Wochenspruch: Die Finsternis vergeht, und das wahre Licht schein jetzt. (1. Joh 2,8)
Psalm: 72,1-3.10-12.17b-19
Reihe I: Matthäus 2,1-12
Reihe II: Epheser 3,1-7
Reihe III: Jesaja 60,1-6
Reihe IV: Johannes 1,15-18
Reihe V: 2. Korinther 4,3-6
Reihe VI: 1. Könige 10,1-13
Eingangslied: EG 74,1-4 Du Morgenstern, du Licht vom Licht
Wochenlied: EG 66,1.2.5 Jesus ist kommen
Predigtlied: EG 66,7.8 Jesus ist kommen
Schlusslied: EG 70,4.7 Von Gott kommt mir ein Freudenschein
15 Johannes zeugt von ihm und ruft: Dieser war es, von dem ich gesagt habe: Nach mir wird kommen, der vor mir gewesen ist; denn er war eher als ich.
16 Von seiner Fülle haben wir alle genommen Gnade um Gnade.
17 Denn das Gesetz ist durch Mose gegeben; die Gnade und Wahrheit ist durch Jesus Christus geworden.
18 Niemand hat Gott je gesehen; der Eingeborene, der Gott ist und in des Vaters Schoß ist, der hat es verkündigt.
Die Predigt thematisiert in (I) das Privileg, zweimal über das Fest der Geburt Jesu staunen zu dürfen. Alle hatten dazu Gelegenheit am Heiligabend und am Christfest – damals staunten wir, wie tief sich der Höchste beugen kann; an Epiphanias ist Gelegenheit zu staunen darüber, dass Gott in Jesus Christus alle Welt in sein Licht rückt.
Bevor die vier Verse Johannes 1,15-18 ausgelegt werden, handelt (II) von der Funktion des Prologs im Johannesevangelium. Er ist das Gegenteil eines Vorworts, das man überblättern könnte. Vielmehr ist er einer Ouvertüre vergleichbar, die wesentliche Inhalte des Folgenden schon anklingen lässt.
Teil (III) behandelt mit Blick auf Vers 15 die besondere Funktion des Täufers, der im vierten Evangelium vor allem Zeuge ist. Als inspirierter Zeuge hat Johannes der Täufer seine besondere Würde.
Zentraler Abschnitt der Predigt ist (IV), wichtigstes Stichwort die „Fülle“ (V. 16). Die Fülle des Evangeliums erschlägt nicht, sondern entspringt dem Reichtum Gottes, der Menschen gnädig ansieht und sich ihnen zusagt.
Der Vers 17 wird in (V) nicht als Antithese verstanden. In Jesus kommt kein anderer zur Welt als der in Israel schon als gnädig und treu bekannte Gott. Wahrheit ist hier vom hebräischen „ämät“ her als Treue und Verlässlichkeit Gottes verstanden und ausgelegt.
Folgerichtig wird in (VI) Jesus als Bild Gottes herausgestellt, der aus innigster Gemeinschaft mit Gott heraus den Unsichtbaren „auslegt“ (V. 18), indem er – durch sein gnädiges Wort und liebendes Werk – in Gottes Herz sehen lässt. In 21 Kapiteln eines Evangeliums gibt es da für den Rest des Jahres noch viel zu entdecken.
I Das Staunen geht weiter
II Mehr als ein „Vorwort“
III Zeuge sein
IV Fülle als Wohltat
V Sehet, was hat Gott gegeben
VI Jesus – das Bild Gottes
Die Predigt will zum Staunen führen über die Fülle, die Gott uns gnädig schenkt.
I. Das Staunen geht weiter
Liebe Gemeinde,
es ist eine besondere Zeit, die letzte Woche eines alten Jahres und die erste Woche im neuen. Die letzte Woche im alten Jahr beginnt mit dem Fest der Geburt Jesu. Und wir, die wir uns heute hier zum Gottesdienst versammelt haben, feiern weiter: Wir feiern Gottes Kommen noch einmal, heute am Fest der Erscheinung des Herrn.
Am Heiligen Abend waren unsere Blicke eher nach unten gerichtet: Wir haben in das Dunkel eines Stalles geschaut, auf ein schutzloses, bedürftiges Kind in der Krippe. Und haben gestaunt über das Wunder, wie tief sich der Höchste zu uns herunterbeugt.
Heute, am Erscheinungsfest, hören wir noch einmal von Gottes Kommen, doch heute blicken wir hinauf. Und staunen weiter: Gott rückt diese Welt und das Menschenleben in sein Licht. Der ewigreiche Gott zeigt, wer er ist, und gibt uns Anteil an seinem Glanz.
Was verborgen war, jetzt ist es enthüllt. Was keiner je gesehen hat, nun ergeht Kunde davon. Erscheinungsfest feiern wir heute. Unsere Ohren hören, unsere Herzen staunen und danken.
Hören wir das Evangelium des heutigen Festtages aus Johannes 1.
