Gottes Macht über den Tod
von Johannes Jochemczyk (65599 Dornburg-Frickhofen)
Predigtdatum
:
07.09.2008
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
14. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle
:
Hebräer 10,35-36.(37-38).39
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Wochenspruch:
Christus Jesus hat dem Tode die Macht genommen und das Leben und ein unvergängliches Wesen ans Licht gebracht durch das Evangelium.
(2. Timotheus 1,10)
Psalm: 68,4-7a.20-21
Lesungen
Altes Testament:
Klagelieder 3,22-26.31.32
Epistel:
2. Timotheus 1,7-10
Evangelium:
Johannes 11,1(2)3.17-27(41-45)
Liedvorschläge
Eingangslied:
EG 450
Morgenglanz der Ewigkeit
Wochenlied:
EG 364,1-2+4
Was mein Gott will, gescheh allzeit
Predigtlied:
EG 630
Wo ein Mensch Vertrauen schenkt
Schlusslied:
EG 170
Komm, Herr, segne uns
Einleitende Bemerkungen – Der Weg zur Predigt:
Bei dem Hebräerbrief handelt es sich mehr um ein theologisches Traktat denn einen geschriebenen Brief. Der genaue Abfassungsort ist nicht bekannt, die Abfassungszeit wird spätestens auf das letzte Jahrzehnt des 1. Jhdts. gesetzt. Der Brief wird in der kirchlichen Tradition Paulus zugeschrieben, dagegen sprechen jedoch stilistische und theologische Gründe. So ist die Verfasserschaft letztendlich nicht geklärt. Ein Adressat wird nicht genannt, „An die Hebräer“ ist später hinzugefügt. Vorstellen lassen sich jüdische Christen und Christinnen, die durch das Ausbleiben der Wiederkunft Christi im Glauben nachlassen.
Thematisch beschäftigt sich der Hebräerbrief mit „Christus als dem wahren Hohenpriester.“ Dieses Thema wird in den ersten 10 Kapiteln breit entfaltet. Immer wieder werden daraus Konsequenzen für die glaubende Gemeinde gezogen, vor allem ab Kap. 10,19.
Unsere Perikope fordert die Gläubigen auf, am Bekenntnis fest zu halten. Es wird davor gewarnt, in Glaubensmüdigkeit zurück zu fallen. Der Appell, geduldig zu bleiben und das Vertrauen nicht zu verlieren, ist unüberhörbar. Auf die Wiederkunft Christi wird mit Hilfe eines Schriftzitates erneut verwiesen.
Die Situation der Gemeinde heute unterscheidet sich im Kern nicht von der damaligen Situation. Christus ist noch nicht wiedergekehrt. Glaubensmüdigkeit und Zweifel sind auch heute wie eh und je unser Thema. Die Predigt möchte von daher ermutigen, dennoch auf Gott zu vertrauen und den Glauben stärken.
Die Predigt spielt darum mit dem Begriff des Vertrauens, mit dem die revidierte Lutherübersetzung den Begriff parrhesía (Freimütigkeit, Unerschrockenheit) wiedergibt. Ausgehend von dem Spruch „Vertrauen ist gut – Kontrolle ist besser“ entfaltet die Predigt zunächst den Begriff der Kontrolle und konfrontiert ihn mit dem Begriff des Vertrauens. Kontrolle ist notwendig, aber nicht alles kann man kontrollieren. Für das Leben wie für den Glauben gilt der Gegensatz: „Kontrolle ist gut – Vertrauen ist besser“, mehr noch: das Vertrauen ist für den Glauben kennzeichnend und unerlässlich. Für diese Einsicht versucht die Predigt zu werben.
Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi, der Friede Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. AMEN.
