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Gottes Wort durchdringt alles.

von Peter Fleckenstein (55218 Ingelheim)

Predigtdatum : 20.02.2022
Lesereihe : IV
Predigttag im Kirchenjahr : Sexagesimae
Textstelle : Hebräer 4,12-13
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Wochenspruch: Heute, wenn ihr seine Stimme hören werdet, verstockt eure Herzen nicht. (Hebräer 3,15)

Psalm: 119,89-92.103-105.116

Lesungen

Reihe I: Apostelgeschichte 16,9-15
Reihe II: Hesekiel 2,1-5(6-7)8-10;3,1-3
Reihe III: Lukas 8,4-8(9-15)
Reihe IV: Hebräer 4,12-13
Reihe V: Jesaja 55,(6-7)8-12a
Reihe VI: Markus 4,26-29

Liedvorschläge

Eingangslied: EG 454,1-6 Auf und macht die Herzen weit
Wochenlied: EG 196,1.2.5 Herr, für dein Wort sei hoch gepreist
Predigtlied: EG 572 Gottes Wort ist wie Licht
Schlusslied: EG 171,1-4 Bewahre uns, Gott

Predigttext: Hebräer 4,12-13

12 Denn das Wort Gottes ist lebendig und kräftig und schärfer als jedes zweischneidige Schwert und dringt durch, bis es scheidet Seele und Geist, auch Mark und Bein, und ist ein Richter der Gedanken und Sinne des Herzens.
13 Und kein Geschöpf ist vor ihm verborgen, sondern es ist alles bloß und aufgedeckt vor den Augen dessen, dem wir Rechenschaft geben müssen.

Predigt

Ein Döner bitte!
Und wie?

Mit allem!

Der Mann an der Imbiss Bude beginnt, den Brotfladen mit allem zu füllen, was sich in den Schüsseln vor ihm befindet:  Fleisch, Gurken, Tomaten, Krautsalat, Zwiebeln, Knoblauchsoße. Dann wird er von dem Kunden gestoppt: „Mit allem, aber ohne scharf!

Ein Dialog, liebe Gemeinde, wie er täglich tausendfach an Imbissbuden stattfindet.

„Ohne scharf“ heißt ohne Chilipulver.

Und so, „ohne  scharf“ hätten viele auch die Religion, auch den christlichen Glauben.

Religion mit allem, mit schönen Gebäuden, mit ansprechender Musik, mit Gefühl, Trost,

mit Stille und der Chance, zu mir selbst zu kommen.

Mit allem, aber „ohne scharf!“

Eine angenehme, nette Religion, nur scharf soll sie nicht sein.

Der Predigttext für den heutigen Sonntag behauptet genau das Gegenteil.

Ich lese aus dem Hebräerbrief Kapitel 4 die Verse 12+13:

Gottes Wort, schärfer als ein zweischneidiges Schwert. Eins starkes Bild, das mich zugleich erschreckt. Wo sind wir hier gelandet?

Im Krieg, bei einer handfesten Auseinandersetzung, dass bald die Fetzen fliegen?

Auf dem Schlachthof, wo Mark und Bein zersägt werden?

In einem Operationssaal, wo das kranke Gewebe vom gesunden getrennt wird, in der Hoffnung, dass alles wieder gut wird? 

Die Sache mit dem Glauben ist nicht ohne, nicht einfach nur nett, bequem und ungefährlich.

Gottes Wort kann scharf sein, schneiden, verletzen und trennen.

Viele Pfarrerinnen und  Pfarrer reden nicht gerne davon. Sie betonen eher das Tröstliche,

Warmherzige, Freundliche.
Und viele wollen ja auch gar nichts anderes hören.

Das muss nicht sein, das mit dem scharfen, schonungslosen Blick.

Dass Gott alles sieht, dass niemand und nichts vor ihm verborgen ist.

Dass alles in meinem Leben vor seinen  Augen offen liegt.

Mit so einem  Gott wurde Menschen Angst gemacht. „Der liebe Gott sieht alles.“

Tilmann Moser hat in seinen autobiographischen Notizen beschrieben, wie ihm das als Kind zusetzte und zu schaffen gemacht  hat: „Wenn ich meine Hose beim Spielen zerrissen hatte, wenn ich Mädchen an den Haaren zog, mir an den Pimmel fasste, anderen Jungs ein Bein stellte oder im hohen Bogen an eine Wand pinkelte.“ „Gott sieht alles.“ Er schaut auch unter die Bettdecke.

Zu Recht wurde diese Pädagogik kritisiert und stattdessen in den letzten Jahrzehnten das Tröstliche und Warmherzige, die Freundlichkeit Gottes hervorgehoben.

„Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist!“ ruft uns Jesus in der Jahreslosung zu.

Gott hat ein weites Herz, so seine Botschaft.  Gott ist verständnisvoll und jederzeit bereit, zu vergeben, unsere Fehler zu verzeihen. Ein neuer Anfang ist möglich.

„Gottes Wort ist lebendig“, heißt es in unserem Abschnitt aus dem Hebräerbrief.

Und es ist kräftig. Einmal ausgesprochen, entfaltet es seine Wirkung.

Worte können befreien und aufrichten. „Du schaffst das schon. Keine Panik!“

Worte können tief in uns eindringen, uns ermutigen und bewegen. „Ich finde dich klasse!“

Eine Liebeserklärung stellt mein Leben auf den Kopf und verzaubert die Welt.

Manche Worte werden lange herbei gesehnt und verändern alles, wenn sie endlich ausgesprochen werden. Worte entfalten ihre Wirkung.

Gottes Wort geschieht, wirkt, tut, was es verspricht.

Gott sprach: „Es werde Licht! Und es ward Licht.“

Gott sprach: „Die Erde lasse Gras und Kraut aufgehen!“ Und es geschah so.

Gott spricht und eröffnet mit seinem Wort Leben.

In Gottes Namen sagt Jesus zu dem Taubstumme „Hephata!- Tu dich auf!“

Und er hört und findet Worte.

Gottes Wort ist lebendig. Es schafft Leben, eröffnet Zukunft.

Es macht Mut, fordert heraus, muntert auf, gibt Halt.

Ist Gott also ausschließlich lieb?

Ein Mann ist auf dem Weg von seiner Arbeit nach Hause.

Da kommt ihm ein Pitbull Terrier entgegen, ein muskulöser Hund mit fletschenden Zähnen.

Der Mann denkt panisch: „Hoffentlich lässt der mich in Ruhe.“

Sein Herrchen ruft ihm beruhigend zu:  „Der ist lieb. Der tut nichts.“

Lieb sein heißt also oft nichts anderes als nichts tun.

Der liebe Gott ist lieb, weil er nichts tut.

Die Bibel redet jedoch von Gottes Liebe, nicht vom lieben Gott.

Gottes Liebe, sein grundsätzliches Ja zu uns Menschen, kann uns auch als Nein begegnen, uns mit ganzer Schärfe treffen und herausfordern.

Die Propheten sagen zum Beispiel in Gottes Namen Nein zur Unterdrückung der Armen.

Sie kritisieren Wucher und Geldgier. Sie entlarven religiösen Kult, der zum sozialen Unrecht schweigt, mit dem kein entsprechendes Handeln verbunden ist.

Gottes Wort ist nicht immer lieb, im Sinne von: es tut nichts.

Gottes Wort kann uns treffen, kann durch Mark und Bein, kann uns an die Nieren gehen.

Gott sieht genau hin, weiß, was bei uns los ist, auch wenn wir meinen, vieles überspielen und  verheimlichen zu können. Gott sieht und schweigt nicht dazu.

Gottes Wort ist lebendig und kräftig und scharf.

Es stellt in Frage, deckt auf, was unbequem und peinlich ist, was uns daneben ging, was so nicht sein soll und sein darf. Gott bringt zur Sprache, was gesagt werden muss.

Gott wagt das offene Wort, auch wenn es weh tut.

Das wollen wir nicht unbedingt hören. Dem gehen wir lieber aus dem Weg.

Gottes Wort ist nicht nur Zuspruch und Ermutigung, Trost und Halt.

Scharf ist es gelegentlich und sehr direkt, ausgesprochen offen.

Das ist Hoffnung für alle, die unter Gewalt leiden, die sich selbst nicht wehren können, denen im Leben übel mitgespielt wird. Unrecht und Missachtung, Hass und Gewalt werden nicht einfach hingenommen. Gott will klare Verhältnisse schaffen. Er will zurecht bringen, was aus der Spur geraten ist, damit das Urteil vom Anfang erneut gilt: „Siehe es war sehr gut.“

Ein Obstbauer besaß eine ansehnliche Apfelplantage. Zur Zeit der Ernte nimmt er sie in Augenschein und freut sich auf die zu erwartenden Früchte. Doch wann immer er auf sein Land hinausgeht, muss er feststellen, dass die schönsten Äpfel, die er gestern noch am Baum sah, geklaut wurden. In seiner Not wendet er eine List an. Er schreibt auf ein Schild „Gott sieht alles” und hängt es in einen Apfelbaum. Als er am nächsten Morgen wieder auf die Plantage kommt, um zu sehen, ob seine Drohung gewirkt hat, findet er auf dem Schild folgenden Zusatz: „Gott sieht alles. Aber er verrät uns nicht.”