Lesung des Predigttextes
II. Mehr als ein „Vorwort“
Bevor das Johannesevangelium von Jesus erzählt, von seinen Worten und Zeichen, von seinem Weg und Werk, stimmt es für die Leserinnen und Hörer ein Lied an. Ein Loblied. Ein Lied voller Staunen und Dank.
„Prolog“ wird dieses Loblied auch genannt – „Vorwort“. Dieses Vorwort will beachtet sein! Es steckt einen Horizont ab und weist schon auf, wie das ganze Evangelium zu lesen ist. Es geht um Gott selbst bei der Geschichte von Jesus. Es geht um den Anfang von allem, um den tragenden Grund. Es geht um Gott, der in Beziehung tritt zu den Menschen. Es geht um Gott, der es hell werden lässt bei uns.
Er lässt es hell werden durch den Einen, von dem dieses Evangelium handelt. Für diesen Einen, für Jesus, hat das vierte Evangelium einen Ehrennamen: „Das Wort“ wird Jesus genannt.
Einer Gemeinde, die sich von vielen Seiten infrage gestellt sieht, wird gesagt: Gott kommt euch nahe. Jesus ist sein „Wort“. Einer Gemeinde, die mit Dunkel und Widerspruch zu tun hat, sagt der Evangelist: „Licht scheint in der Finsternis“ – es ist Gottes Licht, und das Licht hat den Namen Jesus.
Wer dieses Vorwort liest, es bedenkt, darüber nachsinnt, wird besser verstehen, tiefer erkennen, wer Jesus ist.
III. Zeuge sein
Alle vier Evangelien sind sich einig: Johannes der Täufer ist wichtig. Auch Matthäus, Markus und Lukas berichten von ihm, dem Wegbereiter Jesu. Er tauft am Jordan und ruft Menschen auf, dass sie zu Gott umkehren, Augen und Herzen öffnen für das Neue, das bevorsteht.
Johannes der Täufer ist wichtig. Das ist auch im vierten Evangelium zu hören. Aber das Johannesevangelium setzt einen besonderen Akzent: Wichtig ist der Täufer als Zeuge. Als Zeuge für Jesus.
Im Prolog, dem bedeutenden „Vorwort“ des vierten Evangeliums, heißt es knapp und klar: „Johannes zeugt von Jesus und ruft: Dieser war es.“
Zeugen sagen, was sie gesehen haben. Sie sagen es denen, die nicht selbst dabei waren. Ein Zeuge kann mit seiner Aussage auch bestätigen, wofür es bereits Gründe gibt, was schon feststeht. – So gibt ein Zeuge entweder überhaupt Auskunft oder er verhilft zur Gewissheit, bestärkt darin.
Johannes weist als Zeuge von sich weg. Von sich selber kann er absehen.
Und er fährt fort: „Nach mir wird kommen, der vor mir gewesen ist; denn er war eher als ich.“ Wie passt das zusammen, fragen wir. Und wir sollen so fragen, wir sollen innehalten. Der Prolog lässt schon den ganzen Weg Jesu anklingen. Der Täufer hält sich nicht an der Frage auf, wer ein halbes Jahr früher zur Welt gekommen ist. Auch nicht an der Frage, wer wen getauft hat: In Wahrheit ist Jesus der Erste. Das wird schon sozusagen im Vorwort des Evangeliums festgestellt.
Er war eher als ich. Johannes verweist auf den, der es mit Jesus hat hell werden lassen: auf den, der „im Anfang“ war. Die Bedrängten werden vergewissert: Ihr seid mit dem Ursprung verbunden. Von ihm her kommt euch Licht. In Jesus kommt das Wort vom Anfang zur Sprache. In ihm spricht Gott spricht die Fülle seiner Gnade und Treue zu. Das Leben gewinnt Glanz.
IV. Fülle als Wohltat
„Von seiner Fülle haben wir alle genommen Gnade um Gnade.“ Dieser Satz ist wie ein Edelstein. Vom Geben und Nehmen ist hier die Rede, von der Wohltat, mit Gnade beschenkt zu sein.
Nicht mehr Johannes spricht hier, sondern die Glaubenden. Es sprechen die, die Jesus aufnahmen, denen er das Recht verliehen hat, Kinder Gottes zu werden.
Sie sprechen als Menschen, die sich überreich beschenkt wissen. So wie Kinder, wenn sie mit leuchtenden Augen von ihren Geschenken erzählen. Ergriffen erzählen die Glaubenden von einer großen „Fülle“.
Erleben Sie auch manchmal „Fülle“? – Waren es erfüllte Stunden vor zwei Wochen oder zum Jahreswechsel? Oder war es vor allem viel und ein Vielerlei, was die Tage bestimmt hat? Es gibt ja auch eine Fülle, die uns überschwemmt. Wir sprechen von einer Fülle von Aufgaben oder von einer Fülle von Angeboten. Da musst du dann erst einmal durchatmen und sehen, wie du sie anpackst, wofür du dich entscheidest. Viele Menschen haben genau mit einer so verstandenen „Fülle“ ihre liebe Mühe.
Hier ist von einer anderen Fülle die Rede.