35 Darum werft euer Vertrauen nicht weg, welches eine große Belohnung hat. 36 Geduld aber habt ihr nötig, damit ihr den Willen Gottes tut und das Verheißene empfangt. 37 Denn «nur noch eine kleine Weile, so wird kommen, der da kommen soll, und wird nicht lange ausbleiben. 38 Mein Gerechter aber wird aus Glauben leben. Wenn er aber zurückweicht, hat meine Seele kein Gefallen an ihm» (Habakuk 2,3-4). 39 Wir aber sind nicht von denen, die zurückweichen und verdammt werden, sondern von denen, die glauben und die Seele erretten.
Vertrauen ist gut – Kontrolle ist besser!
„Vertrauen ist gut!“, habe ich gedacht, als ich diesen Predigttext gelesen habe, aber „Kontrolle ist besser!“
Als es im letzten Jahr im Kernkraftwerk Krümmel zu einem Störfall kam, konnte man sich wieder einmal davon überzeugen. Vielleicht erinnern Sie sich an diesen Zwischenfall, der damals über einige Wochen immer wieder in den Nachrichten auftauchte: Ein Transformator hatte Feuer gefangen. Zunächst wurde die Sache herunter gespielt, doch dann stellte sich immer mehr heraus, dass dieser Zwischenfall dann doch um einiges ernsthafter war, als man zunächst behauptete. Das war wahrhaftig keine vertrauensfördernde Strategie, die die Verantwortlichen damals an den Tag legten.
Es wurde damals wieder einmal mehr als deutlich, dass Kontrolle in vielen Bereichen tatsächlich notwendig ist. Zum einen, um Gefahr von Leib und Leben abzuwehren, denn Kontrolle ist überall da unerlässlich, wo es sich um gefährliche, lebensbedrohliche oder unabwägbare Risiken handelt. Zum anderen, um die Verantwortlichen zu kontrollieren, damit sie sich nicht in falscher Sicherheit wiegen. Mit blindem Vertrauen kommt man in solchen Dingen nämlich nicht weiter.
Es scheint zu stimmen: „Vertrauen ist gut - aber Kontrolle ist besser!“
Nicht nur die Kernkraft muss kontrolliert werden. Auch im Bereich der Naturwissenschaften z.B. versucht man, Kontrolle über die Dinge zu bekommen und sie handhabbar zu machen, indem man sie erforscht und ihnen auf den Grund geht.
Kontrolle wird aber auch ausgeübt im Bereich jeglicher industriellen Produktion. Fertigungsprozesse müssen im Detail geplant und kontrolliert werden, damit eine möglichst effektive Herstellung möglich ist.
Und wenn man länger drüber nachdenkt, scheint Kontrolle sowieso heutzutage das beste Mittel für Effizienz zu sein. Das ist in vielen Bereichen zu verzeichnen. Denken Sie z.B. an das Schulwesen oder auch das Gesundheitswesen. Jedes Detail soll und muss dokumentiert werden, damit es nachprüfbar ist und festgestellt werden kann, wo die Schwachpunkte liegen. Evaluation ist das Motto der Stunde.
Vertrauen ist gut – Kontrolle ist besser?
Doch muss man das nicht unbedingt gut heißen. Denn Kontrolle bedeutet ja auch, dass man den Dingen nicht mehr einfach so vertraut und vor allem den Menschen nicht mehr, die diese Arbeit leisten. Bildung und Heilung muss effizient sein und darum möglichst gut kontrolliert werden. Ob das aber der Qualität dient und sich die Mitarbeiter dabei gut fühlen, bleibt erst mal außen vor.
Schlimm ist vor allem, wenn das Chaos kontrolliert werden muss. Denken Sie nur an die Maßnahmen, die ergriffen wurden und werden, wenn Fälle von Schweinepest oder Vogelgrippe gemeldet werden. Dann wird nichts mehr dem Zufall überlassen – auf Vertrauensbasis läuft da gar nichts mehr. Dann wird radikal versucht, die Seuche auszurotten.
Wir mögen es nämlich nicht, wenn etwas außer Kontrolle gerät. Dann werden wir hektisch und versuchen das Problem unter allen Umständen wieder unter Kontrolle zu bringen, koste es was es wolle.
