Gottes Weg ist nicht unbelastet
von Petra Assmann-Daum (Lollar)
Predigtdatum
:
11.03.2007
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
Reminiszere
Textstelle
:
Jeremia 20,7-11a.(11b-13)
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Wochenspruch:
Wer seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt zum Reich Gottes.
(Lukas 9, 62)
Psalm:
34 (EG 718)
Lesungen
Altes Testament:
1. Könige 19, 1 – 8 ( 9 – 13a)
Epistel:
Epheser 5, 1 – 8
Evangelium:
Lukas 9, 57 – 62
Liedvorschläge
Eingangslied:
EG 182, 1. 4 – 5
Suchet zuerst Gottes Reich in dieser Welt
Wochenlied:
EG 96
Du schöner Lebensbaum des Paradieses
Predigtlied:
EG 82
Wenn meine Sünd´mich kränken
Schlusslied:
EG 75
Ehre sei dir, Christi
"Ich schaff´s nicht mehr. Das geht über meine Kraft!" – sicher kennen manche von uns diese Erfahrung, wenn etwas zu viel geworden ist. Wenn ich die Grenze meines Leistungsvermögens spüre. Wenn mir alles über den Kopf wächst und ich all das nicht mehr schaffen kann, was ich tun soll. In meinem Beruf, in der Schule, in meiner Familie oder weil ich einfach älter werde…
Oder wenn ein Mensch mich enttäuscht und verletzt hat .Eine Ehe oder Lebensgemeinschaft zerbricht, und ich nicht weiß, wie ich das so anders gewordene Leben nun schaffen soll.
Auch in unserem Predigttext meldet sich ein Mensch zu Wort, dem alles zu viel wird:
(7) Herr, du hast mich überredet, und ich habe mich überreden lassen. Du bist mir zu stark gewesen und hast gewonnen; aber ich bin darüber täglich zum Spott geworden und jedermann verlacht mich.
(8) Denn sooft ich rede, muss ich schreien: „Frevel und Gewalt“ muss ich rufen. Denn des Herrn Wort ist mir zu Hohn und Spott geworden täglich.
(9) Da dachte ich: Ich will nicht mehr an ihn denken und nicht mehr in seinem Namen predigen. Aber es ward in meinem Herzen wie ein brennendes Feuer, in meinen Gebeinen verschlossen, dass ich´s nicht ertragen konnte. Ich wäre schier vergangen.
(10) Denn ich höre, wie viele heimlich reden: "Schrecken ist um und um! Verklagt ihn. Wir wollen ihn verklagen!" Alle meine Freunde und Gesellen lauern, ob ich nicht falle: "Vielleicht lässt er sich überlisten, dass wir ihm beikommen können und uns an ihm rächen."
(11) Aber der Herr ist bei mir wie ein starker Held, darum werden meine Verfolger fallen und nicht gewinnen. Sie müssen ganz zuschanden werden, weil es ihnen nicht gelingt. Ewig wird ihre Schande sein und nie vergessen werden.
(12) Und nun Herr Zebaoth, der du die Gerechten prüfst, Nieren und Herz durchschaust: lass mich deine Vergeltung an ihnen sehen, denn ich habe dir meine Sache anbefohlen. Singet dem Herrn, rühmet den Herrn, der des Armen Leben aus den Händen der Boshaften errettet.
Ein Text mit dichten Emotionen. Sie werden die Klagelieder Jeremias genannt. In ihnen macht sich der Prophet seinem Herzen Luft. Er spricht wie einer, der Rücksichten und Bedenken weit hinter sich gelassen hat. Es gibt nichts mehr zu verbergen.
Er ist schonungslos gegen seine Zeit, gegen sich selbst, gegen Gott. Er kann nicht mehr. Er will nicht mehr. Der Auftrag Gottes ist ihm zu schwer geworden. Er muss ein Leben führen, das nicht seines ist.