„Es liegt alles nackt und aufgedeckt vor den Augen Gottes,” heißt es im Hebräerbrief.

Positiv verstanden heißt das doch: Gott sieht alles und erträgt alles.

Gott, hält das aus, hinzusehen, auf unsere Nöte, auf unser Versagen, auf  unsere kleinen und großen Bosheiten. Er allein hält es aus, alles zu sehen und alles zu wissen. All das Böse und Gemeine, das auf dieser Erde geschieht, das Menschen einander antun: Machtkämpfe und Kriegsnöte, Geschäfte mit Waffen, eine ausgebeutete Erde, die verschmutzen Meere, die verpestete Luft. Aber auch all das unsägliche Leid, Krankheit, Armut, Hunger.

Gott ist fähig, das zu sehen und zu ertragen, ohne in der Art des großen Bruders, des allmächtigen Kontrolleurs darauf zu reagieren: ohne es zu verdrängen, ohne davor zu fliehen, ohne abzuschalten oder wegzusehen. Gott ist darin Gott, dass er  sieht und aushält, trägt und nicht schweigt.

Vielleicht erinnern Sie sich an die Geschichte vom Anfang, im Garten Eden, die Geschichte von Adam und Eva. Alles war in Ordnung. Sie hatten ausreichend Raum zum Leben. Sie hatten alles, was zum Leben nötig ist. Sie hatten einander. Und sie hatten ein Gebot: Von allen Früchten im Garten durften sie nehmen. Nur nicht von dem einen, in der Mitte des Gartens. Der war tabu.

Doch sie wollten sein wie Gott. Sie wollten unterscheiden können zwischen gut und böse. Sie wollten ewig leben. Sie wollten unabhängig sein, selbst entscheiden und selbst handeln.

Kaum hatten sie von der Frucht dieses Baumes gekostet, erkannten sie sich selbst, ihre Blöße.

Sie erkannten, dass sie nackt sind, dass nichts verborgen bleiben würde. Und sie schämten sich. Und versteckten sich.

Wie reagiert Gott? Er sucht sie auf, geht ihnen nach und stellt sie zur Rede.

Er nennt das Unrecht beim Namen. Gott beschönigt nichts. Gott sagt, was gesagt werden muss, kräftig und scharf, offen und direkt.

Die Wahrheit muss ans Licht, ganz und gar, schonungslos.

Und die Menschen müssen die Konsequenzen ihres Handelns tragen. Mühsam wird ihr Leben in Zukunft sein, beschwerlich, schweißtreibend und begrenzt. Doch am Ende der Geschichte heißt es: Gott machte Adam und Eva Kleider aus Fellen und zog sie an. Gott bedeckt die Nacktheit der ungehorsamen Menschen.

„Es liegt alles nackt und aufgedeckt vor seinen Augen”.

Weil nur Gott alles ertragen kann, ohne sich in seiner Gottheit bedroht zu fühlen, deshalb darf auch nur er allein  alles sehen und wissen. Niemand darf sich anmaßen, so zu sein wie er. 

„Ihr werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse ist”, hat die Schlange den Menschen im Paradies eingeredet. „Ihr werdet wissen, wer gut und böse ist”, lockt sie heute.

Doch nur Gott weiß alles und nur Gott soll alles wissen wollen.

„Es liegt alles nackt und aufgedeckt vor seinen Augen”.

Das bedeutet schließlich: Nur Gott hat das Recht und die Macht, jeden unter seiner Verkleidung und Verhüllung so zu sehen, wie er oder sie wirklich ist.

Für jeden von uns ist es eine wichtige Etappe in seinem Leben, wenn er zu entscheiden beginnt, wem er sich nackt zeigt und wem nicht. 

Aber die wirkliche Nacktheit unseres Wesens ertragen wir selbst kaum.

Nur vor der unendlichen Liebe brauchen wir uns in keiner Hinsicht zu schämen.

Vor Gott müssen wir uns nicht verstecken. Gott sieht uns, wie wir wirklich sind, mit unseren hellen und unseren dunklen Seiten. Und er schweigt nicht dazu.

Der Kern allen Lebens ist Wort, Anrede, Zuspruch und Anspruch.

Gott sieht, mehr als uns lieb ist und sagt, was gesagt werden muss, scharf und direkt.

Damit wir leben können, trotz allem.

Also machen Sie sich schon mal frei, für Gottes Wort.

Amen.

Und der Friede Gottes, der alle menschliche Vernunft übersteigt, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Verfasser: Pfarrer Peter Fleckenstein


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