Kontrolle kann auch missbraucht werden – als Mittel der Macht.
Sehr eindrücklich wird das in dem deutschen Kinofilm, „Das Leben der Anderen“ gezeigt. Ein beeindruckender Film, der sicher nicht zu Unrecht 2006 als bester ausländischer Film einen „Oscar“ erhielt. Ein sehenswerter und lehrreicher Film, der auch einen Beitrag zum gegenseitigen Verständnis deutsch-deutscher Geschichte leisten kann.
Erzählt wird die Geschichte eines Stasispitzels, der den Auftrag hat, einen bekannten und beliebten Dramatiker zu überwachen. Das Eindringen in die Privatsphäre dieses Mannes verändert diesen Spitzel jedoch, und letztendlich versucht er, den Dramatiker zu schützen.
Deutlich wird in diesem Film, wie perfide, erbarmungslos und misstrauisch dieses System der Kontrolle und Überwachung sein konnte. Ein System, das das Vertrauen zerstörte: das Vertrauen in den Staat, das Vertrauen in seine Mitmenschen und das Vertrauen in sich selbst. Es ist in diesem Zusammenhang bemerkenswert, dass dieses System wie so viele diktatorische Systeme erklärt atheistisch war. So als ob der Glauben der stärkste Feind der Kontrolle wäre.
Leben ist eine Sache des Vertrauens
Vertrauen ist gut – aber Kontrolle ist besser! – leuchtet zunächst irgendwie ein. Und Kontrolle ist in vielen Bereichen unseres Lebens in unserer hochtechnisierten und industrialisierten Welt tatsächlich notwendig, um sozusagen einen äußeren Rahmen der Sicherheit und Effizienz zu stecken.
Kontrolle entspricht eben dem Wunsch nach Sicherheit und Verlässlichkeit.
Übrigens glaube ich, dass auch wir selbst so strukturiert sind, dass wir am liebsten alles unter Kontrolle haben, damit in unserem Leben eben nichts außer Kontrolle gerät und wir uns sicher fühlen.
Aber wenn die Kontrolle als Machtmittel missbraucht wird, wird’s problematisch. Und wenn sie das Leben vernichtet und nicht mehr schützt, es der Freiheit beraubt und nicht mehr fördert, läuft etwas schief.
Das größte Problem aber ist, das Kontrolle nicht die Qualität unseres Lebens herstellen oder sichern kann. Denn wir können in unserem Leben nicht alles kontrollieren.
Das Leben selbst entzieht sich unserer Kontrolle. Es ist nicht verfügbar: wir können weder den Zeitpunkt noch in der Regel die Dauer bestimmen. Auch Sterben und Tod liegt nicht in unserer Hand. Und darüber hinaus ist vieles, was für unser Leben wesentlich ist, ebenfalls nicht kontrollierbar.
Wir können die Liebe nicht kontrollieren, auch wenn wir das manchmal vielleicht gerne tun würden. Wir können sie weder erzwingen, noch verhindern. Wir können Gefühle, Ideen, Gedanken, Hoffnungen nicht kontrollieren. Sie weder erzwingen, noch verhindern. Wir können auch den Glauben nicht kontrollieren, ihn weder erzwingen, noch verhindern. Der Geist Gottes weht, wo er will.
Denn alle diese Dinge basieren auf Vertrauen. Sie entstehen und leben alleine durch Vertrauen und nicht durch Kontrolle – würde man sie kontrollieren wollen, beginnt man sie kaputt zu machen.
Wenn in einer Partnerschaft kein Vertrauen mehr herrscht und man anfängt sich zu kontrollieren, ist die Basis dahin.
Wenn wir Gefühlen, Ideen, Gedanken kontrollieren, wird das Leben armselig und der Menschenwürde beraubt.
