Gottes Macht über den Tod
von
Predigtdatum
:
19.09.2010
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
14. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle
:
2. Timotheus 1,7-10
Wenn Sie diese Predigt als Word-Dokument erhalten möchten, tragen Sie bitte Ihre E-Mail-Adresse ein und klicken Sie auf "Abschicken"
Wochenspruch:
„Christus Jesus hat den Tode die Macht genommen und das Leben und ein unvergängliches Wesen ans Licht gebracht durch das Evangelium.“ (2. Timotheus 1, 10 b)
Psalm: 68, 4 – 7 a.20 – 21 oder 146 (EG 757)
Lesungen
Altes Testament:
Klagelieder 3, 22 – 26.31 – 32
Epistel:
2. Timotheus 1, 7 – 10
Evangelium:
Johannes 11, 1 (2) 3.17.27 (47 – 45)
Liedvorschläge
Eingangslied:
EG 452, 1 - 3
Er weckt mich alle Morgen
Wochenlied:
EG 364,1.2.4.
Was mein Gott will, gescheh allzeit..
Predigtlied:
EG 329
Bis hierher hat mich Gott gebracht
Schlusslied:
EG 590
Herr, wir bitten: Komm und segne uns
Hinführung zur Predigt:
Der 2Tim gehört wie 1Tim und Tit zu den so genannten Pastoralbriefen (Hirtenbriefen). Hirtenbriefe haben in der katholischen Kirche bis heute eine große Tradition und dienen der Ermahnung, mitunter auch der Zurechtweisung von Gemeinden und Leitungspersonen.
Die Pastoralbriefe im NT bemühen sich in diesem Sinne um die Begründung und Ausgestaltung des Hirtenamtes, so vor allem der 1Tim und der Tit sowie mit einiger Einschränkung der 2Tim. Nach weitgehend übereinstimmender Auffassung sind alle 3 Briefe nicht von Paulus verfasst, sondern von einem unbekannten Paulusschüler. In den Pastoralbriefen spiegeln sich die Probleme der 3. urchristlichen Generation wider. Die kirchliche Verfassung ist weiter fortgeschritten, als es die „echten“ bzw. primären Paulusbriefe spiegeln. An die Stelle der Hausgemeinde ist bereits die Ortsgemeinde getreten. Wird auch die Organisation fester, so wachsen aber auch Bedrohungen von Außen, durch falsche Lehren etwa. Denen begegnen die Pastoralbriefe durch einen entschiedenen Rückbezug auf Paulus und die durch ihn verbürgte Tradition.
Der 2Tim stellt sich als letztes Wort des inzwischen gefangenen und von allen verlassenen Apostels vor seinem Tod in Rom dar, als sein Testament bzw. Vermächtnis sozusagen (vor allem Kap 4), und bildet den Abschluss der Sammlung der Paulusbriefe im NT.
Gerichtet ist dieser Brief an Timotheus, einen wichtigen Mitarbeiter des Paulus, wobei der Adressat wohl so fiktiv ist wie der Verfasser.
(Lit.: TRE, RGG, Udo Schnelle, Einleitung in das NT, Göttingen 20024; ders., Paulus, Berlin 2003; u.a.)
Predigt:
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!
Der für den heutigen Sonntag vorgeschlagene Text steht im 2Tim und lautet:
2 Tim 1, 7 - 10
Liebe Gemeinde!
Stellen Sie sich folgende Situation vor, die ein Kirchenvorsteher einmal erlebt hat:
Ein Nachbar ist erkrankt. Er ist seit vielen Jahren verheiratet und steht kurz vor der goldenen Hochzeit. Seine Frau und er haben sich Kinder gewünscht, aber keine bekommen. Manchmal haben sie schon darüber nachgedacht, was sie alles aus ihrem Leben gemacht haben und was sie versäumt haben. „Wer wird unser Haus erben, für das wir so viel gearbeitet haben und das nun seit langem schuldenfrei ist, wer wird an unseren Gräbern stehen?“ Und nun ist der Mann krank, schwer krank, Diagnose: Krebs im Spätstadium, es bleibt ihm nur noch kurze Zeit.