Damals, als Gott ihn in jungen Jahren rief, sagte er "Ich bin zu jung. Ich tauge nicht zu predigen". – und ging doch los mit der Zusage Gottes: "Fürchte dich nicht vor ihnen... Ich bin bei dir…Siehe, ich lege meine Worte in deinen Mund…"(Jer 1 )
40 Jahre lang verkündigte Jeremia mit dieser Zusage Gottes Wort – in einer bedrohlichen Zeit: Die Großmacht der Babylonier rückte immer näher. Die Könige und Oberen in Jerusalem hofften der Unterwerfung durch Bündnisse zu entgehen. Sie wähnten sich in falscher Sicherheit und sagten: "Wir haben den Tempel und damit Gott in unserer Mitte". Von Anfang an wurde Jeremia von Gott gesagt: "Du sollst ausreißen und einreißen, zerstören und verderben, bauen und pflanzen." (Jer 1)
Jeremia kann einem regelrecht leid tun. Im Namen Gottes immer und immer wieder Untergang und Gericht verkünden zu sollen. Es fällt nicht schwer, sich vorzustellen, wie sein Rufen und Warnen, seine Unheilsankündigungen aufgenommen werden: Er wird verhöhnt und verlacht, gefangen genommen und gefoltert. Selbst seine Freunde rücken von ihm ab.
Jetzt kann er nicht mehr und es bricht aus ihm heraus." Herr, du hast mich überredet und ich habe mich überreden lassen." Jeremia fasst den Entschluss: "Ich will nicht mehr in seinem Namen predigen." Es nützt doch nichts. Mein Volk hört nicht auf mich. Sie machen immer weiter –mit ihrer ganzen Gottlosigkeit. Da renne ich gegen eine Wand.
Liebe Gemeinde,
hier ringt ein Mensch in seiner ganzen Verzweiflung mit diesem riesigen Auftrag Gottes, der ihm zu schwer geworden ist.
Seine Klage ist eine bittere Anklage an Gott. Gott hat ihn überredet, hat ihn überführt wie ein Liebhaber sein Mädchen. So muss man das hebräische Wort an dieser Stelle übersetzen.
Jeremia wollte weder Prophet werden noch sein Leben lang Prophet bleiben. Er hat es nicht gewollt, immer wieder als das religiöse Gewissen unter seinen Zeitgenossen auftreten zu müssen. Und er hat es nicht gewollt, mit seiner Kritik ihren Hass zu provozieren. Er hat nicht zu dem werden wollen, den man mit Misstrauen und Verfolgung umgibt.
Ein Leben sozusagen – immer gegen den Strom. Das ist anstrengend und unbequem. Ich bin nicht Jeremia. Wir alle sind es nicht. Aber ein bisschen kann ich ihn verstehen. Dieses Gefühl des "Wenig-bewirken-könnens" im Pfarramt und in der Gemeinde. Dass man manchmal müde ist und leer und sich fragt: Wozu das alles, wenn es doch niemanden interessiert und nichts bewirkt. Jeremia ist gescheitert, und das Scheitern ist der erste Inhalt seiner Klagelieder.
Er hat keine Wahl. "Es ward in meinem Herzen wie brennendes Feuer, in meinen Gebeinen verschlossen, dass ich`s nicht ertragen konnte." Da gibt es kein Zurück. Gottes Wort brennt in ihm wie Feuer. Er muss reden, schreien, auch wenn ihn keiner hören will. Auch wenn er sich selbst dagegen aufbäumt. Er muss weiter reden, weiter leiden – an den Verhältnissen, an seinem Auftrag, an sich und damit vor allem an Gott. Von ihm kommt er nicht los.
Und ich sehe, wie Jeremia klagt und alles raus lässt, was sich in ihm an Gefühlen aufgestaut hat. Hier spricht nicht nur einer, der wie wir die bittere Erfahrung machen muss: "Ich schaff´s nicht mehr". Hier ringt ein Mensch zwischen Gehorsam und Verzweiflung um sein Leben.
Vor Gott muss er kein anderer sein als er ist. Und indem er das alles zu Gott hin schreien kann, verändern sich in ihm auch die Gefühle. Nicht nur die negativen, depressiven, die oft genug wie ein Sog nach unten ziehen, sind die dominierenden.
Erinnerungen werden wach an Zeiten, in denen alles begann. Wie in einer langjährigen Liebe, die zu Ende zu gehen schien, auf einmal wieder ein neues Brennen zu spüren ist.