Wenn wir beginnen den Glauben zu kontrollieren, ist die Freiheit verloren und damit der Glaube bedroht. Denn Freiheit ist ein Kennzeichen unseres Glaubens: „Christus hat uns befreit; er will, dass wir jetzt auch frei bleiben. Steht also fest und lasst euch nicht wieder ins Sklavenjoch einspannen!“ So drückt es Paulus aus (Gal 5,1. Gute Nachricht).
Kontrolle ist gut – Vertrauen ist besser!
Vielleicht sollte man darum nicht formulieren: „Vertrauen ist gut – Kontrolle ist besser“, sondern das Verhältnis umkehren: „Kontrolle ist gut – aber Vertrauen ist besser!“
Dann lebt es sich zwar unsicherer und riskanter, als wenn man alles unter Kontrolle hat. Vertrauen ist eben immer auch mit einem unabwägbaren Risiko verbunden.
Aber das Leben wird dadurch reicher und lebenswerter.
Wo ein Mensch Vertrauen schenkt...
Als gegen Ende des ersten Jahrhunderts n. Chr. der Brief an die Hebräer geschrieben wurde, waren die Dinge wohl auch etwas außer Kontrolle geraten. Geduldig warteten die ersten Christen auf die Wiederkunft Christi: Tage, Wochen, Monate und Jahre. Doch dann ließ die anfängliche Begeisterung nach, weil alles mögliche in Sicht war, nur nicht der wiederkommende Herr. So gab es ziemlich bald Schwierigkeiten in der jungen Christenheit. Man konnte nicht sicher sein, ob denn Jesus nun wieder kommt oder nicht. Wenn er aber nicht kam, auf welche Worte Christi konnte man sich dann überhaupt verlassen? So machen sich Zweifel breit, und die Enttäuschung ist groß.
Gut wäre es gewesen, wenn es hier doch irgendwie Sicherheit gegeben hätte! Wenn man Christus und den Glauben an ihn irgendwie unter Kontrolle hätte bringen können. Aber wie soll das gehen?
Der Schreiber des Hebräerbriefes versucht auf diese Situation einzugehen und gegen aufkommende Glaubensmüdigkeit anzugehen. Seitenweise versucht er Überzeugungsarbeit zu leisten, indem er auf die Bedeutung Jesu Christi für die Gläubigen eingeht und dann eindringlich bittet. „Werft euer Vertrauen nicht weg.“ Behaltet eure Zuversicht und eure Offenheit für die Sache Jesu Christi. Bleibt geduldig. Er wird wieder kommen.
Mir scheint, der Schreiber des Hebräerbriefes weiß ganz genau, dass der Glauben nicht zu kontrollieren ist und dass es hier keine Sicherheit gibt. So bleibt ihm nur, an die Leute damals zu appellieren: „Werft euer Vertrauen nicht weg!“, weil er weiß: „Kontrolle ist gut – aber Vertrauen ist besser!“
„Werft euer Vertrauen nicht weg.“ – das gilt heute wie damals.
Christus ist bis jetzt nicht wiedergekommen. Zweifel und Glaubensmüdigkeit sind auch heute noch unsere Themen. Und Instrumentarien, Glaubenssicherheit herzustellen und den Glauben unter Kontrolle zu bringen, sind bis jetzt immer noch nicht gefunden.
Auf Gott zu vertrauen ist eben Vertrauenssache.
Bei allen Zweifeln, die wir vielleicht hegen, bei allem Wunsch, doch eine Sicherheit zu haben und auch in Glaubensdingen die Kontrolle zu behalten, bleibt uns nur die Möglichkeit, der Sache Jesu Christi zu vertrauen und zu erleben, dass sie trägt.
Behalten wir also unser Vertrauen! – das ist zwar riskanter und unsicherer, aber das Leben wird dadurch reicher und lebenswerter.
Und der Friede...
AMEN.
Verfasser: Pfr. Johannes Jochemczyk, Sportplatzweg 1, 65599 Dornburg-Frickhofen
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