Eigentlich haben die Nachbarn immer geglaubt, dass die Frau krank sei. Zumindest hat sie stets den Eindruck vermittelt: „Mir geht es ja so schlecht! Ich glaube, ich muss bald sterben! Zum Glück habe ich meinen Mann, der umsorgt mich Tag und Nacht und pflegt mich!“ Und so ist es auch: Er rennt mit ihr von Arzt zu Arzt. Aber keiner findet etwas, zumindest nichts Gravierendes.
Sicher kennen Sie so etwas, wenn nicht aus der Familie, so doch aus Filmen und Büchern. In Familienserien wie den Hesselbachs von anno dazumal wird dieses Motiv gern aufgegriffen, den eingebildeten Kranken kennen wir schon allein durch Jean Baptiste Molière.
Aber hier ist es nun Realität. Sie steht im Mittelpunkt, hat alle Aufmerksamkeit auf sich gelenkt, die Rolle des Mannes wird immer unbedeutender, seine ganze Aufgabe besteht darin, für seine Frau zu sorgen. Und eines Tages, es wird ihm langsam zu viel, denkt er: „Ich könnte mich auch mal untersuchen lassen!“ Und dann kommt die Diagnose: Nichts mehr zu machen! Nur noch wenige Monate, vielleicht Wochen, nicht sie, er ist krank.
Was sich nun zwischen den Beiden abspielt, ist unbeschreiblich. Nun kommt die große Abrechnung. Die Frau ist unglücklich. So hat sie das nicht gewollt, dass nun Alles ganz anders gekommen ist. So ist sie eigentlich auch gar nicht so richtig glücklich, dass sie nichts Schlimmes hat, schließlich hat sie sich in ihre vermeintliche Krankheit so hinein gesteigert, dass sie auch eine ärztliche Entwarnung kaum wahrnehmen will. Und jetzt die Diagnose: ihr Mann ist krank und wird bald sterben. Ob sie in der Lage ist, die Sorge um sich selbst in die um den kranken Mann zu verwandeln, scheint eher zweifelhaft. Eher scheint es so, als sei sie eifersüchtig, dass der Mann nun die Aufmerksamkeit verdient, um die sie so sehr gebuhlt hat.
Der Mann macht es ihr auch nicht leicht: Aus ihm bricht aller Zorn aus, der sich in den letzten Monaten angesammelt hat. Auseinander gelebt hatte man sich schon lange, und nun der Terror mit der Krank-heit, die Bitterkeit der eigenen Diagnose verbunden mit dem makabren Triumph: „Nicht Du bist krank, ich bin es!“
Man braucht Hilfe, man schickt zum Pfarrer, der ist schließlich Seelsorger, Profi mithin für solche Fälle. Der kommt auch und setzt sich zu den alten Leuten, wirkt auf sie ein, aber ein einzelner Besuch nützt nichts, und jeden Tag hat er nicht Zeit. Aber in der Nachbarschaft wohnt ein Kirchenvorsteher, könnte der sich nicht um die Menschen kümmern, wäre das nicht echte Mitarbeit, mehr als die ewigen Abstimmungen über Bauangelegenheiten? Der Kirchenvorsteher hört sich das Ansinnen des Pfarrers an. Er ist wenig begeistert. Nachbarschaft, was heißt das schon in einem Wohngebiet mit lauter allein stehenden Einfamilienhäusern? Man kennt sich wohl, grüßt sich auch auf der Straße, aber von einem näheren Kontakt kann keine Rede sein und eine seelsorgerliche Ausbildung hat er auch nicht, noch hat er Psychologie studiert.