Jeremia ist nicht am Ende. In seiner Verzweiflung taucht auf einmal dieses große "aber" auf: "Aber der Herr ist bei mir wie ein starker Held" Es ist schwer zu sagen, was dieses Aber möglich gemacht hat. Vielleicht erinnert sich Jeremia an das Versprechen Gottes am Anfang seiner Berufung: "Fürchte dich nicht. Ich bin bei dir!" Vielleicht konnte er in seiner Not auf die Gebetstradition seines Volkes zurückgreifen. Vielleicht waren sie ihm eine Hilfe, sich doch wieder Gott hin zu wenden.
Denn der Übergang ist überraschend - von der Klage zu neu geschenkter Gewissheit. Das erinnert an die Psalmen. Wie das "Dennoch des Glaubens" aus Psalm 73: "Dennoch bleibe ich stets an dir, denn du hältst mich bei meiner rechten Hand". Auch der 22. Psalm, der mit den Worten beginnt, die Jesus am Kreuz in seiner tiefsten Verzweiflung ausrief: "Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?" bricht durch zur Hoffnung und zum Lob Gottes (Ps 22,23).
Die Leidensgeschichte Jesu steht mir vor Augen und sein Ringen im Garten Gethsemane: "Vater, es ist dir alles möglich, nimm diesen Kelch von mir. Doch nicht wie ich will, sondern wie du willst." Und Jesus geht den Weg des Leidens bis zu seinem Tod am Kreuz. Im Wort vom Kreuz sind Leiden und Gewissheit, Verzweiflung und Vertrauen gemeinsam zur Sprache gekommen.
Sicher, liebe Gemeinde, sind unsere Erfahrungen nicht so ohne weiteres vergleichbar mit der Leidengeschichte Jesu oder den Erfahrungen des Jeremia. Und doch meine ich, dass wir etwas mit hinein nehmen dürfen in unser: "Ich schaff´s nicht mehr", in unser Zweifeln und unser Fragen. Wir dürfen, wenn wir von Leiden, Krankheit und Tod bedroht sind, wenn wir tief unten sind, klagen. Wie Jeremia sogar Gott anklagen. Selbst dann, wenn unser Klagen und Aufbegehren das Einzige ist, was uns noch mit Gott verbindet. Wenn wir ganz tief unten sind und leer. Vor Gott dürfen wir sein, wie wir sind. Vor ihm dürfen wir alles rauslassen, was uns zu viel und zu schwer wird.
Die Erfahrung, mit der Jeremia unseren Predigtext abschließt, dürfen wir allerdings dabei auch machen: Aber der Herr ist bei mir wie ein starker Held. Seine Stärke ist allerdings anders als wir manchmal erwarten. Und dennoch dürfen wir glauben, dass er mit uns zum Ziel kommt. Jeremia erfährt, dass sich die Zusagen Gottes auch in tiefster Not und Verzweiflung als tragfähig erweisen. Ja, dass Gott gegen allen Augenschein mit ihm geht. Er ihm vor Augen ist und ihn nicht verlässt.
Vielleicht helfen auch uns dann vertraute Worte, mit denen man beten kann. Ich habe das oft erlebt und kenne es von anderen. Warum nicht die Worte des 23.Psalms:"Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal, fürchte ich kein Unglück. Denn du bist bei mir."
Wie wichtig ist es, gerade in Krisen auf solche Mut machenden Texte zurückzugreifen. Auf Zeugnisse von Menschen, die trotz allem "Ich schaff´s nicht mehr!" von der Gewissheit leben, dass Gott dennoch mitgeht.
Viele Christen haben die Erfahrung gemacht, dass sie in ihrem Schreien zu Gott eine Veränderung erleben. Sie von der Klage durchbrechen zum Staunen über den Herrn, der uns spürbar zur Seite steht und uns hält. Amen.
Liedvorschläge:
452, 1-5 (Er weckt mich alle Morgen)
382,1-3 (Ich steh vor dir mit leeren Händen
96,1-6 (Du schöner Lebensbaum des Paradieses)
590,1-3 (Herr, wir bitten, komm und segne uns)
Pfarrerin Petra Assmann-Daum, Daubringerstr.55
35457 Lollar
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Pfarrer Thomas Borchers
Missionarisch-Ökumenischer Dienst
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