – und nicht nur, weil es keinen Spaß macht – müssen Konflikte ausgeräumt werden. Darum müssen Aufgaben besser verteilt und mehr Menschen in den Dienst berufen werden. Alles, was dazu dient, dass das Wort Gottes sich ausbreitet und Menschen zu Jüngerinnen und Jünger werden, ist zu fördern. Alles, was dem entge-genstellt, ist zurückzustellen. Dazu dient die Wortverkün-digung wie auch die Diakonie. Das ist letztlich auch der Sinn aller anderen Dienste in der Gemeinde. Und das ist auch der Sinn dieser wie jeder anderen Predigt.
AMEN.

Gebete:
Herr, wir bringen dir unsere verschiedenen Prioritäten,
unsere verschiedenen Akzentsetzungen
in unserem Christsein und auch in unserer Gemeindearbeit.
Du weißt, der eine sorgt sich mehr um den Nächsten,
der andere mehr um die Verbreitung deines Wortes,
und kaum jemand bringt diese beiden Pole
wirklich zusammen.
Lass uns nie vergessen, dass beides zusammengehört,
und dass bei aller notwendigen Aufgabenteilung
du eine Trennung nie gewollt hast.
Lass uns den anderen in Demut höher achten
als uns selbst.

Herr, Gott, himmlischer Vater,
nicht jeder ist für jede Aufgabe
in gleicher Weise geeignet.
Manches können wir besser als andere
und anderes können sie besser als wir.
Hilf uns, unsere Gaben,
aber auch die Grenzen unseres Könnens zu erkennen.
Lass jeden in unserer Gemeinde die Möglichkeit finden,
mitzuarbeiten auf seine Weise, mit seinen Gaben:
zu deiner Ehre und zum Wohl der Menschen.
Schenke zu allem ehrlichen Wollen auch das Vollbringen.

Verfasser: Pfarrer Dr. Klaus Douglass
Viktor-Przybilla-Str. 28, 65347 Eltville am Rhein

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