Schließlich, nach langem Hin und Her, willigt er ein, er geht jeden Abend ins Nachbarhaus und setzt sich eine halbe Stunde zu den alten Leuten, er sagt nicht viel, er hört zu, wie die Beiden reden, wie sie schimpfen, wie sie sich beschimpfen, aber es wird weniger, von Zeit zu Zeit werden sie friedlicher, schließlich ist es so weit, der Mann stirbt, die Frau geht in ein Altenheim, einen beträchtlichen Teil ihres Vermögens vererben sie der Gemeinde, deren ehrenamtlicher Mitarbeiter sie betreut hat, ihnen geholfen hat, sie sind dankbar. Vor der Beerdigung kommt dann noch heraus, dass die evangelische Gemeinde gar nicht für die Betreuung „zuständig“ gewesen wäre, der Mann war katholisch, nur seine Frau war evangelisch, und es ergibt sich bei der katholischen Beerdigung eine eindrucksvolle ökumenische Gesprächsrunde.
„Wieso habe ich das tun können, woher habe ich diese Kraft bekommen? Hätte man mir das vorher genauer gesagt, was auf mich zukommt, ich hätte geantwortet: Das kann ich nicht, aber ich konnte es, als ich plötzlich da mit den Beiden im Zimmer saß, warum?“ So fragt der Kirchenvorsteher. Und liebe Gemeinde, wenn ich Sie jetzt fragen würde, ob sie auch schon Situationen erlebt haben, in denen ihnen unvermutet eine Kraft zugewachsen ist, von der Sie sich kaum erklären können, woher sie kommt, so haben sicher einige von Ihnen Beispiele bereit, sei es die Pflege von Angehörigen mit allem, was dazu gehören kann, sei es im mutigen Auftreten in einer Diskussion, sei es beim Treffen einer wichtigen Entscheidung. Woher kommt diese Kraft?
Ich glaube, der heutige Text kann bei der Beantwortung dieser Frage helfen: „Denn Gott hat uns nicht einen Geist der Verzagtheit gegeben, sondern den Geist der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.“ Unser Beispiel, unsere Beispiele aus dem kleinen persönlichen Bereich können uns vielleicht diesem kraftvollen Wort näher bringen, wir können unser Handeln, unsere Fähigkeit zu handeln in schwierigen Situationen daraus begreifen, ein Vergleich mit der Situation, in die hinein es gesagt ist, wäre aber sicher anmaßend.
Der 2Tim ist nicht von Paulus selbst verfasst, zusammen mit dem 1Tim und dem Tit zählt ihn die theologische Wissenschaft zu den so genannten Pastoralbriefen, Hirtenbriefen, wie wir sie bis heute in der katholischen Kirche kennen. Sie mahnen die Hirten, die Bischöfe und ihre Gemeinden für rechtes Lehren und Handeln zu kämpfen und spiegeln die Situation der dritten urchristlichen Generation wider.
Mit dem Wachsen des Christentums veränderte sich auch seine Organisationsform, aus Hausgemeinden wurden Ortsgemeinden und damit war das Ende der organisatorischen Fahnenstange nicht erreicht. Mit dem Wachsen und der Festigung größerer Organisationsformen waren aber auch ständig neue Bedrohungen verbunden, die es galt abzuwehren. So hatte man zu kämpfen mit der Philosophie der geistigen Umwelt, die hilfreich sein konnte zur Präzisierung der eigenen Lehre, diese aber auch verfälschen konnte. Wie sollte man das Alles bestehen, wie sollte sich der christliche Glaube festigen, welches umlaufende Schriftgut war richtig und sollte gesammelt werden, welches war falsch und aus der Sammlung der verbindlichen Texte auszuscheiden, alles Fragen, die die Christen der dritten Generation mehr und mehr beschäftigen mussten. Was lag da näher, als an den anzuknüpfen, von dem man das Evangelium empfangen hatte, sich zu beziehen auf Paulus und seine Tradition. So schreibt der unbekannte Schüler des Paulus im 2Tim, dem letzten und die Sammlung abschließenden Brief der „Paulusbriefe“, das Testament seines Lehrers und richtet es an einen wichtigen Mitarbeiter, einen Hirten. Und an Paulus anknüpfen heißt sich seiner zu erinnern und diese Erinnerung zu vertiefen. Paulus selbst schreibt im 2Kor, was er alles durchgemacht hat:
„Von den Juden erhielt ich fünfmal die 39 Schläge, dreimal bekam ich die Prügelstrafe, einmal wurde ich gesteinigt, dreimal erlitt ich Schiffbruch, einen Tag und eine Nacht trieb ich auf offener See. Oft war ich auf Reisen, oft war ich Gefahren ausgesetzt durch Flüsse, durch Wegelagerer, durch Volksgenossen und Fremde; in der Stadt, in der Einöde, auf dem Meer, durch falsche Brüder. Es gab Mühsal und Plage, ich ertrug viele durchwachte Nächte, Hunger und Durst, häufiges Fasten, Kälte und Blöße.“ (2 Kor 11, 24-27)
Er hat einiges durchgemacht, auch die Auseinandersetzung mit „falschen Brüdern“ ist ihm nicht fremd. Und so ergeht bereits in dem unserem Text vorausgehenden Vers die Aufforderung an den Gemeindeleiter und der Verfasser lässt Paulus sprechen: „Aus diesem Grund rufe ich dir ins Gedächtnis: Lass das Feuer der Gabe Gottes, die durch die Auflegung meiner Hände noch in dir ist, wieder brennen.“ (V. 6) Vor allem schäme dich nicht Zeugnis abzulegen! Schäme dich des Evangeliums nicht, schäme dich auch nicht für mich, weil ich im Gefängnis bin, sondern ertrage alle Mühe wie ich es getan habe, die Kraft kommt dir von Gott! Und in der Tradition des Paulus lässt der Verfasser einen Hymnus folgen, der an Paulus’ Christushymnus im Philipperbrief erinnert:
„Ertrage für das Evangelium Mühsal und Plage in der Kraft Gottes,
der uns errettet
und uns berufen hat mit heiligem Ruf,
nicht aufgrund unseres Tuns,
sondern seiner freien Entscheidung und seiner Gnade,
die uns in Jesus Christus zugedacht wurde,
vor aller Zeit
jetzt aber sichtbar geworden ist
im Erscheinen unseres Retters, Jesus Christus:
Er hat den Tod besiegt
Und hat aufleuchten lassen Leben und Unsterblichkeit, durch das
Evangelium.“ (V. 8b – 10)
Paulus schöpft seine Kraft aus der Erscheinung des Auferstandenen und dazu fordert er auch uns auf. Ängste bedrängen uns genug, vor der Globalisierung, vor dem Verlust des Arbeitsplatzes, vor Gewalt, Krieg und selbstzerstörerischen Mechanismen moderner Gesellschaften, bedrückenden Situationen, in der Politik, der Wirtschaft oder im ganz persönlichen Bereich. Die Kraftquelle, das alles zu bestehen, ist uns zugesprochen: Erinnern wir uns, was der Völkerapostel uns durch den Mund seines Schülers zuruft:
„Denn Gott hat uns nicht einen Geist der Verzagtheit gegeben, sondern den Geist der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit!“
Und der Friede Gottes….
Verfasser: Dr. Ulrich Oelschläger, Schöfferstraße 20, 67547 Worms
© Copyright:
Herausgegeben vom

Referat Ehrenamtliche Verkündigung
Markgrafenstraße 14, 60487 Frankfurt/Main,
Telefon: 069.71379-140
Telefax: 069.71379-131
E-Mail: predigtvorschlaege@zentrum-verkuendigung.de
in Kooperation mit dem
Gemeindedienst der
Evangelischen Kirche
in Mitteldeutschland
Pfarrer Dr. Matthias Rost
Zinzendorfplatz 3 (Alte Apotheke), 99192 Neudietendorf
Telefon: 036202.7717-97
Pfarrer Thomas Borchers
Missionarisch-Ökumenischer Dienst
Westbahnstraße 4
76829 Landau
Telefon: 06341.928912
E-Mail: info@moed-pfalz.de
Die „Predigtvorschläge“ sind auch auf CD-ROM (Text- und MS WORD-Datei) erhältlich
(Bestellformular).