Jedes Wort aus dem Munde Jesu, jede Geste, die uns aus dem Evangelium entgegenkommt: ein Geschenk des Himmels. Eine Fülle, die uns nicht erdrückt. Sie wärmt wie Licht. Sie erfüllt uns mit der Zuversicht: Gott wendet sich auch dir freundlich zu.
„Von seiner Fülle haben wir alle genommen Gnade um Gnade.“ Hier geht keiner leer aus. Hier gibt es genug für jede. – Diese Fülle entspringt dem Reichtum Gottes. Diese Fülle tut wohl.
Denn uns begegnet in Jesus ein Gott, der uns gnädig ansieht, sich uns persönlich zuwendet. Das gibt einem Menschen Ansehen, das schenkt innere Schönheit. Und: Dieses Geschenk verbraucht sich nicht, wie sich die meisten Sachen verbrauchen. Denn dieses Geschenk ist ein Versprechen: „Ich bin da. Ich stehe zu dir. Ich werde mich ganz und gar für dich verwenden.“
V. Sehet, was hat Gott gegeben
Menschen sind von Anfang an bedürftige Wesen. Ins Leben findet ein Menschenkind nur, wenn ein anderer Mensch sorgt und gibt. Auch Gott gibt. Raum zum Leben gibt er und wieder Zeit, ein neues Jahr.
Und Gott gibt noch mehr! Er erwählt sich ein Volk, führt es in die Freiheit und gibt ihm Wegweisung. Wenn es heißt, „das Gesetz ist durch Mose gegeben“, dann ist Gott der Urheber und Mose der Vermittler. Auch die Tora ist eine Gabe Gottes. Wegweisung, Lebensordnung und gute Lehre empfängt Gottes Volk in ihr. Gott zeigt seine Treue bereits in der Tora. In Jesus stellt er sie noch einmal ins Licht.
Nicht der Gegensatz wird hier betont; es wird weiter gestaunt. In Jesus spricht uns Gott seine Gnade zu, spielt sie uns ins Herz.
Wir sind beschenkt, sagt der Prolog. Wir sind wertgeschätzt von höchster Stelle. Gottes treue Gnade und sein übergroßes Erbarmen – es widerfährt uns in Jesu Wort und Werk. In den Zeichen seiner Zuwendung. In seiner Liebe und Hingabe, in der er uns liebt bis ans Ende, bis an sein Ziel[1].
Gnädig und treu ist Gott nicht erst, seit Jesus gekommen ist! Die Pointe ist umgekehrt: Der Gott, den Israel schon als treu und verlässlich und als großen Erbarmer[2] erfahren hat: Jetzt ist er da. In Jesus erleben wir ihn, wie er ist.
VI. Jesus – das Bild Gottes
Jesus ist das Bild des treuen und erbarmenden Gottes. Keiner ist dem lebendigen Gott je näher gewesen als er. Der, den niemand sehen kann – hier ist von ihm zu hören! Niemand kann ihn sehen, doch Jesus ist sein Bild[3].
Jesus legt uns aus, wie Gott es mit uns meint. Er lässt uns in Gottes Herz sehen.
So endet der Prolog. Es folgt ein ganzes Evangelium. Einundzwanzig Kapitel mit dem einen Thema: Jesus Christus.
Tauchen wir im Laufe des neuen Jahres immer wieder ein in diese Fülle. Aus Gottes Fülle nehmen wir Gnade über Gnade.
Amen.
Barmherziger Gott,
in Jesus Christus hast du dein Licht aufgehen lassen
über aller Dunkelheit der Welt.
Lass unser Leben hell und klar werden in seinem Licht.
Segne diesen Gottesdienst.
Lass es heller werden in uns, unter uns, durch uns.
(nach: Gottesdienstbuch Württemberg 2004, S. 141)
Du einziger, gnädiger Gott,
wir danken dir für deinen Sohn Jesus Christus.
Er hat Licht in eine dunkle Welt gebracht,
Licht, das uns begleitet an jedem Tag.
Wir bitten dich für alle, in denen es noch dunkel ist:
Wecke Hoffnung in ihnen und sende ihnen Hilfe.
Wir bitten dich für die Menschen, die sich nach Liebe sehnen:
Lass sie Freunde finden, die zu ihnen stehen,
die ihnen helfen, mit neuer Kraft ihr Leben aufzubauen.
Treuer Gott, wir denken an diesem Tag besonders an die Menschen, die um einen Menschen trauern,
die in Sorge sind um ihre Angehörigen,
um den Frieden in der Welt.
Lass dein Erscheinen in der Welt zum Hoffnungslicht werden.
Bleib uns nahe.
Lass dein Licht auf Erden siegen.
Amen.
(nach: Gottesdienstbuch Württemberg 2004, S. 239f.)
Verfasser: Pfarrer Markus Granzow-Emden, Burckhardtstr. 75, 70374 Stuttgart, markus.granzow-emden(at)elkw.de
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Anmerkungen:
[1]Vgl. Joh 13,1
[2]Vgl. Jes 54,10
[3]Vgl. Kol 1,15
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Markgrafenstraße 14, 60487 Frankfurt/Main,
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